BGH Urteil v. - V ZR 51/23

Leitsatz

1a. Bei der Entscheidung über eine Gestaltungsklage, mit welcher bei fehlender oder bei fehlerhafter Verkündung des Ergebnisses eines Beschlusses der Wohnungseigentümer der wahre Beschlussinhalt geklärt werden soll (sogenannte Beschlussfeststellungsklage), hat das Gericht einredeweise geltend gemachte Beschlussmängel zu prüfen.

1b. Im Rahmen einer solchen Beschlussfeststellungsklage kann die beklagte Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Anfechtungsgründe einredeweise geltend machen.

2. Soweit die materielle Rechtskraft eines beschlussersetzenden Gestaltungsurteils reicht, kann eine auf tatsächliche Umstände gestützte Neuregelung durch Zweitbeschluss der Wohnungseigentümer nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn sich die tatsächlichen Umstände nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozess verändert haben.

Gesetze: § 18 Abs 2 WoEigG, § 19 Abs 1 WoEigG, § 44 WoEigG, § 322 Abs 1 ZPO

Instanzenzug: Az: V ZR 51/23 Beschlussvorgehend LG Frankfurt Az: 2-09 S 36/22vorgehend AG Frankfurt Az: 33 C 3287/21 (52)nachgehend Az: V ZR 51/23 Beschluss

Tatbestand

1Die Kläger sind Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Zu der Wohnungseigentumsanlage gehören mehrere Häuser. Die Gemeinschaftsordnung sieht vor, dass sich das Stimmrecht in der Eigentümerversammlung nach den Miteigentumsanteilen bestimmt. Sofern über Maßnahmen abgestimmt wird, deren Kosten nur von Miteigentümern eines Hauses zu tragen sind - wie hier über die Ausführung von Reparaturarbeiten an einem der Häuser -, sind nur die hiervon betroffenen Miteigentümer stimmberechtigt. Der zu der Wohneinheit der Kläger gehörende Balkon ist stark sanierungsbedürftig. In einem Vorprozess ersetzte das Amtsgericht einen Beschluss zu der Sanierung des Balkons und wies den Verwalter an, drei Angebote von Fachhandwerksfirmen einzuholen. Der Verwalter holte jeweils ein Angebot für fünf unterschiedliche, bei der Balkonsanierung anfallende Gewerke ein. In der Eigentümerversammlung vom wurde unter TOP 14.1 über den Beschlussantrag, den Verwalter zu der Beauftragung der fünf Angebote zu ermächtigen, abgestimmt. Die Mehrheit der Miteigentümer stimmte gegen den Beschlussantrag. Die Wohnungseigentümer des von der Balkonreparatur betroffenen Hauses stimmten mehrheitlich für den Beschlussantrag. Der Verwalter stellte fest, dass die Sanierung des Balkons durch Mehrheitsbeschluss abgelehnt wurde.

2Mit ihrer Klage verlangen die Kläger, diesen Beschluss für ungültig zu erklären und festzustellen, dass der unter TOP 14.1 beantragte Beschluss zustande gekommen ist; hilfsweise erstreben sie die Ersetzung eines entsprechenden Beschlusses. Das Amtsgericht hat dem Anfechtungsantrag - insoweit rechtskräftig - stattgegeben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter, soweit sie erfolglos geblieben sind.

Gründe

I.

3Das Berufungsgericht meint, die begehrte Feststellung des positiven Beschlussergebnisses setze voraus, dass der Beschluss den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspreche. Das sei nicht der Fall. Die beklagte GdWE rüge zu Recht das Fehlen von Alternativangeboten. Im Rahmen einer Beschlussfeststellungsklage seien jedenfalls die ausdrücklich einredeweise geltend gemachten Anfechtungsgründe zu prüfen. Denn es sei prozessökonomisch sinnvoll, in einem sog. „two-in-one"-Verfahren abschließend und mit bindender Wirkung für alle Wohnungseigentümer auch über die vorgetragenen Anfechtungsgründe zu entscheiden. Nur so könne den Wohnungseigentümern alsbald Rechtssicherheit über die Gültigkeit des Beschlusses verschafft werden. Zudem sei die Beschlussfeststellungsklage systematisch der Beschlussersetzungsklage zuzuordnen, bei der die materielle Rechtmäßigkeit des begehrten Beschlusses ebenfalls geprüft werde. Daneben könne auf eine entsprechende Handhabung der Beschlussfeststellungsklagen im Gesellschaftsrecht verwiesen werden. Die Anfechtungsgründe könnten nicht nur von den dem Rechtsstreit auf Seiten der GdWE als Nebenintervenienten beigetretenen Wohnungseigentümern, sondern auch von dem Verband selbst eingewandt werden. Der Gesetzgeber habe mit der Änderung des Klagegegners durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) nicht beabsichtigt, den Verband von der Geltendmachung der Anfechtungsgründe auszuschließen. Die GdWE sei zwar nicht zu einer Anfechtung von Beschlüssen befugt. Zum Schutz der Eigentümerinteressen seien aber auch die von ihr vorgetragenen Anfechtungsgründe zu berücksichtigen. Die Beklagte wende zu Recht ein, dass die Wohnungseigentümer auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage entschieden hätten. Denn angesichts des Kostenumfangs von insgesamt mehr als 65.000 € habe ein Bedürfnis für die Einholung von Alternativangeboten bestanden. Zudem ordne das in dem Vorprozess ergangene Urteil ausdrücklich die Einholung von drei Angeboten an. Demgegenüber genüge die pauschale Behauptung der Kläger, die Einholung von Angeboten sei aufgrund der Coronapandemie schwierig gewesen, nicht. Vor diesem Hintergrund sei auch der auf Beschlussersetzung gerichtete Hilfsantrag unbegründet.

