BGH Urteil v. - IV ZR 271/00

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: -

Instanzenzug: OLG Stuttgart

Tatbestand

Der Kläger und sein im Juli 1998 verstorbener Bruder W. G. waren im Ergebnis hälftige Miterben des Nachlasses ihrer Mutter S. G. und ihrer Schwester F. G.. Die Beklagte ist die Witwe und Alleinerbin von W. G.. Der Kläger verlangt von ihr im Wege der Teilerbauseinandersetzung die Auflassung eines Grundstücks.

Im Nachlaß befanden sich 35 Grundstücke. Über 34 Grundstücke setzte sich der Kläger mit seinem Bruder W. G. mit notariellem Vertrag vom auseinander. Die Brüder waren sich darüber einig, daß der Kläger auch das letzte - hier streitige - Grundstück erhalten sollte und aus der Grundstücksauseinandersetzung eine Wertdifferenz von 89.108 DM auszugleichen hatte. Hinsichtlich des letzten Grundstücks und restlicher Bankguthaben wurde der Nachlaß im Dezember 1996 noch nicht auseinandergesetzt.

Dieses Grundstück ist Gegenstand eines notariellen Teilerbteilungsvertrags vom zwischen dem Kläger und der Beklagten. Danach übernimmt der Kläger zum Zwecke der weiteren Erbteilung das Grundstück in sein Alleineigentum. Unter B II 3 des Vertrages heißt es:

"Die in dieser Urkunde enthaltene Erbteilung ist aufschiebend bedingt dadurch, daß über die Erbteilung der noch vorhandenen Bankguthaben des Nachlasses von Frau F. G. und Frau S. G. unter den Erben eine außergerichtliche Einigung erzielt wird ...

Eine solche Einigung besteht derzeit noch nicht. Die in dieser Urkunde getroffene Vereinbarung erfolgt ausdrücklich unabhängig davon, wie eine solche Einigung aussieht und steht lediglich unter der Bedingung, daß eine außergerichtliche Einigung in irgend einer Weise erzielt wird."

Nach B III 1 des Vertrages ist die Auflassung ausdrücklich vom Eintritt der vorgenannten Bedingung abhängig.

Im Januar 1999 haben die Parteien bis auf einen Restbetrag von ca. 72.000 DM Bankguthaben in Höhe von knapp 300.000 DM untereinander hälftig aufgeteilt. Der Kläger meint, dadurch sei die Bedingung für die Auflassung gemäß B II 3, III 1 des notariellen Vertrages vom eingetreten. Das noch vorhandene ungeteilte Bankguthaben genüge, um die zu seinen Gunsten durch die Übertragung der Grundstücke eingetretene Wertdifferenz auszugleichen.

Die Beklagte behauptet unter Berufung auf Zeugen, die Parteien seien sich bei Abschluß des notariellen Vertrages vom darüber einig gewesen, daß Bedingung für die Auflassung eine abschließende Einigung der Parteien über den vom Kläger zu leistenden Wertausgleich sei. Daran fehle es. Da der Kläger hierzu, wie die Klage zeige, auch nicht bereit sei, sei der restliche Nachlaß nach den gesetzlichen Bestimmungen auseinanderzusetzen. Die Beklagte hat deshalb mit der Widerklage die hälftige Teilung der restlichen Bankguthaben und die hälftige Zahlung eines unstreitigen Veräußerungserlöses von ca. 10.000 DM verlangt.

Der Kläger hat die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche anerkannt. Er ist der Ansicht, daß jedenfalls dadurch die Bedingung für die Auflassung des Grundstücks eingetreten sei.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Auflassung und zur Bewilligung der Eintragung im Grundbuch verurteilt und der Widerklage durch Anerkenntnisurteil stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt sie ihren Antrag auf Klagabweisung weiter.

Gründe

Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht meint, nach dem Wortlaut der notariellen Urkunde vom sei die Bedingung für die Auflassung unter B II 3 klar definiert. Alleinige Voraussetzung sei danach die Aufteilung des noch vorhandenen Bankguthabens. Die Beklagte habe zwar unter Benennung ihres Sohnes, der sie bei der notariellen Vereinbarung vertreten hatte, und des beurkundenden Notars als Zeugen behauptet, Bedingung für die Auflassung sei weitergehend eine abschließende Gesamtregelung des Nachlasses gewesen. Von maßgeblicher Bedeutung sei jedoch der Wortlaut der notariellen Urkunde. Mit dem Landgericht sei von einer Einigung im Sinne von B II 3 des notariellen Vertrages auszugehen. Nach Anerkenntnis des Widerklageantrags seien nunmehr sämtliche Bankguthaben aufgeteilt. Dies sei zwar vom Wortlaut her nicht von dem in der notariellen Urkunde verwendeten Begriff der außergerichtlichen Einigung erfaßt. Deshalb sei durch Auslegung zu ermitteln, ob auch die durch Anerkenntnis des Klägers entstandene Regelung die Tatbestandsvoraussetzung erfülle. Ausgehend von der Interessenlage der Parteien sei festzustellen, daß der Kläger die Auflassung und die Beklagte die Aufteilung der Bankguthaben unter Berücksichtigung einer Ausgleichszahlung zu ihren Gunsten hätten erreichen wollen. Durch die in den notariellen Vertrag aufgenommene Bedingung für die Auflassung sei ein gewisser Druck auf den Kläger entstanden, dem Ausgleichsverlangen der Beklagten nachzugeben. Dies habe der Kläger zwar auch durch sein Anerkenntnis nicht getan. Immerhin habe er dadurch aber die unverzügliche Aufteilung der vorhandenen Bankguthaben nach Quoten ermöglicht. Ob die Beklagte eine solche Teilauseinandersetzung gegen den Willen des Klägers hätte durchsetzen können, sei fraglich.

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat, wie die Revision mit Recht beanstandet, das Beweisangebot der Beklagten und wesentlichen Parteivortrag rechtsfehlerhaft übergangen und die notarielle Vereinbarung vom ohne hinreichende Berücksichtigung der Interessen der Beklagten einseitig zugunsten des Klägers ausgelegt.

1. Dem angefochtenen Urteil läßt sich schon nicht entnehmen, wie das Berufungsgericht die Regelung unter B II 3 des notariellen Vertrages auslegt. Unter Hinweis auf die Maßgeblichkeit des Wortlauts wird zunächst gesagt, alleinige Voraussetzung für den Auflassungsanspruch sei die Aufteilung des noch vorhandenen Bankguthabens. Bei den Ausführungen dazu, ob die Widerklage und das Anerkenntnis als Bedingungseintritt anzusehen seien, nimmt das Berufungsgericht jedoch an, durch die Aufnahme der Bedingung in den Vertrag sei ein gewisser Druck auf den Kläger entstanden, dem Interesse der Beklagten an einer Ausgleichszahlung nachzugeben. Eben dies war aber der von der Beklagten behauptete Zweck der Bedingung.

a) Legt man die zuerst genannte Auslegung der revisionsrechtlichen Prüfung zugrunde, hat das Berufungsgericht es rechtsfehlerhaft unterlassen, die von der Beklagten benannten Zeugen zu vernehmen. Nach ihrer unter Beweis gestellten Behauptung umfaßte die als Bedingung für die Auflassung zu erzielende Einigung insbesondere die vom Kläger zu leistende, der Höhe nach aber streitige Ausgleichszahlung.

aa) Dabei kann offenbleiben, ob der Wortlaut der Vertragsbestimmung so klar ist, wie das Berufungsgericht meint. Immerhin ist nicht von einer Aufteilung des Bankguthabens die Rede, sondern von einer Erbteilung und einer insoweit zu erzielenden, aber noch nicht bestehenden Einigung. Das deutet darauf hin, daß mit der Erbteilung des Bankguthabens nicht die rein rechnerische Aufteilung nach den schon damals unstreitig gewesenen Erbquoten gemeint ist.

