BGH Beschluss v. - XII ZB 250/20

Versorgungsausgleich: Geschlechtsspezifische Kalkulation bei der internen Teilung einer betrieblichen Direktversicherung

Leitsatz

Zu den Auswirkungen der sogenannten Test-Achats-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Unzulässigkeit geschlechtsspezifischer Kalkulation von Prämien und Leistungen bei privaten Versicherungen (Anschluss an , NJW 2011, 907 - Association belge des Consommateurs Test-Achats) auf die interne Teilung einer betrieblichen Direktversicherung im Versorgungsausgleich.

Gesetze: § 11 VersAusglG, § 19 Abs 1 Nr 2 AGG, § 33 Abs 5 AGG, Art 5 Abs 1 EGRL 113/2004, Art 5 Abs 2 EGRL 113/2004, Art 5 Buchst b EGRL 54/2006, Art 5 Buchst c EGRL 54/2006, Art 21 EUGrdRCh, Art 23 EUGrdRCh

Instanzenzug: Az: XII ZB 250/20 Beschlussvorgehend OLG Frankfurt Az: 4 UF 46/19 Beschlussvorgehend AG Frankfurt Az: 477 F 23327/15 S Beschluss

Gründe

A.

1Die beteiligten Eheleute streiten im Scheidungsverbund um den Versorgungsausgleich.

2Die am geschlossene Ehe der 1974 geborenen Antragstellerin und des 1970 geborenen Antragsgegners ist auf den am zugestellten Antrag durch rechtskräftig geschieden worden. In der gesetzlichen Ehezeit vom bis zum haben beide Eheleute Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, aus denen sie am Ende der Ehezeit Renten wegen voller Erwerbsminderung bezogen. Die Antragstellerin stand am Ende der Ehezeit darüber hinaus im Bezug von zwei privaten Berufsunfähigkeitsrenten, die ihr nach einem während der Ehe eingetretenen Versicherungsfall von der A. Lebensversicherung (Beteiligte zu 1) gezahlt werden. Der Antragsgegner hat in der Ehezeit zudem ein betriebliches Anrecht in Form einer Direktversicherung beim D. Lebensversicherungsverein (Beteiligter zu 4) erlangt. Der D. Lebensversicherungsverein hat den Ehezeitanteil mit 23.268,96 € angegeben und einen Ausgleichswert von 11.484,48 € vorgeschlagen. Die maßgebliche Teilungsordnung enthält auszugsweise die folgenden Bestimmungen:

„5. Ausgestaltung der Versicherung der ausgleichsberechtigten Person

Mit dem Ausgleichswert abzüglich der hälftigen Kosten … wird eine Leibrentenversicherung auf das Leben der ausgleichsberechtigten Person mit aufgeschobener Rentenzahlung bzw. sofort beginnender Rentenzahlung gegen Einmalbetrag eingerichtet.

Für diese Versicherung gelten folgende Konditionen:

- Der Risikoschutz besteht in Form einer Altersversorgung mit Todesfall-Leistung. Zum Ende der Aufschubzeit besteht ein Kapitalwahlrecht.

- Es kommen die aktuellen Rechnungsgrundlagen zur Anwendung.

- Beginn der Versicherung ist der Erste des Monats, in dem die Entscheidung des Familiengerichts rechtskräftig wird. Versicherungsschutz besteht ab dem Tag der Rechtskraft der Entscheidung. (…)“

3Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich im Scheidungsverbund geregelt und die gesetzlichen Rentenanrechte der Eheleute intern geteilt. Darüber hinaus hat es die Antragstellerin dazu verpflichtet, zum Ausgleich ihrer privaten Invaliditätsversorgung bei der A. Lebensversicherung monatliche Ausgleichsrenten an den Antragsgegner zu zahlen. Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, dass ein Ausgleich ihrer privaten Invaliditätsversorgungen wegen grober Unbilligkeit unterbleibt.

4Das Oberlandesgericht hat die angefochtene Entscheidung teilweise abgeändert. Es hat den Ausgleichswert für das gesetzliche Rentenanrecht des Antragsgegners geringfügig erhöht und das von dem Amtsgericht übersehene betriebliche Anrecht des Antragsgegners im Wege interner Teilung mit dem vorgeschlagenen Ausgleichswert von 11.484,48 € und verschiedenen Modifikationen zur Teilungsordnung des D. Lebensversicherungsvereins - namentlich zu den verwendeten Rechnungsgrundlagen und der Verzinsung des Ausgleichswerts zwischen dem Ende der Ehezeit und der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich - in den Wertausgleich einbezogen. Die weitergehende Beschwerde der Antragstellerin bezüglich des Ausgleichs ihrer beiden privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen hat es zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zur Klärung der Frage zugelassen, welche Rechnungsgrundlagen dem im Wege der internen Teilung zu begründenden Anrecht des Ausgleichsberechtigten zu Grunde zu legen seien.

5Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin Rechtsbeschwerde eingelegt. Nach Ablehnung ihres Verfahrenskostenhilfegesuchs durch den Senat (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 250/20 - FamRZ 2021, 211) hat die Antragstellerin ihre Rechtsbeschwerde teilweise zurückgenommen, soweit sie sich gegen den Ausgleich ihrer beiden privaten Invaliditätsversorgungen gerichtet hat. Mit dem noch aufrecht erhaltenen Rechtsmittel wendet sie sich gegen die - auf die biometrischen Rechnungsgrundlagen bezogenen - Maßgabenanordnungen des Beschwerdegerichts zur internen Teilung des von dem Antragsgegner erworbenen betrieblichen Anrechts bei dem D. Lebensversicherungsverein und erstrebt insoweit eine Durchführung des Versorgungsausgleichs nach den gesetzlichen Bestimmungen.

B.

6Die Rechtsbeschwerde ist im verbliebenen Umfang der Anfechtung statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.

I.

7Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in juris (OLG Frankfurt Beschluss vom - 4 UF 46/19) veröffentlicht ist, hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

8Die Teilungsordnung des D. Lebensversicherungsvereins genüge den Anforderungen, die § 11 Abs. 1 VersAusglG an die Sicherstellung gleichwertiger Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Anrechten stelle, nicht in vollem Umfang und sei deshalb durch geeignete Maßgabenanordnungen anzupassen. Würden dem zu begründenden Anrecht des Ausgleichsberechtigten - wie in der Teilungsordnung vorgesehen - andere Rechnungsgrundlagen als dem auszugleichenden Anrecht des Ausgleichspflichtigen zu Grunde gelegt, könne dies bei kapitalgedeckten Anrechten nicht nur zu einer unterschiedlichen Wertentwicklung im Hinblick auf den für das konventionelle Deckungskapital gegebenenfalls zugesagten „Garantiezins“ führen, sondern im Hinblick auf die verwendeten Sterbe- bzw. Richttafeln und die angesetzten kalkulatorischen Kosten auch zu einer nicht auf biometrischen Faktoren beruhenden unterschiedlichen Leistungshöhe im Falle identischer Wertentwicklung. Eine gleichwertige Teilhabe des Ausgleichsberechtigten sei daher nur gewährleistet, wenn auf dessen Anrecht vollumfänglich die für das auszugleichende Anrecht geltenden Rechnungsgrundlagen Anwendung fänden. Die Anordnung einer dem Garantiezins des auszugleichenden Anrechts entsprechenden Garantieverzinsung des konventionellen Deckungskapitals sei auch im Hinblick auf die zugesagte Überschuss- und Schlussüberschussbeteiligung nicht entbehrlich, weil die durchschnittliche Überschussbeteiligung deutscher Lebensversicherer schon seit Jahren die noch in den 1990er-Jahren zugesagte Garantieverzinsung unterschreite. Soweit dem auszugleichenden Anrecht ein geschlechtsspezifischer Tarif zu Grunde liege, stünden auch §§ 19 Abs. 1, 33 Abs. 5 AGG - mit denen europarechtliche Vorgaben umgesetzt worden seien - der Begründung eines geschlechtsspezifischen Tarifs zu Gunsten des ausgleichsberechtigten Ehegatten nicht entgegen. Für die vor dem geschlossenen Verträge bleibe es bei der Zulässigkeit geschlechtsspezifischer Tarife. Dies gelte auch für die im Wege der internen Teilung eines vor dem begründeten Anrechts, denn § 10 Abs. 1 VersAusglG sehe nicht die Begründung eines neuen Anrechts, sondern lediglich die teilweise Übertragung eines bestehenden Anrechts im Sinne eines echten Realsplittings vor. Um dem Halbteilungsgrundsatz gerecht zu werden, sei darüber hinaus durch geeignete Anordnungen sicherzustellen, dass die ausgleichsberechtigte Antragstellerin im Zeitraum zwischen dem Ende der Ehezeit und dem Eintritt der Rechtskraft des Versorgungsausgleichs an der dem auszugleichenden Anrecht in diesem Zeitraum gutgeschriebenen Überschussbeteiligung teilhat, die sich mindestens auf die zugesagte Garantieverzinsung belaufe.

II.

9Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.

101. Das Beschwerdegericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei dem auf eine Kapitalzahlung gerichteten Anrecht des Ehemanns bei dem D. Lebensversicherungsverein um ein Anrecht der betrieblichen Altersversorgung handelt, welches gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 VersAusglG unabhängig von der Leistungsform in den Versorgungsausgleich einzubeziehen ist. Diese Beurteilung wird unter den hier obwaltenden Umständen nicht dadurch in Frage gestellt, dass die von dem Versorgungsträger am erteilte Auskunft den Ehemann als Versicherungsnehmer der Versicherung bezeichnet. Dies deutet vielmehr darauf hin, dass der ehemalige Arbeitgeber des Ehemanns, der ausweislich des zu den Akten gereichten Nachtrags zum Versicherungsschein vom ursprünglicher Versicherungsnehmer der Lebensversicherung gewesen ist, nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im März 2018 von der Möglichkeit des § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG Gebrauch gemacht hat, dem Ehemann zur Aufrechterhaltung der unverfallbar gewordenen Versorgungsanwartschaft die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers einzuräumen (sog. versicherungsvertragliche Lösung). Der Senat hat bereits entschieden, dass der unverfallbare und im institutionellen Rahmen der betrieblichen Altersversorgung erworbene Teil des Anrechts auch im Fall einer Übertragung der Versicherung auf den ausgeschiedenen Arbeitnehmer weiterhin in den Anwendungsbereich von § 2 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 VersAusglG fällt (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 134/19 - FamRZ 2021, 745, Rn. 11 ff.).

