BGH Urteil v. - VIa ZR 1707/22

Instanzenzug: Az: 23 U 3699/21vorgehend Az: 20 O 165/21

Tatbestand

1Die Klägerin nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2Am erwarb die Klägerin von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten Mercedes-Benz CLA 220 CDI 4MATIC zu einem Kaufpreis von 24.700 €. Das Fahrzeug wies zu diesem Zeitpunkt eine Laufleistung von 44.007 km auf und war mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse: EURO 6) ausgestattet. Den Kaufpreis finanzierte die Klägerin teilweise über ein Darlehen der Mercedes-Benz Bank AG (künftig Darlehensgeberin). Dem Darlehensvertrag lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Darlehensgeberin zugrunde. Darin hieß es unter anderem:

3Die Klägerin, die behauptet hat, selbst Inhaberin deliktischer Ansprüche gegen die Beklagte zu sein, hat die Beklagte zuletzt auf Zahlung von 21.798,46 € (Kaufpreis abzüglich gezogener Nutzungsvorteile auf der Grundlage einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs im Umfang von 500.000 km) nebst Verzugszinsen ab dem (Berufungsantrag zu 1) und auf Zahlung von Deliktszinsen (Berufungsantrag zu 2) an die Darlehensgeberin, jeweils Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu 3) und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag zu 4) in Anspruch genommen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin, deren Klage in erster Instanz keinen Erfolg gehabt hat, zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin nach teilweiser Rücknahme des Rechtsmittels vor der mündlichen Revisionsverhandlung ihre Berufungsanträge mit Ausnahme der geltend gemachten Deliktszinsen (Berufungsantrag zu 2) weiter. Die Parteien haben in der Revisionsinstanz unstreitig gestellt, dass die Klägerin das Fahrzeug während des laufenden Revisionsverfahrens am mit einer Laufleistung von 144.960 km für 21.000 € an einen Dritten veräußert hat. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin die Berufungsanträge zu 1 und zu 3 im Hinblick auf die Veräußerung des Fahrzeugs für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Teilerledigungserklärung nicht angeschlossen.

Gründe

4Die Revision der Klägerin hat, soweit die Klägerin ihren Revisionsangriff zuletzt noch aufrechterhalten hat, Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

5Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

6Die Klage sei, soweit die Klägerin Zahlung an die Darlehensgeberin verlange, unzulässig, weil die Klägerin insoweit nicht prozessführungsbefugt sei. Die Klägerin habe etwa bestehende deliktische Ansprüche gegen die Beklagte an die Darlehensgeberin abgetreten. Die in den Darlehensvertrag einbezogene Abtretungsklausel erfasse die geltend gemachten deliktischen Ansprüche und halte einer Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB stand. Weder sei sie - weil bankenüblich - überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB noch benachteilige sie die Klägerin unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klausel sei auch nicht unklar. Eine bloße Sicherungsabtretung berühre zwar regelmäßig nicht die Befugnis des Abtretenden, das übertragene Recht gerichtlich oder außergerichtlich geltend zu machen. Allerdings sei die Klägerin hierzu nur unter den Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft befugt. Soweit die Klägerin Leistung an die Darlehensgeberin verlange, fehle die erforderliche Ermächtigung. Ferner sei mangels Aktivlegitimation der Klägerin weder der Annahmeverzug der Beklagten festzustellen noch der Klägerin die beantragte Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zuzuerkennen.

II.

7Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

81. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht entschieden, das mit dem Berufungsantrag zu 1 verfolgte Begehren sei unzulässig, weil die Klägerin mangels Nachweises ihrer Ermächtigung für die Geltendmachung eines an die Darlehensgeberin abgetretenen deliktischen Anspruchs nicht prozessführungsbefugt sei. Bei der Sicherungsabtretung liegt die Erteilung einer Ermächtigung nahe (vgl. , BGHZ 235, 277 Rn. 38 unter Verweis auf , NJW 1999, 2110, 2111). Davon abgesehen sind die Prozesserklärungen der Klägerin, die der Senat selbst auslegen kann (vgl. , juris Rn. 18 mwN, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ), so zu verstehen, die Klägerin habe durch zwei Instanzen einen eigenen Anspruch - wenn auch zuletzt mit der Maßgabe, dass im abgekürzten Leistungsweg an ihre eigene Gläubigerin geleistet werden solle (vgl. , NJW 2023, 1287 Rn. 29 mwN) - geltend gemacht.

92. Weiter rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, da die Klägerin deliktische Ansprüche wirksam an die Darlehensgeberin abgetreten habe, sei weder der Verzug der Beklagten mit der Annahme des Fahrzeugs festzustellen noch die Beklagte verpflichtet, die Klägerin von vorgerichtlich verauslagten Anwaltskosten freizustellen. Die Klägerin ist Anspruchsinhaberin möglicher deliktischer Ansprüche gegen die Beklagte und damit zu deren klageweisen Geltendmachung berechtigt, weil die in der Sicherungsabrede zwischen der Klägerin und der Darlehensgeberin enthaltene Abtretungsklausel nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1, §§ 134, 400 BGB, § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung unwirksam ist (vgl. VIa ZR 1141/22, juris Rn. 12 ff.; - VIa ZR 1619/22, juris Rn. 11 ff.; - VIa ZR 1657/22, WM 2023, 1368 Rn. 11 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ; Urteile vom - VIa ZR 1498/22, juris Rn. 11 ff.; - VIa ZR 155/23, juris Rn. 11 ff.; Urteile vom - VIa ZR 1620/22, juris Rn. 11; - VIa ZR 1632/22, juris Rn. 7; - VIa ZR 318/23, juris Rn. 7).

III.

10Das Berufungsurteil unterliegt der Aufhebung (§ 562 ZPO), weil es sich im Umfang der zuletzt reduzierten Anträge auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, verweist sie der Senat zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), das über die Berufungsanträge zu 1 und zu 3 in der von der Klägerin zulässig nach § 264 Nr. 2 ZPO reduzierten Fassung sowie über den Berufungsantrag zu 4 zu entscheiden haben wird.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:110923UVIAZR1707.22.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-50211