BGH Beschluss v. - VIII ZB 45/02

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 418 Abs. 2; ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2

Instanzenzug: LG Halle vom

Gründe

I.

Die Klägerin hat Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung lief nach Verlängerung am ab. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin begründete die Berufung mit Schriftsatz vom , der nach dem Eingangsstempel des Landgerichts Halle am bei Gericht einging. Auf die Anfrage der Kammer, ob die Berufung wegen des verspäteten Eingangs der Berufungsbegründung zurückgenommen werde, hat der Prozeßbevollmächtigte vorgebracht, die Berufungsbegründung sei bereits am von seinem Mitarbeiter, dem Rechtsanwaltsfachangestellten R. , im Gerichtsgebäude in dem Raum der Anwaltsfächer in ein für Gerichtspost bestimmtes Fach mit der Aufschrift "Landgericht" eingeworfen worden; danach habe der Mitarbeiter sich wieder zur Kanzlei begeben und hier den Schriftsatz im Postausgangsbuch ausgetragen. Zum Nachweis für diese Behauptung hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin eine eidesstattliche Versicherung seines Mitarbeiters und die betreffende Seite aus dem Postausgangsbuch vorgelegt. Darüber hinaus hat er sich auf das Zeugnis seines Mitarbeiters sowie eines weiteren Angestellten berufen.

Das Landgericht hat die Berufung nach Einholung einer Stellungnahme des Präsidenten des Landgerichts Halle als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und auch im übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO).

Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer offenkundigen Verletzung des Grundrechts der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG). Das Landgericht hat entscheidungserhebliches Vorbringen der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen und ist so zu einer offensichtlich unzutreffenden Annahme gelangt, auf die es seine Entscheidung stützt. Ob in einem solchen Fall die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; so zu der entsprechenden Regelung in § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) oder der Zulassungsgrund des § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gegeben ist (so , NJW 2002, 3029 zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

2. Das Rechtsmittel ist begründet. Im Ausgangspunkt richtig sind die Ausführungen des Landgerichts, daß der Klägerin nach § 418 Abs. 2 ZPO der Gegenbeweis dafür obliegt, daß ihre Berufungsbegründung nicht erst - wie durch den Eingangsstempel nachgewiesen (§ 418 Abs. 1 ZPO) - am , sondern bereits am bei dem Landgericht Halle eingegangen ist. Der im Wege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis erfordert die volle Überzeugung des Gerichts vom rechtzeitigen Eingang, wobei allerdings die Anforderungen wegen der Beweisnot des Berufungsführers hinsichtlich gerichtsinterner Vorgänge nicht überspannt werden dürfen (, VersR 1995, 1467 unter II 2 m.Nachw.). Der Gegenbeweis kann, wie das Landgericht nicht verkennt, auch durch eidesstattliche Versicherungen geführt werden, wenn diese dem Gericht die volle Überzeugung von der Richtigkeit der versicherten Behauptung vermitteln (, NJW 1996, 2038 unter b). Im vorliegenden Fall ist der Gegenbeweis entgegen der Auffassung des Landgerichts durch die eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwaltsfachangestellten R. und den vorgelegten Auszug aus dem in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin geführten Postausgangsbuch erbracht.

Das Landgericht geht zutreffend davon aus, daß das betreffende Fach im Landgerichtsgebäude zum Einwurf auch fristgebundener anwaltlicher Schriftsätze bestimmt war und daß in der eingeholten Stellungnahme des Präsidenten des Landgerichts nur allgemeine Abläufe über die Bearbeitung der auf diese Weise eingehenden Schriftsätze geschildert sind, eine konkrete Erinnerung von Justizbediensteten an die Bearbeitung des hier fraglichen Schriftsatzes sich daraus aber nicht ergibt. Gleichwohl meint das Landgericht, der eidesstattlichen Versicherung des Mitarbeiters R. , er habe den Berufungsbegründungsschriftsatz am persönlich in das Gerichtsfach geworfen und dies anschließend im Postausgangsbuch vermerkt, insbesondere deshalb nicht folgen zu können, weil dieser Darstellung der überreichte Auszug des Postausgangsbuchs entgegenstehe. In ihm sei der fragliche Schriftsatz nicht aufzufinden. Diese Annahme trifft nicht zu. In dem Postausgangsbuch ist unübersehbar unter dem zu dem die vorliegende Sache betreffenden Kanzleiaktenzeichen " " eingetragen, daß an diesem Tag ein Schriftsatz in dieser Sache dem Landgericht Halle zugeleitet worden ist. Bei dieser Sachlage hat der Senat, der an die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der Beurteilung der Zulässigkeit der Berufung nicht gebunden ist ( aaO unter II), keine Bedenken, der eidesstattlichen Versicherung des Mitarbeiters R. zu glauben und durch sie in Verbindung mit dem vorgelegten Auszug aus dem Postausgangsbuch den Beweis für den rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung am als geführt anzusehen. Einer zusätzlichen Zeugenvernehmung des Mitarbeiters R. sowie des vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin benannten weiteren Mitarbeiters bedarf es danach nicht mehr.

Fundstelle(n):
SAAAC-03864

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein