BGH Beschluss v. - IX ZB 38/04

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: InsO § 7; ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1; VerbrKrG § 4; VerbrKrG § 6; AGBG § 9; AGBG § 10 Nr. 6

Instanzenzug: LG Memmingen vom

Gründe

I.

Die Antragstellerin beantragte wegen Forderungen von angeblich insgesamt 575.634,18 € aus fünf Darlehen, für welche die Antragsgegnerin gesamtschuldnerisch neben ihrem insolventen Ehemann haftete, über das Vermögen der Antragsgegnerin ebenfalls das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Das Insolvenzgericht hat dem Antrag stattgegeben. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

Die nach § 7 InsO i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Es stellt sich weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 4 InsO, § 574 Abs. 2 ZPO).

1. Die Rechtsbeschwerde vermißt tatsächliche Feststellungen des Beschwerdegerichts zur Höhe der von der Antragstellerin glaubhaft geltend gemachten Forderungen und rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), weil insofern rechtserheblicher Vortrag der Antragsgegnerin unberücksichtigt geblieben sei. Soweit die Rechtsbeschwerde dabei das Vorbringen im Auge hat, aus den Darlehensverträgen Nr. ...906, ...718 und ...207 habe die Antragstellerin keine Forderungen gegen die Antragsgegnerin, weil deren Schuldbeitritte wegen Verstoßes gegen § 4 VerbrKrG gemäß § 6 VerbrKrG nichtig seien, ist ein derartiger Verstoß nicht erkennbar. Die Antragstellerin hat schon vor dem Insolvenzgericht unter Vorlage der entsprechenden Urkunden teils die Unanwendbarkeit des Verbraucherkreditgesetzes, teils dessen Einhaltung dargelegt. Dem ist die Antragsgegnerin konkret nicht entgegengetreten. In der Beschwerdeinstanz hat sie nur noch pauschal auf ihrem gegenteiligen Rechtsstandpunkt beharrt. Unter diesen Umständen mußten weder das Insolvenz- noch das Beschwerdegericht näher darauf eingehen. Daß die Rechtsansicht der Antragstellerin zur Anwendung des Verbraucherkreditgesetzes verfehlt sei und insofern ein Zulassungsgrund bestehe, macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend.

2. Die von der Rechtsbeschwerde formulierte Frage, ob das Erfordernis einer einheitlichen Kündigung eines Darlehensvertrages gegenüber mehreren Darlehensnehmern (vgl. , NJW 2002, 2866) voraussetzt, daß einzeln ausgesprochene Kündigungen "in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang" stehen, stellt sich im Streitfall nicht.

Falls hier die Darlehensverträge nicht wirksam gekündigt worden sein sollten, weil die darin enthaltene Zugangsfiktion wegen Verstoßes gegen § 10 Nr. 6 AGBG nichtig ist (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 63. Aufl. § 308 Rn. 32 f), die lediglich an den Ehemann gerichtete Kündigung somit nicht zugleich gegen die Antragsgegnerin wirkt und die über zwei Jahre später erneut - nunmehr aber allein gegenüber der Antragsgegnerin - ausgesprochene Kündigung ebenfalls unwirksam ist, hatte die Antragstellerin gleichwohl fällige Forderungen gegen die Antragsgegnerin. Fällig waren jedenfalls die vereinbarten Zinsen und Tilgungsraten. Die insofern aufgelaufenen Rückstände hat die Antragstellerin per auf insgesamt 440.735,45 € beziffert. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde nicht.

3. Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, etwaige Forderungen der Antragstellerin seien durch Erfüllung erloschen, begründet die gegenteilige Annahme des Beschwerdegerichts weder eine Divergenz noch stellt sich insofern eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch liegt ein Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte vor.

a) Allerdings hatte die Antragstellerin sich früher darauf berufen, bei einer Mehrheit von durch eine Grundschuld gesicherten Forderungen könne eine auf die Grundschuld geleistete, für die Tilgung aller Forderungen nicht ausreichende Zahlung gemäß Ziffer 1.4 Satz 2 der Zweckerklärung nach dem billigen Ermessen der Gläubigerin - also der Antragstellerin - verrechnet werden. Diese Ansicht war mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vereinbar. Danach ist eine derartige Verrechnungsklausel wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F.) unwirksam (, NJW 1999, 2043).

Indes hat die Antragstellerin von dem nicht rechtswirksam eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht, sondern - wie die Antragsgegnerin selbst eingeräumt hat - die Zahlungen gemäß der gesetzlichen Tilgungsreihenfolge (§ 366 Abs. 2 BGB) zuvörderst auf die Darlehen verrechnet, die der Antragstellerin geringere Sicherheit boten. Diese waren die Schulden, die zwar durch die Grundschuld besichert waren, für die jedoch der Ehemann der Antragsgegnerin allein persönlicher Schuldner war.

