BGH Urteil v. - KZR 2/04

Leitsatz

[1] Eine Werbeagentur, die eine auf Kosteneinsparung bei der Telefonbuchwerbung gerichtete Beratung anbietet, setzt die Kundenberater der Telefonbuchverlage nicht in unlauterer Weise herab, wenn sie in ihrer Werbung Kunden anspricht, die "sich schlecht, einseitig oder gar nicht beraten fühlen". Ein Telefonbuchverlag, von dem die Werbeagentur i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 GWB abhängig ist, darf die Annahme von Insertionsaufträgen dieser Werbeagentur daher nicht unter Hinweis auf eine pauschale Herabsetzung seiner Kundenberater verweigern.

Gesetze: GWB § 20 Abs. 2; UWG § 1 a.F.; UWG § 4 Nr. 7 n.F.

Instanzenzug: LG Bremen

Tatbestand

Die Beklagte, ein Telefonbuchverlag, gibt zusammen mit der Deutsche Telekom Medien GmbH Telefonverzeichnisse heraus, wozu "Das Telefonbuch", das den Regionalbereich abdeckende "Das Örtliche", sowie das nach Branchen gegliederte Verzeichnis "Gelbe Seiten" zählen. Die Telefonbücher enthalten neben den kostenfreien Standardeinträgen vergütungspflichtige Anzeigen. Diese wirbt die Beklagte überwiegend durch ihr eigenes Handelsvertreternetz ein. Ein Teil der Anzeigen wird aber auch durch Werbeagenturen vermittelt, die diese Aufträge im eigenen Namen an die Beklagte erteilen. Hierfür erhalten die Werbeagenturen eine Provision, die aus dem höheren Anzeigenpreis finanziert wird, den die über eine Agentur vermittelten Werbekunden bezahlen müssen.

Die Klägerin ist eine Werbeagentur, die sich auf die Betreuung von Anzeigenkunden spezialisiert hat. Zwischen den Parteien kam es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, nachdem sich die Klägerin von ihren Kunden Vollmachten des Inhalts hatte unterschreiben lassen, daß diese keine Besuche mehr von Vertretern der Telefonbuchverlage wünschten. Die Beklagte lehnte daraufhin die Annahme von Anzeigenaufträgen der Klägerin ab. Die Klägerin erstrebte im Wege der einstweiligen Verfügung, daß die Beklagte die von ihr akquirierten Anzeigen bearbeitet. Im Berufungsverfahren kam es vor dem Oberlandesgericht zum Abschluß eines Vergleichs, der folgenden Wortlaut hatte:

"Die Verfügungsbeklagte erklärt, daß die Sperre für die Annahme von Einschaltungsaufträgen für "amtliche" und örtliche Telefonbücher ab sofort aufgehoben worden ist.

Ferner verpflichtet sich die Verfügungsbeklagte, bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Vertragsstrafe von 20.000 DM, es zu unterlassen, eine erneute Sperre einzurichten ..."

In der Folgezeit warb die Klägerin im Internet mit dem Text:

"Beratung zur Kostenoptimierung von Telefonbucheinträgen.

Diese Dienstleistung bieten wir allen Kunden, welche sich von den Telefonbuchvertretern schlecht, einseitig oder gar nicht beraten fühlen. Aber auch Kunden, welche relativ hohe Insertionskosten aufwenden, können ihre Ausgaben bei uns auf den Prüfstand stellen ..."

Nach einer Abmahnung durch die Beklagte änderte die Klägerin den Text wie folgt ab:

"Beratung zur Kostenoptimierung von Telefonbucheinträgen.

Diese Dienstleistung bieten wir allen Kunden, welche sich bisher schlecht, einseitig oder gar nicht beraten fühlen ..."

Unter Berufung auf die ihrer Meinung nach wettbewerbswidrige Werbung der Klägerin sprach die Beklagte die Kündigung des im Vergleich enthaltenen Unterwerfungsvertrags aus wichtigem Grund aus. In der Folgezeit weigerte sich die Beklagte, von der Klägerin akquirierte Anzeigenaufträge für die T. und die B. GmbH zu bearbeiten.

Die Klägerin sieht wegen der Auftragsablehnung die im gerichtlichen Vergleich vereinbarte Vertragsstrafe als verwirkt an. Sie macht die Vertragsstrafe in Höhe von 10.225,83 € abzüglich einer der Beklagten unstreitig zustehenden Forderung von 3.951,89 €, mithin also 6.273,94 €, mit ihrer Klage geltend und begehrt zudem die Feststellung, daß die Kündigung des gerichtlichen Vergleichs durch die Beklagte unwirksam sei. Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Gründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

I. Das Berufungsgericht hat die im Vergleich vereinbarte Unterlassungsverpflichtung als weiterhin wirksam angesehen. Ein Kündigungsrecht der Beklagten habe nicht bestanden. Die von der Beklagten beanstandete Werbeaussage sei nicht pauschal herabsetzend und damit auch nicht unlauter. Im übrigen stelle die Erklärung eine einmalige Fehlleistung dar, weil sich die Klägerin in einem anderen Verfahren zur Unterlassung entsprechender Äußerungen verpflichtet habe. Das Marktverhalten der Klägerin rechtfertige gleichfalls keine Kündigung der im Vergleich enthaltenen Unterwerfungserklärung. Als marktmächtiger Telefonbuchverlag, dessen Telefonbücher durch andere Werbemittel nicht ersetzt werden könnten, dürfe die Beklagte nicht die Geschäftsbeziehungen zu Werbeagenturen aufgrund deren Beratungsleistungen abbrechen, selbst wenn diese Umsatzminderungen bei der Beklagten bewirkten. Ob die Bonität der Klägerin zweifelhaft sei, läßt das Berufungsgericht dahinstehen, weil sich die Beklagte jedenfalls durch die Vereinbarung von Vorkasse ausreichend absichern könne.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.

1. Das Berufungsgericht hat den gerichtlichen Vergleich zu Recht als wirksam behandelt. Er ist als Vollstreckungstitel gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hinreichend bestimmt, weil er für das hierzu berufene Vollstreckungsorgan aus sich heraus verständlich ist (vgl. , NJW 1993, 1995, 1996). Die in dem Vergleich verwandte Formulierung ist eindeutig und auch vollstreckungsfähig. Der von der Revisionsbegründung als unbestimmt bezeichnete Begriff der Aufhebung der "Sperre" kann im Rahmen des Vergleichs nur in dem Sinne verstanden werden, daß die Beklagte von der Klägerin akquirierte Inserate nicht allein deshalb ablehnen darf, weil sie von der Klägerin eingeworben wurden. Vielmehr muß die Beklagte diese Inserate zu den allgemeinen Bedingungen bearbeiten, die sie auch anderen Werbeagenturen gewährt. Insoweit bedeutet "Sperre" die Verweigerung des typischen Geschäftskontakts zwischen einer Werbeagentur und einem Telefonbuchverlag, der darin besteht, daß die von der Werbeagentur akquirierten Inserate in den Telefonbüchern geschaltet werden. Die Annahme der von der Klägerin eingeworbenen Inserate hat die Beklagte vor dem Vergleichsabschluß abgelehnt. Durch den Vergleich sollte diese Verweigerung der Zusammenarbeit beseitigt werden. Das von der Beklagten verlangte zukünftige Verhalten ist deshalb zweifelsfrei gekennzeichnet.

Entgegen der Auffassung der Revision kommt dem Begriff der "Sperre" nicht der Sinngehalt zu, daß die Annahmeverweigerung bereits für eine gewisse Dauer bestanden haben muß. Vielmehr erfaßt der Vergleich - wovon das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgegangen ist - schon den ersten Verstoß gegen die dort begründete Verpflichtung der Beklagten. Die Ablehnung der Annahme der von der Klägerin eingeworbenen Anzeigen ihrer Kunden T. und B. GmbH stellt deshalb eine Zuwiderhandlung der Beklagten im Sinne des Vergleichs dar.

2. Die im Vergleich enthaltene vertragsstrafenbewehrte Verpflichtung der Beklagten, Einschaltungsaufträge der Klägerin zu bearbeiten, ist auch nicht durch eine wirksame Kündigung der Beklagten erloschen. Zwar können solche in die Zukunft gerichteten Unterlassungsverpflichtungen von dem Schuldner bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gekündigt werden (BGHZ 133, 316, 320 - Altunterwerfung I, m.w.N.). Ein solcher Grund, der für die Beklagte ein Festhalten an der Vereinbarung unzumutbar machen würde, ist hier jedoch nicht ersichtlich.

a) Ohne Rechtsverstoß geht das Berufungsgericht davon aus, daß die von der Klägerin im Internet verwandten Werbetexte nicht gegen § 1 UWG a.F. verstießen. Entgegen der Auffassung der Revision stellt der ersichtlich auf das Akquisitionsverhalten der Telefonbuchverlage bezogene Werbetext, wonach die Klägerin ihre Dienstleistung allen Anzeigenkunden anbietet, "welche sich schlecht, einseitig oder gar nicht beraten fühlen", lauterkeitsrechtlich keine Mitbewerber herabsetzende Werbung dar (jetzt § 4 Nr. 7 UWG - vgl. hierzu Köhler in Baumbach/Hefermehl, UWG, 23. Aufl. § 4 Rdn. 7.13). Ob in einer Werbeaussage eine Herabsetzung von Mitbewerbern zu sehen ist, bestimmt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, bei der die Umstände des Einzelfalls, insbesondere Inhalt und Form der Äußerung, ihr Anlaß und der gesamte Sachzusammenhang sowie die Verständnismöglichkeit der angesprochenen Verkehrskreise, zu berücksichtigen sind. Dabei kommt es maßgeblich auf die Sicht des durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten der Werbung an (vgl. , GRUR 2002, 982, 984 - DIE "STEINZEIT" IST VORBEI!).

