BGH Beschluss v. - 1 StR 369/23

Instanzenzug: LG Rottweil Az: 1 KLs 21 Js 1540/18 (2)

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt sowie die in Rumänien erlittene Auslieferungshaft im Maßstab 1:1 angerechnet. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3Der Angeklagte hielt sich in den frühen Morgenstunden des zusammen mit drei weiteren Bekannten in der Küche einer Ferienwohnung in L.      auf und konsumierte Alkohol. Als er die Wohnung schon verlassen hatte, dorthin aber zurückkehrte, um sein Handy zu suchen, hörte er laute Geräusche aus dem Schlafzimmer. Er öffnete die Tür und sah, dass die Geschädigte schwer verletzt und weinend auf dem Bett lag, während der anderweitig Verfolgte B.  mit entblößtem Geschlechtsteil vor dem Bett stand. Der Angeklagte erkannte in diesem Moment, dass B.     sie geschlagen hatte, um mit ihr sexuelle Handlungen durchzuführen. Er entschloss sich, diese Situation für sich auszunutzen und selbst mit der Geschädigten vaginal den Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Die Geschädigte fürchtete das Hinzukommen des zweiten Mannes und forderte den Angeklagten daher auf, das Zimmer zu verlassen. Dieser Aufforderung kam der Angeklagte nicht nach, vielmehr handelten beide Männer fortan in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken gegen den Willen der Geschädigten.

4Da der Angeklagte seinerseits mit der Geschädigten ungestört sexuelle Handlungen durchführen wollte, forderte er B.     zunächst auf, das Schlafzimmer zu verlassen. Dieser sah daraufhin von weiteren sexuellen Handlungen ab und ging aus dem Zimmer, wobei er wusste, dass der Angeklagte mit der Geschädigten gegen ihren Willen mit körperlicher Gewalt sexuelle Handlungen durchführen werde. Nachdem B.    das Zimmer verlassen hatte, packte der Angeklagte die Geschädigte fest am Arm und schlug sie mindestens einmal, so dass sie weinend auf dem Bett lag. Obwohl der Angeklagte wusste, dass die Geschädigte keinen Geschlechtsverkehr mit ihm haben wollte, vollzog er den Vaginalverkehr ohne Kondom bis zum Samenerguss. Anschließend zog sich der Angeklagte wieder an und verließ das Zimmer, wo B.     vor der Zimmertür wartete. Der Angeklagte sah, wie dieser erneut das Zimmer betrat, um an der Geschädigten gegen ihren Willen weitere sexuelle Handlungen auszuführen. Trotzdem verließ der Angeklagte die Wohnung.

II.

5Der Schuldspruch erweist sich teilweise als rechtsfehlerhaft. Der Senat ändert ihn entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst ab; dies bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs.

61. Die Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch des Angeklagten wegen Vergewaltigung nach § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 und Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB. Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung sowohl nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 als auch nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB ist jedoch rechtsfehlerhaft.

7a) Wie bereits vom Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt, liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB – auch mit Blick auf sukzessive Mittäterschaft – nicht vor. Insoweit hat das Landgericht übersehen, dass der zu einer Verletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB führende Schlag durch B.     , der bei der Geschädigten zu einer Blutung unter der harten Hirnhaut geführt hatte (UA S. 22), vor dem Eintreffen des Angeklagten erfolgt sein muss. Da der Angeklagte diese Tathandlung daher gar nicht wahrnehmen konnte, kann sie ihm aus Rechtsgründen nicht zugerechnet werden. Weitergehende Feststellungen, dass der später vom Angeklagten selbst vorgenommene Schlag eine das Leben gefährdende Behandlung herbeigeführt oder vertieft hat, hat das Landgericht nicht getroffen. Allein der Umstand, dass der Angeklagte die von ihm beobachteten Auswirkungen der Verletzungen der Geschädigten billigte und sich zur Teilnahme an der weiteren Vergewaltigung der Geschädigten unter Einsatz eigener körperlicher Gewalt entschloss, führt nicht dazu, dass ihm die bereits vor seinem Entschluss von B.    allein verwirklichten Tatumstände zugerechnet werden können.

8b) Auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB hat das Landgericht rechtsfehlerhaft angenommen. Einer gefährlichen Körperverletzung nach dieser Alternative des § 224 StGB macht sich schuldig, wer die Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) mit einem Beteiligten gemeinschaftlich begeht. Um das gegenüber dem Grundtatbestand verdoppelte Strafhöchstmaß zu rechtfertigen, setzt diese Qualifikation eine Beteiligung voraus, die im konkreten Fall zu einer erhöhten abstrakten Gefährlichkeit der Körperverletzung für das Opfer führt (st. Rspr.; vgl. nur: Rn. 40 und vom – 5 StR 210/02 Rn. 10, BGHSt 47, 383, 386 jeweils mwN). Eine solche liegt insbesondere vor, wenn mindestens zwei Angreifer handeln und damit eine größere Zahl an Verletzungen beibringen können (vgl. Rn. 12; MüKo-StGB/Hardtung, 4. Aufl., § 224 Rn. 36), wenn die Verteidigungsmöglichkeiten des Opfers durch die Anwesenheit mehrerer Beteiligter tatsächlich oder vermeintlich eingeschränkt sind (vgl. Beschluss vom – 3 StR 171/15 Rn. 7) oder wenn der die Körperverletzung unmittelbar ausführende Täter durch einen weiteren Beteiligten in seinem Willen hierzu bestärkt wird. Solche ein gemeinschaftliches Handeln begründenden Feststellungen hat das Landgericht nicht getroffen. Der Schlag durch B.     war zeitlich bereits vor dem Eintreffen des Angeklagten einzuordnen, und der vom Angeklagten selbst ausgeführte spätere Schlag gegen die Geschädigte erfolgte in Abwesenheit des B.    . Da somit eine erhöhte abstrakte Gefährlichkeit in Form der Bestärkung des einen Täters durch einen weiteren Beteiligten nicht in Betracht kommt, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht erfüllt.

9c) Durch das vom Landgericht festgestellte zumindest einmalige eigene Zuschlagen des Angeklagten gegenüber der Geschädigten hat der Angeklagte aber den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB erfüllt. Da die Geschädigte im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung einen entsprechenden Strafantrag gestellt hat, sind die Strafverfolgungsvoraussetzungen für diese Tat auch gegeben.

10d) Der Senat schließt aus, dass es bei einer erneuten Verhandlung zu weiteren Feststellungen kommen kann, die einen anderen Schuldspruch rechtfertigen würden, und ändert daher den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ab. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

112. Die Abänderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Einordnung einer tateinheitlich begangenen vorsätzlichen Körperverletzung – statt der vom Landgericht angenommenen gefährlichen Körperverletzung – zu einer niedrigeren Strafe gelangt wäre. Die Bestimmung des Anrechnungsmaßstabs für die in Rumänien erlittene Auslieferungshaft bleibt bestehen, da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler unberührt ist.

123. Die zugehörigen Feststellungen zur Strafzumessung können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann aber ergänzende, den bisherigen nicht widersprechende zusätzliche Feststellungen treffen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:151123B1STR369.23.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-56106