BGH Beschluss v. - 5 StR 23/24

Instanzenzug: Az: 13 KLs 563 Js 59604/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und besonders schwerer räuberischer Erpressung (Fall II.2), wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung (Fall II.3) sowie wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen (Fälle II.5 und 6) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Im Fall II.2 der Urteilsgründe hält die Verurteilung wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

3a) Nach den Urteilsfeststellungen veranlassten der Angeklagte und drei Mittäter den Geschädigten P.   , am gegen 22.30 Uhr in das Auto eines seiner Tatgenossen zu steigen, um eine Streitigkeit im Zusammenhang mit dem Abschluss von Mobilfunkverträgen zu klären. Während der Fahrt schlug der Angeklagte den Geschädigten mit der flachen Hand gegen den Hinterkopf, während einer der anderen Mitfahrer ihn am Hals ergriff. Die Fahrzeuginsassen forderten P.    auf, ihnen seine Geldbörse nebst Geldkarte auszuhändigen und die dazugehörige PIN zu nennen. Dem kam der Geschädigte infolge der Misshandlungen nach. Anschließend fuhren sie zu einem Geldautomaten, an dem der Angeklagte und einer seiner Mittäter gegen 22.50 Uhr 1.000 Euro vom Konto des Geschädigten abhoben. Sie wussten, dass sie keinen Anspruch auf das Geld hatten.

4Danach fuhren sie in ein Waldstück, ließen den Geschädigten aussteigen, schlugen ihn mehrfach ins Gesicht und zwangen ihn, sich auszuziehen. Der Angeklagte hielt ihm ein Klappmesser vors Gesicht und drohte ihm, ein Auge auszustechen und seine Schwester zu vergewaltigen, falls er zur Polizei gehe. Einer der Mittäter schlug dem Geschädigten mit einem Gürtel mehrfach auf die Hände. Kurz nach Mitternacht fuhren sie zurück und versuchten vergeblich, ein weiteres Mal Geld vom Konto des Geschädigten abzuheben. Anschließend setzten sie P.    in der Nähe seines Wohnortes ab.

5b) Der Schuldspruch wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung hat keinen Bestand, weil die Feststellungen den vom Landgericht angenommenen Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht tragen.

6aa) Die Qualifikation nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter bei der Tat eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug verwendet. Das Tatbestandsmerkmal des Verwendens umfasst jeden zweckgerichteten Gebrauch eines objektiv gefährlichen Tatmittels. Das Verwenden bezieht sich auf den Einsatz des Nötigungsmittels zur Verwirklichung des Erpressungstatbestands. Es liegt danach vor, wenn der Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug gerade als Mittel entweder der Ausübung von Gewalt gegen eine Person oder der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gebraucht, um den Geschädigten zu einer Vermögensverfügung im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB zu nötigen (vgl. , BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 12). Wird die Waffe oder das andere gefährliche Werkzeug erst nach Vollendung der Erpressung, aber vor deren Beendigung verwendet, ist es wenigstens erforderlich, dass das Tatwerkzeug als Mittel zur Sicherung der Tatbeute eingesetzt wird (vgl. , BGHSt 52, 376, 378; vom – 3 StR 229/08; NStZ-RR 2008, 342, 343).

7bb) Gemessen daran wird ein Verwenden einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges bei der Erpressungstat nicht von den Feststellungen getragen. Als der Angeklagte und seine Mittäter den Geschädigten nötigten, seine Geldkarte auszuhändigen und die dazugehörige PIN zu offenbaren, setzten sie lediglich einfache körperliche Gewalt ein; eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug verwendeten sie hierzu nicht. Nach Vollendung der räuberischen Erpressung mit dem Nötigungserfolg dergestalt, dass der Geschädigte infolge der Misshandlungen die Geldkarte aushändigte und die PIN offenbarte (vgl. hierzu , BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögensschaden 12), verwendete der Angeklagte zwar ein Klappmesser als Drohmittel und ein Mittäter einen Gürtel als Schlagwerkzeug. Insoweit lässt sich dem Urteil aber – auch in seinem Gesamtzusammenhang – nicht entnehmen, dass der Einsatz der gefährlichen Werkzeuge von einer Bereicherungs- oder wenigstens einer Beutesicherungsabsicht getragen war. Vielmehr diente deren Verwendung nach den getroffenen Feststellungen dazu, den Geschädigten von einer Anzeige bei der Polizei abzuhalten.

