BGH Beschluss v. - XI ZA 1/23

Instanzenzug: Az: I-31 U 81/18vorgehend Az: 14 O 498/15nachgehend Az: XI ZA 1/23 Beschluss

Gründe

I.

1Der Kläger begehrt von der beklagten Bausparkasse die Rückzahlung erbrachter Zahlungen auf mehrere Bauspar- und Bauspardarlehensverträge.

2Die Klage ist in der ersten Instanz ohne Erfolg geblieben. Gegen das ihm am zugestellte Urteil des Landgerichts hat der Kläger am durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt J.     N.  , Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist auf Antrag des Klägers bis zum verlängert worden. Die insgesamt 160 Seiten umfassende Berufungsbegründung mit dem Briefkopf von Rechtsanwalt N.  und dem Datum "" ist am per Telefax (Gerichtsakte Band V Bl. 1047 - 1222, einschließlich 16 Telefax-Transaktionsberichte) und am per Post (Gerichtsakte Band VI Bl. 1248 - 1407) bei dem Berufungsgericht eingegangen. Mit Verfügung vom hat das Berufungsgericht den Kläger, der im Jahr 2020 das Mandat für Rechtsanwalt N.   gekündigt und einen anderen Prozessbevollmächtigten beauftragt hatte, auf Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung hingewiesen, weil die als Original zu den Akten gereichte Berufungsbegründung nur eine hineinkopierte Unterschrift des Rechtsanwalts aufweise und überdies zweifelhaft sei, ob die Berufungsbegründung von diesem abgefasst worden sei oder er jedenfalls für deren Inhalt die volle Verantwortung übernommen habe. Der Kläger hat hierzu mit Schriftsätzen seines nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom und vom Stellung genommen. Mit Beschluss vom , dem Kläger zugestellt am , hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen.

3Mit am eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger die Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b ZPO für die beabsichtigte Einlegung einer Rechtsbeschwerde gegen den Verwerfungsbeschluss beantragt.

II.

4Der Antrag des Klägers hat keinen Erfolg.

5Nach § 78b Abs. 1 ZPO hat das Gericht, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einer Partei auf ihren Antrag einen Notanwalt beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Aussichtslosigkeit im Sinne von § 78b Abs. 1 ZPO ist immer dann gegeben, wenn ein günstiges Ergebnis der beabsichtigten Rechtsverfolgung auch bei anwaltlicher Beratung ganz offensichtlich nicht erreicht werden kann (BGH, Beschlüsse vom - IX ZR 155/17, juris Rn. 4, vom - II ZR 94/21, juris Rn. 6 und vom - XI ZB 3/23, juris Rn. 3, jeweils mwN).

6Das ist hier der Fall. Auch ein beim Bundesgerichtshof zugelassener, dem Kläger zur Rechtsverfolgung beigeordneter Rechtsanwalt wäre nicht in der Lage, dessen Rechtsbeschwerde im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (Senatsbeschluss vom - XI ZB 6/04, BGHZ 161, 86, 87 mwN), erfolgreich zu begründen. Die Rechtssache wirft weder rechtsgrundsätzliche Fragen auf (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Rechtsfortbildung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 ZPO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht vielmehr in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und verletzt nicht die Ansprüche des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Denn das Berufungsgericht ist auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung von der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ausgegangen, ohne entscheidungserhebliches Vorbringen des Klägers gehörswidrig zu übergehen oder dem Kläger den Zugang zur Berufung in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. , NJW 2005, 2086, 2088 und Beschluss vom - VI ZB 16/16, NJW-RR 2017, 445 Rn. 4, jeweils mwN).

71. Dies gilt zum einen für die Annahme des Berufungsgerichts, es fehle an der nach § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6, § 78 Abs. 1 ZPO erforderlichen Unterzeichnung der Berufungsbegründung durch den Prozessbevollmächtigten.

8a) Gemäß § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO muss die Berufungsbegründung als bestimmender Schriftsatz im Anwaltsprozess grundsätzlich von einem Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben sein. Die Unterschrift soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Zugleich soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (st. Rspr., vgl. nur , NJW 2005, 2086, 2087 sowie Beschlüsse vom - VII ZB 36/10, NJW-RR 2012, 1140 Rn. 7 mwN und vom - III ZB 88/18, WM 2019, 723 Rn. 8). Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift entfällt nicht dadurch, dass die Berufungsbegründung per Telefax übermittelt wird. In diesem Fall genügt zwar die Wiedergabe der Unterschrift in Kopie (§ 130 Nr. 6 Halbsatz 2 ZPO), jedoch muss es sich bei der Kopiervorlage um den eigenhändig unterschriebenen Originalschriftsatz handeln (BGH, Beschlüsse vom - V ZB 45/04, NJW 2005, 2709, vom - XI ZB 40/05, WM 2006, 2331 Rn. 9 ff. und vom , aaO).

9b) Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht, das gemäß § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen zu prüfen hatte und geprüft hat, ob die Berufung in der gesetzlichen Form und Frist begründet worden ist, ausgegangen und es ist aufgrund einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls und des klägerischen Vorbringens zu der Überzeugung gelangt, dass die per Post zu den Akten gereichte Berufungsbegründung vom und damit die Kopiervorlage für das innerhalb der Berufungsbegründungsfrist übermittelte Telefax keine Originalunterschrift des damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers trägt, sondern nur mit einer in den Schriftsatz hinein kopierten Unterschrift versehen ist.

10Diese Überzeugung hat das Berufungsgericht aufgrund einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls gewonnen, ohne die Anforderungen an den Nachweis der Eigenhändigkeit der Unterschrift auf der Berufungsbegründung zu überspannen. Denn das Berufungsgericht ist von dem äußeren Erscheinungsbild des Schriftzugs unter der per Post zur Akte gereichten Berufungsbegründung vom (Gerichtsakte Band VI Bl. 1407) ausgegangen und hat diesen mit der Unterschrift von Rechtsanwalt N.  unter der Berufungsschrift vom (Gerichtsakte Band IV Bl. 1033) verglichen.

11Zudem hat es die Ausführungen von Rechtsanwalt N.  in dem Schriftsatz vom , der Replik zur Berufungserwiderung der Beklagten, mit der letztere bereits geltend gemacht hat, dass die Berufungsbegründung inhaltlich nicht von dem Rechtsanwalt herrühre, berücksichtigt und dabei zutreffend darauf abgestellt, dass in dem Schriftsatz vom kein konkreter Vortrag zur Erstellung und eigenhändigen Unterzeichnung der Berufungsbegründung vom durch den Rechtsanwalt erfolgt ist. Dies gilt auch für die in diesem Schriftsatz enthaltene "anwaltliche Versicherung", der deshalb kein Beweiswert zukommt.

12Schließlich hat das Berufungsgericht auch den Vortrag des Klägers berücksichtigt, den dieser nach dem Hinweis auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung in den beiden Schriftsätzen seines jetzigen Rechtsanwalts R.  vom und vom gehalten hat. Das darin enthaltene Vorbringen zur Unterzeichnung und Versendung der Berufungsbegründung hat das Berufungsgericht zu Recht als unzureichend erachtet, weil damit nur Vorgänge geschildert werden, die sich der eigenen Wahrnehmung von Rechtsanwalt R.  entziehen (vgl. dazu , NJW 2004, 3491, 3492), und weder eine eidesstattliche Versicherung von Rechtsanwalt N.  vorgelegt noch dieser als Zeuge angeboten worden ist.

13c) Unerheblich für die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsbeschwerde ist, dass der Kläger im Beiordnungsverfahren mit Schreiben vom unter Vorlage von zwei eidesstattlichen Versicherungen behauptet, er selbst habe für die Vervielfältigung des von Rechtsanwalt N.  eigenhändig unterschriebenen Originals der Berufungsbegründung sowie die Versendung dieses Originals und einer Ablichtung für die Beklagte an das Gericht gesorgt und bei der Übergabe an ihn, der Vervielfältigung und dem Versand sei seine Bekannte, Frau H.     , dabei gewesen. Es handelt sich insoweit um neuen Tatsachenvortrag, den der Kläger erst nach Zustellung des Verwerfungsbeschlusses gehalten hat und der deshalb nach § 577 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 559 Abs. 1 ZPO im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig ist (BGH, Beschlüsse vom - IX ZB 40/03, BGHZ 156, 165, 167 f., vom - V ZB 135/15, NJW 2016, 3789 Rn. 10 und vom - VIII ZB 37/19, ZInsO 2021, 1700 Rn. 22 f.). Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die ordnungsgemäße Begründung der Berufung im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen wäre. Wenn das Berufungsgericht - wie hier - die Berufung als unzulässig verworfen hat und diese Entscheidung mit der Rechtsbeschwerde angegriffen wird, ist die Zulässigkeit der Berufung keine Prozessfortsetzungsbedingung, sondern alleiniger Verfahrensgegenstand in der Rechtsbeschwerdeinstanz und somit vom Rechtsbeschwerdegericht nicht von Amts wegen zu prüfen (BGH, Beschlüsse vom , aaO S. 168 f., vom , aaO und vom , aaO Rn. 23).

14Im Übrigen steht dieser detaillierte Vortrag in diametralem Gegensatz zu den Ausführungen in den Schriftsätzen aus der Berufungsinstanz vom und vom , nach denen die Versendung per Telefax und per Post durch Rechtsanwalt N.  vorgenommen worden sei. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass der Kläger diesen Vortrag nicht schon vor Erlass des Verwerfungsbeschlusses gehalten hat, wenn es tatsächlich so gewesen wäre wie jetzt von ihm und Frau H.      geschildert und an Eides statt versichert.

15d) Es sind ferner keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass eine Verfahrensrüge im Rechtsbeschwerdeverfahren (vgl. , BGHZ 156, 165, 168 f.) darauf gestützt werden könnte, dass die die Berufung als unzulässig verwerfende Entscheidung an einem Verfahrensfehler leide, weil das Berufungsgericht weitere Ermittlungen zur Frage der eigenhändigen Unterzeichnung des Originals der Berufungsbegründung durch Rechtsanwalt N.  unterlassen habe.

16Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche Prüfung von Amts wegen, ob die Berufung in der gesetzlichen Form und Frist begründet worden ist, ist nicht mit der Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes gleichzusetzen, sondern beschränkt sich auf den dem Gericht unterbreiteten oder offenkundigen Prozessstoff und erforderlichenfalls auf die Erteilung von Hinweisen gemäß § 139 Abs. 3 ZPO (vgl. , WM 1989, 834, 836, vom - III ZR 150/88, WM 1991, 1009, 1011 und vom - XII ZR 51/99, NJW 2001, 1581, 1582 sowie Beschlüsse vom - IV ZB 29/18, FamRZ 2020, 768 Rn. 9 und vom - X ARZ 562/20, juris Rn. 30).

17Diesen Anforderungen ist das Berufungsgericht gerecht geworden. Es hat den Kläger darauf aufmerksam gemacht, dass nach seiner Ansicht Bedenken gegen das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung bestehen, ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, die Stellungnahmefrist antragsgemäß verlängert und anschließend den ihm unterbreiteten Prozessstoff gewürdigt. Es wäre Sache des Klägers gewesen, innerhalb der eingeräumten Frist konkrete Einzelheiten vorzutragen und gegebenenfalls Zeugen zu benennen.

18Es gibt in der Akte auch keine Anhaltspunkte dafür, dass am zwei Exemplare der Berufungsbegründung bei dem Oberlandesgericht eingegangen sind. So ist in der Berufungsbegründung - anders als in der Berufungseinlegung - nicht die Rede von einer beigefügten Abschrift und der Eingangsstempel (Gerichtsakte Band VI Bl. 1248) enthält keinen entsprechenden Vermerk. Entgegen der Vermutung des Klägers befindet sich in Band VI der Gerichtsakte, Bl. 1433 ff., kein weiteres Exemplar der Berufungsbegründung, sondern nur die ersten drei Seiten der Berufungsbegründung als Kopie, und Bl. 1223 - 1247 von Band V der Gerichtsakte enthalten nur die per Telefax übersandten Anlagen A (einfach) und B (dreifach) zur Berufungsbegründung sowie ein Telefax-Transaktionsprotokoll.

192. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist auch insoweit aussichtslos, als sie sich gegen die weitere Annahme des Berufungsgerichts richten würde, die Berufung sei auch deshalb unzulässig, weil Rechtsanwalt N.  die Berufungsbegründung - unabhängig von der Frage, ob er sie eigenhändig unterzeichnet hat - weder persönlich verfasst noch inhaltlich eigenverantwortlich geprüft habe. Diese Annahme beruht auf der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 520 Abs. 3 ZPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 45/04, NJW 2005, 2709 f., vom - IX ZB 258/05, NJW 2008, 1311 Rn. 5 ff. und vom - V ZR 137/20, NJW-RR 2021, 567 Rn. 5 f., 10 ff., jeweils mwN) und einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls, die weder entscheidungserhebliches Vorbringen des Klägers übergangen noch dem Kläger den Zugang zur Berufung in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert hat. Insbesondere hat das Berufungsgericht verschiedene Aspekte des Inhalts der Berufungsbegründung, diverse Unterschiede in Diktion, Strukturierung, Schriftbild und Paginierung im Vergleich zu anderen Schriftsätzen von Rechtsanwalt N.   und den Inhalt der Stellungnahmen vom und vom berücksichtigt.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:120923BXIZA1.23.0

Fundstelle(n):
JAAAJ-49453