BGH Beschluss v. - 6 StR 261/23

Instanzenzug: Az: 1 Ks 20/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags und wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt sowie bei Anordnung eines Vorwegvollzugs seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Schuld- und Strafausspruch halten revisionsgerichtlicher Prüfung stand. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

3Den Tatbestand der Körperverletzung hat der Angeklagte unabhängig davon erfüllt, dass das Landgericht keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen hat, ob das Anspucken eines Polizeibeamten als körperliche Misshandlung zu werten ist (vgl. , NStZ 2016, 2). Denn der Angeklagte verletzte einen anderen Polizeibeamten durch Tritte.

4Auch der Strafausspruch bleibt unberührt. Soweit die Strafkammer die Verletzung von zwei Menschen strafschärfend berücksichtigt hat, schließt der Senat im Hinblick auf das konkrete Tatbild aus, dass sie eine niedrigere Strafe verhängt hätte, wenn sie von der Verletzung nur einer Person ausgegangen wäre.

52. Die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB begegnet durchgreifenden Bedenken.

6Es kann dahingestellt bleiben, ob die Strafkammer einen Hang im Sinne von § 64 StGB (vgl. , StV 2023, 237) sowie den erforderlichen symptomatischen Zusammenhang (vgl. , NStZ-RR 2023, 172) rechtsfehlerfrei festgestellt hat. Jedenfalls hält die Bejahung einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) rechtlicher Überprüfung nicht stand.

7Für deren Beurteilung bedarf es einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgeblichen Umstände. Dabei sind neben der Therapiebereitschaft auch etwaige prognoseungünstige Faktoren einzubeziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 506/20; vom – 5 StR 525/22).

8Diesen Anforderungen wird die Entscheidung des Landgerichts nicht gerecht. Es hat sich darauf beschränkt mitzuteilen, warum die Therapiebereitschaft des Angeklagten geweckt werden könne. Hingegen ist gänzlich unerörtert geblieben, ob seine festgestellte „cholerische Persönlichkeitsakzentuierung mit niedriger Impulskontrolle“, die dazu führt, dass er „in alltäglichen Konfliktsitationen völlig überreagiert und dadurch unberechenbar wird“ (UA S. 28), einem Therapieerfolg entgegensteht.

93. Die Sache bedarf daher – wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) – insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:290623B6STR261.23.0

Fundstelle(n):
MAAAJ-45100