II.

4Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

51. Die Zulässigkeit eines Antrags auf positive Beschlussfeststellung (sogenannte Beschlussfeststellungsklage) ist für das Wohnungseigentumsrecht in der Rechtsprechung des Senats anerkannt.

6a) Der Feststellung und Verkündung des Beschlussergebnisses durch den Versammlungsleiter kommt neben der konstitutiven auch eine inhaltsfixierende Bedeutung zu, weshalb die Kombination von Anfechtungs- und positivem Feststellungsantrag vor unrichtig festgestellten oder unrichtig verkündeten Beschlussergebnissen schützt (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 30/02, BGHZ 152, 46, 49 f.). Durch das Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) zum haben sich insoweit keine Änderungen ergeben.

7b) Soweit in der Literatur demgegenüber geltend gemacht wird, die statthafte Rechtsschutzform für die Beschlussfeststellung sei nicht die rechtsgestaltende Beschlussfeststellungsklage, sondern mangels tragfähiger normativer Grundlage nur die Beschlussersetzungsklage nach § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG, weil der Beschluss ohne Verkündung nicht gefasst sei (vgl. Staudinger/Lehmann-Richter, BGB [2023], § 44 WEG Rn. 57), trifft dies nicht zu. Die Beschlussfeststellung ist veranlasst, wenn der Versammlungsleiter ein Beschlussergebnis nicht oder fehlerhaft verkündet. Der Feststellung und Bekanntgabe des Beschlussergebnisses durch den Versammlungsleiter kommt konstitutive Bedeutung zu. Es handelt sich um eine Voraussetzung für das rechtswirksame Zustandekommen eines Eigentümerbeschlusses (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 10/01, BGHZ 148, 335, 341 f.). Gleichwohl ist die Meinungsbildung innerhalb der Gemeinschaft der Eigentümer in diesen Fällen bereits erfolgt. Die Beschlussfeststellungsklage soll die unterbliebene Verkündung des wahren Beschlussinhalts ersetzen, ohne dass das Gericht im Hinblick auf den durch die Eigentümer bereits festgelegten Beschlussinhalt eigenes Ermessen ausüben kann. Aus diesem Grund darf das angerufene Gericht den in Geltung zu setzenden Beschluss - mit Ausnahme von Nichtigkeitsgründen - auch nicht von Amts wegen auf etwaige Beschlussmängel prüfen (vgl. hierzu nachfolgend Rn. 18). Mit der Beschlussersetzungsklage kann das Gericht demgegenüber im Falle einer unterbliebenen, aber notwendigen Beschlussfassung den Beschluss ersetzen. Da das Gericht an Stelle der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entscheidet, hat es ohne Bindung an eine Willensbildung der Eigentümer die materiellen Vorgaben des Wohnungseigentumsgesetzes - namentlich das Gebot ordnungsmäßiger Verwaltung - von Amts wegen zu beachten (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 148/17, NJW-RR 2018, 522 Rn. 10).

82. Der Beschlussfeststellungsantrag ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass das Zustandekommen des in der Wohnungseigentümerversammlung vom zu TOP 14.1 gefassten Beschlusses nicht festgestellt werden kann, weil der Beschlussinhalt nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.

9a) Allerdings haben die stimmberechtigten Eigentümer nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in der Eigentümerversammlung am zu TOP 14.1 mehrheitlich die Sanierung des zu der Wohneinheit der Kläger gehörenden Balkons beschlossen. Die Gemeinschaftsordnung sieht in § 14 Ziffer 5, § 11 Ziffer 6 vor, dass bei einer Abstimmung über Reparaturarbeiten an einem der Häuser nur die Wohnungseigentümer des betroffenen Hauses stimmberechtigt sind, da auch nur diese die Kosten für die Maßnahme zu tragen haben (zur Wirksamkeit einer solchen Regelung vgl. z.B. Senat, Urteil vom - V ZR 184/16, NJW 2018, 1309 Rn. 21). Danach waren nur die Wohnungseigentümer des Hauses Nr. 22a, in dem sich die Wohnung der Kläger befindet, stimmberechtigt. Diese stimmten mehrheitlich für den Beschlussantrag. Aus diesem Grund ist der Negativbeschluss rechtskräftig für ungültig erklärt worden, auch wenn die Rechtskraft der Entscheidung sich nicht auf die zur Gültigkeit des Beschlusses angestellten Erwägungen erstreckt (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 182/12, NJW 2013, 2271 Rn. 18).

10b) Die Kläger sind nicht gehindert, eine fehlerhafte Beschlussfeststellung geltend zu machen. Zwar hat der Versammlungsleiter zunächst mit konstitutiver und inhaltsfixierender Wirkung (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 10/01, BGHZ 148, 335, 341 f., 344) ein negatives Beschlussergebnis festgestellt und verkündet. Das Amtsgericht hat jedoch den von dem Verwalter in der Wohnungseigentümerversammlung festgestellten Negativbeschluss auf die Beschlussanfechtungsklage der Kläger rechtskräftig für ungültig erklärt. Durch die Entscheidung wurde die konstitutive Wirkung der fehlerhaften Verkündung des Beschlusses beseitigt.

11c) Ob - wie das Berufungsgericht annimmt - das Gericht im Rahmen der Beschlussfeststellungsklage einredeweise geltend gemachte Anfechtungsgründe zu prüfen hat, wird allerdings unterschiedlich beurteilt.

12aa) Nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist die Beschlussfeststellungsklage jedenfalls dann unbegründet, wenn der in Geltung zu setzende Beschluss unter - hier nicht ersichtlichen - von Amts wegen zu prüfenden Nichtigkeitsgründen leiden würde (vgl. LG München I, ZMR 2015, 152, 154; Suilmann in Jennißen, WEG, 8. Aufl., § 44 Rn. 74 mwN).

13bb) Eine in Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung verneint demgegenüber die Pflicht des Gerichts zu der Prüfung von Anfechtungsgründen im Rahmen einer Beschlussfeststellungsklage (vgl. AG Oberhausen, ZMR 2011, 76, 78; AG Offenbach, ZMR 2013, 238, 239; Elzer, ZMR 2008, 1004 ff.). Dies wird insbesondere damit begründet, dass es vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Klage keinen Beschluss gebe, der Gegenstand einer solchen Prüfung sein könne. Zudem fehle der nach § 308 Abs. 1 ZPO für eine solche Prüfung erforderliche Antrag. Anfechtungsgründe seien nicht von Amts wegen zu berücksichtigen, sondern stünden zur Disposition der Anfechtungsberechtigten. Die Beschlussfeststellungsklage sei auch kein Sonderfall der Beschlussersetzungsklage. Schließlich würde den Eigentümern unverzichtbarer Rechtsschutz genommen, obwohl es für eine Inzidentprüfung keinen Bedarf gebe. Wie sich der Rechtsschutz der Eigentümer vollziehen soll, wird innerhalb dieser Auffassung jedoch unterschiedlich beurteilt. Es wird vertreten, die Wohnungseigentümer könnten gegen den gerichtlich festgestellten Beschluss nach Eintritt der Rechtskraft der richterlichen Entscheidung Anfechtungsklage erheben (vgl. AG Hamburg-Blankenese, ZMR 2008, 1001, 1002 f.; Fichtner in Müller/Fichtner, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 7. Aufl., § 34 Rn. 8 ff.; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 13 Rn. 55; Deckert, ZMR 2003, 153, 158; Riecke, ZMR 2015, 156 f.; für den Fall unterlassener Beschlussfeststellung Drasdo, Die Eigentümerversammlung nach dem WEG, 5. Aufl., S. 234 f. Rn. 97). Nach anderer Ansicht müssten sie dem Rechtsstreit über die Beschlussfeststellung auf Seiten der GdWE als Streithelfer beitreten und im Wege der Widerklage Beschlussmängel geltend machen (vgl. BeckOK WEG/Elzer [], § 44 Rn. 8; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 44 Rn. 8).

14cc) Nach überwiegender Ansicht, der auch das Berufungsgericht folgt, muss das Gericht im Rahmen einer Beschlussfeststellungsklage eine materiell-rechtliche Prüfung des in Geltung zu setzenden Beschlusses auf einredeweise geltend gemachte Anfechtungsgründe vornehmen. Hierfür sprächen insbesondere prozessökonomische Gründe. Denn es sei zweckmäßig, dass über die Gültigkeit eines Beschlusses in einem Verfahren abschließend und mit bindender Wirkung für alle Wohnungseigentümer entschieden werde. Nur so könne ein unter Umständen jahrelanger Schwebezustand verhindert und den Wohnungseigentümern alsbald Rechtssicherheit über die Gültigkeit des Beschlusses verschafft werden. Zudem bestehe eine Nähe zu der Beschlussersetzungsklage, bei der nur ein materiell rechtmäßiger Beschluss ersetzt werden könne. Daneben wird auf eine entsprechende Handhabung der gesellschaftsrechtlichen Beschlussfeststellungsklagen verwiesen (vgl. LG Hamburg, ZMR 2011, 822, 823; ZMR 2012, 217, 219; Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 23 Rn. 78; Bärmann/Göbel, WEG, 15. Aufl., § 44 Rn. 23, 26; Bärmann/Pick/Dötsch, WEG, 20. Auflage, § 46 Rn. 27; Suilmann in Jennißen, WEG, 8. Aufl., § 44 Rn. 75 ff.; MüKoBGB/Hogenschurz, 9. Aufl., § 44 WEG Rn. 42; Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 5. Aufl., § 43 Rn. 22; Staudinger/Häublein, BGB [2023], § 23 WEG Rn. 58a; Bärmann/Seuß/Bergerhoff, Praxis des Wohnungseigentums, 7. Aufl. 2017, § 87 Rn. 191; Wenzel in Festschrift Krämer, 2009, S. 563, 576 f., 579; für den Fall einer fehlenden Verkündung Gottschalg, ZWE 2005, 32, 37; für den Fall fehlerhafter Beschlussverkündung Müller, NZM 2003, 222, 224 f., 226).

15d) Die zuletzt genannte Ansicht verdient den Vorzug. Bei der Entscheidung über eine Gestaltungsklage, mit welcher bei fehlender oder bei fehlerhafter Verkündung des Ergebnisses eines Beschlusses der Wohnungseigentümer der wahre Beschlussinhalt geklärt werden soll (sogenannte Beschlussfeststellungsklage), hat das Gericht einredeweise geltend gemachte Beschlussmängel zu prüfen. Im Rahmen einer solchen Beschlussfeststellungsklage kann die beklagte GdWE Anfechtungsgründe einredeweise geltend machen. Das ergibt sich aus den folgenden Überlegungen.

16aa) Gegen die Ansicht, dass die Entscheidung mit Eintritt ihrer Rechtskraft für die Wohnungseigentümer die Möglichkeit der Beschlussanfechtung gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG eröffnet, spricht schon, dass sich der Rechtsschutz gegen Urteile nach den verfahrensrechtlich vorgesehenen Rechtsmitteln richtet (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 148/17, NZM 2018, 401 Rn. 12 f.). Anders als bei einem in der Eigentümerversammlung gefassten Beschluss wird der Rechtsschutz gegen ein Gestaltungsurteil, welches den Beschlussinhalt feststellt, daher nicht durch die Beschlussmängelklage nach § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG gewährleistet, sondern - wie bei jedem Urteil - durch die verfahrensrechtlich vorgesehenen Rechtsmittel. Eine Beschlussmängelklage kann nicht - wie es die Gegenauffassung offenbar für richtig hält - gegen ein Urteil erhoben werden; die in § 44 und § 45 WEG enthaltenen Regelungen betreffen den Rechtsschutz gegen Beschlüsse, die die Wohnungseigentümer gefasst haben. Dementsprechend wird die in § 45 Abs. 1 Satz 1 WEG geregelte Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage durch eine solche Beschlussfassung in Gang gesetzt. Bei einem Gerichtsurteil, das das Zustandekommen eines Beschlusses feststellt oder einen Beschluss ersetzt, gäbe es hierfür keine Entsprechung. Im Übrigen wäre ein zweites - gegebenenfalls langwieriges - Gerichtsverfahren, in dem über die Gültigkeit eines gerichtlich in Geltung gesetzten Beschlusses gestritten wird, auch nicht verfahrensökonomisch. Erst recht kann nicht die Erhebung einer „Widerklage“ durch einen Wohnungseigentümer gefordert werden; das folgt schon daraus, dass ein Streithelfer keine Widerklage erheben kann (vgl. , JR 1973, 18 ff.; Zöller/Schultzky, ZPO, 35. Aufl., § 33 Rn. 29), die sich hier zudem gegen einen anderen Wohnungseigentümer richten müsste.

17bb) Diese Sichtweise entspricht dem Sinn des Beschlussklageverfahrens, durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung im Verhältnis der Beteiligten alsbald Rechtssicherheit über die Gültigkeit eines Beschlusses der Wohnungseigentümer zu schaffen. Die Wohnungseigentümer haben daran ein erhebliches Interesse. Hierzu trägt eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des in Geltung zu setzenden Beschlusses bereits im Rahmen der Beschlussfeststellungsklage bei. Denn dann entscheidet das Gericht abschließend und entsprechend § 44 Abs. 3 WEG mit bindender Wirkung für alle Wohnungseigentümer auch über die Gültigkeit des Beschlusses.

18Voraussetzung ist allerdings, dass Anfechtungsgründe einredeweise im Prozess geltend gemacht werden. Denn die Willensbildung der Wohnungseigentümer hat - anders als bei der Beschlussersetzungsklage (vgl. oben Rn. 7) - bereits stattgefunden. Eine Berücksichtigung etwaiger Anfechtungsgründe von Amts wegen widerspräche daher der Dispositionsbefugnis der Eigentümer (§ 23 Abs. 4 Satz 2, § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG), denen es freisteht, auch einen rechtswidrigen Beschluss bestandskräftig werden zu lassen. Der Kläger hat letztlich ebenfalls kein berechtigtes Interesse an der Feststellung eines rechtswidrigen Beschlusses, wenn einredeweise Anfechtungsgründe geltend gemacht werden. Denn in diesem Fall ist seine Hoffnung, dass der Beschluss mangels Anfechtung bestandskräftig werden könnte, nicht schutzwürdig. Das entspricht im Übrigen der Handhabung gesellschaftsrechtlicher Beschlussfeststellungsklagen (vgl. , BGHZ 76, 191, 201).

19cc) Dass vor der rechtskräftigen Entscheidung noch kein positiver Beschluss im Rechtssinne existiert, den das Gericht auf Mängel hin überprüfen könnte, ändert (entgegen AG Hamburg-Blankenese, ZMR 2008, 1001, 1003; AG Berlin-Neukölln, ZMR 2005, 317, 318) an dieser Beurteilung nichts. Selbst wenn eine Anfechtungsklage gegen diesen Beschluss noch nicht erhoben werden könnte, folgt daraus nicht, dass hier keine Anfechtungsgründe geprüft werden können. Das Prozessrecht gibt eine solche formalistische Betrachtungsweise nicht vor. Vielmehr dient es der Herstellung des Rechtsfriedens durch eine möglichst zügige Klärung der offenen Rechtsfragen.

20dd) Die Rechtsschutzmöglichkeiten der übrigen Wohnungseigentümer werden (entgegen Müller, NZM 2003, 222, 224 f.) durch eine Inzidentprüfung der Anfechtungsgründe im Rahmen der Beschlussfeststellungsklage nicht verkürzt, sondern vereinfacht. Der Verwalter ist nach § 44 Abs. 2 Satz 2 WEG verpflichtet, die Wohnungseigentümer unverzüglich über die Erhebung einer Klage zu unterrichten. Gemäß § 66 ZPO können die Wohnungseigentümer dem Kläger oder dem Verband beitreten, so dass ihnen wegen § 44 Abs. 3 WEG die Stellung als streitgenössische Nebenintervenienten gemäß § 69 ZPO zukommt und sie Anfechtungsgründe bereits im Rahmen der Beschlussfeststellungsklage einredeweise geltend machen können, ohne nach Eintritt der Rechtskraft des Gestaltungsurteils ein gesondertes Beschlussanfechtungsverfahren anstrengen zu müssen. Die Wohnungseigentümer sind bei der Geltendmachung der Anfechtungsgründe auch nicht an die Fristen des § 45 Satz 1 WEG gebunden, da der von dem Gericht in Geltung zu setzende Beschluss noch nicht existent ist und den Lauf einer Ausschlussfrist nicht in Gang setzen kann.

21ee) Schließlich lässt sich (entgegen Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 44 Rn. 8; ders., ZMR 2008, 1004, 1005) der Annahme, das Gericht habe den in Geltung zu setzenden Beschluss auf einredeweise erhobene Beschlussmängel materiell-rechtlich zu prüfen, nicht entgegenhalten, es bedürfte dann nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO eines entsprechenden Antrags. Das Gericht darf seinem Urteilsausspruch keinen anderen Streitgegenstand zugrunde legen als denjenigen, den der Kläger in den Rechtsstreit eingeführt hat (vgl. , NJOZ 2016, 1042 Rn. 17). Gegen diesen Grundsatz verstößt das Gericht durch eine Prüfung der Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses nicht, denn die Berücksichtigung von durch die GdWE oder deren Streithelfern eingewendeten Beschlussmängeln führt nicht zu einer Änderung des von dem Kläger in den Rechtsstreit eingeführten Streitgegenstandes.

22ff) Entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht nimmt das Berufungsgericht weiter zutreffend an, dass im Rahmen der Beschlussfeststellungsklag auch die beklagte GdWE einredeweise Anfechtungsgründe geltend machen kann.

23(1) Diese Frage stellt sich allerdings erst seit der Einführung des Verbandsprozesses durch das WEMoG. Im Wohnungseigentumsrecht sind Beschlussklagen seitdem nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer, sondern gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 WEG gegen die GdWE zu richten. Das gilt in entsprechender Anwendung der Norm ebenfalls für Klagen auf Feststellung und Verkündung eines Beschlusses (vgl. Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 23 Rn. 77, 79; Bärmann/Göbel, WEG, 15. Aufl., § 44 Rn. 22; BeckOK WEG/Elzer [], § 44 Rn. 5; MüKoBGB/Hogenschurz, 9. Aufl., § 44 WEG Rn. 39; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 14 Rn. 170). Im Anschluss an die Gesetzesänderung wird diskutiert, ob im Rahmen einer Beschlussfeststellungsklage auch die GdWE als Partei Anfechtungsgründe einwenden kann, obwohl sie nach § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG weder über ein materielles Anfechtungsrecht noch über eine prozessuale (Anfechtungs-)Klagebefugnis verfügt (vgl. Bärmann/Göbel, WEG, 15. Aufl., § 44 Rn. 32 f.; Suilmann in Jennißen, WEG, 8. Aufl., § 44 Rn. 25, 75).

24(2) Nach einer Ansicht kann die nicht zu einer Anfechtung von Beschlüssen befugte GdWE keine Anfechtungsgründe geltend machen. Dieses Recht sei den dem Rechtsstreit beitretenden anfechtungsbefugten Wohnungseigentümern vorbehalten (vgl. Suilmann in Jennißen, WEG, 8. Aufl., § 44 Rn. 75, 84). Die Gegenauffassung bejaht die Möglichkeit der einredeweise Geltendmachung von Anfechtungsgründen durch die GdWE (vgl. Bärmann/Göbel, WEG, 15. Aufl., § 44 Rn. 23.).

25(3) Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend. Im Rahmen einer Beschlussfeststellungsklage kann neben den dem Rechtsstreit beitretenden Wohnungseigentümern auch die beklagte GdWE Anfechtungsgründe einredeweise geltend machen.

26(a) Richtig ist zwar, dass die GdWE gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG nicht befugt ist, eine Beschlussanfechtungsklage zu erheben. Unabhängig davon ist aber zu beurteilen, mit welchem Vorbringen sie sich im Rahmen der gegen sie gerichteten Beschlussfeststellungsklage verteidigen kann. Die Gesetzesbegründung zum WEMoG erachtet es als „dogmatisch konsistent“, Beschlussklagen gegen die rechtsfähige GdWE zu richten, da ihr nach § 18 Absatz 1 WEG materiell-rechtlich die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zugewiesen ist. Folgerichtig habe die GdWE diese Aufgabe auch prozessual wahrzunehmen, indem sie die Streitigkeiten über Beschlüsse führe (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 83). Die GdWE muss sich dann aber auch effektiv gegen eine Beschlussfeststellung verteidigen können. Dies bedingt, dass sie - wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht - jedenfalls im Wege der Einrede Umstände geltend machen darf, die der Rechtmäßigkeit des festzustellenden Beschlusses entgegenstehen.

27(b) Dem lässt sich nicht entgegenhalten, das Anfechtungsrecht sei den Wohnungseigentümern vorbehalten. Denn die Prozessführung beruht letztlich auf einer Willensbildung der Wohnungseigentümer. Der Verwalter hat sie gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 WEG von der Erhebung der Beschlussklage zu unterrichten und die Verteidigung der GdWE gegen Beschlussklagen sachgerecht zu organisieren. Zu diesem Zweck hat er - gegebenenfalls auf einer von ihm einzuberufenen Eigentümerversammlung - die notwendige Willensbildung der Wohnungseigentümer über die Verteidigungsstrategie herbeizuführen und die ermittelten Interessen dem Gericht vorzutragen (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 202/21, NJW 2022, 3003 Rn. 47). Die Wohnungseigentümer können dem Verwalter insoweit im Innenverhältnis durch Mehrheitsbeschluss Weisungen für die Prozessführung der GdWE erteilen (vgl. § 27 Abs. 2 WEG; Bärmann/Göbel, WEG, 15. Aufl., § 44 Rn. 8) und auf diese Weise bestimmen, ob Anfechtungsgründe geltend gemacht werden sollen oder nicht. Sie können also auch zulassen, dass ein rechtswidriger Beschluss in Geltung gesetzt wird.

28(c) Die Berücksichtigung des Vortrags der GdWE zu etwaigen Anfechtungsgründen schränkt den Rechtsschutz der Wohnungseigentümer nicht unverhältnismäßig ein. Einzelne Wohnungseigentümer können der GdWE im Prozess beitreten und als streitgenössische Nebenintervenienten im Sinne von § 69 ZPO selbst einredeweise Anfechtungsgründe geltend machen (vgl. oben Rn. 20). Sie können sich mit ihrem Prozessverhalten in Widerspruch zu der GdWE setzen, einen anderen Antrag als diese stellen und einem Anerkenntnis der GdWE widersprechen (vgl. Bärmann/Göbel, WEG, 15. Aufl., § 44 Rn. 171; allgemein zur streitgenössischen Nebenintervention , NJW-RR 2012, 233 Rn. 6; Kern/Diehm/Chasklowicz, ZPO, 2. Aufl., § 69 Rn. 7, 10; Musielak/Voit/Weth, ZPO, 20. Aufl., § 69 Rn. 8; Zöller/Althammer, ZPO, 35. Aufl., § 69 Rn. 6). Damit ist wie bei der Anfechtungsklage (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 246/21, NJW 2023, 2190 Rn. 14 mwN) der Minderheitenschutz im Einzelfall gewährleistet. Könnten jedoch allein die im Wege einer Nebenintervention beigetretenen Wohnungseigentümer Anfechtungsgründe geltend machen, würde dies zusätzliche Kosten verursachen und den gesetzgeberischen Zielen des WEMoG entgegenstehen, durch geänderte Verfahrensvorschriften eine effiziente Streitbeilegung zu fördern und Prozesse mit einer Vielzahl von Beteiligten möglichst zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 2, 83).

29(d) Entgegen der Ansicht der Revision folgt anderes schließlich auch nicht aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach der Anfechtungsgründe im Rahmen einer gesellschaftsrechtlichen Beschlussfeststellungsklage nur von anfechtungsberechtigten Personen geltend gemacht werden können (vgl. , BGHZ 76, 154, 159 f.; Urteil vom - II ZR 54/78, BGHZ 76, 191, 200 f.). Denn diese Rechtsprechung ist nicht auf das Wohnungseigentumsrecht übertragbar. Der Gesetzgeber hat sich bei der Ausgestaltung der wohnungseigentumsrechtlichen Anfechtungsklage durch das Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom (BGBl. I 2007, S. 370) zwar an der aktienrechtlichen Anfechtungsklage orientiert (vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 38). Gleichwohl kann - entgegen der Darstellung der Revision - aber nicht angenommen werden, dass es nunmehr der Konzeption des WEMoG entspricht, die Beschlussfeststellungsklage eines Wohnungseigentümers derjenigen eines Gesellschafters anzugleichen. Tatsächlich weisen die gesetzlichen Regelungen der jeweiligen Beschlussklagen in beiden Rechtsgebieten entscheidende Unterschiede auf, die einer einheitlichen Handhabung der gesellschaftsrechtlichen und der wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtungsregelungen entgegenstehen.

30(aa) An einer Vergleichbarkeit mit dem Recht der Aktiengesellschaft fehlt es schon deshalb, weil dem (weisungsfreien) Vorstand ein fremdnütziges Anfechtungsrecht - zu der Gewährleistung der Legalität der Hauptversammlungsbeschlüsse - zusteht (vgl. § 245 Nr. 4 AktG; Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 245 Rn. 30; MüKoAktG/Schäfer, 5. Aufl., § 245 Rn. 15), während im Wohnungseigentumsrecht das Anfechtungsrecht des Verwalters mit dem Inkrafttreten des WEMoG entfallen ist (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG, § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG aF).

31(bb) Bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung scheidet eine Geltendmachung der Anfechtungsgründe durch die Gesellschaft bereits deswegen aus, weil es keine Regelung zu der Rechtskrafterstreckung auf sämtliche Gesellschafter gibt; das Urteil hat nur bei einem Beitritt der Gesellschafter bindende Wirkung (vgl. , aaO; OLG Köln, GmbHR 2018, 921, 922). Über eine wohnungseigentumsrechtliche Beschlussfeststellungsklage entscheidet das Gericht dagegen analog § 44 Abs. 3 WEG mit Wirkung für und gegen alle Wohnungseigentümer, auch wenn sie nicht Partei des Rechtsstreits geworden sind.

32e) In der Sache lehnt das Berufungsgericht die beantragte Beschlussfeststellung im Ergebnis zutreffend ab. Der in Geltung zu setzende Beschluss der Wohnungseigentümer wäre rechtswidrig, da er der vorangegangenen rechtskräftigen Beschlussersetzung widerspricht (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 148/17, NJW-RR 2018, 522 Rn. 13).

33aa) Dass die Eigentümer auf der Grundlage von drei Angeboten über die Auftragsvergabe zu entscheiden haben, steht mit Wirkung für und gegen die Wohnungseigentümer (§ 44 Abs. 3 WEG) fest aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung in dem Vorprozess, durch welche das Amtsgericht die von der GdWE verweigerte Zustimmung zu der Reparatur des zu der Wohneinheit der Kläger gehörenden Balkons ersetzt und ferner beschlussersetzend den Verwalter angewiesen hat, drei Angebote von Fachhandwerksfirmen einzuholen und in einer weiteren Wohnungseigentümerversammlung den Eigentümern zur Beschlussfassung vorzulegen. Das Gericht ist insoweit an die Stelle der Wohnungseigentümer getreten, die im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums festlegen können, wie viele Alternativangebote erforderlich sind (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 190/11, NJW 2012, 3175 Rn. 10). Mit Rechtskraft eines stattgebenden Gestaltungsurteils tritt die Gestaltungswirkung ein. Der Ausspruch über die Einholung der drei Angebote erwächst als Bestandteil des Tenors in Rechtskraft. Das Amtsgericht hat in dem Vorprozess insoweit nicht lediglich Feststellungen zu einer Vorfrage getroffen.

34bb) Der auf Antrag der Kläger in Geltung zu setzende Beschluss zu TOP 14.1 der Eigentümerversammlung vom entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, da er in Abweichung von der Beschlussersetzung durch das Urteil in dem Vorprozess eine Auftragsvergabe auf der Grundlage lediglich eines Angebots vorsieht und es an den Voraussetzungen mangelt, unter denen ein abändernder Zweitbeschluss ergehen kann.

35(1) Im Grundsatz ist die GdWE nach der ständigen Rechtsprechung des Senats wegen ihrer autonomen Beschlusszuständigkeit allerdings berechtigt, über eine schon geregelte gemeinschaftliche Angelegenheit erneut zu beschließen, ohne dass es dabei eine Rolle spielt, aus welchen Gründen sie eine erneute Beschlussfassung für angebracht hält. Entscheidend ist allein, dass der Beschluss aus sich heraus einwandfrei ist, wobei allerdings jeder Wohnungseigentümer verlangen kann, dass der neue Beschluss schutzwürdige Belange aus Inhalt und Wirkungen des Erstbeschlusses berücksichtigt (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 246/21, NJW 2023, 2190 Rn. 10 mwN). Es wird vertreten, dass diese Grundsätze ebenso für einen Zweitbeschluss gelten, wenn der abzuändernde Erstbeschluss gerichtlich ersetzt worden ist (vgl. AG Hamburg-St. Georg, ZWE 2014, 287, 288; BeckOK WEG/Elzer [], § 44 Rn. 217; Suilmann in Jennißen, WEG, 8. Aufl., § 44 Rn. 287 ff.).

36(2) Diese Auffassung trifft nicht zu.

37(a) Eine Beschlussersetzungsklage, über die durch Gestaltungsurteil entschieden wird (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 148/17, NJW-RR 2018, 522 Rn. 10), dient der gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs des Wohnungseigentümers auf ordnungsmäßige Verwaltung gemäß § 18 Abs. 2 WEG. Mit Rechtskraft eines stattgebenden Gestaltungsurteils tritt die Gestaltungswirkung ein; zugleich erwächst die Feststellung in materielle Rechtskraft, dass das Gestaltungsrecht des Klägers im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestand und die Gestaltungswirkung daher zu Recht eingetreten ist (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 101/16, NJW 2018, 2550 Rn. 32; , NJW-RR 2018, 522 Rn. 13). Aufgrund der mit dem Urteil des Amtsgerichts in dem Vorprozess ausgesprochenen gerichtlichen Beschlussersetzung steht hier daher rechtskräftig fest, dass die Kläger einen Anspruch auf Vornahme von Instandsetzungsarbeiten an dem zu ihrer Wohnung gehörenden Balkon haben, über deren Vergabe die Eigentümer auf der Grundlage von drei von dem Verwalter einzuholenden Angeboten von Fachhandwerksfirmen zu entscheiden haben.

38(b) Die materielle Rechtskraft bewirkt, dass Gerichte und Parteien in einem späteren Verfahren an das Ergebnis des ersten Prozesses gebunden sind (vgl. MüKoZPO/Gottwald, 6. Aufl., § 322 Rn. 1). Ein den ersetzten Beschluss abändernder Beschluss der Eigentümer entspricht daher grundsätzlich nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Die Wirkung der materiellen Rechtskraft ist allerdings an zeitliche Grenzen gebunden (vgl. BeckOK ZPO/Gruber [], § 322 Rn. 31; Zöller/Vollkommer, ZPO, 35. Aufl., Vorbemerkungen zu § 322 Rn. 53). Das Urteil berücksichtigt grundsätzlich nur die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung eingetretenen Tatsachen (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 287/81, NJW 1984, 126, 127). Die Rechtskraft eines Urteils hindert daher dann eine neue abweichende Entscheidung nicht, wenn dies durch eine nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erfolgte Änderung des Sachverhalts veranlasst ist. Dann sind die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft überschritten (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 171/94, NJW 1995, 2993, 2994). Soweit die materielle Rechtskraft eines beschlussersetzenden Gestaltungsurteils reicht, kann eine auf tatsächliche Umstände gestützte Neuregelung durch Zweitbeschluss der Wohnungseigentümer nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn sich die tatsächlichen Umstände nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozess verändert haben (ähnlich Bärmann/Göbel, WEG, 15. Aufl., § 44 Rn. 154; MüKoBGB/Hogenschurz, 9. Aufl., § 44 WEG Rn. 38). Das ist beispielsweise anzunehmen, wenn zwar die nach der beschlussersetzenden Entscheidung erforderliche Vorlage weiterer Angebote unterblieben ist, der Grund hierfür aber nachweislich darin liegt, dass trotz ausreichender Anfragen keine weiteren Angebote abgegeben wurden. Wie es sich auswirkt, wenn sich nachträglich rechtliche Umstände ändern, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls ergibt sich die Bindungswirkung eines beschlussersetzenden Urteils unmittelbar aus dessen Rechtskraft. Es verhält sich insoweit anders als bei einem inhaltsgleichen Zweitbeschluss nach rechtskräftiger Ungültigerklärung eines Beschlusses der GdWE (dazu Senat, Urteil vom - V ZR 246/21, NJW 2023, 2190 Rn. 9, 13 ff.)

39(c) Hier kommen nur tatsächliche Umstände, die einen Zweitbeschluss erlauben könnten, in Betracht. Solche Umstände sind nicht gegeben. Die Kläger begehren die Feststellung eines Beschlusses, der den durch rechtskräftige Entscheidung des Amtsgerichts ersetzten Beschluss abändert. Es obliegt nach allgemeinen Grundsätzen - vergleichbar mit der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei der Erhebung einer Beschlussersetzungsklage (vgl. hierzu MüKoBGB/Hogenschurz, 9. Aufl., § 44 WEG Rn. 34) - den Klägern, die tatsächlichen Grundlagen für die Annahme vorzutragen und, soweit erforderlich, zu beweisen, dass ein abändernder Zweitbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Kläger nicht. Sie haben keine nachträglich eingetretenen Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass die Bindungswirkung der rechtskräftigen Beschlussersetzung nicht entgegensteht. Den von der Beklagten bestrittenen Vortrag der Kläger, der Verwalter habe keine weiteren Angebote einholen können, weil während der Corona-Pandemie entweder keine Besichtigungstermine mit Fachhandwerkern hätten vereinbart werden können oder die angefragten Firmen nicht zu einer Angebotsabgabe bereit gewesen seien, sieht das Berufungsgericht zu Recht mangels hinreichender Substantiierung als unerheblich an. Es fehlt an Vortrag dazu, welche anderen Firmen zu einer Abgabe von Angeboten aufgefordert worden sind und dies abgelehnt haben. Die Behauptung der Kläger gilt, anders als die Revision meint, auch nicht gemäß § 138 Abs. 3 ZPO nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast als zugestanden. Den Prozessgegner trifft zwar in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 148/21, NJW 2023, 781 Rn. 24 mwN). Hier haben die Kläger aber weder Einsicht in die Beschlusssammlung oder die Verwaltungsunterlagen genommen (vgl. § 24 Abs. 7 Satz 8 WEG, § 18 Abs. 4 WEG), um an die benötigten Informationen zu gelangen, noch haben sie formlos bei dem Verwalter nachgefragt (vgl. MüKoBGB/Hogenschurz, 9. Aufl., § 44 WEG Rn. 15; Dötsch/Hogenschurz, NZM 2010, 297, 300 f.; Martini, AnwZert MietR 16/2022 Anm. 2). Jedenfalls in einem solchen Fall ist es ihnen prozessual verwehrt, sich auf ihre eigene Unkenntnis zu berufen.

40cc) Schließlich steht der Einwand von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB der Geltendmachung dieses Anfechtungsgrundes durch die GdWE nicht entgegen. Allerdings zieht die GdWE mit diesem Prozessverhalten Vorteil aus dem Umstand, dass sie ihren rechtskräftig festgestellten Pflichten aus dem Urteil aus dem Vorprozess nicht nachgekommen ist. Das allein kann es aber nicht rechtfertigen, den Sanierungsauftrag auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage zu erteilen. Die Kläger sind auch nicht schutzlos gestellt. Abgesehen davon, dass die inzwischen mehrjährige Verzögerung Schadensersatzpflichten der GdWE begründen kann, muss das Urteil unverändert unverzüglich umgesetzt werden, indem drei Angebote eingeholt werden und die Sanierung durchgeführt wird. Die Kläger können ansonsten gegen die GdWE eine auf die Durchführung des ersetzten Beschlusses gerichtete Leistungsklage erheben und aus einem so erlangten Titel die Zwangsvollstreckung betreiben (vgl. Sommer in Jennißen, WEG, 8. Aufl., § 18 Rn. 123b).

413. Die Begründetheit des auf eine Beschlussersetzung gerichteten Hilfsantrags verneint das Berufungsgericht zu Recht. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die beantragte Beschlussfassung. Denn mangels hinreichend substantiierter Darlegung von Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass ein abändernder Zweitbeschluss hier ausnahmsweise ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (vgl. hierzu oben Rn. 39), kann ein solcher Beschluss nicht ersetzt werden.

III.

42Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:101123UVZR51.23.0

Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 8 Nr. 7
DAAAJ-58125