BGH Beschluss v. - VII ZR 243/19

Bauprozess: Notwendige Darlegungen zur Höhe eines Anspruchs auf Gesamtschuldnerausgleich zwischen Architekt und Bauunternehmer

Gesetze: § 280 BGB, § 421 BGB, § 426 BGB, § 633 BGB, § 634 Nr 4 BGB, Art 103 Abs 1 GG

Instanzenzug: Az: 9 U 2699/18 Bauvorgehend LG München I Az: 11 O 19330/17

Gründe

I.

1Die Klägerin, eine Bauunternehmerin, nimmt die beklagte Architektin auf Gesamtschuldnerausgleich für eine von ihr geleistete Mangelbeseitigung in Anspruch.

2Die Streithelferin der Beklagten, die G.        GmbH (im Folgenden: Streithelferin), beauftragte die Beklagte mit der Erbringung von Architektenleistungen der Leistungsphasen 5 bis 8 gemäß § 34 der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen in der Fassung vom (im Folgenden: HOAI). Die Beklagte erstellte die Ausführungsplanung unter anderem für die Dächer über den Balkonen des Objekts sowie das Leistungsverzeichnis. Die Klägerin erstellte auf dieser Grundlage das Angebot vom und meldete zugleich Bedenken hinsichtlich der Planung an. Sie wurde sodann von der Streithelferin gemäß ihrem Angebot beauftragt. Im Mai 2014 ließ die Klägerin einen planerischen Sondervorschlag erstellen. Die Beklagte prüfte den Sondervorschlag und gab ihn frei.

3Die Balkondächer, die aufgrund der Sonderplanung entstanden, waren mangelhaft. Es zeigten sich Undichtigkeiten der Balkonüberdachung und Wassereintritte. Der von der Streithelferin beauftragte Privatgutachter Z.    stellte fest, dass die Dacheindeckung nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprach. In der Folgezeit erstellte die Klägerin ein Nachbesserungsmuster für die Sanierung, welches die Streithelferin zunächst ablehnte. Eine neue Musterfläche wurde schließlich nach Stellungnahme des Privatgutachters Z.    von der Streithelferin akzeptiert, wobei es sich um eine Sonderlösung handelte. Die Klägerin sanierte gemäß der akzeptierten Sonderlösung. Sie verlangt nunmehr von der Beklagten Zahlung von 211.191,55 € (70 % der Gesamtsanierungskosten) sowie Feststellung der Ersatzpflicht bezüglich der über einen Betrag von 301.702,22 € hinausgehenden Kosten.

4Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Die Klägerin wendet sich mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht. Sie möchte nach Zulassung der Revision ihre Anträge in vollem Umfang weiterverfolgen.

II.

5Die Nichtzulassungsbeschwerde führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

61. Das Berufungsgericht hat gemeint, die Berufung der Klägerin sei unbegründet, weil sie zur Höhe des Anspruchs auf Gesamtschuldnerausgleich nicht schlüssig vorgetragen habe. Ihr Vortrag sei insoweit nicht hinreichend substantiiert.

7a) Allerdings hafteten die Klägerin und die Beklagte gegenüber der Streithelferin als Gesamtschuldner im Sinne des § 421 BGB für die Mangelbeseitigung. Architekt und ausführender Bauunternehmer seien Gesamtschuldner, wenn sie wegen eines Mangels gewährleistungspflichtig seien, der seine Ursache zumindest teilweise in dem jeweiligen Gewerk habe und wirtschaftlich sinnvoll nur auf eine einzige Weise beseitigt werden könne. Hier hätten beide Parteien die Entstehung des Mangels zu vertreten. Die Klägerin sei für den Mangel aufgrund ihrer fehlerhaften Sonderplanung und der sich daran anschließenden fehlerhaften Ausführung verantwortlich. Die Beklagte sei für die Entstehung des Mangels verantwortlich, weil sie die erkennbar mangelhafte Sonderplanung, die sie im Rahmen der beauftragten Objektüberwachung habe überprüfen müssen, freigegeben und in die Gesamtplanung eingefügt habe.

8Ein Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich sei auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Haftung der Klägerin von vornherein um den Mitverursachungsbeitrag der Beklagten zu kürzen gewesen wäre. Die Streithelferin müsse sich den Verursachungsbeitrag der Beklagten nicht gemäß § 254 Abs. 2, § 278 BGB anrechnen lassen, weil dieser nicht in einem Planungsfehler der Beklagten liege, sondern die fehlerhafte Überprüfung der Sonderplanung und der Bauausführung der Klägerin betreffe. Die Streithelferin schulde der Klägerin indes keine fehlerfreie Überprüfung deren eigener Planungsleistung oder eine Bauüberwachung. Die Beklagte sei daher im Rahmen der Objektüberwachung nicht als Erfüllungsgehilfin der Streithelferin anzusehen.

9b) Die Klägerin habe jedoch zur Höhe der Mangelbeseitigungskosten nicht schlüssig vorgetragen.

10Zur Schlüssigkeit des Vortrags sei darzulegen, welche Maßnahmen vorgenommen worden seien, um welche konkreten Mängel zu beseitigen. Dies müsse so detailliert erfolgen, dass überprüft werden könne, ob die abgerechnete Tätigkeit erforderlich gewesen sei. Die Beklagte rüge die nicht nachvollziehbare Höhe der geltend gemachten Kosten. Erstinstanzlich habe die Klägerin vorgetragen, es sei die Sanierungsplanung und die Erstellung eines Musters erforderlich gewesen, wobei der erste Versuch abgelehnt worden sei und ein weiteres Muster habe erstellt werden müssen. Für die Ausführung seien Gerüste, Montagegeländer und eine Baustelleneinrichtung erforderlich gewesen. Sodann werde die Ausführung der Umbaumaßnahmen beschrieben. Dabei unterbleibe jedoch die Darstellung, welche Arbeiten im Einzelnen ausgeführt worden seien, welche durch Drittunternehmer und welche durch die Klägerin. Hinsichtlich der Eigenarbeiten sei die Darstellung unterblieben, wie viele Mitarbeiter in welcher Zeit Arbeiten erledigt hätten. Rechnungen seien nicht vorgelegt worden. Die Anlage K 24/8 enthalte lediglich eine nicht näher erläuterte Aufstellung der Kosten ohne Beleg. Da die Klägerin die zur Mangelbeseitigung entstandenen Kosten nicht im Einzelnen dargestellt habe, sei ein qualifiziertes Bestreiten der Beklagten nicht erforderlich gewesen.

11Erstmals mit Schriftsatz vom habe die Klägerin die von ihr und von Drittunternehmern durchgeführten Arbeiten aufgelistet, wertmäßig beziffert und Rechnungen (Anlagen K 24/9-12) vorgelegt. Nach wie vor sei jedoch nicht nachvollziehbar, welche Arbeiten zur Beseitigung welchen Mangels vorgenommen worden seien, vor allem welche Arbeiten genau zur Beseitigung des beiderseits veranlassten Planungsmangels erforderlich gewesen seien. Die Eigenkosten seien nach wie vor nicht nachvollziehbar. Die Klägerin lege die eigentliche Mangelbeseitigung und die hierfür erforderlichen Arbeitsschritte nebst entstandenen Fremd- und Eigenkosten nicht dar. Auch seien diese in den Anlagen nicht nachvollziehbar aufgegliedert. Die dargestellten Kosten ließen sich nicht mit den Arbeiten in Verbindung bringen, auch seien die Kosten nicht belegt. Die Darlegung der Mangelbeseitigungskosten genüge daher nicht den Anforderungen an ihre Substantiierung.

12Soweit die Kosten mit Schriftsatz vom - immer noch unzureichend - konkretisiert worden seien, sei die nun erfolgte Auflistung zudem wegen Verspätung gemäß §§ 530, 296 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Bereits das Landgericht habe hinreichend verständlich auf die mangelhafte Darlegung des Schadens hingewiesen. Im Falle der Zulassung neuen Sachvortrags hätte erneut in die mündliche Verhandlung eingetreten werden müssen, was den Rechtsstreit verzögert hätte.

13Insbesondere werde aus der Darstellung der angefallenen Kosten auch nicht deutlich, welche ab dem Zeitpunkt der gemeinsamen Lösungsfindung entstanden seien. Zunächst habe die Klägerin einen Sanierungsvorschlag erstellt, welcher nicht akzeptiert worden sei. Inwieweit eine Haftung der Beklagten für diese Kosten bestehe beziehungsweise ob diese in der Kostenaufstellung enthalten seien, sei nicht dargelegt. Ferner sei unklar, inwieweit die Kosten in der Aufstellung nicht der Mangelbeseitigung, sondern der Fertigstellung des Werks zuzuordnen seien. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, sich die Kosten aus den vorgelegten Anlagen herauszusuchen.

14Das Berufungsgericht habe darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die Hinweise des Landgerichts kein erneuter Hinweis und damit auch keine Schriftsatzfrist hierzu veranlasst sei. Die bis zum eingeräumte Frist zur Stellungnahme im Rahmen des schriftlichen Verfahrens habe nur Rechtsausführungen betroffen.

152. Mit dieser Begründung verletzt das Berufungsgericht - wie die Klägerin zu Recht rügt - in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.

16a) Revisionsrechtlich ist zugunsten der Klägerin zu unterstellen, dass - wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist - die Klägerin nach Durchführung der Mangelbeseitigung dem Grunde nach einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich gegen die Beklagte hat.

17b) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe zur Höhe des Anspruchs auf Gesamtschuldnerausgleich insgesamt nicht schlüssig vorgetragen, beruht auf einer offenkundigen Überspannung der Substantiierungsanforderungen. Das Berufungsgericht hat damit entscheidungserhebliches Vorbringen und Beweisantritte der Klägerin, die insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Vernehmung des sachverständigen Zeugen Z.    beantragt hat, entgegen Art. 103 Abs. 1 GG unberücksichtigt gelassen.

18aa) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (st. Rspr.; vgl. z.B. Rn. 13, BauR 2021, 593 = NZBau 2021, 178; Beschluss vom - VII ZR 217/15 Rn. 9, BauR 2018, 669; Beschluss vom - VII ZR 23/14 Rn. 10, ZfBR 2017, 146; Beschluss vom - VII ZR 78/13 Rn. 7, BauR 2015, 1528). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt dann vor, wenn das Gericht die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (st. Rspr.; vgl. z.B. Rn. 13, BauR 2021, 593 = NZBau 2021, 178; Beschluss vom - VII ZR 166/19 Rn. 14, BauR 2020, 1035 = NZBau 2020, 293; Beschluss vom - VII ZR 217/15 Rn. 9, BauR 2018, 669; Beschluss vom - VII ZR 160/12 Rn. 12, NZBau 2014, 221).

19Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Sachvortrag bereits dann schlüssig, wenn der Anspruchsteller Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in seiner Person entstanden erscheinen zu lassen (vgl. z.B. Rn. 14, BauR 2021, 593 = NZBau 2021, 178; Beschluss vom - VII ZR 314/13 Rn. 22, BauR 2017, 206; Beschluss vom - VII ZR 160/12 Rn. 12, NZBau 2014, 221). Erfüllt der Parteivortrag diese Anforderungen, so kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht verlangt werden, sondern es ist in die Beweisaufnahme einzutreten.

20bb) Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht die Substantiierungsanforderungen an den Vortrag zur Höhe des Anspruchs auf Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB und § 426 Abs. 2 in Verbindung mit § 634 Nr. 4, § 280 BGB offenkundig überspannt und rechtsfehlerhaft die angebotenen Beweise nicht erhoben.

21Haften Architekt und Bauunternehmer für einen Mangel dem Besteller als Gesamtschuldner und hat der Bauunternehmer diesen Mangel im Wege der Nacherfüllung beseitigt, hat er gegen den Architekten einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich. Sind dem Bauunternehmer im Rahmen der Mangelbeseitigung Kosten durch von ihm beauftragte Drittunternehmer entstanden, kann er diese Kosten, soweit sie objektiv erforderlich waren, anteilig geltend machen. Hinsichtlich der von ihm selbst durchgeführten, erforderlichen Arbeiten kann er einen Wertausgleich verlangen (vgl. , BGHZ 43, 227, juris Rn. 20).

22Der Vortrag der Klägerin zur Höhe des Ausgleichsanspruchs hätte danach bereits auf der Grundlage der erstinstanzlichen Darlegungen nicht insgesamt als unschlüssig zurückgewiesen werden dürfen. In jedem Fall war das Berufungsgericht aber gehalten, auf der Grundlage des substantiierten Vortrags im Schriftsatz vom nebst der Anlagen K 24/9-13 in die Beweisaufnahme einzutreten.

23(1) Die Klägerin hat bereits erstinstanzlich sowohl den von der Streithelferin gerügten Mangel der Balkone als auch die erfolgten Mangelbeseitigungsarbeiten dargelegt. Sie hat unter Vorlage verschiedener Stellungnahmen des Privatgutachters Z.    vorgetragen, dass die Balkone mangelhaft gewesen seien, weil es zu Feuchtigkeitseintritten durch die Balkonüberdachung gekommen sei. Die Schwachstelle der Ausführung habe in der "Oberkante der Rinne" bestanden, aus der Wasser habe übertreten und in das Dach laufen können; auch habe die Rückstausicherung gefehlt. Die Klägerin hat weiter dargelegt, dass die Beseitigung dieses Mangels letztlich auf der Grundlage einer unter ihrer Beteiligung erfolgten und von der Streithelferin nach Überprüfung durch den Privatgutachter Z.    vom akzeptierten Sanierungsplanung und eines erstellten Musters (Musterfläche 2) vorgenommen worden sei. Die Stellungnahme des Privatgutachters vom war ebenfalls beigefügt. Die danach durchgeführten Arbeiten hat die Klägerin bereits erstinstanzlich mit Schriftsatz vom näher beschrieben und erkennbar behauptet, diese seien insgesamt zur Beseitigung des beiderseits verursachten Mangels erforderlich gewesen. Darüber hinaus hat sie in der diesem Schriftsatz beigefügten Anlage K 24/8 den einzelnen Arbeiten bestimmte Kostenanteile - teilweise unter Angabe von Montagestunden nebst Stundensätzen - zugeordnet und ist zu einer Gesamtsumme von 301.702,22 € gekommen. Aus der Anlage K 24/8 ergibt sich ferner, dass die Mangelbeseitigung sowohl durch von der Klägerin beauftragte Drittunternehmer als auch durch eigene Mitarbeiter erfolgt ist. Bereits auf der Grundlage dieser Darlegungen hätte der Vortrag der Klägerin keineswegs als insgesamt unschlüssig zurückgewiesen werden dürfen. Der Umstand, dass die Rechnungen der Drittunternehmer zunächst nicht beigefügt waren, macht den Vortrag der Klägerin nicht unschlüssig.

24(2) Nachdem das Berufungsgericht im Termin zur mündlichen Verhandlung vom darauf hingewiesen hat, dass der Ausgleichsanspruch unter Berücksichtigung der Anlage K 24/8 nicht hinreichend dargelegt sei, da nicht klar sei, welche Leistungen die Klägerin von Drittunternehmern bezogen, welche Leistungen sie selbst erbracht und wie sie den dafür begehrten Wert ermittelt habe, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom unter Beifügung der Anlagen K 24/9-13 ergänzend vorgetragen. Die Anlagen enthalten eine geordnete Aufstellung, aus der sich die einzelnen Arbeiten zur Mangelbeseitigung und die hierfür jeweils geltend gemachten Kosten detailliert ergeben. Soweit Drittunternehmer beauftragt waren, sind Rechnungen vorgelegt worden. Hinsichtlich der von der Klägerin selbst durchgeführten Arbeiten sind Angaben zur Anzahl der Stunden und zum Stundensatz erfolgt.

25Diese Darlegungen der Klägerin sind hinreichend substantiiert. Die Frage, ob die beschriebenen Maßnahmen objektiv zur Beseitigung des betreffenden Mangels erforderlich waren, ist ebenso wie die Frage, ob die hierfür geltend gemachten Kosten als objektiv erforderlich anzusehen sind, einer Beweisaufnahme zugänglich. Dies gilt auch für die Frage, ob die geltend gemachten Kosten für die Sanierungsplanung insgesamt objektiv erforderlich waren oder ob hier eine Kürzung aufgrund der zunächst nicht akzeptierten Lösung vorzunehmen ist.

26c) Soweit das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom mit der ebenfalls tragenden Begründung zurückgewiesen hat, dieser sei gemäß §§ 530, 296 Abs. 1 ZPO verspätet, liegt darin ebenfalls eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Denn die Zurückweisung beruht auf einer offenkundig fehlerhaften Anwendung der Verspätungsvorschriften der §§ 530, 296 Abs. 1 ZPO.

27Das Berufungsgericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom darauf hingewiesen, dass es den Vortrag der Klägerin zur Höhe des Ausgleichsanspruchs für unzureichend halte, weil nach dem bisherigen Vorbringen nicht klar sei, welche Leistungen von Drittunternehmern bezogen und welche von der Klägerin selbst erbracht worden seien und wie die Klägerin den dafür begehrten Wert ermittelt habe. Auch wenn in dem Hinweis weiter ausgeführt wird, dass aufgrund der im erstinstanzlichen Urteil erfolgten Ausführungen zur ungenügenden Darlegung der Anspruchshöhe eine weitere Darlegungsfrist hierzu nicht einzuräumen sein dürfte, hat das Berufungsgericht sodann mit am verkündeten Beschluss der Klägerin eine "Frist zur Stellungnahme auf die heute erteilten Hinweise bis " eingeräumt. Eine Einschränkung auf Rechtsausführungen ist insoweit nicht erkennbar. Der Schriftsatz der Klägerin vom ist innerhalb dieser Frist eingegangen, so dass die auf den Hinweis erfolgten Ausführungen zur Höhe des Ausgleichsanspruchs schon deshalb hätten berücksichtigt werden müssen.

28Ungeachtet dessen kam eine Zurückweisung des ergänzenden Vortrags der Klägerin im Schriftsatz vom nebst Anlagen K 24/9-13 wegen Verspätung gemäß §§ 530, 296 Abs. 1 ZPO auch deshalb nicht in Betracht, weil - wie unter II. 2. b) bb) (1) ausgeführt - bereits auf der Grundlage des bis dahin erfolgten Klägervorbringens die Annahme, der Vortrag der Klägerin zur Höhe des Anspruchs auf Gesamtschuldnerausgleich sei insgesamt unschlüssig, nicht gerechtfertigt war und in die Beweisaufnahme hätte eingetreten werden müssen. Durch die Berücksichtigung des Vortrags im Schriftsatz vom nebst Anlagen K 24/9-13 konnte sich der Rechtsstreit daher nicht verzögern.

29d) Das angefochtene Urteil beruht auf diesen Gehörsverstößen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn es die Darlegung zur Höhe des Ausgleichsanspruchs für ausreichend substantiiert erachtet und - wie erforderlich - die angebotenen Beweise erhoben hätte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:100822BVIIZR243.19.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2022 S. 1603 Nr. 23
RAAAJ-25933