BGH Beschluss v. - 1 StR 376/22

Einziehung des Tatertrags im Zusammenhang mit Steuerhinterziehungsdelikten

Gesetze: § 73 Abs 1 Alt 1 StGB, § 73c Abs 1 StGB

Instanzenzug: LG Arnsberg Az: 6 KLs 4/21

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 47 Fällen und versuchter Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt und die Einziehung „von Wertersatz“ in Höhe von 150.000 € angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, führt lediglich zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung. Im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

32. Die auf „§ 73 Abs. 1 Alt. 1 StGB“ gestützte Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 150.000 € hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

4a) Nach den Feststellungen des Landgerichts kaufte der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer für die P.           GmbH (nachfolgend: P.    ) zum großen Teil Paletten ohne Rechnung „schwarz“ ein. Zur Abdeckung dieser Käufe ließ er sich von Scheinfirmen gegen Zahlung einer Provision Scheinrechnungen über Ankauf und Lieferung von Paletten ausstellen. Weder wurden diese Rechnungen bezahlt noch wurden Paletten geliefert. Die Scheinrechnungen wurden sodann in der Buchführung der P.   als „bar bezahlt“ verbucht. Tatsächlich hatte der Angeklagte die Rechnungsbeträge von den Konten der P.    abgehoben und daraus den Hintermännern der Scheinfirmen die vereinbarte Provision bezahlt, weiter „schwarz“ Paletten eingekauft und jedenfalls 300.000 € für private Zwecke verwendet. Der Steuerberater der P.    machte auftragsgemäß in den für die P.   abgegebenen Steuererklärungen den Vorsteuerabzug auch aus den Scheinrechnungen geltend.

5b) Das Landgericht hat hinsichtlich von 150.000 €, die der Angeklagte seinem Privatvermögen zugeführt hatte (hinsichtlich weiterer 150.000 € hat das Landgericht ein Erlöschen gemäß § 73e Abs. 1 StGB angenommen), die Einziehung auf § 73 Abs. 1 Alt. 1 StGB („durch die Tat“) gestützt, weil in dieser Höhe der aus der Tat folgende Vermögenszufluss an die Gesellschaft sogleich an den Angeklagten als Täter weitergeleitet worden sei. Zwar sei keine Weiterleitung der erzielten Steuervorteile feststellbar; aber der Angeklagte habe bereits unmittelbar Teile des Bargeldes entnommen, das erst später durch die niedrigere Steuerlast der P.   verdient worden sei. Damit habe sich der durch die Nichtzahlung der Steuern erlangte Vermögensvorteil nicht nur im Gesellschaftsvermögen, sondern auch im privaten Vermögen des Angeklagten tatsächlich niedergeschlagen.

63. Die Anordnung der Einziehung hat keinen Bestand.

7a) Eine Einziehung nach § 73 Abs. 1 Alt. 1, § 73c Satz 1 StGB ist ausgeschlossen, weil nach dieser Vorschrift der Tatertrag abgeschöpft werden soll, den der Tatbeteiligte „durch eine rechtswidrige Tat“ erlangt hat. Erlangt ist er, wenn er ihm in irgendeiner Phase des Tatablaufs aus der Verwirklichung des Tatbestands so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann (st. Rspr.; z.B. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 525/19, BGHR StGB § 73 Erlangtes 32 Rn. 3 und vom – 2 StR 437/20 Rn. 23; jeweils mwN). Dies setzt notwendigerweise als zeitlich vorgelagerten Schritt die Begehung der Tat voraus. Zwar unterliegen der Einziehung auch geldwerte Vorteile wie etwa ersparte Aufwendungen für Steuern (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 199/19 Rn. 7 und vom – 1 StR 323/22 Rn. 8; jeweils mwN). Der Angeklagte aber hat das Geld dem Konto der P.    zu einem Zeitpunkt entnommen und seinem privaten Vermögen zugeführt, zu welchem sich der geldwerte Vorteil bei der P.   in Gestalt der durch Nichtentrichtung der geschuldeten Steuern ersparten Aufwendungen noch nicht realisiert hatte. Die Scheinrechnungen waren, wenn überhaupt, in einem ersten Schritt erst in die Buchhaltung aufgenommen worden. Die Übergabe der Unterlagen an den Steuerberater zur Vorbereitung der abzugebenden Steuererklärung lag noch in weiter Ferne. Eine Einkommensteuerhinterziehung durch Verschweigen von bezogenen verdeckten Gewinnausschüttungen ist nicht Gegenstand der Verurteilung.

8b) Eine andere Rechtsgrundlage, auf die die Einziehung gestützt werden könnte, gibt es nicht.

9aa) Auf § 73 Abs. 1 Alt. 2, § 73c Satz 1 StGB kann die Einziehung nicht gestützt werden. Vorteile sind „für“ die Tat erlangt, wenn sie einem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, jedoch nicht auf der Tatbestandsverwirklichung beruhen (st. Rspr.; z.B. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 474/21 Rn. 3 und vom – 2 StR 561/18 Rn. 8; jeweils mwN). Der Angeklagte aber hat das Bargeld eigenmächtig von dem Konto der P.    einbehalten; es wurde ihm nicht von anderen Personen für seine Tatbeteiligung zugewendet (vgl. Rn. 8).

10bb) § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Abs. 2, § 73c Satz 1 StGB kann eine Einziehung gegen den Angeklagten ebenfalls nicht begründen, weil sich diese Vorschrift ausdrücklich nur gegen Personen richtet, die nicht „Täter oder Teilnehmer“ sind, aber infolge der Anknüpfungstat – hier die Steuerhinterziehung durch die P.    – selbst etwas erlangt haben. Der Angeklagte ist Täter der Steuerhinterziehungen. Er hat auch nichts erlangt; denn entrichtet eine juristische Person die geschuldete Steuer nicht, fließt ihr und nicht ihrem Organ dieser Vermögensvorteil zu, sodass die Einziehungsanordnung grundsätzlich gegen die Gesellschaft zu richten ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 529/19, BGHR StGB § 73 Erlangtes 33 Rn. 15 f. und vom – 1 StR 323/22 Rn. 8; jeweils mwN).

11Im Übrigen hat sich die Steuerersparnis in Form der ersparten Aufwendungen bei der P.    mit ihrer Inanspruchnahme durch die P.    zugleich „verbraucht“ und kann daher „gegenständlich“ nicht weitergereicht werden (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 323/22 Rn. 8 und vom – 1 StR 187/22 Rn. 5; jeweils mwN).

12c) Die Einziehungsanordnung ist daher aufzuheben; sie entfällt entsprechend § 354 Abs. 1 StPO.

134. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO, § 465 Abs. 2 StPO analog (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 423/20 Rn. 6 ff. und vom – 1 StR 311/20 Rn. 9 ff.).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:080223B1STR376.22.0

Fundstelle(n):
AO-StB 2023 S. 173 Nr. 6
AO-StB 2023 S. 174 Nr. 6
PStR 2024 S. 28 Nr. 2
PStR 2024 S. 29 Nr. 2
wistra 2023 S. 3 Nr. 7
wistra 2023 S. 470 Nr. 11
VAAAJ-38167