BGH Beschluss v. - 1 StR 262/23

Gesetze: § 2 Abs 6 StGB, § 51 Abs 1 S 1 StGB, § 51 Abs 1 S 2 StGB, § 67 Abs 5 S 1 StGB, Art 316o Abs 1 S 1 StGBEG

Instanzenzug: LG Mannheim Az: 5 KLs 806 Js 41770/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO; einzig der Tenor der angefochtenen Entscheidung bedarf – nach Änderung der §§ 64, 67 StGB mit Wirkung zum – der Ergänzung durch das Revisionsgericht (§ 349 Abs. 4, § 354a StPO, § 354 Abs. 1 StPO analog).

21. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch, zum Strafausspruch, zur Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB in der bis zum geltenden Fassung (nachfolgend: aF) und zur Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Zu letzterer ist die Erweiterung der Anordnung einer gesamtschuldnerischen Haftung des Angeklagten entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts nicht veranlasst. Der Senat verweist auf seine Rechtsprechung, wonach die unterbliebene Anordnung einer gesamtschuldnerischen Haftung den Angeklagten nicht beschwert (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 514/21 und vom – 1 StR 259/22).

32. Gleichfalls für sich genommen rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer nach § 67 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Satz 1 StGB aF von der Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe abgesehen (vgl. Rn. 4 mwN).

4a) Gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 erster Halbsatz StGB in der Fassung des am in Kraft getretenen Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vom (BGBl. I Nr. 203) ist jedoch der vor der Maßregel zu vollstreckende Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und der anschließenden Unterbringung in einer Entziehungsanstalt eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung nach Erledigung (erst) von zwei Dritteln der Strafe möglich ist. Die Vollstreckungsvorschrift des § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB nF gilt gemäß § 2 Abs. 6 StGB – mangels eingreifender besonderer Übergangsregelung – auch hier. Von dem neuen Vollstreckungsregime sollen allein die bei Inkrafttreten des neuen Maßregelrechts schon rechtskräftigen „Altfälle“ ausgenommen werden; für diese bestimmt sich die Berechnung des Vorwegvollzugs nach dem Halbstrafenzeitpunkt gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB aF (vgl. BT-Drucks. 20/5913 S. 77 f. und Art. 316o Abs. 1 Satz 1 EGStGB). Die Voraussetzungen der Art. 316o Abs. 1 Satz 2, Art. 313 Abs. 2 EGStGB sind nicht gegeben (vgl. Rn. 3-5 mwN).

5b) Da die Strafkammer die Grundlagen für die Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs rechtsfehlerfrei festgestellt hat, kann der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Anordnung des teilweisen Vorwegvollzugs nachholen und den Tenor entsprechend ergänzen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 458/21 Rn. 16 und vom – 1 StR 354/23 Rn. 2; jeweils mwN). Dem psychiatrischen Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) folgend, ist die Strafkammer zu der Feststellung gelangt, dass die voraussichtliche Therapiedauer bei dem Angeklagten zwei Jahre beträgt. Bei der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten, damit einem Erreichen des Zweidrittelzeitpunkts nach vier Jahren und vier Monaten sowie einer Therapiedauer von zwei Jahren ergibt sich ein Vorwegvollzug von zwei Jahren und vier Monaten.

6Die erlittene Untersuchungshaft hat bei der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs außer Betracht zu bleiben. Die nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB gebotene Anrechnung der Untersuchungshaft auf den vor der Unterbringung zu vollziehenden Teil der Strafe nimmt die Vollstreckungsbehörde im Vollstreckungsverfahren vor (BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 458/21 Rn. 15; vom – 1 StR 601/19 Rn. 4 und vom – 3 StR 29/19 Rn. 2).

7c) Der Senat ist nicht wegen des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) gehindert, die Anordnung des teilweisen Vorwegvollzugs auf eine Angeklagtenrevision hin zu treffen; zudem kann er durch Beschluss (insofern gemäß § 349 Abs. 4 StPO) entscheiden. Denn diese Anordnung ergeht zu Gunsten des Angeklagten, weil die gesetzlichen Regelungen über die Vollstreckungsreihenfolge auch der Sicherung des Therapieerfolges dienen (vgl. Rn. 17 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:230124B1STR262.23.0

Fundstelle(n):
FAAAJ-60608