8cc) Es bedarf daher erneuter Prüfung und Entscheidung, ob der Angeklagte den Qualifikationstatbestand des besonders schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB oder lediglich den des schweren Raubes nach § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB durch das Beisichführens des Klappmessers verwirklicht hat. Der Rechtsfehler nötigt auch zur Aufhebung der für sich genommen rechtsfehlerfreien Verurteilung wegen der tateinheitlich verwirklichten Delikte des erpresserischen Menschenraubes und der gefährlichen Körperverletzung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.

92. Im Fall II.3 der Urteilsgründe begegnet die Verurteilung wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

10a) Nach den Urteilsfeststellungen entschlossen sich der Angeklagte und seine Mittäter am Abend des , ein weiteres Treffen mit dem Geschädigten P.    zu arrangieren, um erneut Geld von ihm zu erlangen. Gegen 2 Uhr nachts trafen sie den Geschädigten, der sich zu ihnen ins Auto setzte. Der Angeklagte schlug ihm mehrfach mit der Faust ins Gesicht. Anschließend fuhren sie ihn wieder in das Waldstück, ließen ihn aussteigen und schlugen und traten anschließend für fünf bis zehn Minuten auf ihn ein. Dabei schlug der Angeklagte ihn mit dem Mundstück einer Sisha-Pfeife auf den Hinterkopf. Währenddessen verlangten sie zudem die Zahlung von Geldbeträgen von dem Geschädigten. Danach legten sie ihn in den Kofferraum und fuhren ihn zu seiner Wohnung, wo sie ihn aussteigen ließen. Einer der Mittäter forderte ihn auf, bis Mitte des Monats 1.500 und bis zum Ende des Monats weitere 1.500 Euro zu zahlen. Sie wussten, dass sie keinen Anspruch auf das Geld hatten.

11b) Die Verurteilung wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht es versäumt hat, einen strafbefreienden Rücktritt nach § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB zu erörtern.

12Für eine Erfolgsverhinderung im Sinne des § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB kann es genügen, wenn alle Tatbeteiligten bei einem unbeendeten Versuch einvernehmlich und freiwillig davon absehen, ihr Nötigungsziel weiter mit den tatbestandlichen Nötigungsmitteln zu verfolgen (vgl. ). Für die Frage, ob ein unbeendeter Versuch vorliegt, kommt es auf die Sicht der Täter nach Ende der letzten Ausführungshandlung an (vgl. zum sogenannten Rücktrittshorizont nur , NStZ 2023, 541). Zu Recht hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift darauf hingewiesen, dass sich dem Urteil insoweit keinerlei Feststellungen entnehmen lassen.

13c) Der Rechtsfehler zieht die Aufhebung der Verurteilung wegen der hierzu in Tateinheit stehenden Delikte des erpresserischen Menschenraubes und der gefährlichen Körperverletzung nach sich. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen nicht widersprechen. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, den für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 239a Abs. 1 StGB erforderlichen funktionalen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigen Erpressung näher in den Blick zu nehmen (vgl. hierzu , NStZ 2022, 41 f. mwN).

143. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen II.2 und II.3 zieht die Aufhebung der hierfür verhängten Strafen und des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Die Feststellungen zum Strafausspruch können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um solche ergänzt werden, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:280224B5STR23.24.0

Fundstelle(n):
YAAAJ-64556