112. Gemäß § 10 Abs. 1 VersAusglG überträgt das Familiengericht für die ausgleichsberechtigte Person zu Lasten des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts bei dem Versorgungsträger, bei dem das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person besteht. Maßgeblich hierfür sind grundsätzlich die Regelungen über das auszugleichende und das zu übertragende Anrecht (§ 10 Abs. 3 VersAusglG), hier also die Bestimmungen der Teilungsordnung des D. Lebensversicherungsvereins. Wegen der rechtsgestaltenden Wirkung der gerichtlich ausgesprochenen internen Teilung fällt den Gerichten allerdings die Aufgabe zu, die rechtliche Vereinbarkeit der nach § 10 Abs. 3 VersAusglG heranzuziehenden untergesetzlichen Versorgungs- und Teilungsordnung mit höherrangigem Recht zu überprüfen. Wenn die Voraussetzungen einer gleichmäßigen Teilhabe nicht vorliegen, darf das Gericht das Anrecht nicht nach Maßgabe dieser Regelungen des Versorgungsträgers ausgleichen (Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 443/14 - FamRZ 2015, 1869 Rn. 15 und vom - XII ZB 364/14 - FamRZ 2015, 911 Rn. 11 mwN). Ist eine Regelung in der Versorgungs- und Teilungsordnung dabei lediglich unklar oder mehrdeutig oder verstößt sie nur in einzelnen Randaspekten gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe, hat das Gericht mit Rücksicht auf die Privatautonomie des Versorgungsträgers in den Blick zu nehmen, ob sich der Kern der vom Versorgungsträger getroffenen Regelung im Zuge einer Anpassung durch geeignete gerichtliche Maßgabenanordnungen aufrechterhalten lässt (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 359/19 - FamRZ 2021, 1955 Rn. 37 und vom - XII ZB 443/14 - FamRZ 2015, 1869 Rn. 25 f.).

123. Das Beschwerdegericht hat in teilweiser Abänderung von Ziffer 5. der Teilungsordnung des D. Lebensversicherungsvereins - und im Einklang mit einer verbreiteten Ansicht in Rechtsprechung und Literatur zur Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes bei der internen Teilung von privaten Lebens- und Rentenversicherungen (vgl. OLG Nürnberg FamRZ 2019, 876, 878 ff.; OLG Schleswig Beschluss vom - 15 UF 188/19 - juris Rn. 4; - juris Rn. 27; Erman/Norpoth/Sasse BGB 16. Aufl. § 11 VersAusglG Rn. 4; jurisPK-BGB/Breuers [Stand: ] § 11 VersAusglG Rn. 30 ff; MünchKommBGB/Maaß 9. Aufl. § 11 VersAusglG Rn. 18 ff.; BeckOK BGB/Bergmann [Stand: ] VersAusglG § 11 Rn. 4) - angeordnet, dass auf das im Wege der internen Teilung zu begründende Anrecht nicht die aktuellen Rechnungsgrundlagen, sondern insgesamt die Rechnungsgrundlagen der Tarifgeneration der auszugleichenden Versicherung zur Anwendung zu bringen sind. Dies lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Antragstellerin erkennen.

13a) Dabei ist es bereits zweifelhaft, ob die Antragstellerin durch die Maßgabenanordnung des Beschwerdegerichts zu den Rechnungsgrundlagen in einem eigenen subjektiven Recht nachteilig betroffen, d.h. im Sinne einer ungerechtfertigten wirtschaftlichen (Mehr-)Belastung materiell beschwert ist. Bei den „Rechnungsgrundlagen“ einer Lebensversicherung ist im Ausgangspunkt zwischen dem Rechnungszins, den biometrischen Rechnungsgrundlagen (Sterbetafeln) und den Kostenansätzen zu unterscheiden (vgl. Laars Deckungsrückstellungsverordnung 3. Aufl. § 5 Rn. 1).

14aa) Die Rechtsbeschwerde beanstandet die Maßgabenanordnung ausdrücklich nicht, soweit danach dem zu übertragenden Anrecht derselbe Rechnungszins wie dem auszugleichenden Anrecht zugrunde zu legen ist. Denn weil der bei Abschluss der verfahrensgegenständlichen Versicherung im Jahr 1996 gültige Höchstzinssatz für Lebensversicherungen mit Zinsgarantie von 4 % (vgl. § 2 Abs. 1 der Deckungsrückstellungsverordnung in der Fassung vom , BGBl. I S. 670) den derzeit maßgeblichen Höchstrechnungszins deutlich überschreitet, ist die Anordnung des Beschwerdegerichts - wovon ersichtlich auch die Rechtsbeschwerde ausgeht - in dieser Hinsicht für die Antragstellerin ausschließlich vorteilhaft.

