BGH Urteil v. - VIa ZR 189/22

Instanzenzug: Az: 3 U 398/20vorgehend Az: 4 O 385/20

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit der Abgasrückführung in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2Der Kläger erwarb gemäß Bestellbestätigung vom bei einem Händler einen VW Sharan 2.0 TDI als Fahrzeug mit Tageszulassung zum Preis von 35.000,01 €. Das am erstmals auf den Händler zugelassene Fahrzeug war zuvor nach den Wünschen des Klägers konfiguriert worden. Die Beklagte ist die Herstellerin des Fahrzeugs und des darin verbauten Dieselmotors der Baureihe EA 189. Dieser verfügte über eine Motorsteuerungssoftware, die die Durchführung einer Emissionsmessung auf dem Prüfstand erkannte und in diesem Fall einen geringeren Stickoxidausstoß als im Normalbetrieb bewirkte.

3Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 27.016,38 € nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs und von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu verurteilen und den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers, mit der er seinen Zahlungsantrag in etwas geringerem Umfang und ansonsten sämtliche Klageanträge weiterverfolgt hat, hat das Berufungsgericht die Beklagte unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels zur Zahlung von insgesamt 20.495,49 € nebst Prozesszinsen "Zug um Zug gegen Übertragung eines Anteils von 85% am Eigentum und Übertragung von Mitbesitz" an dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

4Die unbeschränkt zugelassene ( VIa ZR 275/21, WM 2022, 745 Rn. 7) und auch im Übrigen zulässige Revision ist teilweise begründet.

I.

5Das Berufungsgericht hat zur Rechtfertigung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt, die Beklagte habe gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten, der der Höhe nach durch den verjährten Schadensersatzanspruch nach §§ 826, 31 BGB begrenzt sei. Die Beklagte habe den Bruttokaufpreis abzüglich einer Händlermarge von 15%, somit 5.250 €, erlangt. Abzüglich einer Nutzungsentschädigung übersteige der Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB den verjährten Schadensersatzanspruch in Höhe von 24.112,35 € (Bruttokaufpreis abzüglich einer anzurechnenden Nutzungsentschädigung in Höhe von 10.887,66 €) nicht, so dass der Kläger Zahlung von 20.495,49 € nebst Zinsen verlangen könne. Der Kläger müsse sich auf den ihm zustehenden Restschadensersatz - anders als auf den verjährten Schadensersatzanspruch - lediglich einen Anteil von 85% der Nutzungsvorteile, somit 9.254,31 €, anrechnen lassen. Der Anspruch bestehe Zug um Zug gegen Übertragung eines Miteigentumsanteils von 85% und von Mitbesitz an dem Fahrzeug. Innerhalb des § 852 Satz 1 BGB sei jeder Gegenstand, der dem Vorteilsausgleich unterfalle, gesondert entsprechend dem Anteil des vom Schädiger Erlangten am Gesamtschaden des Geschädigten herauszugeben bzw. mit dem Erlangten zu saldieren. Die Antragsbindung des Berufungsgerichts stehe der Entscheidung, dass die Beklagte Zahlung nur Zug um Zug gegen Übertragung von - gegebenenfalls nach § 753 Abs. 1 BGB auseinanderzusetzendem - Miteigentum und Mitbesitz an dem Fahrzeug zu leisten habe, nicht entgegen. Soweit der Kläger beantragt habe, die Beklagte Zug um Zug gegen die vollständige Übereignung und Herausgabe zu verurteilen, gelte dies ersichtlich nur für den Fall einer vollständigen Verurteilung der Beklagten entsprechend dem Zahlungsantrag des Klägers in der Hauptsache.

II.

6Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

71. Das Berufungsurteil unterliegt, soweit das Berufungsgericht den Zug-um-Zug-Vorbehalt auf einen Miteigentumsanteil von 85% an dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug und auf die Einräumung von Mitbesitz reduziert hat, schon deshalb der Aufhebung, weil das Berufungsgericht, was der Senat von Amts wegen zu beachten hat (, juris Rn. 23), damit - anders als von ihm angenommen - gegen seine Antragsbindung nach § 308 Abs. 1, § 528 Satz 2 ZPO verstoßen hat.

8a) Stellt der Kläger einen Leistungsantrag unter Zug-um-Zug-Vorbehalt, ist das Gericht nach § 308 Abs. 1 ZPO an einer unbedingten Verurteilung gehindert (vgl. , NJW 1996, 2504, 2507). In der Zug-um-Zug-Verurteilung liegt gegenüber der unbeschränkten Verurteilung ein Weniger (, juris mwN). Gleiches gilt, wenn der Kläger einen Antrag auf Verurteilung Zug um Zug gegen eine eigene Leistung statt eines Antrags auf unbedingte Verurteilung stellt. Umgekehrt liegt in der Reduktion dessen, was der Kläger nach § 756 ZPO bei der Vollstreckung aus einer Verurteilung Zug um Zug anzubieten bereit ist, ein Mehr gegenüber dem nicht reduzierten Gegenangebot unabhängig davon, auf welcher materiell-rechtlichen Grundlage das Gegenangebot unterbreitet wird. Das hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, indem es nicht die Anwendung der § 308 Abs. 1, § 528 Satz 2 ZPO dem Grunde nach geleugnet, sondern den Berufungsantrag des Klägers daraufhin untersucht hat, ob ihm für den Fall einer reduzierten Verurteilung ein reduziertes Gegenangebot zu entnehmen sei.

9b) Die Auslegung des Berufungsantrags durch das Berufungsgericht ist allerdings mit Rechtsfehlern behaftet. Einen im Sinne der Verurteilung eingeschränkten Zug-um-Zug-Vorbehalt hat der Kläger auf den Hinweis des Berufungsgerichts in der mündlichen Verhandlung, es könne "möglicherweise ein Anspruch des Klägers aus § 852 BGB gegeben sein", nicht formuliert. Ein solcher eingeschränkter Zug-um-Zug-Vorbehalt ist in dem vom Kläger gestellten Berufungsantrag auch nicht konkludent enthalten. Das Revisionsgericht kann den Klageantrag als Prozesserklärung selbst auslegen. Zur Auslegung des Klageantrags ist der Klagevortrag heranzuziehen (, juris Rn. 40 mwN). Dass der Kläger beantragt hätte, im Falle einer Verurteilung der Beklagten in geringerem Umfang als beantragt die Begründung einer Gemeinschaft nach Bruchteilen im Sinne der §§ 741 ff. BGB mit den gemäß § 745 Abs. 1, § 744 Abs. 2, § 748 BGB in die Zukunft gerichteten, potentiell vermögenswirksam nachteiligen Folgen anstelle der die Rechtsbeziehungen der Parteien sofort vollständig beendenden Übereignung und Herausgabe des gesamten Fahrzeugs in Kauf zu nehmen, ergibt weder sein schriftsätzlicher Vortrag noch das Protokoll der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz. Die Ausführungen in seinem Schriftsatz vom , dort S. 15, dazu, § 852 BGB unterliege nicht einer Zug um Zug zu gewährenden Vorteilsausgleichung, beschränken sich auf Rechtsausführungen, enthalten aber keinen klageerweiternden Hilfsantrag (vgl. VIa ZR 652/21, zVb). Im Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ist ausdrücklich vermerkt, die Parteien hätten auf den Hinweis des Berufungsgerichts zur möglichen Anwendung des § 852 BGB Ausführungen nicht gemacht.

10c) Der Verstoß gegen § 308 Abs. 1, § 528 Satz 2 ZPO ist auch nicht dadurch geheilt worden, dass der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt und sich damit die Entscheidung des Berufungsgerichts zu eigen gemacht hätte.

112. Darüber hinaus sind auch die materiell-rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts nicht frei von Rechtsfehlern.

12a) Rechtsfehlerfrei und von der Beklagten nicht beanstandet hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass der Kläger gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB einen Anspruch auf Erstattung des von ihm für das Fahrzeug geleisteten Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung hat, der bei Klageerhebung verjährt war, und ihm nach Verjährung des Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB ein Anspruch auf Gewährung von Restschadensersatz nach §§ 826, 852 Satz 1 BGB zustehen kann ( VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 52 ff.; Urteil vom - VII ZR 422/21, WM 2022, 1743 Rn. 35). Auch zur Anwendung der §§ 826, 852 Satz 1 BGB ist das Berufungsgericht dem Grunde nach zutreffend gelangt (vgl. VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16; Urteil vom - VIa ZR 275/21, WM 2022, 745 Rn. 28).

13b) Durchgreifenden Bedenken begegnen indessen die rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe der von dem nach §§ 826, 852 Satz 1 BGB Erlangten abzuziehenden Nutzungsvorteile, die das Berufungsgericht im Rahmen der Vergleichsberechnung für sich rechtsfehlerfrei auf 10.887,66 € geschätzt hat. Die Revision wendet sich ungeachtet der nur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfbarkeit der tatrichterlichen Schätzung nach § 287 ZPO bei der Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ( VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 85) mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht von der von ihm festgestellten Höhe des Erlangten nach §§ 826, 852 Satz 1 BGB im Rahmen der Vorteilsausgleichung lediglich 85% und nicht 100% der Nutzungsvorteile abgezogen und diese Erwägungen auf die Einräumung von Eigentum und Besitz an dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug übertragen hat. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass der Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB nicht nur wie der verjährte Schadensersatzanspruch "im Grundsatz", sondern in gleichem Umfang wie der verjährte Anspruch der Vorteilsausgleichung unterliegt. Daher sind sämtliche Vorteile in voller Höhe auf den Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB anzurechnen.

III.

14Das Berufungsurteil unterliegt mithin in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang der Aufhebung (§ 562 ZPO), da es sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO).

15Insoweit kann der Senat in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und danach die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Es verbleibt nach Verrechnung der vom Berufungsgericht auf 10.887,66 € geschätzten Nutzungsvorteile auf den Händlereinkaufspreis ein Restschaden des Klägers in Höhe von 18.862,35 €, der nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend der nicht angegriffenen Berechnung des Berufungsgerichts zu verzinsen ist und den die Beklagte nur gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs zu ersetzen verpflichtet ist. Der weitergehende Angriff der Revision ist unbegründet, so dass sie im Übrigen zurückzuweisen ist. Soweit das Berufungsgericht außerdem in geringem Umfang ausgerechnete Zinsen gewährt hat, macht die Revision einen die Beklagte beschwerenden Rechtsfehler nicht geltend.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:311022UVIAZR189.22.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-27751