BGH Beschluss v. - 2 StR 61/22

Strafzumessung: Strafschärfende Berücksichtigung tilgungsreifer Vorstrafen

Gesetze: § 51 Abs 1 BZRG, § 46 Abs 1 StGB, § 337 Abs 1 StPO

Instanzenzug: Az: 2 StR 61/22 Beschlussvorgehend Az: 2 StR 61/22 Beschlussvorgehend LG Erfurt Az: 8 KLs 850 Js 17384/19nachgehend Az: 2 StR 61/22 Beschlussnachgehend Az: 2 StR 61/22 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung „sämtlicher sichergestellter Betäubungsmittel“ angeordnet. Dagegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Die Überprüfung des Schuldspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

32. Hingegen hält der Strafausspruch revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil das Landgericht dem Angeklagten unter Verstoß gegen § 51 Abs. 1 BZRG seine Vorstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Ingolstadt vom bei der Zumessung der Einzelstrafen angelastet hat, obwohl diese im Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils am bereits tilgungsreif war.

4a) Die Tilgungsfrist für die nach § 4 Nr. 1 BZRG zentralregisterpflichtige Vorahndung zu einer Jugendstrafe von sieben Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung betrug nach § 46 Abs. 1 Nr. 1c BZRG fünf Jahre. Die nach § 47 Abs. 1 i.V.m. § 36 Satz 1 BZRG mit dem Tag des ersten Urteils am beginnende Tilgungsfrist (vgl. ) ist am abgelaufen. Andere Verurteilungen, die einer Tilgung nach § 47 Abs. 3 Satz 1 BZRG entgegenstehen könnten, sind nach den Feststellungen im Register nicht eingetragen.

5b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dieser Rechtsfehler auf die Sachrüge zu berücksichtigen (vgl. , BGHSt 24, 378 Rn. 9; Senat, Urteil vom – 2 StR 451/72, BGHSt 25, 100 Rn. 3; BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 36/06, juris Rn. 4; vom – 3 StR 382/15, juris Rn. 2; vom – 4 StR 301/19, juris Rn. 10; vom – 1 StR 329/21, juris Rn. 7; a.A. , juris Rn. 4; Mosbacher, StraFo 2021, 312, 318 f.; El- Ghazi JR 2021, 412, 413 ff.). Bei § 51 Abs. 1 BZRG handelt es sich um ein Vorhalte- und Verwertungsverbot. Die getilgte oder tilgungsreife Vorstrafe darf nicht zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt werden. Dieser Strafschärfungsgrund ist materiell-rechtlich nicht rechtsfehlerfrei dargelegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom − 4 StR 301/19, juris Rn. 9; vom – 1 StR 329/21, juris Rn. 7). Insoweit bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung.

63. Die auf § 33 Satz 2 BtMG, § 74 Abs. 2 StGB gestützte Einziehungsanordnung bedarf der Korrektur.

7a) Eine Einziehungsanordnung hat die einzuziehenden Gegenstände so genau zu bezeichnen, dass bei allen Beteiligten und der Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht; im Falle von Betäubungsmitteln gehört dazu die Angabe von Art und Menge des einzuziehenden Rauschgifts, die sich aus dem Urteilstenor ergeben müssen (st. Rspr.; vgl. etwa , juris Rn. 2 mwN).

8b) Diesen Anforderungen genügt die Einziehung „sämtliche(r) sichergestellten Betäubungsmittel“ nicht. Da die erforderlichen Angaben in den Urteilsgründen enthalten sind − bei dem Angeklagten wurde im Rahmen seiner Festnahme 2,32 Gramm Kokain-Tetramisolmischung sichergestellt − kann der Senat die Einziehungsentscheidung abändern (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 StR 114/19, juris Rn. 3 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:270922B2STR61.22.1

Fundstelle(n):
TAAAJ-27052