15bb) Das Begehren der Rechtsbeschwerde ist vor diesem Hintergrund offensichtlich darauf gerichtet, die Anwendbarkeit der Rechnungsgrundlagen aus der Tarifgeneration der bestehenden Versicherung auf den Rechnungszins zu beschränken, während es insbesondere hinsichtlich der verwendeten Sterbetafeln bei den aktuellen Rechnungsgrundlagen entsprechend den Vorgaben der Teilungsordnung verbleiben solle (vgl. OLG Nürnberg FamRZ 2016, 819, 820 f.; vgl. auch OLG Celle FamRZ 2019, 1780 f.; - juris Rn. 26). Insoweit erblickt die Rechtsbeschwerde eine unberechtigte wirtschaftliche Schlechterstellung der Antragstellerin darin, dass die in der Maßgabenanordnung des Beschwerdegerichts für anwendbar erklärten Sterbetafeln aus der Tarifgeneration der bestehenden Versicherung - anders als aktuell verwendete Sterbetafeln - eine für weibliche Versicherte in der Leibrentenversicherung ungünstigere geschlechtsspezifische Kalkulation von Prämien und Leistungen vorsehen.

16Ob diese Beurteilung zutrifft, erscheint indessen fraglich. Bei der internen Teilung einer konventionellen Leibrentenversicherung liegt die Verwendung aktueller Rechnungsgrundlagen mit aktualisierten Sterbetafeln bei der Kalkulation für das neue Anrecht grundsätzlich im Interesse des Versicherers. Dieser trägt das Langlebigkeitsrisiko, welches die Unsicherheit bezeichnet, dass die Versicherten im Durchschnitt länger leben als es den bei Vertragsschluss verwendeten versicherungsmathematischen Modellen zu den Sterblichkeitsparametern unterlegt ist. Durch die Heranziehung aktualisierter Sterbetafeln wird der Versicherer in die Lage versetzt, bei der Kalkulation für das neue Anrecht die zwischenzeitlich besseren Erkenntnisse über die (gestiegene) durchschnittliche Lebenserwartung der Versicherten zu nutzen und damit das Langlebigkeitsrisiko für den im Versorgungsausgleich auf den Berechtigten übertragenen Teil des Ursprungsvertrages von sich abzuwälzen (vgl. OLG Nürnberg FamRZ 2019, 876, 879; Döring Teilung von fondsgebundenen Lebensversicherungen im Rahmen des neuen Versorgungsausgleichs S. 43). Die Anwendung der biometrischen Rechnungsgrundlagen aus der Tarifgeneration des bestehenden Vertrages stellt sich deshalb bei einer zwischenzeitlichen Aktualisierung der angewendeten Sterbetafeln - bei steigender Lebenserwartung - für die ausgleichsberechtigte Person grundsätzlich als günstig dar (vgl. auch Fachgrundsatz der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. (2018): Herleitung der DAV-Sterbetafel 2004 R für Rentenversicherungen S. 66 ff., dort zum Vergleich von Prämien und Leistungen nach den Sterbetafeln DAV 2004 R und DAV 1994 R, veröffentlicht auf www.aktuar.de). Bei der internen Teilung von Anrechten aus älteren Versicherungen dürfte dies für weibliche Ausgleichsberechtigte in vielen Fällen auch dann noch gelten, wenn die Kalkulation der Leistungen aus einer für sie mit dem Ausgleichswert errichteten Leibrentenversicherung nach den früheren biometrischen Rechnungsgrundlagen auf einer geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Lebenserwartung von Männern und Frauen beruht.

17b) Dies bedarf allerdings keiner weitergehenden Erörterung. Das Beschwerdegericht war - anders als die Rechtsbeschwerde meint - aus Rechtsgründen nicht daran gehindert, im Wege einer Maßgabenanordnung die Anwendung der früheren geschlechtsspezifischen Rechnungsgrundlagen des bestehenden Versicherungsvertrages vorzugeben. Dieser Anordnung stehen weder Art. 5 der Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. 2004 L 373, S. 37; im Folgenden: Gender-Richtlinie) und die zu dieser Bestimmung ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ( - NJW 2011, 907 - Association Belge des Consommateurs Test-Achats) noch die zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen nationalen Rechtsvorschriften (§§ 19 Abs. 1 Nr. 2, 33 Abs. 5 AGG) entgegen.