Ein Tilgungsbestimmungsrecht der Schuldner (§ 366 Abs. 1 BGB) kam nicht in Betracht. Teilweise erfolgten die Tilgungsleistungen im Wege der Zwangsvollstreckung, für die ein solches Recht ausgeschlossen ist (vgl. BGHZ 140, 391, 393 ff). Teilweise erfolgte die Tilgungsbestimmung nicht "bei der Leistung", sondern später.

b) Die Rechtsbeschwerde rügt, die Annahme des Beschwerdegerichts, es seien nicht sämtliche Forderungen der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin getilgt, könne nur darauf beruhen, daß es deren substantiierten Vortrag nicht zur Kenntnis genommen habe (Art. 103 Abs. 1 GG). Es sei vorgetragen worden, daß der Antragstellerin Beträge in Höhe von 34.100 €, 4.500 €, 17.344,25 €, 100.000 €, 125.000 € und 197.306,58 € zugeflossen seien. Sämtliche Zahlungen seien auf die geltend gemachten Forderungen zu verrechnen gewesen.

Zu diesen Zahlungen hatte die Antragstellerin im einzelnen Stellung genommen. Danach gilt folgendes:

(1) Die Zahlung von 34.100 € (Erlös aus der freihändigen Veräußerung eines der Tochter der Antragsgegnerin gehörenden, mit einer Grundschuld zugunsten der Antragstellerin belasteten Grundstücks) floß der Antragstellerin dafür zu, daß sie das Grundstück aus der Grundpfandhaftung entließ. Die Grundschuld hatte unter anderem Schulden des Ehemannes der Antragsgegnerin gesichert. Demgemäß verrechnete die Antragstellerin die Zahlung auf einem Kreditkonto des Ehemannes. Dessen nachträgliche Tilgungsbestimmung kam zu spät.

(2) Die Zahlung von 4.500 € (Erlös aus der freihändigen Veräußerung eines dem Ehemann der Antragsgegnerin gehörenden, mit einer Zwangssicherungshypothek zugunsten der Antragstellerin belasteten Grundstücks) floß der Antragstellerin dafür zu, daß sie das Grundstück aus der Grundpfandhaftung entließ. Die Antragstellerin verrechnete die Zahlung auf einem Kreditkonto des Ehemannes. Dessen nachträgliche Tilgungsbestimmung kam zu spät.

(3) Der Einnahmenüberschuß aus der Zwangsverwaltung zweier Immobilien in Höhe von 17.344,25 € reduzierte sich unter Berücksichtigung konkret nachgewiesener Kosten auf 6.559,34 €. Diesen Betrag hat die Antragstellerin zugunsten der Antragsgegnerin berücksichtigt (vgl. Anlage 32 zum Schriftsatz vom ).

(4) Für den Erlös von 100.000 € gelten die Ausführungen zu (2) entsprechend.

(5) Weitere 125.000 € hat ein Sohn der Antragsgegnerin vergleichsweise an die Antragstellerin zur Ablösung eines auf einem Grundstück des Sohnes lastenden Grundpfandrechts bezahlt. Der nachträgliche Versuch des Ehemannes der Antragsgegnerin, eine Tilgungsbestimmung zu treffen, scheiterte. Dies hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom anerkannt.

(6) Aus der Verwertung von Sicherheiten hat die Antragstellerin schuldmindernd berücksichtigt Beträge von 72.412,73 €, 153.922,93 € und 4.462,36 € (Konten ...906, ...718, ...207).

Die Beträge zu (3) und (6) addieren sich zu 237.357,36 €. Dem stehen gegenüber fällige Forderungen von mindestens 440.735,45 € (oben 2.). Die Ansicht des Beschwerdegerichts, die Antragstellerin habe den Bestand von Forderungen gegen die Antragsgegnerin glaubhaft gemacht, ist somit nicht zu beanstanden. Daß es die von einem Sohn der Antragsgegnerin gefertigte Aufstellung zur Gegenglaubhaftmachung nicht für ausreichend angesehen hat, läßt gleichfalls keinen Rechtsfehler erkennen.

c) Das Beschwerdegericht hat - unter Berufung auf eine in der Literatur vertretene Ansicht (Kübler/Prütting/Pape, InsO § 34 Rn. 35; ebenso MünchKomm-InsO/Schmahl, § 34 Rn. 74; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 34 Rn. 15; Hess, InsO § 34 Rn. 33 f; HK-InsO/Kirchhof, 3. Aufl. § 34 Rn. 23; Häsemeyer, Insolvenzrecht 3. Aufl. Rn. 7.55) - die nach Insolvenzeröffnung erfolgte Tilgung der dem Insolvenzantrag zugrundegelegten Forderungen nicht als Beschwerdegrund anerkannt. Demgegenüber möchte die Rechtsbeschwerde an der zur Konkursordnung herrschenden gegenteiligen Meinung auch für die Insolvenzordnung festhalten. Dazu bedarf es im Streitfall keiner Stellungnahme des Senats, weil glaubhaft gemacht ist, daß die Antragstellerin auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht vollständig befriedigt worden ist (vgl. oben b).

4. Die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren beruht auf §§ 37, 38 GKG a.F.

Fundstelle(n):
OAAAB-99925

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