BGH Beschluss v. - VII ZB 23/22

Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach vereinfachtem Vollstreckungsantragsverfahren

Leitsatz

Die Möglichkeit des vereinfachten Vollstreckungsantrags bei Vollstreckungsbescheiden gemäß § 829a ZPO ist für eine Gläubigerin, deren Parteibezeichnung sich nach Erlass des Vollstreckungsbescheids geändert hat, nicht eröffnet, weil sie dem zuständigen Vollstreckungsorgan die Parteiidentität mit der Titelgläubigerin zweifelsfrei nachweisen muss. Die die Parteiidentität belegenden Urkunden müssen dem Vollstreckungsantrag beigefügt werden und schließen als vorlegungspflichtige andere Urkunden im Sinne des § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Anwendung des vereinfachten Vollstreckungsantragsverfahrens gemäß § 829a ZPO aus.

Gesetze: § 699 Abs 1 S 1 ZPO, § 750 Abs 1 S 1 ZPO, § 794 Abs 1 Nr 4 ZPO, § 795 S 1 ZPO, § 829a Abs 1 S 1 Nr 2 ZPO

Instanzenzug: LG Bochum Az: I-7 T 101/22vorgehend AG Herne Az: 24 M 863/21nachgehend Az: VII ZB 23/22 Beschluss

Gründe

I.

1Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts M.     vom über eine Hauptforderung in Höhe von 34,60 € nebst Zinsen und Kosten. Der Vollstreckungsbescheid, der als Antragstellerin die F.   GbR ausweist, wurde der Schuldnerin am zugestellt.

2Dem Vollstreckungsbescheid ist als Anhang folgender Vermerk beigefügt:

3"Klarstellender Vermerk

Die Bezeichnung der Antragstellerin lautet aufgrund identitätswahrender Umwandlung nunmehr:

F.  OHG

Amtsgericht M.

Gemeinsames Mahngericht der Länder

R.            und S.

M.   , den "

4Der Vermerk ist mit Unterschrift und Siegel des Amtsgerichts M.    versehen.

5Die Gläubigerin hat im Frühjahr 2021 mit vereinfachtem Vollstreckungsantrag nach § 829a ZPO beim Amtsgericht H.   - Vollstreckungsgericht - den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beantragt, mit dem Arbeitseinkommen und Kontoguthaben der Schuldnerin gepfändet werden sollte. Als Gläubigerin ist im Antrag die "F.   OHG (vormals F.  GbR)" bezeichnet.

6Das Amtsgericht hat den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss antragsgemäß am erlassen.

7Auf die Erinnerung der Schuldnerin hat das Amtsgericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben und die Wirksamkeit der Entscheidung bis zur Rechtskraft hinausgeschoben.

8Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat Erfolg gehabt. Das Beschwerdegericht hat den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Erinnerung der Schuldnerin zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Schuldnerin die Aufhebung des Beschlusses des Beschwerdegerichts und die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.

II.

9Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

101. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom wieder in Kraft zu setzen sei, weil sämtliche Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorlägen. Zwischen der Antragstellerin des Vollstreckungsbescheids und der F.   OHG als Vollstreckungsgläubigerin bestehe Parteiidentität, da eine identitätswahrende Umwandlung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in eine offene Handelsgesellschaft stattgefunden habe. Dies stehe aufgrund des dem Vollstreckungsbescheid beigefügten klarstellenden Vermerks vom fest. Eine weitere Prüfung der durch eine solche Beischreibung bereits bestätigten Parteiidentität finde im Erinnerungsverfahren nicht statt. Gegen das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung seien keine Bedenken ersichtlich.

112. Dies hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Voraussetzungen für den Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses liegen nicht vor, er war deshalb auf die Erinnerung der Schuldnerin aufzuheben.

12a) Es mangelt an einem formwirksamen Vollstreckungsantrag, denn die Gläubigerin hat dem Antrag an das zuständige Amtsgericht - Vollstreckungsgericht (§§ 828, 764 ZPO) - keine Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids beigefügt. Die Vorlage des Vollstreckungstitels war nicht nach § 829a Abs. 1 ZPO entbehrlich, weil die Voraussetzungen zur Nutzung des vereinfachten Vollstreckungsantragsverfahrens bei Vollstreckungsbescheiden nach § 829a Abs. 1 ZPO nicht vorlagen.

13Nach § 829a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist im Falle eines elektronischen Antrags zur Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid, der einer Vollstreckungsklausel nicht bedarf, bei Pfändung und Überweisung einer Geldforderung (§§ 829, 835 ZPO) die Übermittlung der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 ZPO entbehrlich. Danach setzt der vereinfachte Vollstreckungsantrag bei Vollstreckungsbescheiden unter anderem voraus, dass die Vorlage anderer Urkunden als der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids nicht vorgeschrieben ist, § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO.

14Hieran fehlt es, denn die Gläubigerin musste dem Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Urkunden beifügen, die ihre Parteiidentität mit der Titelgläubigerin belegen. Ist aber eine weitergehende gerichtliche Prüfung anhand von Urkunden veranlasst, scheidet die Anwendung des vereinfachten Vollstreckungsantragsverfahrens nach § 829a ZPO aus (vgl. Rn. 22, MDR 2022, 121).

15aa) Gemäß § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 4, § 699 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 795 Satz 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Vollstreckungsbescheid namentlich bezeichnet sind. Das Vollstreckungsorgan hat eine formale Prüfung vorzunehmen, ob Gläubiger und Schuldner als Parteien des Zwangsvollstreckungsverfahrens mit den Personen identisch sind, für und gegen die der durch den Titel vollstreckbar gestellte Anspruch durchzusetzen ist (vgl. Rn. 10, NJW 2010, 2137). Fehlt es an der Identität des die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubigers und des Titelgläubigers oder lässt sich diese nicht zweifelsfrei feststellen, darf die Vollstreckung nicht durchgeführt werden (MünchKommZPO/Heßler, 6. Aufl., § 750 Rn. 4; HK-ZV/Giers/Haas, 4. Aufl., § 750 Rn. 12).

16Besteht hingegen Parteiidentität, steht eine bloße Änderung des Namens oder der Firma des Gläubigers etwa aufgrund von Heirat, Umfirmierung etc. der Vollstreckung nicht entgegen. Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass eine kraft Gesetzes eingetretene Umwandlung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) in eine offene Handelsgesellschaft (§§ 105 ff. HGB), auf die sich die Gläubigerin beruft, eine solche parteiidentitätswahrende Umwandlung darstellt.

17bb) Die Parteiidentität muss dem für die beantragte Zwangsvollstreckung zuständigen Vollstreckungsorgan gegenüber nachgewiesen werden (Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., § 3 Rn. 2). Will eine mit der im Vollstreckungstitel bezeichneten Gläubigerin hinsichtlich der Rechtsform nicht namensgleiche offene Handelsgesellschaft die Zwangsvollstreckung aus dem Titel betreiben und macht sie geltend, es liege eine Änderung der Rechtsform und eine Änderung der Firma vor, hat sie die Personenidentität dem zuständigen Vollstreckungsorgan zweifelsfrei nachzuweisen (vgl. Rn. 9, NJW 2017, 2917; Beschluss vom - I ZB 93/10 Rn. 6, NJW-RR 2011, 1335).

18Die Parteiidentität kann der Gläubiger durch Vorlage entsprechender Urkunden nachweisen; in Betracht kommt auch eine Beischreibung (vgl. Rn. 9, NJW 2017, 2917; Walker/Roderburg in Schuschke/Walker/Kessen/Thole, ZPO, 7. Aufl., § 750 Rn. 15). Bei der Beischreibung handelt es sich um einen die Identität der betroffenen Partei klarstellenden Vermerk des Gerichts, welches den Titel erlassen hat, dass der Titelgläubiger nunmehr einen neuen Namen führt oder sich seine Rechtsform geändert hat (vgl. Rn. 10, NJW-RR 2021, 226; Beschluss vom - I ZB 93/10 Rn. 13, NJW-RR 2011, 1335; MünchKommZPO/Wolfsteiner, 6. Aufl., § 726 Rn. 75). Die Beischreibung der geänderten Parteibezeichnung, auch klarstellender Zusatz genannt (HK-ZPO/Kindl, 9. Aufl., § 727 Rn. 9; HK-ZV/Giers/Haas, 4. Aufl., § 727 Rn. 40 ff.; Musielak/Voit/Lackmann, 20. Aufl., § 750 Rn. 5, § 727 Rn. 1a), wird dem Titel beigefügt.

19Die die Parteiidentität belegenden Urkunden beziehungsweise die Beischreibung müssen dem Vollstreckungsantrag beigefügt werden und schließen deshalb als vorlegungspflichtige andere Urkunden im Sinne des § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Anwendung des vereinfachten Vollstreckungsantragsverfahrens des § 829a ZPO aus.

20b) Der Verfahrensfehler, wonach es an einem formwirksamen Antrag fehlt, ist nicht geheilt. Zwar hat die Gläubigerin, die nach Aktenlage entgegen § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZPO dem Antrag zudem keine Abschrift des Vollstreckungsbescheids nebst Zustellbescheinigung als elektronisches Dokument beigefügt hatte, im Erinnerungsverfahren eine Kopie des Vollstreckungsbescheids vorgelegt. Die Vorlage einer einfachen Kopie ist nicht ausreichend, es bedarf der Vorlage der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids im Original (vgl. Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, 17. Aufl., B.39; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 20. Aufl., vor § 704 Rn. 24; Schuschke/Plücker in Schuschke/Walker/Kessen/Thole, ZPO, 7. Aufl., § 829a Rn. 2).

213. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:100523BVIIZB23.22.0

Fundstelle(n):
BB 2023 S. 2049 Nr. 37
NJW 2023 S. 10 Nr. 29
NJW-RR 2023 S. 975 Nr. 14
WM 2023 S. 1275 Nr. 26
MAAAJ-42573