18aa) Nach Art. 5 Abs. 1 der Gender-Richtlinie hatten die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass spätestens bei den nach dem neu abgeschlossenen Verträgen die Berücksichtigung des Faktors Geschlecht bei der Berechnung von Prämien und Leistungen im Bereich des Versicherungswesens und verwandter Finanzdienstleistungen nicht zu unterschiedlichen Prämien und Leistungen führt. Gemäß Art. 5 Abs. 2 der Gender-Richtlinie konnten die Mitgliedstaaten allerdings noch bis zum nationale Regelungen zur Zulässigkeit proportionaler Unterschiede bei den Prämien und Leistungen privater Versicherungsverträge schaffen, wenn „die Berücksichtigung des Geschlechts bei einer auf relevanten und genauen versicherungsmathematischen und statistischen Daten beruhenden Risikobewertung ein bestimmender Faktor ist.“ Deutschland hatte - wie alle anderen EU-Mitgliedstaaten - von dieser Öffnungsklausel Gebrauch gemacht (§ 20 Abs. 2 Satz 1 AGG in der vom bis zum geltenden Fassung).

19Im Jahr 2011 hat der Europäische Gerichtshof Art. 5 Abs. 2 der Gender-Richtlinie mit Wirkung vom für ungültig erklärt. Der Europäische Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang erkannt, dass Art. 5 Abs. 2 der Gender-Richtlinie, der es den Mitgliedstaaten gestatte, eine Ausnahme von der Regel geschlechtsneutraler Prämien und Leistungen unbefristet aufrechtzuerhalten, der Verwirklichung des mit der Gender-Richtlinie verfolgten Ziels der Gleichbehandlung von Frauen und Männern zuwiderlaufe und deshalb mit primärrechtlichen Gewährleistungen der Art. 21 und 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union unvereinbar sei (vgl. - NJW 2011, 907 Rn. 30 ff. - Association belge des Consommateurs Test-Achats). Der deutsche Gesetzgeber hat als Reaktion auf die „Test-Achats“-Entscheidung mit Wirkung zum - neben einzelnen Anpassungen im Versicherungsaufsichtsgesetz - den am Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 der Gender-Richtlinie orientierten § 20 Abs. 2 Satz 1 AGG in der bis dahin bestehenden Fassung aufgehoben und dafür § 33 Abs. 5 AGG eingeführt (Art. 8 des SEPA-Begleitgesetzes vom , BGBl. I S. 610). § 33 Abs. 5 Satz 1 AGG übernimmt den Stichtag des aus der „Test-Achats“-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs und lässt für Versicherungsverhältnisse, die vor diesem Datum begründet wurden, eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts bei den Prämien oder Leistungen unter Voraussetzungen zu, die weitgehend denjenigen der am außer Kraft getretenen Fassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 AGG entsprechen.

20bb) Im vorliegenden Fall war - wovon das Beschwerdegericht ausgeht und was die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel zieht - für die in den Versorgungsausgleich einbezogene Versicherung eine geschlechtsspezifische Kalkulation von Prämien und Leistungen (weiterhin) rechtlich zulässig.

21(1) Dies ergibt sich allerdings noch nicht daraus, dass das verfahrensgegenständliche Versicherungsanrecht des Antragsgegners auf einer betrieblichen Direktversicherung beruht.

22(a) Die Gender-Richtlinie und die zu ihr ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs finden zwar auf die Systeme der betrieblichen Altersversorgung keine unmittelbare Anwendung. Denn die Richtlinie gilt nicht im Bereich „Beschäftigung und Beruf“ (Art. 3 Abs. 4 Satz 1 der Gender-Richtlinie), weil in diesem Bereich zahlreiche andere Rechtsinstrumente den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen verwirklichen (vgl. 15. Erwägungsgrund zur Gender-Richtlinie). Auch versicherungsförmige Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung, in denen der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer zugunsten seines Arbeitnehmers (als versicherte Person und Bezugsberechtigter) den Versicherungsvertrag mit einem externen Unternehmen der Lebensversicherung abschließt, fallen deshalb nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Gender-Richtlinie (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 214, 169 = FamRZ 2017, 863 Rn. 44 mwN).

23(b) Indessen unterliegt das dem Versorgungsversprechen des Arbeitgebers zugrundeliegende arbeitsrechtliche Grundverhältnis in den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherung dem Geltungsbereich der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. Nr. L 204 vom S. 23; im Folgenden: Entgeltgleichheits-Richtlinie). Diese enthält ein eigenes, für die betrieblichen Versorgungssysteme normiertes Verbot der geschlechtsbezogenen Diskriminierung, welches sich ausdrücklich auch auf die Berechnung der Beiträge und Leistungen bezieht (Art. 5 lit. b und c der Entgeltgleichheits-Richtlinie). Die insoweit bestehende Ausnahmevorschrift (Art. 9 Abs. 1 lit. h der Entgeltgleichheits-Richtlinie), wonach die Gewährung eines unterschiedlichen Leistungsniveaus zulässig ist, wenn „dies notwendig ist, um versicherungstechnischen Berechnungsfaktoren Rechnung zu tragen, die im Fall von Festbeitragssystemen je nach Geschlecht unterschiedlich sind“, orientiert sich inhaltlich an dem - vom Europäischen Gerichtshof mit Wirkung vom für ungültig erklärten - Art. 5 Abs. 2 der Gender-Richtlinie.

24Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte zumindest bei den versicherungsförmigen Durchführungswegen der betrieblichen Altersversorgung unmittelbar naheliegt, weil männlichen und weiblichen Arbeitnehmern als Gegenleistung für ihre Arbeitsleistung und die darauf gegründeten Beiträge an den externen Versorgungsträger eine möglicherweise geschlechtsspezifisch kalkulierte und damit nach ihrer Leistungshöhe zwischen Männern und Frauen differenzierende Versicherungsleistung zugesagt wird. Die tragenden Erwägungen der „Test-Achats“-Entscheidung lassen es darüber hinaus als zweifelhaft erscheinen, ob die (entsprechend Art. 5 Abs. 2 der Gender-Richtlinie) als unbefristete Ausnahmeregelung konzipierte Bestimmung des Art. 9 Abs. 1 lit. h der Entgeltgleichheits-Richtlinie im Einklang mit den primärrechtlichen Gewährleistungen des Unionsrechts steht, zumal sich die Entgeltgleichheits-Richtlinie (ebenso wie die Gender-Richtlinie) in ihren Erwägungsgründen als Rechtsrahmen auf Art. 21 und 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bezieht und insoweit der gleiche Prüfungsmaßstab gilt. Ob eine Versicherung innerhalb oder außerhalb des institutionellen Rahmens der betrieblichen Altersversorgung errichtet worden ist, liefert daher kein taugliches Differenzierungskriterium für die Frage nach der Zulässigkeit geschlechtsspezifischer Kalkulation von Prämien und Leistungen, und die Grundsätze der „Test-Achats“-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs werden deshalb - mindestens - in den versicherungsförmigen Durchführungswegen der betrieblichen Altersversorgung zu beachten sein (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 214, 169 = FamRZ 2017, 863 Rn. 45 f.).

25(2) Die hier verfahrensgegenständliche - im Jahr 1996 abgeschlossene - Direktversicherung wird aber in zeitlicher Hinsicht nicht von den Auswirkungen der „Test-Achats“-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs betroffen. Der Gerichtshof hat Art. 5 Abs. 2 der Gender-Richtlinie mit Wirkung vom für ungültig erklärt, so dass fortan nur noch Art. 5 Abs. 1 der Gender-Richtlinie gilt. Weil aber nach Art. 5 Abs. 1 der Gender-Richtlinie erst bei allen nach dem neu abgeschlossenen Versicherungsverträgen der Faktor „Geschlecht“ nicht zu unterschiedlichen Prämien und Leistungen führen darf, dürfen Prämien und Leistungen in Altverträgen, die bis zum geschlossen wurden, schon aus diesem Grunde geschlechtsspezifisch kalkuliert sein (vgl. Hey/Forst AGG 2. Aufl. § 33 Rn. 38; BeckOGK/Benecke [Stand: ] AGG § 33 Rn. 26; Armbrüster VW 2012, 752; Beyer/Britz VersR 2013, 1219; Purnhagen NJW 2013, 113, 114 f.; Mönnich VersR 2011, 1092, 1097). Aus dem unionsprimärrechtlich gewährleisteten Verbot der Geschlechterdiskriminierung (Art. 21 und 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) lässt sich insoweit nichts anderes herleiten, weil es dem europäischen Gesetzgeber grundsätzlich selbst überlassen ist, darüber zu bestimmen, wann und in welchem Umfang er zur Herstellung der Geschlechtergleichbehandlung tätig wird (vgl. - NJW 2011, 907 Rn. 20 - Association Belge des Consommateurs Test-Achats) und der Europäische Gerichtshof die zeitliche Geltung von Art. 5 Abs. 1 der Gender-Richtlinie nicht beanstandet hat. Es ist dabei evident, dass die mittelbaren Wirkungen der „Test-Achats“-Entscheidung auf versicherungsförmige Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung zu keinem früheren Zeitpunkt eintreten können als die unmittelbaren Wirkungen, die diese Entscheidung auf rein private Versicherungsverträge zu entfalten vermag (vgl. Ulbrich DB 2011, 2775, 2778).

26cc) Das Beschwerdegericht hat weiterhin zutreffend erkannt, dass auch für das im Wege der internen Teilung zu übertragende neue Anrecht der Antragstellerin keine Verpflichtung zu einer geschlechtsneutralen biometrischen Kalkulation besteht.

27(1) Nicht jede Vertragsänderung nach dem kann eine geschlechtsneutrale (Neu-)Kalkulation von Prämien und Leistungen eines bestehenden Versicherungsvertrages gebieten. Hiervon ist auch der deutsche Gesetzgeber ausgegangen, der in § 33 Abs. 5 Satz 1 AGG seine Vorstellung zum Ausdruck gebracht hat, dass der Wegfall des in Art. 5 Abs. 2 der Gender-Richtlinie enthaltenen besonderen Rechtfertigungsgrundes für die unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts bei den Prämien oder Leistungen von Versicherungsverträgen nur für die ab dem begründeten Versicherungsverhältnisse gelten soll (vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses vom zum Entwurf des SEPA-Begleitgesetzes, BT-Drucks. 17/11395 S. 20). Aus dem Umstand, dass in § 33 Abs. 5 AGG eine den jeweiligen Sätzen 2 in § 33 Abs. 2 bis 4 AGG entsprechende Regelung zu Vertragsänderungen - offenbar bewusst - nicht vorgesehen ist, lässt sich im Umkehrschluss entnehmen, dass bloße Änderungen eines Altvertrages nach dem nach den Intentionen des Gesetzgebers noch nicht zur Anwendung von Unisex-Regeln nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs führen sollen (vgl. Staudinger/Serr BGB [2020] § 33 AGG Rn. 21; BeckOGK/Benecke [Stand: ] AGG § 33 Rn. 28; Hoffmann VersR 2012, 1073, 1076 f.; Armbrüster/Schreier VersR 2015, 1053, 1060 f.).

28Für eine solche Auslegung könnte in der Sache sprechen, dass eine zwingende Anwendung von Unisex-Regeln bei jeder Vertragsänderung in vielen Fällen den Interessen der Parteien eines Altvertrages widersprechen würde. Denn es bestünde in diesem Falle die Gefahr, dass eine Vertragsanpassung an einen geänderten Versicherungsbedarf nur deshalb unterbleibt, weil der Versicherer einen entsprechenden Antrag nicht annimmt, um den damit verbundenen Unisex-Tarifwechsel zu verhindern oder sich der von der geschlechtsspezifischen Kalkulation im alten Tarif begünstigte Kunde im Hinblick auf höhere Prämien im Unisex-Tarif wirtschaftlich an der von ihm an sich gewünschten Vertragsänderung gehindert sieht (vgl. Hoffmann VersR 2012, 1073, 1076 f.).

29(2) Etwas anderes muss aber auf jeden Fall dann gelten, wenn die nach dem vorgenommenen Änderungen des Altvertrages so gewichtig sind, dass sie wirtschaftlich einem Neuabschluss des Vertrages gleichstehen (vgl. BeckOGK/Benecke [Stand: ] AGG § 33 Rn. 28; Armbrüster/Schreier VersR 2015, 1053, 1061; Beyer/Britz VersR 2013, 1219, 1223).

30(a) Nach einer beispielhaften und nicht abschließenden Aufzählung in den von der Europäischen Kommission herausgegebenen - grundsätzlich unverbindlichen - „Leitlinien zur Anwendung der Richtlinie 2004/113/EG des Rates auf das Versicherungswesen im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-236/09 (Test-Achats)“ vom (abgedruckt in BetrAV 2012, 78 ff.) soll eine dem Neuabschluss eines Vertrages gleichstehende Vertragsänderung insbesondere dann nicht vorliegen, wenn sich einzelne Punkte des Vertragsinhalts (z.B. die Prämienhöhe) anhand zuvor festgelegter Parameter verändern, ohne dass es einer Zustimmung des Versicherungsnehmers bedarf, wenn der Versicherungsnehmer durch einseitige Erklärung von der ihm bereits im Altvertrag eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht, Zusatz- oder Anschlussversicherungen abzuschließen oder wenn der Versicherer seinen Bestand auf einen anderen Versicherer überträgt, ohne dass sich der Status der im Bestand enthaltenen Verträge ändert (vgl. Ziff. 13 lit. b, lit. c und lit. d der Leitlinien der EU-Kommission).

31Gemessen daran kann bei der internen Teilung von Lebens- und Rentenversicherungen im Versorgungsausgleich jedenfalls in Bezug auf das zugunsten des Ausgleichsberechtigten übertragene Anrecht durchaus von einem gewichtigen Eingriff in den Status des bestehenden Vertrages ausgegangen werden. Zwar dürfte allein in dem Wechsel des Versicherungsnehmers - wie etwa bei der Übertragung einer betrieblichen Direktversicherung auf den neuen Arbeitgeber oder auf den ausgeschiedenen Arbeitnehmer im Rahmen der versicherungsvertraglichen Lösung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG - noch keine in diesem Sinne wesentliche Vertragsänderung zu erblicken sein (vgl. Raulf BetrAV 2012, 641, 649; Beyer/Britz VersR 2013, 1219, 1225). Bei der internen Teilung eines Versorgungsanrechts im Versorgungsausgleich ist der Sachverhalt aber schon deshalb anders zu beurteilen, weil es bei dem auf den Ausgleichsberechtigten übertragenen Anrecht zu einer Änderung des versicherten Risikos kommt.

32(b) Andererseits knüpft die Anwendung der Unisex-Regeln nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs allerdings schon im Ausgangspunkt stets an eine „vertragliche Vereinbarung“ und damit an eine übereinstimmende Willensbetätigung aller am Versicherungsvertrag beteiligten Parteien an (vgl. auch Ziff. 11 der Leitlinien der EU-Kommission). Dem liegt auch die Überlegung zugrunde, dass es den Vertragsparteien selbst in die Hand gelegt werden müsse, ob sie ihren bestehenden Vertrag durch eine wesentliche Vertragsänderung den Unisex-Regeln nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs unterwerfen oder ob sie hiervon Abstand nehmen und weiterhin Vertrauensschutz genießen wollen.

33Die Begründung eines neuen Anrechts im Wege interner Teilung nach den §§ 10 ff. VersAusglG beruht aber nicht auf einer Vereinbarung der Parteien, sondern auf einem richterlichen Gestaltungsakt und damit einem hoheitlichen Eingriff in das Versicherungsverhältnis, der sich ohne - und gegebenenfalls auch gegen - den Willen der Parteien des bestehenden Versicherungsvertrages vollzieht. Der rechtliche Rahmen des Versorgungsausgleichs gebietet bei der internen Teilung wegen des Gebots vergleichbarer Wertentwicklung (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG) für das neu begründete Anrecht gerade keine Veränderung der für das geteilte Anrecht geltenden biometrischen Rechnungsgrundlagen (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 359/19 - FamRZ 2021, 1955 Rn. 27) und damit auch keinen Wechsel von einer im Einzelfall noch zulässigen geschlechtsspezifischen auf eine geschlechtsneutrale biometrische Kalkulation der mit dem Ausgleichswert zu finanzierenden Rentenleistung (im Ergebnis ebenso OLG Nürnberg FamRZ 2019, 876, 879 f.; OLG Schleswig Beschluss vom - 15 UF 188/19 - juris Rn. 5; - juris Rn. 27; Erman/Norpoth/Sasse BGB 16. Aufl. § 11 VersAusglG Rn. 4; jurisPK-BGB/Breuers [Stand: ] § 11 VersAusglG Rn. 31; MünchKommBGB/Maaß 9. Aufl. § 11 VersAusglG Rn. 20).

34(3) Diesem rechtlichen Befund steht es nicht entgegen, dass der Senat im Jahr 2017 die Verwendung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren bei Versorgungsauskünften von Trägern der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes seit dem - auch unter Hinweis auf die Fernwirkungen der „Test-Achats“-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs - beanstandet hat (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 214, 169 = FamRZ 2017, 863 Rn. 26 ff.). Die Sachverhalte sind insoweit nicht vergleichbar. Wie bereits das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, sind die Anrechte der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes - anders als das hier betroffene Anrecht - von vornherein geschlechtsneutral kalkuliert, weil sowohl der Erwerb von Versorgungspunkten als der maßgeblichen Bezugsgröße des Versorgungssystems als auch die Höhe der sich daraus ergebenden Rente für Männer und Frauen gleich geregelt sind. Allein als Rechengröße für die Ermittlung des Ausgleichswerts wurden seinerzeit von den Versorgungsträgern geschlechterdifferenzierende Barwertfaktoren herangezogen; darum geht es hier aber nicht.

354. Die weitere Maßgabenanordnung des Beschwerdegerichts, dass das zu übertragende Anrecht in der Zeit zwischen dem Ende der Ehezeit und der Rechtskraft der Versorgungsausgleichsentscheidung mit dem sich aus den Rechnungsgrundlagen für das auszugleichende Anrecht ergebenden Rechnungszins verzinst werden muss, kann schon deshalb keinen Beanstandungen unterliegen, weil sie für die ausgleichsberechtigte Antragstellerin ausschließlich günstig ist. Dagegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.

III.

36Eine Vorlage der Sache an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV ist nicht geboten. Die Grundsätze für die sich im vorliegenden Fall stellenden Auslegungsfragen im Zusammenhang mit der Gender-Richtlinie und den Wirkungen der „Test-Achats“-Entscheidung des Gerichtshofs sind derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt („acte clair“, vgl. Senatsbeschluss BGHZ 233, 299 = FamRZ 2022, 1278 Rn. 29 mwN; vgl. zu den Voraussetzungen der Vorlagepflicht - EuZW 2018, 1038 Rn. 110 - Kommission/Frankreich mwN).

37Dies gilt sowohl für die Frage nach der Zulässigkeit geschlechtsspezifischer Kalkulation von Prämien und Leistungen (jedenfalls) für solche Verträge, die vor der zeitlichen Geltung von Art. 5 Abs. 1 der Gender-Richtlinie am geschlossen wurden, als auch für die Beurteilung, dass eine nach dem vollzogene Realteilung eines Anrechts aus einer Lebens- oder Rentenversicherung auf der Grundlage des nationalen Versorgungsausgleichsrechts keine Vertragsänderung darstellt, welche für das übertragene Anrecht eine Verpflichtung zur geschlechtsneutralen Kalkulation von Prämien und Leistungen auslösen kann. Insoweit sieht sich der Senat insbesondere im Einklang mit den am veröffentlichten Leitlinien der Europäischen Kommission.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:310523BXIIZB250.20.0

Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 3154 Nr. 43
NJW 2023 S. 3159 Nr. 43
WM 2023 S. 1498 Nr. 32
QAAAJ-45168