BFH Beschluss v. - VIII B 9/22

Zu den Darlegungsanforderungen bei Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit der 1 %-Regelung bei Gewinnermittlern nach § 4 Abs. 3 EStG

Leitsatz

NV: Hat der BFH in einer früheren Entscheidung begründet, warum er eine Norm nicht für verfassungswidrig hält, muss in der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt werden, warum eine erneute Klärung der Frage geboten ist. Dies gilt auch im Hinblick auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG und das diese bejahende (BFHE 261, 492, BStBl II 2018, 712).

Gesetze: EStG § 4 Abs. 1, Abs. 3; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 1 und 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; FGO § 116 Abs. 3 Sätze 1 und 3;

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde ist unzulässig. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist keine Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ordnungsgemäß dargelegt.

2 1. Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO hat der Beschwerdeführer im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde die Voraussetzungen der von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe aus dem Katalog des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO darzulegen. Es sind für die Prüfung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur solche Zulassungsgründe beachtlich, die innerhalb der Begründungsfrist hinreichend dargelegt werden. Nach Ablauf der Begründungsfrist können keine weiteren Zulassungsgründe nachgeschoben werden. Maßgeblich ist vielmehr —abgesehen von schlichten Erläuterungen bzw. die Zulässigkeitsfrage unberührt lassenden Ergänzungen des fristgemäßen Vorbringens— der Inhalt der innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Beschwerdeschrift (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom  - X B 153/14, BFH/NV 2016, 928, Rz 17; vom  - VIII B 65/21, BFH/NV 2022, 1281, Rz 3). Im Streitfall fehlt es danach an der fristgemäßen ordnungsgemäßen Darlegung eines Zulassungsgrunds.

3 a) Mit dem Vorbringen des —innerhalb der bis zum laufenden Beschwerdebegründungfrist eingegangenen— Schriftsatzes vom werden die Darlegungsanforderungen nicht erfüllt.

4 aa) Die Kläger erläutern in diesem Schriftsatz, dass sie die rechtliche Würdigung des Finanzgerichts (FG) im Rahmen der Prüfung, ob die pauschalierende Ermittlung von Entnahmen nach der 1 %-Regelung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren 2018 und 2019 geltenden Fassung (EStG) bei Gewinnermittlern nach § 4 Abs. 3 EStG gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt, wegen des vom FG gewählten Vergleichspaars für methodisch und inhaltlich unzutreffend halten. Zur Erläuterung ihrer Auffassung, dass ein Gleichheitsverstoß vorliegt, verweisen sie zudem auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

5 bb) Der Senat geht zugunsten der Kläger davon aus, dass sie die Frage, ob die pauschalierende Bemessung der Nutzungsentnahme für Privatfahrten nach der sog. 1 %-Regelung bei Gewinnermittlern nach § 4 Abs. 3 EStG gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG gegen den Gleichheitssatz verstößt, wenn kein Fahrtenbuch geführt wird, für grundsätzlich bedeutsam i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO erachten, auch wenn dieser Zulassungsgrund von den Klägern nicht ausdrücklich erwähnt wird. Die Kläger erläutern jedoch in diesem Schriftsatz nicht, dass die Voraussetzungen für eine Zulassung nach diesem Zulassungsgrund erfüllt sein könnten.

6 Wirft ein Beschwerdeführer —wie die Kläger im Streitfall— mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfassungsrechtliche Fragen als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, so erfordert die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung eine substantiierte, an den Vorgaben des GG und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Beschlüsse vom  - VIII B 42/19, BFH/NV 2020, 234, Rz 5; vom  - VIII B 166/19, BFH/NV 2020, 1255, Rz 10). Hat der BFH in einer früheren Entscheidung begründet, warum er eine Norm nicht für verfassungswidrig hält, muss in der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt werden, warum eine erneute Klärung der Frage geboten ist (, BFH/NV 2019, 935, Rz 4).

7 Diesen Anforderungen werden die Ausführungen im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom nicht gerecht. Es fehlt darin jegliche Auseinandersetzung mit der bisherigen Rechtsprechung des BFH zu der aufgeworfenen Rechtsfrage. Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage ist zudem insbesondere im (BFHE 261, 492, BStBl II 2018, 712) bereits dahingehend beurteilt worden, dass weder die pauschalierende Bemessungsgrundlage der Entnahme nach der 1 %-Regelung noch der Aufwand, den die Führung eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs verlangt, um zu einer niedrigeren Bewertung zu gelangen, Gesichtspunkte sind, die zur Gleichheitswidrigkeit der Regelungen in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG führen. Insoweit genügt auch der Verweis auf das erstinstanzliche Vorbringen der Kläger (insbesondere im Schriftsatz vom an das FG) nicht, um die Voraussetzungen des Zulassungsgrunds nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO darzulegen. Die Kläger machen im Schriftsatz vom zwar deutlich, dass sie das BFH-Urteil in BFHE 261, 492, BStBl II 2018, 712 für grob fehlerhaft halten. Sie zeigen aber keine neuen Argumente auf, die eine erneute Befassung des BFH mit dieser Frage als erforderlich erscheinen lassen. Der von den Klägern in den Vordergrund gestellte Aspekt, die Bewertung eines Nutzungsvorteils für privat veranlasste Fahrten nach der 1 %-Regelung sowohl beim Arbeitnehmer als auch bei der Entnahmebewertung der privaten Nutzung eines dem Betriebsvermögen zugeordneten PKW aufgrund der unterschiedlichen Kostentragung seien nicht miteinander vergleichbar, ist jedenfalls kein neuer Gesichtspunkt. In Rz 29 des BFH-Urteils in BFHE 261, 492, BStBl II 2018, 712 hat der X. Senat ausgeführt, dass § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG insoweit zwar eine Sonderrolle im System der Besteuerung privater Nutzungsentnahmen zukomme, indem die Nutzungsentnahme nicht nach dem anteiligen Aufwand der Nutzung, sondern wie bei Arbeitnehmern am Maßstab eines Nutzungsvorteils bemessen wird. Er hat die Atypik der Regelung mithin erkannt und diese stark pauschalierende Bewertung der Nutzungsentnahme als verfassungsrechtlich zulässig angesehen. Die Kläger machen nicht deutlich, welches neue Argument dafür sprechen könnte, die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen in § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG erneut zu überprüfen.

8 b) Im Schriftsatz vom sprechen die Kläger den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung zwar ausdrücklich an. Zur Begründung nehmen sie darin zudem auf die Gesetzesbegründung Bezug und setzen sich insbesondere mit den BFH-Urteilen vom  - III R 59/98 (BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273), vom  - VI R 49/11 (BFH/NV 2013, 1399) und VI R 31/10 (BFHE 241, 167, BStBl II 2013, 700) auseinander. Zudem verdeutlichen sie, dass nach ihrer Auffassung der (Der Betrieb 1992, 278) noch keine Entscheidung der Frage beinhalte, ob das Führen eines Fahrtenbuchs zumutbar sei, um die Bewertung der Nutzungsentnahme nach der 1 %-Regelung zu vermeiden. Ferner heben sie darauf ab, dass die aufgeworfene Rechtsfrage für die Allgemeinheit von Bedeutung sei.

9 In diesen Ausführungen zu den Voraussetzungen des Zulassungsgrunds in § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist aber keine zulässige Vertiefung eines vorherigen fristgemäß eingegangenen Vortrags, sondern eine erstmalige Stellungnahme zu den Voraussetzungen des Zulassungsgrunds zu sehen, die erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingegangen ist. Die mangels fristgemäßer Darlegung des Zulassungsgrunds innerhalb der Begründungsfrist unzulässige Beschwerde kann hierdurch nicht in die Zulässigkeit hineinwachsen. Ob die Revision nach dem Vortrag in diesem Schriftsatz wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen sein könnte, hat der Senat inhaltlich nicht geprüft und bedarf keiner weiteren Ausführungen.

10 c) Schließlich erwähnen die Kläger im Schriftsatz vom erstmals die Zulassungsgründe der Rechtsfortbildung, Divergenz und des schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und sehen einen Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO darin, dass das FG ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt habe. Diese nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist erstmals erwähnten Zulassungsgründe können aus den bereits dargelegten Gründen ebenfalls nicht berücksichtigt werden.

11 2. Der Senat sieht von einer Darstellung des Tatbestands und einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO).

12 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2023:B.070323.VIIIB9.22.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2023 S. 548 Nr. 5
DStR 2023 S. 6 Nr. 12
StuB-Bilanzreport Nr. 10/2023 S. 440
StuB-Bilanzreport Nr. 10/2023 S. 440
QAAAJ-36219