BGH Beschluss v. - 3 StR 450/22

Pflichtverteidigerwechsel im Revisionsverfahren wegen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses

Gesetze: § 143a Abs 2 S 1 Nr 3 Alt 1 StPO, § 143a Abs 3 StPO

Instanzenzug: LG Mönchengladbach Az: 27 Ks 8/21

Gründe

I.

1Bezüglich der Angeklagten ist beim Senat ein Revisionsverfahren wegen Anstiftung zum besonders schweren Raub in Tateinheit mit Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung anhängig.

2Nach Durchführung der Hauptverhandlung und Urteilsverkündung am hat der Strafkammervorsitzende des Landgerichts Mönchengladbach mit Beschluss vom auf Antrag der Angeklagten den zunächst beigeordneten Rechtsanwalt B.    entpflichtet und stattdessen Rechtsanwalt G.   zum Pflichtverteidiger bestellt. Rechtsanwalt G.   hat die Revision am mit der allgemeinen Sachrüge begründet.

3Mit Schreiben vom beantragte die Angeklagte die Beiordnung von Rechtsanwalt M.   mit der Begründung, sie vertraue ihrem bisherigen Pflichtverteidiger Rechtsanwalt G.   nicht mehr. Sie habe seit der Urteilsverkündung vor dem Landgericht Mönchengladbach keinen Kontakt zu diesem gehabt und er habe auf Kontaktversuche nicht reagiert. Zudem kenne sie die Revisionsbegründung nicht, der bisherige Pflichtverteidiger habe diese nicht mit ihr besprochen.

4Der Senat hat den bisherigen Pflichtverteidiger unter dem um Stellungnahme zu diesem Schreiben gebeten. Nachdem Rechtsanwalt G.   innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme abgegeben hat, ist dieser am telefonisch kontaktiert worden. In dem Telefonat kündigte Rechtsanwalt G.   für den nächsten Tag ein Schreiben an, welches bis zum heutigen Tag nicht eingegangen ist.

II.

5Der Antrag ist begründet, da die Voraussetzungen für die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung gemäß § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO gegeben sind.

61. Allerdings greift die Regelung des § 143a Abs. 3 StPO, die eine vereinfachte Möglichkeit für den Pflichtverteidigerwechsel im Revisionsverfahren enthält, nicht ein. Bezüglich des hier zu entscheidenden Antrags vom ist die Wochenfrist des § 143a Abs. 3 StPO bereits abgelaufen.

72. Vorliegend ist jedoch von einer endgültigen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zum bisherigen Pflichtverteidiger (§ 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alternative 1 StPO) auszugehen.

8Nach § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO ist die Bestellung des Pflichtverteidigers aufzuheben und ein neuer Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Angeklagtem endgültig zerstört oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Angeklagten gewährleistet ist. Eine Störung des Vertrauensverhältnisses ist aus Sicht eines verständigen Angeklagten zu beurteilen und von diesem oder seinem Verteidiger substantiiert darzulegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - StB 2 u. 3/22, juris Rn. 12; vom - StB 4/20, BGHR StPO § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Aufhebung 2 Rn. 7 mwN). Insoweit kann von Bedeutung sein, wenn ein Pflichtverteidiger zu seinem inhaftierten Mandanten über einen längeren Zeitraum überhaupt nicht in Verbindung tritt (vgl. für die Verteidigung im Ermittlungsverfahren etwa III-1 Ws 290/10, NStZ-RR 2011, 48; OLG Braunschweig, Beschluss vom - Ws 268/12, StV 2012, 719; HansOLG Hamburg, Beschluss vom - 2 Ws 195/72, MDR 1972, 799).

9Vor dem Hintergrund, dass die Angeklagte nach ihren Angaben, denen Rechtsanwalt G.   (bislang) nicht entgegengetreten ist, seit der Urteilsverkündung keinerlei Kontakt zu ihrem bisherigen Verteidiger hatte, dieser auf Kontaktversuche nicht reagiert und sie keine Kenntnis von der Revisionsbegründung hat, ist eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses gegeben. Für die von der Angeklagten angeführte Unerreichbarkeit spricht hier auch, dass der bisherige Pflichtverteidiger auf die Bitten des Senats um Stellungnahme zu dem Schreiben der Angeklagten vom nicht reagiert hat.

103. Rechtsanwalt M.   aus Mö.           hat sein Einverständnis mit der Übernahme der Pflichtverteidigung erklärt.

Der Vorsitzende des 3. Strafsenats

Schäfer

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:230223B3STR450.22.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-34938