BGH Beschluss v. - NotZ 17/03

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BeurkG § 17 Abs. 2; BRAO § 42 Abs. 4; BNotO § 6 Abs. 3; BNotO § 6 Abs. 3 Satz 1; BNotO § 111 Abs. 4

Instanzenzug:

Gründe

I.

Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen schrieb im Justizministerialblatt vom (mit einer Bewerbungsfrist bis zum ) eine Notarstelle in E. zur Wiederbesetzung aus. Seit dem ist die Antragsgegnerin (.................................) zuständig. Die Antragsgegnerin brach das Bewerbungsverfahren am im Hinblick darauf ab, daß keine Bewerbungen von Notarassessoren aus dem Anwärterdienst des Landes Nordrhein-Westfalen (mehr) vorlagen, führte das Verfahren aber sodann mit Verfügung vom mit den verbliebenen Bewerbern fort.

Dies sind:

- Der (jetzt) 49 Jahre alte Antragsteller, der 1980 die Erste juristische Staatsprüfung mit "ausreichend" (4,38 P.) und 1983 die Zweite juristische Staatsprüfung mit "vollbefriedigend" (9,60 P.) bestand, vom bis zum als Rechtsanwalt und vom bis zum im Justizdienst des Landes Nordrhein-Westfalen (unter Ernennung zum Richter auf Lebenszeit am ) tätig war und seit dem Notar in W. (Sachsen) ist.

- Die 34 Jahre alte weitere Beteiligte zu 1. Sie bestand 1995 das Erste juristische Staatsexamen "vollbefriedigend" (10,50 P.) und 1997 die Zweite juristische Staatsprüfung mit "vollbefriedigend" (10,87 P.) und war seit dem als Notarassessorin in Bayern angestellt. Am wurde sie Notarin in A. ; dieses Amt hat sie wegen der Erziehung eines zwischenzeitlich geborenen Kindes vorübergehend niedergelegt.

- Der (jetzt) 37 Jahre alte weitere Beteiligte zu 2, der 1991 die Erste juristische Staatsprüfung mit "vollbefriedigend" (10,62 P.) und 1994 die Zweite juristische Staatsprüfung mit "vollbefriedigend" (9,54 P.) bestand, nach einer 31/2-jährigen Tätigkeit als Rechtsanwalt vom bis zum im notariellen Anwärterdienst des Landes Sachsen-Anhalt - ab abgeordnet zum Deutschen Notarinstitut - angestellt war, am zum Professor an der Fachhochschule W. unter anderem für Steuern und Wirtschaftsprivatrecht ernannt worden und mittlerweile auch Steuerberater ist.

- Der (jetzt) 39 Jahre alte weitere Beteiligte zu 3, der 1991 die Erste juristische Staatsprüfung mit "gut" (12,23 P.) und 1994 die Zweite juristische Staatsprüfung mit "vollbefriedigend" (10,36 P.) bestand, seit dem als Notaranwärter in Thüringen angestellt war und seit dem als Notar in W. (Thüringen) amtiert.

Am erfolgten in der Geschäftsstelle der Rheinischen Notarkammer in K. Vorstellungsgespräche, an denen der Präsident und der Geschäftsführer der Rheinischen Notarkammer, zwei weitere von der Notarkammer hinzugezogene Notare und zwei Richterinnen am Oberlandesgericht als Vertreterinnen der Landesjustizverwaltung teilnahmen. Am entschied die Antragsgegnerin auf entsprechenden Vorschlag des Präsidenten der Rheinischen Notarkammer, die ausgeschriebene Notarstelle der weiteren Beteiligten zu 1 zu übertragen, ersatzweise - in dieser Reihenfolge - dem Antragsteller, dem weiteren Beteiligten zu 2 und dem weiteren Beteiligten zu 3; dementsprechend teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter dem mit, daß beabsichtigt sei, die Notarstelle einem Mitbewerber zu übertragen.

Wie die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Schreiben vom eröffnete, beruhte die Besetzungsentscheidung der Antragsgegnerin - in bezug auf die Konkurrenz zwischen der weiteren Beteiligten zu 1 und dem Antragsteller - im wesentlichen auf folgenden Erwägungen: Die weitere Beteiligte zu 1 sei persönlich besser geeignet. Das Vorstellungsgespräch habe zwar keine Veranlassung gegeben, an der Redlichkeit und Gewissenhaftigkeit des Antragstellers zu zweifeln. Andererseits sei er im Gespräch wenig präzise gewesen und habe viele Fragen, etwa im Zusammenhang mit der Einführung des neuen § 17 Abs. 2 BeurkG, nicht zur Überzeugung der Gesprächsteilnehmer zu beantworten vermocht. Auch seine Beweggründe zum Wechsel aus dem Richterdienst in das Notaramt im Jahre 1994 habe er nicht voll nachvollziehbar zu vermitteln vermocht. Sein Amtsverständnis sei weniger klar als bei den weiteren Beteiligten zu 1 und 2. Er habe in deutlich geringerem Umfang als diese Mitbewerber die für die Ausübung des Notaramts unabdingbare Sozialkompetenz, die Freude am Umgang mit Menschen, Kontaktfreude sowie die Fähigkeit und Bereitschaft, auf unterschiedliche Persönlichkeiten zuzugehen, ausgestrahlt. Die weitere Beteiligte zu 1 sei aber auch fachlich besser geeignet als der Antragsteller. Sie habe in beiden Staatsexamen bessere Ergebnisse erzielt, im Ersten Examen sogar ein deutlich besseres Ergebnis. Die Notenunterschiede würden durch die längere Berufserfahrung des Antragstellers nicht ausgeglichen. Im übrigen stünden der fast neunjährigen Dienstzeit des Antragstellers als Notar und dessen Besuch zahlreicher Fortbildungsveranstaltungen die mehr als 43/4-jährige Ausbildung der weiteren Beteiligten als Notarassessorin - einschließlich der damit verbundenen zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen - gegenüber.

Hiergegen hat der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Er hat geltend gemacht, die ablehnende Entscheidung der Antragstellerin vom leide schon wegen der fehlenden Begründung an einem durchgreifenden Mangel. Er hat sich dagegen gewendet, daß seine persönliche Eignung auf der Grundlage des Vorstellungsgesprächs niedriger eingestuft wurde als die der Mitbewerberin. Die hierfür erforderliche Gesamtwürdigung könne nicht ausschließlich auf ein knapp einstündiges Gespräch gestützt werden. Die Antragsgegnerin spreche insoweit auch lediglich Wertungen aus, ohne die tatsächlichen Grundlagen auszusprechen, an die diese Wertungen anknüpften. In fachlicher Hinsicht verfüge er aufgrund seiner langjährigen Berufserfahrung als Rechtsanwalt, Richter und Notar über die bessere Qualifikation. Allenfalls sei von einer annähernd gleichen Eignung auszugehen, wobei dann aber ihm wegen seines höheren Dienstalters der Vorzug gebühre. Schließlich verletze die Besetzungsentscheidung ihn auch in seinem Grundrecht aus Art. 6 GG, weil sie unberücksichtigt lasse, daß seine Bewerbung auf dem Wunsch beruhe, in der Nähe seiner minderjährigen Tochter zu sein, die in D. (bei der Mutter) lebt.

Das Oberlandesgericht hat den auf Übertragung der ausgeschriebenen Notarstelle, hilfsweise auf Neubescheidung durch die Justizverwaltung gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen, ebenso den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung. Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein (Haupt-)Begehren weiter und beantragt auch in der Beschwerdeinstanz den Erlaß einer einstweiligen Anordnung auf Untersagung der Besetzung der Notarstelle mit einem Mitbewerber.

II.

Die gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Oberlandesgericht hat den Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom im Ergebnis mit Recht zurückgewiesen; die von der Antragsgegnerin getroffene Auswahlentscheidung hält - hinsichtlich der im Verhältnis der weiteren Beteiligten zu 1 zum Antragsteller ausschlaggebenden Beurteilung der fachlichen Eignung für das Amt des Notars - der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Bewerbern für das Amt des Notars (vgl. § 6 Abs. 3 BNotO) steht der Landesjustizverwaltung zwar kein Ermessen zu - solange nicht, was hier aber ausscheidet, in zulässiger Weise organisationsrechtliche und personalwirtschaftliche Überlegungen in die Entscheidung einfließen (vgl. Senatsbeschlüsse vom - NotZ 25/95 - DNotZ 1996, 906; - NotZ 28/00 - DNotZ 2001, 73; - NotZ 13/02 - DNotZ 2003, 228 und - NotZ 47/02 - ZNotP 2003, 1470) -, wohl aber ein Beurteilungsspielraum (vgl. Senat BGHZ 124, 327; 134, 137). Die Auswahlentscheidung als Akt wertender Erkenntnis, sowohl was die Bewertung der persönlichen als auch die der fachlichen Eignung für das Notaramt angeht, ist vom Gericht nur darauf überprüfbar, ob ihr ein zutreffendes Verständnis des gesetzlichen Auswahlmaßstabes zugrunde liegt, ob allgemein gültige Wertmaßstäbe beachtet und sachwidrige Erwägungen ausgeschlossen sind und ob der zu beurteilende Tatbestand verfahrensfehlerfrei festgestellt wurde (BGHZ 124, 327, 331).

2. a) Im vorliegenden Fall beanstandet der Antragsteller, daß die Justizverwaltung ausschließlich auf der Grundlage der Vorstellungsgespräche vom bei der Notarkammer bezüglich seiner Person eine wesentlich geringere persönliche Eignung als bei der weiteren Beteiligten zu 1 (und dem weiteren Beteiligten zu 2) feststellen zu können geglaubt hat.

Der Senat hat in dem heute verkündeten Beschluß in der Sache NotZ 20/03 näher ausgeführt, daß ein Vorstellungsgespräch der vorliegenden Art bei einem bereits als Notar amtierenden Bewerber jedenfalls nicht die alleinentscheidende Beurteilungsgrundlage für die persönliche Eignung sein kann.

b) Auf diese Beanstandung kommt es aber letztlich nicht an, weil jedenfalls die Auffassung des Oberlandesgerichts zutrifft, daß die Antragsgegnerin den ihr gegebenen Beurteilungsrahmen nicht überschritten hat, soweit sie die weitere Beteiligte zu 1 - unabhängig von den Ausführungen zur persönlichen Eignung - als die fachlich Geeignetere einstuft.

aa) Was die Examensergebnisse anging, brauchte die Antragsgegnerin entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht von einer annähernd gleichen Eignung der Beteiligten zu 1 und des Antragstellers auszugehen. Sie durfte vielmehr angesichts der Unterschiede im zweiten Staatsexamen (weitere Beteiligte zu 1: 10,87 Punkte; Antragsteller: 9,6 Punkte) ohne weiteres eine wesentliche (signifikante) Differenz zugunsten der weiteren Beteiligten annehmen und diese Differenz durch die - noch erheblicheren - Unterschiede im ersten Examen (weitere Beteiligte zu 1: 10,5 Punkte; Antragsteller: 4,38 Punkte) als bestätigt ansehen. In dem Beschluß vom (NotZ 58/92 - DNotZ 1994, 332, 333) hat der Senat es hingenommen, daß die Justizverwaltung bei einer Punktedifferenz von 0,69 in der Zweiten juristischen Staatsprüfung noch von "annähernd gleichen" Prüfungsergebnissen ausgegangen ist. Vorliegend ist die Differenz indessen erheblich größer.