Für einen verständigen Adressaten dieser Werbung wird deutlich, daß die Klägerin mit dieser Aussage den strukturellen Unterschied zwischen ihrer Beratung und derjenigen der Handelsvertreter der Beklagten hervorheben will. Ein solcher Hinweis auf die unterschiedliche Zielrichtung der Beratung stellt ebensowenig eine Herabsetzung der Beklagten dar, wie die darin liegende Anspielung auf die tatsächlich bestehende Interessenverflechtung zwischen der Beklagten und ihren Handelsvertretern. Jeder verständige Adressat dieser Werbung wird davon ausgehen, daß die Handelsvertreter der Beklagten - auch in Verfolgung ihrer eigenen legitimen Provisionsinteressen - die Einwerbung möglichst gewinnbringender Anzeigen anstreben. Als Kernpunkt ihrer Werbung wird deshalb auch nicht eine negative Aussage über das Vertriebssystem der Beklagten angesehen werden. Entscheidend ist vielmehr der auf die Klägerin selbst hinweisende Teil ihrer Werbetexte. Darin empfiehlt sie sich dem Publikum in Fragen der Telefonbuchwerbung als kompetent und als dem Interesse ihrer Kunden verpflichtete Beraterin. Da die Werbung der Klägerin auch in der Form nicht unangemessen war, ist sie nicht wettbewerbsrechtlich unzulässig und vermag schon deshalb keinen wichtigen Grund für die Kündigung der Verpflichtungen aus dem gerichtlichen Vergleich zu begründen.

b) Entgegen der Auffassung der Revisionsbegründung rechtfertigt das Marktverhalten der Klägerin gleichfalls keine Kündigung. Ersichtlich meint die Revisionsbegründung damit die Tätigkeit der Klägerin als sogenannte Sparberaterin, die bei der Beklagten zu Umsatzeinbußen führt. Der Senat kann dabei dahinstehen lassen, ob dieser den Parteien damals schon bekannte Aspekt nicht in die vergleichsweise Regelung bereits einbezogen war. Jedenfalls begründet die Tätigkeit der Klägerin kein Kündigungsrecht der Beklagten. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, daß die Beklagte marktmächtig ist, weil es zu den von ihr verlegten Telefonbüchern keine gleichwertige Alternative gibt, um Adressen und Telefonnummern festzustellen. Für Werbeagenturen ist deshalb auch die Möglichkeit, in den Telefonbüchern der Beklagten Anzeigen schalten zu können, von ganz entscheidender Bedeutung. Insoweit ist die Klägerin von der Beklagten abhängig im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB. Potentielle Kunden werden die Klägerin nur dann beauftragen, wenn die Klägerin auch die Schaltung von Anzeigen in den von der Beklagten herausgegebenen Telefonbüchern bewirken kann. Damit ist die Beklagte jedenfalls Normadressatin des § 20 Abs. 2 GWB (, WuW/E D-ER 1377, 1378 - Sparberaterin). Ein Telefonbuchverlag darf als Normadressat des § 20 Abs. 2 GWB eine Sparberatung durchführende Werbeagentur im Verhältnis zu anderen Werbeagenturen nicht ungleich behandeln. Der Umstand, daß die Klägerin im Interesse der Werbetreibenden, die sie beauftragt haben, möglichst kostengünstige Anzeigen zusammenstellt, rechtfertigt keine Ungleichbehandlung, die in der Ablehnung der von der Klägerin nach ihrem Sparberatungskonzept eingeworbenen Inserate liegt. Die Beklagte als Normadressatin des § 20 Abs. 2 GWB darf ihre Gewinninteressen nicht dadurch durchsetzen, daß sie die von ihr abhängigen Werbeagenturen zu einer Verletzung ihrer vertraglichen Verpflichtungen gegenüber deren eigenen Kunden veranlaßt (BGH WuW/E DE-R 1377, 1379 f. - Sparberaterin).

c) Zu Recht hat das Berufungsgericht offengelassen, ob die Klägerin sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet oder ihre Bonität zweifelhaft ist. Der Beklagten ist es als Normadressatin des § 20 Abs. 2 GWB zuzumuten, sich gegen entsprechende Risiken dadurch zu schützen, daß sie Vorkasse verlangt. Ein wichtiger Grund für eine Kündigung der Unterwerfungsvereinbarung durch die Beklagte ist in der möglicherweise angespannten finanziellen Situation der Klägerin jedenfalls nicht zu sehen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
UAAAC-01341

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja