BAG Beschluss v. - 5 AZB 25/01

Leitsatz

[1] Zahlt die Bundesanstalt für Arbeit den Beschäftigten einer GmbH nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Insolvenzgeld und macht sie anschließend gegen den Geschäftsführer der GmbH Schadensersatzansprüche wegen Insolvenzverschleppung geltend, sind hierfür nicht die Gerichte für Arbeitssachen, sondern die ordentlichen Gerichte zuständig.

Gesetze: ArbGG § 2; ArbGG § 3

Instanzenzug: ArbG Bamberg 5 Ca 1258/00 LAG Nürnberg 4 Ta 113/01

Gründe

I. Die Parteien streiten im Ausgangsverfahren über Schadensersatzansprüche. Klägerin ist die Bundesanstalt für Arbeit. Der Beklagte war einer von zwei Geschäftsführern der Komplementärin der H KG, über deren Vermögen mit Beschluß des Amtsgerichts Bamberg vom das Konkursverfahren eröffnet wurde. Die Klägerin leistete an Arbeitnehmer der H KG für die Zeit von Mitte Oktober 1994 bis Mitte Januar 1995 Konkursausfallgeld in einer Gesamthöhe von 4.741.880,85 DM. Der Beklagte wurde in einem Strafverfahren durch das Landgericht Hof mit Urteil vom wegen vorsätzlicher verspäteter Konkursantragstellung verurteilt.

Mit Mahnbescheid vom forderte die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz wegen vorsätzlich unterlassener Konkursantragstellung in Höhe von 2.336.510,76 DM.

Nach Widerspruch des Beklagten gegen den Mahnbescheid verfolgt die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch vor dem Arbeitsgericht weiter. Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei nach § 3 ArbGG eröffnet. Sie sei im weiteren Sinne Rechtsnachfolgerin der Arbeitnehmer, an welche das Konkursausfallgeld gezahlt worden sei.

Das den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Bamberg verwiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und die weitere sofortige Beschwerde zugelassen.

II. Die zulässige weitere sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt. Ein Fall der ausschließlichen Zuständigkeit nach § 2 Abs. 1 ArbGG liegt ersichtlich nicht vor. Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen folgt auch nicht aus § 3 ArbGG. Die Klägerin ist nicht Rechtsnachfolgerin der bei der H KG beschäftigten Arbeitnehmer.

1. Nach § 3 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen auch zuständig in den Fällen, in denen der Rechtsstreit durch einen Rechtsnachfolger oder eine Person geführt wird, die kraft Gesetzes an Stelle des sachlich Berechtigten oder Verpflichteten hierzu befugt ist. Eine Rechtsnachfolge liegt vor, wenn die Rechte des Gläubigers oder die Pflichten des Schuldners von einer Person auf eine andere übergehen ( - BAGE 53, 317, 320). Rechtsnachfolge ist im weitesten Sinne zu verstehen und erfaßt auch den Sachverhalt, daß ein Dritter auf Grund seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung als Inhaber des Arbeitgebers vom Arbeitnehmer in Anspruch genommen wird ( - AP ArbGG 1979 § 3 Nr. 5 = EzA ArbGG 1979 § 3 Nr. 1).

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 3 ArbGG liegen nicht vor.

a) Die Klägerin führt den Rechtsstreit nicht als Rechtsnachfolgerin der Arbeitnehmer der H KG. Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB ist nicht mit den aus § 611 BGB folgenden Lohn- und Gehaltsansprüchen der Arbeitnehmer gegen die in Konkurs gefallene Gesellschaft als Arbeitgeberin identisch. Dies folgt schon daraus, daß der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen einen anderen Schuldner als den der aus § 611 BGB folgenden Lohn- und Gehaltsansprüche geltend gemacht wird ( - BGHZ 108, 134). Der von der Klägerin herangezogene Vergleich zur Forderungsabtretung geht fehl. Hier wird verkannt, daß zwischen den vom Konkurs der H KG betroffenen Arbeitnehmern und der Klägerin keinerlei rechtsgeschäftliche Vereinbarungen über die Abtretung möglicher Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer aus § 826 BGB getroffen worden sind.

b) Die Klägerin führt den Rechtsstreit auch nicht kraft Gesetzes anstelle der sachlich berechtigten Arbeitnehmer der insolventen H KG. Insoweit hat der Bundesgerichtshof (aaO) zu Recht darauf hingewiesen, daß nach § 141 m AFG nur Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die den Anspruch auf Konkursausfallgeld begründen, auf die Klägerin übergegangen sind. Der gesetzliche Forderungsübergang betrifft nur die aus § 611 BGB folgenden Lohn- und Gehaltsansprüche der Arbeitnehmer gegen die in Konkurs gefallene Gesellschaft als Arbeitgeberin. Diese Ansprüche sind jedoch von möglichen Schadensersatzansprüchen der Arbeitnehmer aus § 823 Abs. 2 BGB, § 64 GmbHG gegen die Geschäftsführer zu unterscheiden und mit diesen nicht identisch. Entsprechendes gilt für Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BB 2002 S. 1427 Nr. 27
DB 2002 S. 1382 Nr. 26
WAAAB-94218

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