BGH Beschluss v. - XI ZB 20/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 128 Abs. 4; ZPO § 234 Abs. 1; ZPO § 236 Abs. 2 Satz 1; ZPO § 279 Abs. 3; ZPO § 520 Abs. 2; ZPO § 574 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I.

Mit ist die Klage der Kläger abgewiesen worden. Dieses Urteil ist dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger ausweislich des auf dem Empfangsbekenntnis angebrachten Eingangsstempels am zugestellt worden. Am , einem Montag, legten die Kläger gegen das Urteil, "zugegangen am ", Berufung ein. Am bat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger, die Frist zur Begründung der Berufung um einen Monat zu verlängern. Dieser Antrag wurde durch gerichtliche Verfügung vom gleichen Tage zurückgewiesen, weil er erst nach Ablauf der Frist eingegangen sei. Zugleich wurde auf die Absicht des Senats hingewiesen, die Berufung zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO begründet worden sei.

Am begründeten die Kläger ihre Berufung und beantragten zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Zur Begründung dieses Antrags trugen sie vor, das angefochtene Urteil sei tatsächlich erst am zugestellt worden. Auf ihm habe die Kanzleivorsteherin versehentlich den Eingangsstempel vom angebracht. Das sei von ihr und dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger auf der Rückseite des Urteils vermerkt worden. Die Anweisung des Prozeßbevollmächtigten der Kläger, auf dem Empfangsbekenntnis auf das Versehen des unzutreffenden Eingangsstempels hinzuweisen, sei nicht ausgeführt worden. Zur Glaubhaftmachung legten die Kläger unter anderem eidesstattliche Versicherungen ihres Prozeßbevollmächtigten und der Kanzleivorsteherin sowie eine Kopie des auf der Rückseite des Urteils angebrachten Vermerks über die Berichtigung des Eingangsdatums vor.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet zurückgewiesen und die Berufung der Kläger als unzulässig verworfen. Die Berufungsbegründungsfrist sei durch ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten der Kläger versäumt worden, das diese sich zurechnen lassen müßten. Er habe sich nicht darauf verlassen dürfen, daß seinem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist stattgegeben werde. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Kläger den Antrag auf Verlängerung dieser Frist rechtzeitig, nämlich vor ihrem Ablauf, gestellt hätten und darauf hätten vertrauen dürfen, daß die beantragte Fristverlängerung bewilligt werde. Die Kläger hätten jedoch nicht hinreichend dargetan, daß der Fristverlängerungsantrag rechtzeitig gestellt worden sei. Das Empfangsbekenntnis mit dem Zustellungsdatum erbringe Beweis auch für den Zeitpunkt der Zustellung. Den Beweis der Unrichtigkeit der im Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben hätten die Kläger nicht erbracht. Ihrem Vortrag und den dazu vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen lasse sich nicht entnehmen, daß auch das Empfangsbekenntnis, das gleichfalls den als Zustellungsdatum nenne, falsch gestempelt worden sei. Zudem fehle es an einer Erklärung dafür, warum auch in der Berufungsschrift angegeben worden sei, das Urteil des Landgerichts sei am zugegangen.

Auch wenn man das Vorbringen der Kläger zum Zeitpunkt des Zugangs des angefochtenen Urteils als richtig unterstelle, hätten sie nicht darauf vertrauen dürfen, daß dem Fristverlängerungsantrag stattgegeben werde. Ihr Prozeßbevollmächtigter habe sich bei Anwendung der gehörigen Sorgfalt nicht darauf beschränken dürfen, einen Vermerk über das zutreffende Eingangsdatum auf der Rückseite des ersten Blattes der Urteilsabschrift anzubringen und die Kanzleivorsteherin anzuweisen, bei Übermittlung des Empfangsbekenntnisses an das Landgericht auf die Unrichtigkeit des Eingangsstempels auf dem Urteil hinzuweisen. Er habe vielmehr für einen auf den ersten Blick sichtbaren, deutlichen Vermerk über das unrichtige Eingangsdatum sorgen müssen. Dann wäre die Angabe eines angeblich unzutreffenden Zustellungsdatums in der Berufungsschrift vermieden worden.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 und § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluß gewahrt sein müssen (BGHZ 151, 42, 43; 151, 221, 223; 155, 21, 22; BGH, Beschlüsse vom - VI ZB 10/03, NJW 2003, 2991 und vom - XI ZB 39/03, WM 2004, 1407, 1408), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Kläger ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfortbildung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) geboten.

Eine höchstrichterliche Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts nur dann erforderlich, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (BGHZ 151, 221, 225 m.w.Nachw.). Das ist hier nicht der Fall, da die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich ist.

Die Rechtsbeschwerde macht geltend, die Kläger hätten auf den gebotenen Hinweis des Berufungsgerichts, daß die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen zu seiner Überzeugungsbildung nicht ausreichten, beantragt, in einer anzuberaumenden mündlichen Verhandlung über die Zulässigkeit ihrer Berufung Zeugenbeweis über den Zustellungszeitpunkt des angefochtenen Urteils zu erheben. Dem steht nicht bereits entgegen, daß für die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels, auch soweit es um die Rechtzeitigkeit der Einlegung und in diesem Rahmen um die Entkräftung des aus einem Empfangsbekenntnis ersichtlichen Zustellungsdatums geht, der sogenannte Freibeweis gilt (BGH, Beschlüsse vom - VI ZB 30/99, NJW 2000, 814 und vom - XII ZB 110/00, NJW-RR 2001, 280 jeweils m.w.Nachw.). Reichen im Wege des Freibeweises zu berücksichtigende eidesstattliche Versicherungen nicht aus, um den zur Feststellung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels erforderlichen vollen Beweis zur Überzeugung des Gerichts zu erbringen, so muß auf die Vernehmung der Beweispersonen als Zeugen oder auf andere Beweismittel zurückgegriffen werden (BGH, Beschlüsse vom - V ZB 10/97, NJW 1997, 3319, 3320 und vom - VI ZB 30/99 aaO).

Die Rechtsbeschwerde verkennt indes, daß für die Prüfung der Zulässigkeit der Berufung eine Sachverhaltsaufklärung nicht erforderlich war. Zutreffend führt das Berufungsgericht diesbezüglich aus, es sei insoweit ohne Belang, ob das Urteil dem Prozeßbevollmächtigen der Kläger am 15. oder am zugestellt worden sei, da die Berufungsbegründung auch am nicht beim Oberlandesgericht eingegangen sei.

Die Frage, ob der Prozeßbevollmächtigte der Kläger noch vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist einen Antrag auf deren Verlängerung gestellt hat, ist von rechtlicher Bedeutung lediglich dafür, ob den Klägern Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren ist (vgl. BGHZ 116, 377, 378; BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 1/83, NJW 1983, 1741, vom - VII ZB 17/94, NJW-RR 1996, 245 und vom - III ZB 31/97, BGHR ZPO § 233 Fristverlängerung 16). Die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen sind gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft zu machen. Zwar kommt als Mittel der Glaubhaftmachung grundsätzlich auch der Zeugenbeweis in Betracht (§ 294 Abs. 1 ZPO), eine Zeugenvernehmung findet jedoch dann nicht statt, wenn eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt wird. Von einer mündlichen Verhandlung hat das Berufungsgericht - wie in Fällen wie hier üblich - gemäß § 128 Abs. 4 ZPO verfahrensfehlerfrei abgesehen und über den Wiedereinsetzungsantrag sowie die Verwerfung der Berufung in zulässiger Weise (§ 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO) im Beschlußwege erkannt. Die Kläger hätten deshalb die Vernehmung von Zeugen nicht erzwingen können, zumal zur Glaubhaftmachung auch nur präsente Beweismittel zulässig sind (§ 294 Abs. 2 ZPO). Die Frage, ob das Berufungsgericht gehalten gewesen wäre, den vermißten Hinweis zu erteilen, um den Klägern Gelegenheit zu geben, ihren Prozeßbevollmächtigten sowie dessen Kanzleivorsteherin als Zeugen zu benennen, stellt sich also nicht. Insbesondere ist die auf die mündliche Verhandlung zugeschnittene Vorschrift des § 279 Abs. 3 ZPO entgegen der Ansicht der Kläger nicht anwendbar.

Abgesehen davon müssen die für die Wiedereinsetzung bedeutsamen Tatsachen innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO vorgetragen werden (, NJW 2004, 367, 369). Das ist hier nicht geschehen. Der Wiedereinsetzungsantrag befaßt sich mit dem angeblich unrichtigen Zustellungsdatum in der vom Prozeßbevollmächtigten der Kläger unterzeichneten Berufungsschrift nicht.

Fundstelle(n):
HAAAC-05333

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein