BGH Urteil v. - VI ZR 376/20

Anspruch eines Fahrzeugskäufers auf Deliktszinsen im Dieselabgasskandalfall

Leitsatz

Zur Haftung eines Automobilherstellers nach § 826 BGB gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs in einem sogenannten Dieselfall (hier: Deliktszinsen, Annahmeverzug).

Gesetze: § 295 BGB, § 826 BGB, § 849 BGB

Instanzenzug: OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 14 U 271/19vorgehend LG Aurich Az: 5 O 1459/18

Tatbestand

1Die Klägerin erwarb am von einem Dritten einen Pkw der Marke Audi, Typ Q5, 2.0 TDI Quattro mit einem Kilometerstand von 11.150 km zum Preis von 39.500 €. Die Beklagte ist Herstellerin des in diesem Fahrzeug verbauten Dieselmotors des Typs EA189. Dessen Steuerungssoftware bewirkte, dass eine Prüfungssituation, in der der Abgasausstoß gemessen wird, erkannt und die Abgasaufbereitung für deren Dauer optimiert wurde (Fahrmodus 1). Im normalen Betrieb außerhalb des Prüfstands (Fahrmodus 0) war die genannte Abgasaufbereitung abgeschaltet. Das Kraftfahrt-Bundesamt beanstandete die Programmierung als unzulässige Abschalteinrichtung und verpflichtete den Herstellerkonzern, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge herzustellen. Das daraufhin entwickelte Software-Update ließ die Klägerin aufspielen.

2Im Wesentlichen mit der (auch Rechts-) Behauptung, von der Beklagten vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden zu sein, hat die Klägerin die Beklagte in der ersten Instanz

• auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 39.500 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Zug-um-Zug gegen Übergabe und Rückübereignung des Fahrzeugs,

• auf Zahlung von (Delikts-) Zinsen in ausgerechneter Höhe von 12.168,16 € sowie weiter in Höhe von vier Prozent aus einem Betrag von 39.500 € seit dem bis zur Rechtshängigkeit sowie von (Prozess-) Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten aus 39.500 € über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

• auf Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet,

• sowie auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten

in Anspruch genommen.

3Das Landgericht hat die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 10.966,73 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem Zug-um-Zug gegen Übergabe und Rückübereignung des Fahrzeugs verurteilt und die von der Klägerin begehrte Feststellung des Annahmeverzugs getroffen.

4Auf die Berufung der Klägerin, mit der diese die Verurteilung der Beklagten

• zur Zahlung von weiteren 28.533,27 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und

• zur Zahlung von (Delikts-) Zinsen in Höhe von 11.233,15 € sowie weiteren vier Prozent aus 39.500 € seit dem bis zur Rechtshängigkeit sowie (Prozess-) Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit

begehrt hat, hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil dahingehend abgeändert, dass es die Beklagte zur Zahlung von 14.043,77 € nebst (Prozess-) Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie zur Zahlung von (Delikts-) Zinsen in Höhe von vier Prozent auf 11.119,06 € für die Zeit vom bis zum verurteilt hat. Die weitergehende Berufung der Klägerin sowie die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von Zinsen für die Zeit vom bis zum sowie gegen die Feststellung des Annahmeverzugs. Die Klägerin hat ihre zunächst eingelegte Revision wieder zurückgenommen.

Gründe

I.

5Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - zur Begründung seiner Entscheidung, die unter BeckRS 2020, 6030 veröffentlicht ist, im Wesentlichen ausgeführt, der von der Klägerin gezahlte Kaufpreis sei gemäß § 849 BGB vom Zeitpunkt der Zahlung an mit vier Prozent zu verzinsen, wobei insoweit maßgeblich aber nicht der gesamte Kaufpreis sei, sondern jeweils nur der Entschädigungsbetrag, der sich im jeweiligen Berechnungszeitpunkt unter Berücksichtigung der jeweils zurückgelegten Kilometer ergeben würde; diesen schätze der (Berufungs-) Senat im Mittelwert auf 11.119,06 €.

6Zutreffend habe das Landgericht zudem festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug befinde. Das wörtliche Angebot der Klägerin liege in ihrem Klageantrag. Zwar habe sie mit dem in der Berufungsinstanz hilfsweise gestellten Antrag eine zu hohe Gegenleistung verlangt, weil sie die abzuziehende Nutzungsentschädigung unter Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung von 500.000 km berechnet habe. Dies sei vorliegend aber unschädlich, weil sich die Beklagte mit ihrer Berufung auch gegen die Pflicht zur Rücknahme des Fahrzeugs gegen Zahlung eines Betrags von 10.966,73 € wende, dem die Berechnung einer Nutzungsentschädigung anhand einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km zu Grunde liege. Es würde - so das Berufungsgericht - "zumindest hier" eine reine "Frömmelei" darstellen, von der Klägerin zur Begründung des Annahmeverzugs die exakte Berechnung der von der Beklagten geschuldeten Gegenleistung zu verlangen, zumal sie auf einer Schätzung des Gerichts beruhe.

II.

7Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin weder ein Anspruch auf Zahlung von (Delikts-) Zinsen für die Zeit vom bis zum zu noch befindet sich die Beklagte im Annahmeverzug.

81. Nach ständiger, freilich erst nach Erlass des Berufungsurteils ergangener höchstrichterlicher Rechtsprechung können Deliktszinsen nach § 849 BGB nicht verlangt werden, wenn der Geschädigte - wie hier - für die Hingabe seines Geldes im Wege des Leistungsaustauschs eine in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbare Gegenleistung erhält; in diesem Fall kompensiert die tatsächliche Nutzbarkeit der Gegenleistung die Nutzungsmöglichkeit des Geldes (, BGHZ 226, 322 Rn. 17 ff.; - VI ZR 397/19, NJW 2020, 2806 Rn. 20 ff.; vom - VI ZR 13/20, VersR 2021, 849 Rn. 12; vom - VI ZR 1146/20, VersR 2021, 1510 Rn. 11; vom - VI ZR 731/20, NJW 2022, 472 Rn. 7; vom - VI ZR 455/20, NJW 2022, 1093 Rn. 9; - VI ZR 212/20, VersR 2022, 393 Rn. 11; vom - VI ZR 1034/20, zVb).

92. Für den vom Berufungsgericht angenommenen Annahmeverzug fehlt es an dem nach § 295 BGB erforderlichen wörtlichen Angebot. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung schließt die Forderung jedenfalls eines nicht nur unerheblich höheren als des geschuldeten Betrags ein ordnungsgemäßes Angebot der Zug-um-Zug zu erbringenden Leistung aus, wobei der für diese Beurteilung maßgebliche Zeitpunkt der Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz ist (vgl. nur , zVb; vom - VI ZR 130/20, VersR 2021, 1178 Rn. 16 mwN). Zu diesem Zeitpunkt forderte die Klägerin in der unzutreffenden (vgl. nur Senatsurteil vom - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 64 ff.) Annahme, sich Nutzungsvorteile nicht auf ihren Schadensersatzanspruch anrechnen lassen zu müssen, noch die Erstattung des gesamten Kaufpreises in Höhe von 39.500 €, wohingegen die tatsächlich berechtigte Forderung, wie zwischen den Parteien inzwischen rechtskräftig feststeht, bei nur 14.043,77 € lag. Dass sich die Klägerin im Rahmen ihres "Hilfsantrags", mit dem sie immer noch insgesamt 25.869,66 € verlangt hat, "hilfsweise" Vorteile hat anrechnen lassen, ist dabei ohne Belang; zum einen übersteigt die Forderung der Klägerin auch hier den von der Beklagten tatsächlich geschuldeten Betrag immer noch deutlich, zum anderen ist sie in erster Linie bei ihrer ursprünglichen Forderung geblieben, hat der Beklagten also gerade nicht angeboten, ihr das Fahrzeug gegen Zahlung des reduzierten Schadensersatzbetrags zu übergeben und zu übereignen.

10Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ändert daran auch der Umstand nichts, dass sich die Beklagte mit ihrer eigenen Berufung gegen ihre erstinstanzliche Verurteilung zur Zahlung von 10.966,73 € Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gewandt hat. Selbst wenn darin, was offenbleiben kann, die Erklärung der Beklagten liegen sollte, die Leistung der Klägerin nicht anzunehmen, führte dies - wie sich § 295 Satz 1 Alt. 1 BGB entnehmen lässt - nicht zur Entbehrlichkeit eines tauglichen wörtlichen Angebots, sondern allein dazu, dass die Klägerin als "Schuldnerin" von Besitz und Eigentum am Pkw eines tatsächlichen Angebots enthoben wäre (vgl. , NJW 1997, 581, juris Rn. 10).

III.

11Da die Aufhebung des Urteils im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hatte der Senat in der Sache selbst zu entscheiden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:291122UVIZR376.20.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-30391