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NaRp Nr. 1 vom Seite 39

Zur Bedeutung der EU-(Umwelt)Taxonomie

Einordnung in die Regulierung zur Transformation in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaft und Auswirkungen auf betroffene Unternehmen

Prof. Dr. Stefan Müller und Dr. Jens Reinke

Am veröffentlichte die Europäische Kommission zwei weitere delegierte Rechtsakte zur EU-Umwelttaxonomieverordnung bzw. kurz EU-Taxonomieverordnung (Verordnung (EU) 2020/852). Zeitgleich wurde ein Entwurf für ein FAQ-Dokument zur Anwendung des Mindestschutzes gem. Art. 18 TaxonomieVO und weitere Dokumente zur Sustainable Finance Initiative der Europäischen Kommission veröffentlicht. Die TaxonomieVO fordert bislang von großen kapitalmarktorientierten Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden sowie von bestimmten Banken und Versicherungen Angaben darüber, wie und in welchem Umfang die Unternehmenstätigkeiten mit ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten verbunden sind. Nicht-Finanzunternehmen haben diese Angaben – also den Anteil der „grünen“ Umsatzerlöse sowie die Anteile des „grünen“ Investitions- und ggf. Betriebsaufwands – in ihrer nichtfinanziellen Berichterstattung nach § 289b HGB vorzunehmen. Da allerdings für die Ermittlung der Angaben auf Informationen aus der Wertschöpfungskette zurückgegriffen werden muss, ergibt sich eine enorme Ausstrahlungswirkung auch auf nicht direkt betroffene Unternehmen, wie etwa Mittelständler, die z. B. bei Kreditvergabeverhandlungen von Kreditinstituten oder auch von ihren Kunden um Umweltinformationen gebeten werden, da diese ansonsten den Umsatz nicht klassifizieren können. Mit der ab 2024 geforderten Nachhaltigkeitsberichterstattung werden die Taxonomieangaben dann auch schrittweise für deutlich mehr Unternehmen relevant.

Kirsch, Nichtfinanzielle Berichterstattungspflicht (HGB), infoCenter, NWB CAAAG-79145

Kernfragen
  • Wie ist die EU-(Umwelt)Taxonomie in die Unternehmensregulierung im Rahmen des Green Deal der EU einzuordnen?

  • Wer ist wo zur Berichterstattung verpflichtet?

  • Wie funktionieren die Klassifikation und die Bestimmung der „grünen“ Anteile und welche Ausstrahlungswirkungen ergeben sich für andere Unternehmen?

I. Einleitung

Die EU hat sich mit dem Green Deal ein klares Ziel gesetzt: Klimaneutralität bis 2050 unter gleichzeitiger Beachtung der übrigen Nachhaltigkeitsfelder, d. h. die Beachtung von relevanten Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards (ESG). Um dieses Ziel zu erreichen, nutzen EU und nationale Gesetzgebung die unterschiedlichsten Wege, die von der direkten Regulierung über Verbote bestimmter Tätigkeiten bis zur Transparenzschaffung über die Nachhaltigkeitsberichterstattung reichen. Mit der Sustainable Finance Initiative schätzt die EU den Weg über die Regulierung der Finanzbranche als besonders geeignet ein, da die Transformation hin zu einem klimaneutralen und nachhaltig wirtschaftenden Kontinent zunächst einmal enorme Finanzmittel benötigt, die über geeignete Maßnahmen in die richtige Richtung gelenkt werden sollen. Die Finanzbranche übernimmt somit die Funktion, nachhaltig tätige Unternehmen (weiter) zu unterstützen, während nicht nachhaltig tätigen Unternehmen mit der Zeit die Finanzmittel entzogen werden, was diese zu einem Umdenken animieren soll.