bb) Das Berufungsgericht hat jedenfalls nicht beachtet, daß der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien dem Vertragswortlaut und jeder anderen Interpretation vorgeht und Fragen der Auslegung erst entstehen, wenn sich ein übereinstimmender Parteiwille nicht feststellen läßt ( - NJW 1998, 3196 unter II 1). Auch demjenigen, der sich auf einen vom eindeutigen Wortlaut abweichenden Parteiwillen beruft, steht der Beweis hierfür offen (vgl. - NJW 1995, 3258 unter 2 c und vom - II ZR 34/99 - NJW 2001, 144 unter II 2).

b) Sollte die Bedingung als Druckmittel der Beklagten zur Durchsetzung ihrer Ausgleichsforderung anzusehen sein, ist das vom Berufungsgericht gefundene Ergebnis nicht mit dem Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (vgl. dazu - NJW 2000, 2508 unter II 2 a m.w.N.) zu vereinbaren. Dieser Grundsatz besagt insbesondere, daß ein Verzicht auf Rechte im allgemeinen nicht zu vermuten ist, sondern ein unzweideutiges Verhalten festgestellt werden muß, das vom Erklärungsgegner als Aufgabe des Rechts verstanden werden kann ( - NJW 1994, 379 unter II 2 a und b m.w.N.; zuletzt - Urteilsumdruck S. 10 ff., zur Veröffentlichung bestimmt).

Das Berufungsgericht hat richtig gesehen, daß der Kläger durch das Anerkenntnis der auf hälftige Teilung der restlichen Bankguthaben gerichteten Widerklageforderung dem Wunsch der Beklagten nach Zahlung des Wertausgleichs aus der Grundstücksauseinandersetzung nicht nachgegeben hat. Es hält den Auflassungsanspruch aber deshalb für begründet, weil der Kläger durch sein Anerkenntnis die unverzügliche Aufteilung der restlichen Bankguthaben ermöglicht habe und dadurch der Beklagten entgegengekommen sei. Dieser Gesichtspunkt könnte aber überhaupt nur dann bei der Interessenabwägung entscheidend zu Lasten der Beklagten ins Gewicht fallen, wenn sie an der Auseinandersetzung der nur noch verhältnismäßig geringen Bankguthaben ein größeres Interesse gehabt hätte als der Kläger. Dazu haben die Parteien nichts vorgetragen, dafür ist auch nichts ersichtlich. Der Widerklage kann auch nicht entnommen werden, daß die Beklagte auf das ihr durch die Bedingung gegebene rechtliche Druckmittel verzichtet hat. Sie hat vielmehr stets daran festgehalten, daß dem geltend gemachten Auflassungsanspruch die fehlende Einigung über die Höhe des Ausgleichsanspruchs entgegenstehe.

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

Die im notariellen Vertrag vom unter B II 3 genannte noch nicht bestehende Einigung dürfte sich nach dem übereinstimmenden Parteivortrag nur auf die Höhe des vom Kläger unter Berücksichtigung von Gegenforderungen zu zahlenden Ausgleichs bezogen haben. Die Erbquoten und die Ausgleichspflicht dem Grunde nach waren und sind unstreitig. Eine außergerichtliche Einigung darüber ist, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht erzielt worden. Die Meinungsverschiedenheiten der Parteien über die Brandentschädigung stehen dem Auflassungsanspruch nach dem bisherigen Vortrag in den Tatsacheninstanzen nicht entgegen. Danach ist offen, wem dieser Betrag zusteht. Daß die Brandentschädigung Gegenstand der notariellen Verhandlung vom gewesen sei, hat die Beklagte nicht behauptet.

Fundstelle(n):
ZAAAB-99259

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein