BGH Beschluss v. - 5 StR 28/23

Auslegung des Hauptverhandlungsprotokolls

Gesetze: § 249 Abs 2 StPO, § 261 StPO

Instanzenzug: Az: 529 Ks 4/21

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Die Rüge, unter Verstoß gegen § 261 StPO seien im „Selbstleseverfahren II“ eingeführte Urkunden im Urteil verwertet worden, ohne dass dieses Selbstleseverfahren ordnungsgemäß abgeschlossen und der Urkundeninhalt damit zum Inbegriff der Hauptverhandlung geworden sei, ist unbegründet.
1. Folgender Verfahrensgang liegt zugrunde:
a) Der Vorsitzende des Schwurgerichts ordnete in der Hauptverhandlung vom an, dass drei näher bezeichnete Urkunden unter dem Begriff „Selbstleseverfahren I“ im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Zugleich kündigte er an, dass dieses Selbstleseverfahren bis zum abgeschlossen werden soll. Nach Zurückweisung eines Verteidigerwiderspruchs wurde am der Abschluss des bis dahin durchgeführten Selbstleseverfahrens gemäß § 249 Abs. 2 StPO ordnungsgemäß festgestellt. Im Protokoll heißt es dazu: „Der Vorsitzende stellte fest, dass alle Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunden und Schriftstücke des Selbstleseverfahrens Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu in der angeordneten Weise Gelegenheit hatten. Der Vorsitzende gab bekannt, dass von der Verlesung der Urkunden und Schriftstücke aus den Gründen der Anordnung des Selbstleseverfahrens abgesehen werde.“
b) Am nächsten Hauptverhandlungstag, dem , gab der Vorsitzende den Verfahrensbeteiligten eine „Liste der für das zweite Selbstleseverfahren vorgesehenen Urkunden“ zur Kenntnis- und Stellungnahme. Zwei Verhandlungstage später, am , ordnete der Vorsitzende die Durchführung des Selbstleseverfahrens für die in der Auflistung „Selbstleseverfahren II“ bezeichneten neun Urkunden an. In der folgenden Hauptverhandlung vom kündigte er an, „dass am der Abschluss des Selbstleseverfahrens II festgestellt werden soll.“ Im Protokoll der Hauptverhandlung vom heißt es sodann: „Der Vorsitzende stellte fest, dass alle Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunden und Schriftstücke des Selbstleseverfahrens I Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu in der angeordneten Weise Gelegenheit hatten. Der Vorsitzende ordnete an, dass von der Verlesung der Urkunden und Schriftstücke aus den Gründen der Anordnung des Selbstleseverfahrens I vom abgesehen werde.“
c) Am wurde schließlich in Bezug auf weitere Urkunden das „Selbstleseverfahren III“ angeordnet, das in der Hauptverhandlung vom wie folgt abgeschlossen wurde: „Der Vorsitzende stellte fest, dass alle Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunden und Schriftstücke des Selbstleseverfahrens III Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu in der angeordneten Weise Gelegenheit hatten. Der Vorsitzende ordnete an, dass von der Verlesung der Urkunden und Schriftstücke aus den Gründen der Anordnung des Selbstleseverfahrens III vom abgesehen werde.“
2. Schon die Auslegung des Protokolls (vgl. hierzu etwa , NStZ-RR 2013, 255, 256 mwN) ergibt, dass die Feststellung der Kenntnisnahme vom Wortlaut der Urkunden und der Gelegenheit dazu in der Hauptverhandlung am die Urkunden des „Selbstleseverfahrens II“ betraf. Hierbei kommt es nicht alleine auf den Wortlaut, sondern vor allem auf den erkennbar gemeinten Sinn der Formulierung an (BGH, aaO). Der systematische Zusammenhang der Protokollierung der verschiedenen Selbstleseverfahren zeigt für alle Verfahrensbeteiligten eindeutig, dass sich die Feststellung am auf die Urkunden des „Selbstleseverfahrens II“ und nicht auf diejenigen des „Selbstleseverfahrens I“ bezog. Denn das „Selbstleseverfahren I“ war bereits mehrere Hauptverhandlungstage zuvor vollständig abgeschlossen und der Abschluss des zuvor angeordneten „Selbstleseverfahrens II“ genau für den angekündigt gewesen, während das nächste Selbstleseverfahren noch nicht Verfahrensgegenstand war.
3. Auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob die nach Eingang der Revisionsbegründung vorgenommene Protokollberichtigung wirksam ist (vgl. zu den Voraussetzungen , BGHSt 51, 298), kommt es deshalb nicht an.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:140323B5STR28.23.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-38028