Bei diesem Ausgangspunkt mußte die Antragsgegnerin auch nicht deshalb zu einer annähernd gleichwertigen Einschätzung der Eignung der weiteren Beteiligten zu 1 und des Antragstellers gelangen, weil das Gewicht des Staatsexamens angesichts der vorliegenden langjährigen Berufspraxis des Antragstellers zurückzutreten hätte (Hinweis des Antragstellers auf den Senatsbeschluß vom - NotZ 25/95 - DNotZ 1996, 906, 911). Der Senat hat zwar in dieser Entscheidung ausgesprochen, daß bei Bewerbern, die den Notarberuf bereits ausüben, die Bedeutung der juristischen Staatsprüfung als Beurteilungskriterium mit zunehmender Berufspraxis hinter den Beurteilungen aufgrund der Amtstätigkeit als Notar immer weiter zurücktrete. Es ist jedoch kein Beurteilungsfehler, wenn die Antragsgegnerin bei dem hier in Rede stehenden Vergleich letztlich doch maßgeblich auf die Examensergebnisse abgestellt hat: Da der Antragsteller keinen Notaranwärterdienst absolviert hat, liegen derartige dienstliche Beurteilungen nicht vor.

bb) Einen rechtlich zwingenden Grund, aus dem die Antragsgegnerin dem Antragsteller allgemein wegen seiner langjährigen Berufspraxis als Notar den fachlichen Vorrang vor der bis zum Stichtag nur als Notarassessorin tätig gewesenen weiteren Beteiligten zu 1 einzuräumen hätte, gab es nicht.

(1) Aus dem innerhalb einzelner Bundesländer zumindest zeitweilig praktizierten "Vorrücksystem" (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 151, 252, 255; vom - NotZ 25/95 - DNotZ 1996, 906, 910; vom - NotZ 60/92 - DNotZ 1994, 333, 335 und vom - NotZ 47/02 - ZNotP 2003, 470, 472) kann der Antragsteller in dem vorliegenden Auswahlverfahren nichts für sich herleiten. Die Gründe, die für ein solches System sprechen, lassen sich, wie die Antragsgegnerin zutreffend erläutert hat, nicht ohne weiteres auf Bewerbungen landesfremder Bewerber auf eine Notarstelle übertragen. Es bleibt insoweit bei dem Grundsatz, daß zwar auch das Dienstalter im Rahmen der Eignungsbewertung nach § 6 Abs. 3 BNotO ein gewichtiger Wertungsgesichtspunkt sein kann (vgl. insbesondere für die Dauer des Anwärterdienstes § 6 Abs. 3 Satz 3 BNotO), daß diesem Gesichtspunkt aber gegenüber den in § 6 Abs. 3 Satz 1 BNotO genannten Merkmalen nur eine eher mittelbare Aussagekraft zukommt (vgl. Senatsbeschluß vom - NotZ 58/92 - DNotZ 1994, 332).

(2) Auch das Prinzip der Bestenauslese erfordert es nicht per se, in Fällen der Konkurrenz zwischen einem Notarassessor und einem amtierenden Notar entscheidend auf die Berufserfahrung des letzteren abzustellen (vgl. Senatsbeschluß vom - NotZ 47/02 - ZNotP 2003, 470, 472).

c) Da nach der rechtsfehlerfreien Beurteilung der Antragsgegnerin die weitere Beteiligte die fachlich besser Geeignete ist, ist es entgegen der Beschwerde auch nicht zu beanstanden, daß die Antragsgegnerin den von dem Antragsteller für seine Bewerbung genannten familiären Gründen - unter Beschränkung auf den Hinweis, die weitere Beteiligte zu 1 führe für sich mindest genauso gewichtige familiäre Gesichtspunkte an - keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat.

III.

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung hat sich mit der Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Antragstellers erledigt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
EAAAC-01488

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein