BGH Beschluss v. - I ZB 35/06

Leitsatz

[1] Der einzige Vorstand eines eingetragenen Vereins, der sein Amt erst nach der Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung niedergelegt hat, ohne dass ein neuer gesetzlicher Vertreter bestellt worden ist, bleibt verpflichtet, für den Verein die eidesstattliche Versicherung abzugeben, wenn die Berufung auf die Amtsniederlegung rechtsmissbräuchlich wäre.

Gesetze: ZPO § 807

Instanzenzug: AG Pirmasens 1 M 405/06 vom LG Zweibrücken 4 T 39/06 vom

Gründe

A. Der Schuldner und Rechtsbeschwerdeführer zu 1 ist ein eingetragener Verein. Er hat bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks durch Beschluss des Amtsgerichts Straubing vom den Zuschlag erhalten, das Bargebot aber nicht berichtigt. Die Gläubigerin betreibt gegen ihn aus einer vollstreckbaren Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses die Zwangsvollstreckung, die bisher erfolglos geblieben ist.

In den auf Antrag der Gläubigerin bestimmten Terminen zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom und legte der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 als einziger gesetzlicher Vertreter des Schuldners jeweils Widerspruch ein und bestritt die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Das Amtsgericht Pirmasens hat den Widerspruch vom durch rechtskräftigen Beschluss vom als unbegründet zurückgewiesen. Auch den Widerspruch vom hat das Amtsgericht am als unbegründet zurückgewiesen; zugleich hat es die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor Eintritt der Rechtskraft angeordnet. Im Termin vom , zu dem er am geladen worden war, verweigerte der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung für den Schuldner mit der Behauptung, er habe sein Amt als Vorstand am niedergelegt.

Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht Pirmasens am gegen den Schuldner, vertreten durch den Rechtsbeschwerdeführer zu 2, Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erlassen. In der Begründung des Beschlusses hat es den - nunmehr dritten - Widerspruch des Rechtsbeschwerdeführers zu 2 als rechtsmissbräuchlich bezeichnet. Der sofortigen Beschwerde des Schuldners gegen den Haftbefehl hat das Amtsgericht nicht abgeholfen.

Am hat der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 eine eidesstattliche Versicherung abgegeben mit der Erklärung: "Ich habe am das Vorstandsamt niedergelegt und danach die Unterlagen abgegeben. Angaben kann ich daher nur aus dem Gedächtnis machen und für deren Richtigkeit infolgedessen keinerlei Gewähr übernehmen."

Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde gegen den Haftbefehl zurückgewiesen.

Mit ihren vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerden begehren die Rechtsbeschwerdeführer weiterhin die Aufhebung des Haftbefehls vom .

B. Die Rechtsbeschwerden haben keinen Erfolg.

I. Die Rechtsbeschwerden sind gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 ist durch den angefochtenen Beschluss beschwert, weil ihn der Haftbefehl vom als gesetzlichen Vertreter des Schuldners und damit als Offenbarungspflichtigen benennt (vgl. OLG Köln Rpfleger 1976, 323; OLG Frankfurt a.M. BB 1976, 1147; OLG Hamm WM 1984, 1343, 1344; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 901 Rdn. 17).

II. Die Rechtsbeschwerden sind jedoch nicht begründet.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls seien gegeben. Als ehemaliger gesetzlicher Vertreter des Schuldners habe der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 die eidesstattliche Versicherung abzugeben, auch wenn er sein Amt als Vorstand des Schuldners wirksam am niedergelegt haben sollte. Für einen eingetragenen Verein sei allerdings grundsätzlich der gegenwärtige gesetzliche Vertreter offenbarungspflichtig. Dies gelte auch dann, wenn der Vorstand nach Zustellung der Ladung zum Offenbarungstermin sein Amt niederlege, ohne dass ein neuer Vorstand bestellt werde. Es lasse sich auch nicht feststellen, dass der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 sein Amt nur niedergelegt habe, um sich der Offenbarungspflicht zu entziehen oder die Offenbarung des freien Vermögens zu verhindern. Der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 habe angegeben, er habe sein Amt niedergelegt, weil er von D. (dem Sitz des Schuldners) wegen "neuer beruflicher Perspektiven in Leipzig" dauerhaft wegziehe. Ob die Amtsniederlegung unter diesen Umständen treuwidrig sei, könne aber offen bleiben. Der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 sei jedenfalls deshalb zur eidesstattlichen Versicherung verpflichtet, weil er lange Jahre und noch bis vor Kurzem der einzige Vorstand des Schuldners gewesen sei. Schon aus tatsächlichen Gründen sei nur er als letzter Vorstand in der Lage, die notwendigen Angaben über den Vermögensstand des Schuldners zu machen. Ebenso wie ein Notvorstand wäre der neu gewählte Vorstand auf Informationen durch den vormaligen Vorstand angewiesen. Das Fehlen der Vertretungsmacht hindere den Rechtsbeschwerdeführer zu 2 nicht daran, die eidesstattliche Versicherung für den Schuldner abzugeben, weil diese keine Willens-, sondern eine Wissenserklärung sei.

Der Rechtsbeschwerdeführer 2 habe am die eidesstattliche Versicherung nur unter Vorbehalt abgegeben. Dies sei unzureichend, weil er dabei nicht die Gewähr für die Richtigkeit der im Vermögensverzeichnis gemachten Angaben übernommen habe.

2. Das Beschwerdegericht hat den angefochtenen Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Ergebnis zu Recht aufrechterhalten.

a) Für eine juristische Person ist die eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO durch ihren gesetzlichen Vertreter abzugeben, bei einem eingetragenen Verein demgemäß durch ihren Vorstand (§ 26 BGB). Wer gesetzlicher Vertreter des Schuldners ist, muss von Amts wegen geklärt werden, weil es sich dabei um eine Frage der ordnungsgemäßen Vertretung des Schuldners handelt (vgl. OLG Hamm WM 1984, 1343, 1344; Stein/Jonas/Münzberg aaO § 807 Rdn. 51).

aa) Für die Beurteilung der Frage, wer für eine juristische Person als ihr gesetzlicher Vertreter offenbarungspflichtig ist, kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Termins zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung an (nunmehr allg. M.; vgl. z.B. KG ZIP 1996, 289, 290; OLG Köln Rpfleger 2000, 399, jeweils m.w.N.). Dies hat seinen Grund darin, dass nur derjenige, der eine juristische Person vertritt, für diese rechtsverbindliche Erklärungen abgeben kann. Eine eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO ist zwar keine Willens-, sondern eine Wissenserklärung (vgl. OLG Frankfurt a.M. Rpfleger 1982, 290, 291; KG NJW-RR 1991, 933, 934; Kirberger, Rpfleger 1975, 341, 344); sie entfaltet aber wie eine Willenserklärung Rechtswirkungen für den Schuldner, da dieser nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 915 ZPO in das Schuldnerverzeichnis einzutragen ist (vgl. Stein/Jonas/Münzberg aaO § 807 Rdn. 53 Fn. 332). Die Stellung als gesetzlicher Vertreter ist auch deshalb maßgeblich, weil die Offenbarungspflicht gegebenenfalls durch Freiheitsentziehung auf der Grundlage eines Haftbefehls durchgesetzt werden kann.

bb) Im vorliegenden Fall ist mit dem Beschwerdegericht das Vorbringen der Rechtsbeschwerdeführer zu unterstellen, dass der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 sein Amt als Vorstand des Schuldners bereits am niedergelegt hat. Die Amtsniederlegung beendet das organschaftliche Rechtsverhältnis mit sofortiger Wirkung (vgl. MünchKomm.BGB/Reuter, 4. Aufl., § 27 Rdn. 33). Es ist davon auszugehen, dass der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 seine Erklärung nicht nur zum Schein abgegeben hat und diese deshalb nicht gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtig ist.

cc) Die Offenbarungspflicht des Rechtsbeschwerdeführers zu 2 besteht jedoch fort, weil die Rechtsbeschwerdeführer gegen das im gesamten Verfahrensrecht geltende Gebot von Treu und Glauben (vgl. , WM 1978, 847, 849) verstoßen, wenn sie sich im vorliegenden Zwangsvollstreckungsverfahren auf die Amtsniederlegung des Rechtsbeschwerdeführers zu 2 berufen. Dies kann der Senat auf der Grundlage des feststehenden Sachverhalts selbst beurteilen.

In der Rechtsprechung und Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, dass der einzige gesetzliche Vertreter einer juristischen Person jedenfalls dann offenbarungspflichtig bleibe, wenn er sein Amt erst nach der Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung niedergelegt habe und kein neuer gesetzlicher Vertreter bestellt worden sei (vgl. - für eine GmbH - LG Bochum Rpfleger 2001, 442, 443; AG Burgdorf DGVZ 1980, 45; Putzo in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 807 Rdn. 15; vgl. auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 807 Rdn. 57; Hk-ZPO/Kemper, § 807 Rdn. 34). Dazu wird ausgeführt, eine juristische Person brauche einen gesetzlichen Vertreter und dürfe deshalb nicht ohne rechtfertigenden Grund handlungsunfähig gemacht werden. Bei einem eingetragenen Verein könne zwar in dringenden Fällen gemäß § 29 BGB ein Notvorstand bestellt werden; eine solche Notlage dürfe jedoch nicht ohne wichtigen Grund herbeigeführt werden (vgl. LG Bochum Rpfleger 2001, 442, 443). Nach einer anderen Ansicht besteht bei einer Amtsniederlegung nach der Ladung zum Termin jedenfalls eine Vermutung rechtsmissbräuchlichen Handelns (vgl. Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 807 ZPO Rdn. 21 m.w.N.; Musielak/Becker, ZPO, 4. Aufl., § 807 Rdn. 9) oder ein Beweis des ersten Anscheins für ein solches Verhalten (vgl. MünchKomm.ZPO/Eickmann, 2. Aufl., § 807 Rdn. 35; a.A. - erforderlich seien positive Feststellungen - OLG Bamberg DGVZ 1998, 75; LG Bonn DGVZ 1989, 920; LG Bochum DGVZ 2002, 22, 23; E. Schneider, MDR 1983, 724, 726).

Diese Fragen können hier jedoch offen bleiben, weil sich aus dem feststehenden Sachverhalt ergibt, dass die Amtsniederlegung, soweit es um die Offenbarungspflicht und die Verfahrensvertretung des Rechtsbeschwerdeführers zu 1 (insoweit bis zur Bestellung des neuen Vorstands) geht, unbeachtlich ist, weil die Berufung darauf rechtsmissbräuchlich wäre. Dies gilt unabhängig davon, ob der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 sein Amt allein zu dem Zweck niedergelegt hat, sich der Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu entziehen (zu einem solchen Fall vgl. OLG Hamm Rpfleger 1985, 121; OLG Bamberg DGVZ 1998, 75; OLG Köln Rpfleger 2000, 399 m.w.N.).

Der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 hat sein Amt nach den eigenen Angaben der Rechtsbeschwerdeführer erst nach der Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgegeben, ohne dass ein Nachfolger bestellt wurde. Die Rechtsbeschwerdeführer tragen dazu lediglich vor, der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 habe damals die - im Übrigen später nicht verwirklichte - Absicht gehabt, aus beruflichen Gründen aus D. , wo der Schuldner seinen Sitz hat, wegzuziehen. Zuvor war der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 bereits zu Terminen am und am zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen worden. Die von ihm in diesen Terminen für den Rechtsbeschwerdeführer zu 1 eingelegten Widersprüche waren jeweils als unbegründet zurückgewiesen worden. Unter diesen Umständen ist die Amtsniederlegung unmittelbar vor dem Termin vom im Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 wird durch die Offenbarungspflicht - auch mit Rücksicht auf das berechtigte Interesse der Gläubigerin an einer zeitnahen Vollstreckung - nicht unbillig belastet. Es wird von ihm nur verlangt, seine Angaben nach bestem Wissen und vollständig zu machen.

Der Rechtsmissbrauch des Rechtsbeschwerdeführers zu 2, dessen Verhalten sich der Rechtsbeschwerdeführer zu 1 zurechnen lassen muss, hat zur Folge, dass die Gläubigerin den Rechtsbeschwerdeführer zu 2 im Zwangsvollstreckungsverfahren weiterhin als Offenbarungspflichtigen in Anspruch nehmen kann (vgl. dazu auch LG Düsseldorf JurBüro 1988, 1580). Der Umstand, dass nach Erlass des Haftbefehls am für den Schuldner ein neuer Vorstand bestellt worden ist, steht dem nicht entgegen (vgl. dazu auch OLG Stuttgart MDR 1984, 238, 239).

b) Die Offenbarungspflicht ist noch nicht erfüllt. Nach § 807 Abs. 3 ZPO hat der Schuldner zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, dass er die von ihm verlangten Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht habe. Eine solche eidesstattliche Versicherung hat der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 am nicht abgegeben. Der vom Gesetz vorgeschriebene Wortlaut der eidesstattlichen Versicherung ist zwingend. Der Offenbarungspflichtige muss allerdings seine Zweifel und ihre Gründe im Vermögensverzeichnis darlegen, wenn er sich nicht der Gefahr einer falschen eidesstattlichen Versicherung aussetzen will (vgl. BGHSt 7, 375, 378).

C. Die Rechtsbeschwerden waren daher auf Kosten der Rechtsbeschwerdeführer zurückzuweisen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 185 Nr. 3
WM 2007 S. 80 Nr. 2
FAAAC-31271

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja