BGH Beschluss v. - StB 40/23

Rechtmäßigkeit einer Durchsuchungsanordnung bei Anfangsverdacht der Beteiligung an terroristischer Vereinigung

Gesetze: § 95 StPO, § 102 StPO, § 103 Abs 1 S 1 StPO, § 110 Abs 1 StPO, § 110 Abs 3 S 2 StPO, § 83 Abs 1 StGB, § 129a Abs 1 Nr 1 StGB, § 129a Abs 5 S 1 StGB

Gründe

I.

1Der Generalbundesanwalt führt gegen zahlreiche Beschuldigte und gesondert Verfolgte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung und weiterer Straftaten. Auf seinen Antrag hatte der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit nicht verfahrensgegenständlichem Beschluss vom die Durchsuchung der Person des Betroffenen, seiner Wohnräume und Fahrzeuge angeordnet (1 BGs 1160/22). Diese Durchsuchung war am vollzogen worden. Hierbei waren zwei Mobiltelefone und ein iPad sichergestellt worden. Der Betroffene hatte gegenüber den polizeilichen Durchsuchungsbeamten angegeben, keine weiteren Mobiltelefone zu besitzen oder zu nutzen. Eine anschließende polizeiliche Auswertung hatte ergeben, dass die sichergestellten Telekommunikationsgeräte im Jahr 2022 nicht regelmäßig genutzt worden waren, insbesondere über diese keine Chatkommunikation stattgefunden hatte.

2Aufgrund dieser Erkenntnisse gingen die Ermittlungsbehörden davon aus, dass es sich bei den im Dezember 2022 sichergestellten Mobiltelefonen nicht um die im relevanten Zeitraum vom Betroffenen genutzten Geräte handelte. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat daher auf Antrag des Generalbundesanwalts mit Beschluss vom (1 BGs 590/23) erneut die Durchsuchung der Person des Betroffenen, seiner Wohn-, Keller- und sonstigen Nebenräume, Garagen, der von ihm genutzten Räumlichkeiten an seiner Arbeitsstelle sowie der von ihm genutzten Fahrzeuge zum Zwecke der Sicherstellung von Mobiltelefonen und anderen elektronischen mobilen Kommunikationsmitteln angeordnet. In dem Beschluss ist zudem die Anordnung getroffen worden, drei konkret bezeichnete Smartphones (Huawei Mate 20 Pro, IMEI                 , sowie zwei Apple iPhone 12, IMEI                und IMEI                 ) zu beschlagnahmen. Die Durchsuchung ist am vollzogen worden. Hierbei ist beim Betroffenen ein anderes Mobiltelefon (iPhone, IMEI                ), welches nicht in dem Beschluss angeführt war, im Haus aufgefunden und vorläufig zum Zwecke der Durchsicht sichergestellt worden. Bei seiner Ehefrau ist eines der drei Smartphones (Huawei, IMEI                ) vorgefunden worden, woraufhin diesbezüglich die angeordnete Beschlagnahme vollzogen worden ist. Über ihre Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss vom hat der Senat mit gesondertem Beschluss vom entschieden (StB 39/23). Die beiden weiteren in der vorgenannten Entscheidung bezeichneten Mobiltelefone (Apple, IMEI                und IMEI               ) sind anlässlich der Durchsuchungsmaßnahme nicht aufgefunden worden.

3Auf weiteren Antrag des Generalbundesanwalts vom hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mündlich ergänzend angeordnet, das Fahrzeug Ford Transit mit dem amtlichen Kennzeichen         , welches auf einen Dritten zugelassen ist und vom Betroffenen genutzt wurde, zum Zwecke der Sicherstellung von Mobiltelefonen des Betroffenen zu durchsuchen (1 BGs 889/23).

4Der Betroffene hat gegen den Durchsuchungsbeschluss des Ermittlungsrichters vom Beschwerde eingelegt und beantragt festzustellen, dass die Durchsuchungsanordnung rechtwidrig war. Daneben begehrt er die Aufhebung der vorläufigen Sicherstellung und die Herausgabe der Mobiltelefone, insbesondere der drei im Durchsuchungsbeschluss vom bezeichneten (einschließlich der zwei nicht vorgefundenen). Er macht geltend, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung hätten nicht vorgelegen; insbesondere habe kein Auffindeverdacht bestanden. Auch verstoße der Beschluss gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da der Betroffene zur freiwilligen Herausgabe des bei ihm sichergestellten Mobiltelefons des Typs iPhone bereit gewesen sei. Die Ermittlungsmaßnahmen seien zudem rufschädigend und gefährdeten die wirtschaftliche Grundlage seines Gewerbes.

5Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat den Beschwerden nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Über den Antrag des Betroffenen auf Herausgabe der im Durchsuchungsbeschluss bezeichneten vorläufig sichergestellten Geräte und des bei ihm aufgefundenen Mobiltelefons des Typs iPhone zum Zwecke der Durchsicht hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs bislang noch nicht entschieden.

6Auf die Zuschrift des Generalbundesanwalts hat der Betroffene erklärt, die Beschwerde richte sich auch gegen die die Durchsuchungsmaßnahme erweiternde mündliche Anordnung des Ermittlungsrichters des sowie die an diesem Tag vollzogene Beschlagnahme.

II.

7Die Beschwerde umfasst neben dem Durchsuchungsbeschluss vom einschließlich der darin angeordneten Beschlagnahme des Mobiltelefons der Marke Huawei die mündliche Durchsuchungsanordnung vom , nachdem der Betroffene dies klargestellt hat. Das Rechtsmittel bleibt allerdings ohne Erfolg. Soweit der Betroffene die Herausgabe vorläufig sichergestellter Mobiltelefone verlangt, ist eine Entscheidung des Senats derzeit nicht veranlasst. Für den Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung über die vorläufige Sicherstellung zum Zwecke der Durchsicht gemäß § 94 Abs. 1, § 98 Abs. 2 Satz 2 (entsprechend), §§ 103, 162 Abs. 1, § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO ist der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs zuständig (vgl. u.a., NJW 2022, 795, 795 f.).

81. Die Beschwerde gegen beide Durchsuchungsanordnungen ist gemäß § 304 Abs. 5 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Beschwerdeziel ist noch nicht prozessual überholt. Eines Antrages auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Entscheidungen bedarf es daher nicht. Angesichts der nicht vollständig abgeschlossenen Durchsicht der vorläufig sichergestellten Beweismittel dauert die Durchsuchungsmaßnahme an (vgl. BGH, Beschlüsse vom , StB 6/21 u.a., NJW 2022, 795 Rn. 5; vom - StB 12/97, juris Rn. 1; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 66. Aufl., § 110 Rn. 9, 10 mwN). Die mündliche Anordnung vom ist hinsichtlich der Erledigung als eine unselbständige, die einheitliche Maßnahme erweiternde Entscheidung zu werten, so dass auch insoweit ein Feststellungsantrag nicht erforderlich ist.

92. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass der beiden Durchsuchungsanordnungen (§§ 103, 105 StPO) lagen vor.

10a) Gegen die Beschuldigten und gesondert Verfolgten bestand ein die Durchsuchung nach § 102 StPO rechtfertigender Anfangsverdacht.

11aa) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen durchzuführenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es - unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit - nicht (st. Rspr.; vgl. , BVerfGK 9, 149, 153; BGH, Beschlüsse vom - StB 5/23, juris Rn. 9; vom - StB 29/22, NStZ 2022, 692 Rn. 6; vom - StB 8/15, BGHR StPO § 102 Tatverdacht 3 Rn. 4; vom - StB 26/08, BGHR StPO § 102 Tatverdacht 2 Rn. 5).

12bb) Gemessen hieran lagen sowohl zum Zeitpunkt des Beschlusses vom als auch der mündlichen Entscheidung vom sachlich zureichende Gründe für die Anordnung der Durchsuchung vor. Wie der Senat bereits vielfach entschieden hat, bestand der Anfangsverdacht, dass die Beschuldigten und gesondert Verfolgten sich an einer terroristischen Vereinigung als Mitglied gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB beteiligten und durch dieselbe Handlung (§ 52 Abs. 1 StGB) ein hochverräterisches Unternehmen gemäß § 83 Abs. 1 StGB vorbereiteten bzw. die terroristische Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB unterstützten. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zu diesem Ermittlungskomplex ergangenen Beschlüsse des Senats vom 11., 12. und Bezug genommen (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom - AK 35/23, juris Rn. 5 ff. [vorgesehen für BGHSt]; vom - AK 38/23, juris Rn. 5 ff.; vom - AK 21/23, juris Rn. 4 ff.).

13b) Es lagen auch hinreichende Tatsachen dafür vor, dass bei dem Betroffenen bestimmte Beweismittel im Sinne des § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO aufgefunden werden konnten.

14aa) Eine Ermittlungsdurchsuchung, die eine nichtverdächtige Person betrifft, setzt nach § 103 Abs. 1 Satz 1 StPO Tatsachen dahin voraus, dass sich das gesuchte Beweismittel in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Es müssen konkrete Gründe im Zeitpunkt der Anordnung, mithin aus ex ante-Sicht dafür sprechen (vgl. , NJW 2019, 3633 Rn. 35; BGH, Beschlüsse vom - StB 5/23, juris Rn. 19; vom - StB 6/21 u.a., NJW 2022, 795 Rn. 11; vom - StB 6/19, juris Rn. 18; vom - StB 51/78, BGHSt 28, 57, 59), dass der gesuchte Beweisgegenstand in den Räumlichkeiten des Unverdächtigen gefunden werden kann (vgl. , BVerfGK 1, 126, 132 f.; BGH, Beschlüsse vom - StB 5/23, juris Rn. 19 mwN; vom - StB 9/99, BGHR StPO § 103 Gegenstände 1; vom - StB 16/95, NJW 1996, 405, 406 [dort mit dem Aktenzeichen 2 BJs 127/93-7]; vom - StB 1/89, BGHR StPO § 103 Tatsachen 1; vom - 1 BGs 1143/88, BGHR StPO § 103 Tatsachen 2; vom - StB 51/78, BGHSt 28, 57, 59; KK-StPO/Henrichs/Weingast, 9. Aufl., § 103 Rn. 5; LR/Tsambikakis, StPO, 27. Aufl., § 103 Rn. 14).

15Diese Voraussetzungen waren hinsichtlich beider Durchsuchungsanordnungen erfüllt. Der Betroffene traf sich ausweislich der Erkenntnisse einer vom Bundeskriminalamt durchgeführten Observation mit den Beschuldigten    P.       und F.    , bei denen es sich um führende Mitglieder des militärischen Arms der terroristischen Vereinigung handelte, sowie der Beschuldigten Fi.               am in einem Restaurant in R.    . Sie besprachen den bereits bewirkten Aufbau von Heimatschutzkompanien und den unmittelbar bevorstehenden „Zeitpunkt X“, an dem „alle Personen mobilisiert und mit Waffen und Fahrzeugen ausgestattet“ würden. Ferner erörterten sie die Auflösung der Polizei und die Neustrukturierung der Armee. Der Beschuldigte    P.       sprach von der Unterbringung von „50 Mann“, woraufhin der Betroffene die Beschuldigte Fi.                aufforderte, das Gesagte aufzuschreiben. Darüber hinaus beschrieb der Betroffene während des Gesprächs Örtlichkeiten und verwendete dabei den Begriff „Kaserne“. Aufgrund dieser Umstände lag eine Auffindewahrscheinlichkeit für Gegenstände vor, die zu einer weiteren Aufklärung des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts, insbesondere zur Organisation, Struktur und Zielsetzung der Vereinigung beitragen können. Hierzu zählten auch elektronische Kommunikationsmittel, die nicht nur Aufschluss über den Inhalt von Gesprächen zwischen den Beschuldigten und dem Betroffenen erbringen, sondern auch über (noch unbekannte) weitere Kontaktpersonen der Vereinigung. Aus den vorgenannten Gründen bestand zudem Anlass, den im mündlichen Durchsuchungsbeschluss vom bezeichneten und vom Betroffenen genutzten PKW nach einem bestimmten Mobiltelefon zu durchsuchen.

16bb) Die Durchsuchung bei einer nichtverdächtigen Person setzt nach § 103 StPO überdies voraus, dass hinreichend individualisierte (bestimmte) Beweismittel für die aufzuklärende Straftat gesucht werden. Diese Gegenstände müssen im Durchsuchungsbeschluss so weit konkretisiert werden, dass weder bei dem Betroffenen noch bei dem die Durchsuchung vollziehenden Beamten Zweifel über die zu suchenden und zu beschlagnahmenden Gegenstände entstehen können (, BGHR StPO § 103 Gegenstände 2). Ausreichend ist dafür allerdings, dass die Beweismittel der Gattung nach näher bestimmt sind; nicht erforderlich ist, dass sie in allen Einzelheiten bezeichnet werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom - StB 5/23, juris Rn. 21; vom - StB 29/22, NStZ 2022, 692 Rn. 14; vom - StB 14/18, juris Rn. 16; vom - StB 9/99, BGHR StPO § 103 Gegenstände 1, jeweils mwN).

17Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss ebenfalls gerecht. Es wurden Mobiltelefone, davon drei jeweils konkret mit einer individuellen IMEI-Nummer, und andere elektronische mobile Kommunikationsmittel als zu sichernde Gegenstände bezeichnet. Durch diese Einschränkung der möglicherweise aufzufindenden Beweismittel war den durchsuchenden Beamten hinreichend deutlich aufgezeigt, worauf sie ihr Augenmerk zu richten hatten. Im Übrigen unterliegen Schriftstücke und elektronische Speichermedien vor ihrer Beschlagnahme oder sonstigen Sicherstellung nach § 110 Abs. 1 StPO der Durchsicht durch die Staatsanwaltschaft oder von ihr beauftragte Ermittlungspersonen. Dies ermöglicht die Überprüfung, welche Dokumente oder Dateien als Beweismittel in Betracht kommen und deshalb sicherzustellen oder nach § 110 Abs. 3 Satz 2 StPO zu sichern sind. Um diese Durchsicht zu gewährleisten, kann auch die Mitnahme einer Gesamtheit von Daten zur Durchsicht zulässig sein (vgl. , NJW 2014, 3085 Rn. 44 f.; , BGHR StPO § 105 Abs. 1 Durchsuchung 3).

18c) Die Strafgerichtsbarkeit des Bundes und damit die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs für den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses ergibt sich aus § 169 Abs. 1 StPO, § 120 Abs. 1 Nr. 2 und 6, § 142 Abs. 1 Nr. 1, § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG.

19d) Die Durchsuchungsanordnungen entsprachen auch unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Belange des Beschuldigten dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

20aa) Sie waren zur weiteren Aufklärung einer Beteiligung bislang unbekannt gebliebener Personen an dem Tatgeschehen geeignet, da unter den gegebenen Umständen zu erwarten war, dass die Durchsuchungen zum Auffinden von Gegenständen, insbesondere von elektronischen Kommunikationsmitteln, führen werden, die nicht nur eine inhaltliche Kommunikation zwischen den Beschuldigten und dem Betroffenen nachweisen oder widerlegen, sondern auch Aufschluss über weitere Kontaktpersonen der Vereinigung erbringen können.

21bb) Die Durchsuchungen waren zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich. Das ist dann nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet, in jedem Verfahrensstadium das jeweils mildeste Mittel anzuwenden (vgl. , NJW 2012, 2096 Rn. 19). Die Durchsuchung bei einem Nichtbeschuldigten, der durch sein Verhalten auch aus der Sicht der Ermittlungsbehörden keinen Anlass zu den Ermittlungsmaßnahmen gegeben hat, stellt über die allgemeinen Erwägungen hinaus erhöhte Anforderungen an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit (, BVerfGK 15, 225, 241 mwN). Deshalb ist nichtverdächtigen Betroffenen zumindest vor der Vollstreckung der Zwangsmaßnahme in der Regel Gelegenheit zur freiwilligen Herausgabe des sicherzustellenden Gegenstandes zu geben. Diese Abwendungsbefugnis ist regelmäßig in die Anordnungsentscheidung aufzunehmen (vgl. u.a., BGHR StPO § 103 Verhältnismäßigkeit 1 Rn. 17 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 66. Aufl., § 103 Rn. 1a). Abhängig von den sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen ergebenden tatsächlichen Umständen, insbesondere der Kooperationsbereitschaft bzw. -pflicht des Adressaten der Maßnahme kann es im Einzelfall sogar geboten sein, anstelle einer Durchsuchungsanordnung ein Herausgabeverlangen nach § 95 StPO als sanktionsfähige strafprozessuale Maßnahme vordringlich in Betracht zu ziehen. Ein solches kann sich insbesondere dann als gleich geeignet, indes weniger beeinträchtigend erweisen, wenn Gewissheit herrscht, dass sich ein beschlagnahmefähiger Beweisgegenstand im Gewahrsamsbereich eines herausgabepflichtigen Adressaten befindet, es zur Erlangung des Gegenstandes nicht auf einen Überraschungseffekt ankommt, die Maßnahme erfolgversprechend ist, das Gebot der Verfahrensbeschleunigung nicht entgegensteht und weder ein das Ermittlungsverfahren bedrohender Verlust der begehrten Sache zu befürchten ist noch etwaige Verdunkelungsmaßnahmen zu besorgen sind (vgl. , NJW 1994, 2079, 2080 f.; u.a., BGHR StPO § 103 Verhältnismäßigkeit 1 Rn. 17 mwN). Denn in diesem Fall würde schon das Erscheinen von Ermittlungsbeamten beim Herausgabepflichtigen eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung seiner Rechte darstellen. Umgekehrt kann die Gewährung einer Abwendungsbefugnis im Ausnahmefall dann entbehrlich sein, wenn sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen Tatsachen ergeben, aus denen zu schließen ist, dass der Betroffene zur freiwilligen Mitwirkung nicht bereit ist und Verdunkelungsmaßnahmen zu besorgen sind. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Beweismittel nur der Gattung nach bestimmt werden können und begründeter Anlass zu der Vermutung besteht, der Pflichtige täusche die Ermittlungsbehörden durch die bewusste Herausgabe nur eines Teils der beweiserheblichen Gegenstände (vgl. u.a., BGHR StPO § 103 Verhältnismäßigkeit 1 Rn. 17 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 66. Aufl., § 103 Rn. 1a).

22Gemessen an diesen Maßstäben waren beide Durchsuchungsanordnungen erforderlich. Die mündliche Durchsuchungsanordnung vom enthält bereits eine Abwendungsbefugnis. Im Hinblick auf den Durchsuchungsbeschluss vom war die Ermittlungsbehörde nicht auf das mildere Mittel eines Herausgabeverlangens nach § 95 StPO zu verweisen. Selbst wenn der Betroffene, wie im Beschwerdeschriftsatz vorgetragen und woran unter Berücksichtigung aller Umstände, gerade im Hinblick auf sein weiteres Verhalten, erhebliche Zweifel bestehen, geglaubt haben sollte, die polizeilichen Einsatzbeamten hätten das in seiner Jacke befindliche Mobiltelefon im Rahmen der Durchsuchung am bereits aufgefunden, so begründet sein nachfolgendes Verhalten aus Sicht des Ermittlungsrichters und des Generalbundesanwalts den erheblichen Verdacht, er werde dieses nicht freiwillig herausgeben. Denn er hat die Ermittlungsbehörden, die - für ihn nunmehr offenkundig - keine Kenntnis davon hatten, dass er im Besitz des vorgenannten und von ihm genutzten Mobiltelefons war, hierüber nicht informiert.

23cc) Die erneute Anordnung der Durchsuchung stand zudem in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung und Schwere der aufzuklärenden Straftat. Auf der Grundlage der Ermittlungsergebnisse ist die von der in Rede stehenden Gruppierung ausgehende Gefahr erheblich. Dies zeigt sich insbesondere in den konkreten vielfältigen Vorbereitungshandlungen einiger Mitglieder der Vereinigung für eine bewaffnete Erstürmung des Reichstagsgebäudes und dem geplanten sowie in Teilen bereits umgesetzten Aufbau von militärischen „Heimatschutzkompanien“ im gesamten Bundesgebiet. Der Betroffene hatte mutmaßlich zu zwei führenden Mitgliedern des militärischen Arms der terroristischen Vereinigung persönlichen Kontakt und tauschte sich mit ihnen über Organisation, Struktur und Zielsetzung der Vereinigung aus. Für seine Behauptung, die Durchsuchungsmaßnahmen seien geschäftsschädigend gewesen, ohne dass er hierfür tatsächliche Umstände vorgetragen hat, bestehen auch ansonsten keine Anhaltspunkte.

243. Nach den vorgenannten Erwägungen war unter den hier gegebenen Umständen die Beschlagnahme des Mobiltelefons der Marke Huawei zulässig, insbesondere verhältnismäßig. Es bestand der Verdacht, dass beweisrelevante Kommunikation über dieses Smartphone stattgefunden hatte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:060923BSTB40.23.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-50172