BGH Beschluss v. - 2 StR 176/23

Schriftformgerechter Strafantrag bei fehlender Unterschrift des Antragstellers

Gesetze: § 158 Abs 2 StPO, § 194 Abs 1 StGB

Instanzenzug: LG Erfurt Az: 1 Ks 904 Js 19894/22

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die auf die allgemeine Sachrüge veranlasste Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen hat ergeben, dass hinsichtlich der Beleidigung ein formgerechter Strafantrag des Geschädigten A.      vorliegt.
Der gemäß § 194 Abs. 1 StGB zur Verfolgung der Tat erforderliche Strafantrag kann nach § 158 Abs. 2 StPO bei Gericht oder der Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht werden, bei den Polizeibehörden dagegen nur schriftlich. Zur Wahrung der Schriftform ist grundsätzlich eine Unterschrift des Antragstellers erforderlich (BGH, Beschlüsse vom − 4 StR 168/20; vom – 4 StR 392/19).
Für Strafanträge, die als Papierdokument angebracht werden, sind angesichts des Zwecks der vorgeschriebenen Schriftform gewisse Lockerungen bei ihrer Einhaltung anerkannt. Durch das Formerfordernis soll nur sichergestellt werden, dass über den Verfolgungswillen des Antragstellers kein Zweifel entstehen kann (LR/Erb, StPO, 27. Aufl., § 158 Rn. 47). Zudem soll (im Wege des Freibeweises jederzeit nachprüfbare) Klarheit über die Identität des Antragstellers geschaffen werden (KK-StPO/Weingarten, 9. Aufl., § 158 Rn. 44 mwN). Diese Zwecke können im Einzelfall auch ohne eine Unterschrift erfüllt sein, wenn aus dem Schriftstück in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ersichtlich ist, von wem die Erklärung herrührt, und feststeht, dass es sich nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern es mit Wissen und Wollen des Berechtigten der zuständigen Stelle zugeleitet worden ist (vgl. mwN; Goers in Beck-OK/StPO, 48. Ed., § 158 Rn. 48).
Dies ist vorliegend der Fall. Zwar liegt kein vom Geschädigten unterschriebener Strafantrag vor. Der durch die Messerstiche des Angeklagten schwer verletzte Geschädigte wurde vielmehr noch am Tattag im Krankenhaus mittels Videovernehmung vernommen und erklärte dabei gegenüber der Vernehmungsbeamtin, er stelle Strafantrag. Zu Ablauf und Gegenstand der Videovernehmung fertigte die Vernehmungsbeamtin am selben Tag einen Vermerk, die Vernehmung wurde schließlich am verschriftet. Das Transkript schließt mit dem Namen der Person, die die Verschriftung gefertigt hat. Ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung wurde der im Transkript enthaltene Strafantrag im Hauptverhandlungstermin vom im Beisein des Geschädigten verlesen und die Richtigkeit der Angaben von ihm bestätigt. Angesichts dieser Abläufe besteht hinreichende Klarheit über die Identität des Antragstellers und das Vorhandensein und den Umfang des Verfolgungswillens.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:230823B2STR176.23.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-48393