BGH Urteil v. - 2 StR 195/23

Ablehnung einer Schöffin wegen Besorgnis der Befangenheit

Leitsatz

1. Bei den gesetzlichen Vorschriften, nach denen ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann (§ 24 Abs. 1 und 2, § 31 StPO), handelt es sich nicht um Rechtsnormen, die im Sinne des § 339 StPO lediglich zugunsten des Angeklagten wirken.

2. Die Staatsanwaltschaft kann in Ausübung ihrer Rolle als „Wächterin des Gesetzes“ Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Entscheidung über von ihr gestellte Ablehnungsgesuche ungeachtet von deren Angriffsrichtung mit der Revision rügen.

3. Ein Ablehnungsgesuch der Staatsanwaltschaft ist gerechtfertigt, wenn sie bei verständiger Würdigung der ihr bekannten Umstände Grund zu der Besorgnis hat, dass der Richter gegenüber dem rechtlich zu würdigenden Sachverhalt oder den daran Beteiligten nicht unvoreingenommen und unparteilich ist.

Gesetze: § 22 StPO, § 23 StPO, § 24 Abs 1 StPO, § 24 Abs 2 StPO, § 31 Abs 1 StPO, § 339 StPO

Instanzenzug: Az: 115 KLs 19/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Beihilfe zur tateinheitlichen Einfuhr von und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.

2Das zu Lasten des Angeklagten eingelegte, vom Generalbundesanwalt vertretene und auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat mit der Verfahrensrüge Erfolg. Auf die sachlich-rechtlichen Beanstandungen kommt es daher nicht an.

I.

3Nach den Feststellungen bestellte der gesondert verfolgte B.    am in den Niederlanden zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmte zehn Kilogramm Marihuana. Zur Verbringung der Betäubungsmittel nach Deutschland beauftragte er den Angeklagten am mit der Beschaffung eines „Schmuggelfahrzeugs“, woraufhin dieser den Opel Corsa seiner damaligen Lebensgefährtin organisierte.

4Am fuhren der Angeklagte in dem Opel Corsa und B.   in seinem SUV der Marke Seat nach E.    . Dort tauschten sie die Fahrzeuge und B.   lud das Rauschgift in Abwesenheit des Angeklagten in den Opel Corsa, mit dem er das Marihuana über die Grenze nach Deutschland verbrachte. Der Angeklagte fuhr mit dem Seat voraus, um bei eventuellen Kontrollen die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ein bis zwei Tage nach ihrer Rückkehr tauschten sie die Fahrzeuge zurück und der Angeklagte erhielt eine Entlohnung von 500 €.

II.

5Die Rüge der Staatsanwaltschaft, bei dem Urteil habe eine Schöffin mitgewirkt, nachdem sie wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden und das Ablehnungsgesuch zu Unrecht verworfen worden sei (§ 338 Nr. 3, § 24 Abs. 2, § 28 Abs. 2 Satz 2, § 31 Abs. 1 StPO), dringt durch.

61. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

7Die an dem angefochtenen Urteil mitwirkende Schöffin J.   teilte dem Vorsitzenden am ersten Hauptverhandlungstag nach Verlesung der Anklage mit, dass es sich bei dem Angeklagten um den ehemaligen Partner ihrer „angeheirateten Nichte“ handele, den sie auf Familienfeiern fünf- bis sechsmal getroffen und mit dem sie sich auch unterhalten habe. Die Beziehung zwischen der „Nichte“ und dem Angeklagten sei beendet, ihr letzter persönlicher Kontakt zum Angeklagten sei über drei Jahre her. Nach Bekanntgabe dieser Umstände durch den Vorsitzenden gegenüber den Verfahrensbeteiligten erklärte der Verteidiger des Angeklagten, dass das im Anklagesatz erwähnte Tatfahrzeug, der Opel Corsa, der „Nichte“ gehöre, diese aber nicht gewusst habe, wofür der Angeklagte sich das Fahrzeug geliehen habe.

8Nach einer circa fünfundvierzigminütigen Sitzungsunterbrechung verlas die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft ein gegen die Schöffin gerichtetes Ablehnungsgesuch und begründete dieses mit deren „Verwandtschaftsverhältnis“ zur Eigentümerin des mutmaßlichen Tatfahrzeugs. In ihrer sich anschließenden dienstlichen Äußerung bestätigte die abgelehnte Schöffin, dass die durch den Vorsitzenden vorgetragenen Tatsachen zu ihrer Bekanntschaft zum Angeklagten zutreffend seien.

9Die Strafkammer hat den Ablehnungsantrag zurückgewiesen und zugleich die Selbstanzeige der Schöffin als unbegründet erachtet. Sie hat ausgeführt, dass mangels enger persönlicher Beziehung der Schöffin zum Angeklagten eine Besorgnis der Befangenheit nicht bestehe.

102. Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht die Mitwirkung der Schöffin als erkennende Richterin.

11a) Der Beschluss des Landgerichts ist der Anfechtung nicht entzogen.

12Zwar kann das Revisionsgericht in den Fällen des § 30 StPO die Entscheidung, durch welche die Selbstanzeige eines Richters oder Schöffen wegen eines Verhältnisses, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, für begründet oder für nicht begründet erklärt wird, für sich gesehen grundsätzlich nicht überprüfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 541/72, BGHSt 25, 122, 126 f. mwN; vom − 3 StR 452/20, NStZ 2023, 558, 559; vom – 5 StR 164/22, NJW 2023, 3442, 3443 f. Rn. 30; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 30 Rn. 9). Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO betrifft lediglich den Fall der Ablehnung nach § 24 StPO, nicht den der Selbstanzeige nach § 30 StPO (vgl. − 3 StR 90/17, NStZ 2017, 720; KK-StPO/Heil, 9. Aufl., § 30 Rn. 7).

13Anderes gilt aber dann, wenn sich – wie hier – ein Ablehnungsberechtigter das Vorbringen des Selbstanzeigenden zu eigen macht und ihn deswegen ablehnt; dies eröffnet das Verfahren der §§ 25 bis 28 StPO. Dementsprechend hat die Strafkammer mit der Entscheidung über den gegen die Schöffin gerichteten Befangenheitsantrag zugleich über die Selbstanzeige der Schöffin befunden (vgl. − 3 StR 452/20, NStZ 2023, 558, 559; vgl. auch KK-StPO/Heil, 9. Aufl., § 30 Rn. 7).

14b) Die Verfahrensrüge ist in zulässiger Weise erhoben.

15aa) Sie genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; insbesondere teilt die Revision die wesentlichen Inhalte des Ablehnungsantrags vom und des Zurückweisungsbeschlusses vom selben Tag mit (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 462/05; vom – 1 StR 90/20, StV 2020, 815, 815 f.), zudem die Umstände, aus denen sich die Einhaltung der unverzüglichen Antragsstellung (§ 25 Abs. 1 Satz 2 StPO) ergibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom − 4 StR 276/15, NStZ 2016, 627; vom − 5 StR 460/21, NStZ 2023, 53) sowie die dienstliche Erklärung der abgelehnten Schöffin (vgl. ; vom – 1 StR 167/07; BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 377/95, StV 1996, 2; vom – 1 StR 109/99; vgl. zum gegen einen Dolmetscher gerichteten Befangenheitsgesuch ).

16bb) Der Rüge steht § 339 StPO nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann die Staatsanwaltschaft zwar die Verletzung von Rechtsnormen, die lediglich zugunsten des Angeklagten gegeben sind, nicht zu dessen Nachteil geltend machen; doch trifft das für die hier in Rede stehende Rechtsnorm (§ 24 StPO) nicht zu.

17(1) Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich bislang allein mit der Frage befasst, ob die Gesetzesbestimmungen, nach denen ein Richter von Gesetzes wegen an der Mitwirkung an der Entscheidung ausgeschlossen ist (§§ 22, 23 StPO; § 338 Nr. 2 StPO), lediglich zugunsten des Angeklagten im Sinne des § 339 StPO gegeben sind und dies für § 22 StPO verneint (vgl. RG, Urteil vom – I 243/25, RGSt 59, 267, 267 f.; vgl. auch Löwe/Rosenberg/Franke, StPO, 26. Aufl., § 339 Rn. 5; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 339 Rn. 3; MüKoStPO/Knauer/Kudlich, § 339 Rn. 4; SK-StPO/Frisch, 5. Aufl., § 339 Rn. 9; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 339 Rn. 5).

18(2) Für die gesetzlichen Vorschriften, nach denen ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann (§ 24 Abs. 1 und 2, § 31 StPO), gilt nichts Anderes. Diese Rechtsnormen dienen nicht allein den Verteidigungsbelangen des Angeklagten und damit nicht allein seinem Schutz, sondern bezwecken, das Gebot eines unabhängigen und unparteilichen Richters zu garantieren.

19(a) Ob eine Vorschrift als eine solche im Sinne des § 339 StPO anzusehen ist, bestimmt sich nach deren abstrakter Zweckbestimmung (vgl. , BGHSt 37, 249, 250; Beschluss vom – KRB 11/21, BGHSt 66, 309, 313). Die strafprozessualen Vorschriften über die Ausschließung (§§ 22, 23 StPO) und Ablehnung (§ 24 StPO) von Richtern dienen dem Ziel, auch im Einzelfall die Neutralität und Distanz der zur Entscheidung berufenen Richter zu sichern (vgl. hierzu BVerfG, Beschlüsse vom – 2 BvL 10/75, BVerfGE 46, 34, 37; vom – 2 BvR 2092/09, NJW 2010, 2036 Rn. 14; vom – 2 BvR 1122/22, NStZ 2023, 627, 628 Rn. 25; vgl. auch , 2 BvR 638/01, BVerfGK 5, 269; MüKoStPO/Conen/Tsambikakis, 2. Aufl., § 24 Rn. 1). Insoweit handelt es sich um allgemein übergeordnete Normen, welche die rechtsstaatlichen Grundlagen des Verfahrens gewährleisten (vgl. , BGHSt 11, 213, 214). Zwar geben die Vorschriften dem Einzelnen zugleich eine Garantie auf einen unabhängigen und unparteilichen Richter (vgl. , NStZ 2023, 627, 628 Rn. 23 mwN; , NJW 2023, 3442, 3443). Hieraus ergibt sich aber nichts Abweichendes. Der von den §§ 22 bis 24 StPO ausgehende Schutz kann nicht auf den Schutz des Angeklagten reduziert werden (vgl. hierzu SK-StPO/Frisch, 5. Aufl., § 339 Rn. 7). Vielmehr sollen zugleich die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (vgl. , NStZ 2023, 627, 628 Rn. 22 mwN).

20(b) In Ausübung ihrer Rolle als „Wächterin des Gesetzes“ (vgl. ua, BVerfGE 133, 168, 219 Rn. 92 f.; vgl. auch , NStZ 2023, 306, 308 Rn. 16) hat auch die Staatsanwaltschaft die Aufgabe, für die Unabhängigkeit und Neutralität der Gerichte Sorge zu tragen. Die ihr zugewiesene Rolle zur Kontrolle dieser Garantien kommt einfachgesetzlich bereits im Kreis der Ablehnungsberechtigten (§ 24 Abs. 3 Satz 1 StPO) zum Ausdruck. Hiernach kann die Staatsanwaltschaft einen Richter generell zur Sicherung der Neutralität des Gerichts wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen. Um ihrer „Wächterfunktion“ im Normengefüge der §§ 22 ff. StPO gerecht werden zu können, bedarf es daher grundsätzlich und ungeachtet der Angriffsrichtung eines in der Tatsacheninstanz angebrachten Ablehnungsgesuchs seitens der Staatsanwaltschaft ihrer Befugnis, Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Entscheidung über Ablehnungsgesuche in der Revision zu rügen.

21c) Der Zurückweisungsbeschluss hält rechtlicher Überprüfung am Maßstab der § 24 Abs. 2, § 31 Abs. 1 StPO nicht stand. Das feststehende Verfahrensgeschehen, auf dessen Grundlage der Senat nach Beschwerdegrundsätzen zu prüfen hat, ob das Ablehnungsgesuch zu Unrecht zurückgewiesen worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 571/17, Rn. 4; vom – 3 StR 181/21, NStZ 2023, 168, 170 Rn. 47), ist geeignet, die Besorgnis der Befangenheit gegen die abgelehnte Schöffin zu begründen.

22aa) Die Ablehnung eines (Berufs-)Richters ist nach § 24 Abs. 2 StPO, der nach § 31 Abs. 1 StPO für einen Schöffen entsprechend gilt, gerechtfertigt, wenn die ablehnende Staatsanwaltschaft bei verständiger Würdigung der ihr bekannten Umstände Grund zu der Besorgnis hat, dass der Richter gegenüber dem rechtlich zu würdigenden Sachverhalt oder den daran Beteiligten nicht unvoreingenommen und unparteilich ist (vgl. allgemein zu § 24 StPO , BGHSt 44, 4, 7). Nicht erheblich ist, ob der abgelehnte Richter tatsächlich befangen ist oder nicht (vgl. , NStZ-RR 2004, 208, 209).

23bb) Dabei ist zunächst in den Blick zu nehmen, dass die §§ 22, 23 StPO Ausschlussgründe aufgrund typisierter Verhältnisse oder Beziehungen erschöpfend regeln. Sie sind eng auszulegen und dürfen nicht dadurch erweitert werden, dass für bestimmte Fälle § 24 StPO allgemein „zur Lückenfüllung“ herangezogen wird (vgl. , Rn. 8; KK-StPO/Heil, 9. Aufl., § 24 Rn. 10; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 22 Rn. 3).

24Grundsätzlich gilt daher, dass, soweit nicht die im Gesetz aufgeführten persönlichen Verhältnisse oder Beziehungen vorliegen, von der Fähigkeit des Richters auszugehen ist, sich von Befangenheit frei zu halten (vgl. Löwe/Rosenberg/Siolek, StPO, 27. Aufl., § 24 Rn. 30; SSW-StPO/Kudlich/Noltensmeier-von-Osten, 5. Aufl., § 24 StPO, Rn. 9). Gleichwohl vermögen persönliche Beziehungen des Richters zu Angeklagten, Verletzten oder Zeugen je nach Intensität und konkreter Sachlage die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. KK-StPO/Heil, 9. Aufl., § 24 Rn. 12). Sie lassen eine Ablehnung aber nur dann als begründet erscheinen, wenn eine besonders enge Beziehung vorliegt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 24 Rn. 11 („eng befreundet“); SK-StPO/Wolter, 5. Aufl., § 24 StPO Rn. 18, 20; weitgehender wohl MüKoStPO/Conen/Tsambikakis, 2. Aufl., § 24 Rn. 28 („freundnachbarschaftliche Verhältnisse“ reichen teilweise aus)) oder ein besonderer Zusammenhang mit der Strafsache besteht, der besorgen lässt, dass der Richter der Sache nicht mit der gebotenen Unvoreingenommenheit gegenübersteht (vgl. BeckOK StPO/Cirener, 48. Ed., § 24 Rn. 10; SSW-StPO/Kudlich/Noltensmeier-von-Osten, 5. Aufl., § 24 StPO, Rn. 9; Temming in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 6. Aufl., § 24 Rn. 13; Fischer/Kudlich, JA 2020, 641, 646).

25cc) Hiervon ausgehend ist es zunächst nicht zu beanstanden, dass das Landgericht allein in der persönlichen Bekanntschaft der Schöffin zum Angeklagten keinen Befangenheitsgrund gesehen hat. Es fehlt an einer persönlichen Beziehung mit der für die Begründung einer Besorgnis der Befangenheit erforderlichen Intensität zwischen den beiden Personen. So kam es bis zur Hauptverhandlung zu lediglich fünf oder sechs Begegnungen mit nur kurzen Unterhaltungen. Hinzu tritt, dass seit dem letzten persönlichen Kontakt mehr als drei Jahre vergangen sind und auch eine indirekte persönliche Beziehung zum Angeklagten aufgrund der – zwischenzeitlich beendeten – Partnerschaft zu der „Nichte“ der Schöffin nicht (mehr) existiert.

26dd) Allerdings hat es das Landgericht versäumt, die persönlichen Beziehungen der Schöffin in eine Gesamtschau einzuordnen, was hier zur Annahme der Besorgnis der Befangenheit führt.

27Besondere Umstände ergeben sich vorliegend daraus, dass die fortbestehende persönliche Beziehung der Schöffin zu ihrer „Nichte“, der ehemaligen Lebensgefährtin des Angeklagten, einen Zusammenhang zu der Strafsache aufweist. Diese war die Eigentümerin des für die Einfuhrtaten (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) genutzten Tatfahrzeugs. Zwar würde eine etwaige Verfahrensbeteiligung der „Nichte“ als Zeugin eine Besorgnis der Befangenheit noch nicht ohne weiteres begründen. Dem steht bei der anzunehmenden Schwägerschaft dritten Grades (§ 1590 BGB) die gesetzgeberische Wertung des § 22 Nr. 3 StPO entgegen. Der durch den PKW als Tatmittel begründete enge Sachbezug zu der Strafsache berührt aber das Verhältnis der Schöffin zum Angeklagten dergestalt, dass diese ein Interesse daran haben könnte, dass zwischen der Betäubungsmitteleinfuhr und ihrer „Nichte“ keine Verbindung hergestellt und diese nicht zu einer potentiell Tatbeteiligten wird und so, je nach Einlassung des Angeklagten, diesem wohlwollend oder ablehnend gegenüberzustehen.

28Aus Sicht der ablehnenden Staatsanwaltschaft war damit bei verständiger Würdigung dieser Gesamtumstände die Besorgnis gerechtfertigt, der Schöffin fehle die erforderliche Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit. Die zu einer möglichen Befangenheit unergiebige dienstliche Äußerung der Schöffin vermag diese Wertung nicht auszuräumen, erschöpft sie sich doch allein darin, die Bekanntschaft zum Angeklagten zu bestätigen.

III.

29Der nach alledem gegebene absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO führt zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:251023U2STR195.23.0

Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 10 Nr. 9
NJW 2024 S. 846 Nr. 12
NJW 2024 S. 848 Nr. 12
wistra 2024 S. 3 Nr. 3
RAAAJ-58800