BGH Beschluss v. - VIII ZB 111/03

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 b; ZPO § 234 Abs. 1; ZPO § 281; ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4; ZPO § 519 Abs. 1; ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4; ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 575; EGZPO § 26 Nr. 8

Instanzenzug:

Gründe

I.

Die Kläger haben die Beklagten, die das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis zum gekündigt hatten, auf Mietzahlung für die Monate Juli bis Oktober 2002 in Anspruch genommen. Das der Klage stattgebende Urteil des Amtsgerichts ist der Beklagtenvertreterin am zugestellt worden. Hiergegen hat diese mit am eingegangenen Schriftsatz beim Landgericht Berufung eingelegt und diese am begründet. Auf den richterlichen Hinweis des daß im Hinblick auf § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestünden, da die Kläger zu 2 und 3 im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit erster Instanz ihren allgemeinen Wohnsitz nach den Angaben im Mahnbescheid außerhalb des Geltungsbereichs des Gerichtsverfassungsgesetzes hätten, hat die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten zur Zuständigkeit des Landgerichts Stellung genommen und hilfsweise die Abgabe des Rechtsstreits an das Kammergericht beantragt. Nachdem sich das für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gemäß § 281 ZPO an das Kammergericht verwiesen hatte, hat dieses durch Beschluß vom die Übernahme des Rechtsstreits mit der Begründung abgelehnt, der Verweisungsbeschluß des entfalte mangels gesetzlicher Grundlage keine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Hieraufhin hat das die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen, weil diese die Berufung nicht innerhalb des Monats seit Zustellung des angefochtenen Urteils beim zuständigen Gericht eingelegt hätten; dabei hat das Landgericht auf den Hinweis vom Bezug genommen.

Gegen diesen zu Händen ihrer Prozeßbevollmächtigten am zugestellten Beschluß wenden sich die Beklagten mit ihrer am eingegangenen Rechtsbeschwerde, die sie innerhalb verlängerter Frist am begründet haben.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, da die Beklagten die Verletzung der prozessualen Fürsorgepflicht des Gerichts im Zusammenhang mit der Weiterleitung rechtzeitig eingereichter Rechtsmittelschriften und damit in der Sache den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend machen. Die Rechtsbeschwerde ist im übrigen gemäß § 575 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Auf die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO kommt es nicht an (vgl. Senatsbeschluß vom - VIII ZB 23/02, NJW 2002, 3783 unter II 1 b).

2. Die Rechtsbeschwerde kann in der Sache jedoch keinen Erfolg haben, so daß sie zurückzuweisen ist.

a) Soweit die Beklagten die Auffassung vertreten, die Regelung des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG sei einschränkend dahingehend auszulegen, daß eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts dann ausscheide, wenn es - wie im vorliegenden Fall - auf eine Anwendung internationalen Rechts von vornherein eindeutig nicht ankomme, ist dies unzutreffend. Wie der erkennende Senat entschieden hat (Beschluß vom - VIII ZB 30/03, NJW 2003, 3278 unter II 2 a), findet § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG auch auf Mietstreitigkeiten Anwendung. Aufgrund der rein formalen Anknüpfung der Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts kommt es dabei nicht darauf an, ob sich - wie auch im vorliegenden Fall - im Einzelfall keine besonderen Fragen des internationalen Privatrechts stellen (, NJW 2003, 1672 unter II 3 b; Senatsbeschluß vom - VIII ZB 66/03 unter II 2 a, zur Veröffentlichung bestimmt).

b) Danach war die Berufung der Beklagten unzulässig, weil sie nicht nach § 519 Abs. 1 ZPO bei dem hier gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG zuständigen Kammergericht eingereicht worden ist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann zu ihren Gunsten auch nichts daraus hergeleitet werden, daß die Berufungsschrift im vorliegenden Fall am und damit neun Arbeitstage vor dem Fristablauf am beim Landgericht eingegangen ist. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Gericht, bei dem das Verfahren anhängig gewesen ist, verpflichtet, fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren, die bei ihm eingereicht werden, an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Geht der Schriftsatz so zeitig bei dem mit der Sache befaßt gewesenen Gericht ein, daß die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die Partei nicht nur darauf vertrauen, daß der Schriftsatz überhaupt weitergeleitet wird, sondern auch darauf, daß er noch fristgerecht beim Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, so ist der Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unabhängig davon zu gewähren, auf welchen Gründen die fehlerhafte Einreichung beruht (BVerfGE 93, 99, 115 f.; BVerfG, NJW 2001, 1343).

Es kann offenbleiben, ob diese Grundsätze auch für den hier vorliegenden Fall gelten, in welchem die Berufung bei einem mit der Sache bisher nicht befaßten Gericht eingelegt worden ist (vgl. BVerfG, NJW 2001 aaO). Die Beklagten hätten jedenfalls, nachdem ihrer Prozeßbevollmächtigten der richterliche Hinweis vom am zugegangen war, innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO Berufung beim Kammergericht einlegen sowie zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragen müssen. Mit ihrem am beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz vom haben sie jedoch in erster Linie lediglich zur Frage der Zuständigkeit des Landgerichts Stellung genommen und nur hilfsweise die Abgabe der Sache an das Kammergericht beantragt. Da über diesen Antrag erst vom Landgericht zu entscheiden war, konnten die Beklagten nicht mehr davon ausgehen, daß die Akten noch am , an welchem Tag die Wiedereinsetzungsfrist für einen beim Kammergericht zu stellenden Wiedereinsetzungsantrag ablief, an dieses Gericht gelangen würden. Einen Wiedereinsetzungsantrag haben die Beklagten beim Kammergericht nicht gestellt. Das Kammergericht hat daher nach Vorlage der Akten auch zu Recht davon abgesehen, über die Zulässigkeit der Berufung zu entscheiden sowie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist von Amts wegen (vgl. § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO) zu gewähren. Für das Landgericht kam hingegen eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht, weil dieses für die Entscheidung über die Berufung nicht zuständig war (§ 237 ZPO).

Das Landgericht hatte daher zu Recht die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen.

Fundstelle(n):
IAAAC-03704

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein