BGH Beschluss v. - NotZ (Brfg) 3/22

Beibehaltung des Ergebnisses einer notariellen Fachprüfung trotz Rücknahme eines Korrekturmangels

Leitsatz

1. Sollen Prüfungsleistungen eines Kandidaten (hier: notarielle Fachprüfung) einer erneuten Bewertung unterzogen werden, sind die Gründe eines rechtskräftigen prüfungsrechtlichen Bescheidungsurteils dafür maßgeblich, in welchem Umfang die Prüfungsbehörde eine Neubewertung zu veranlassen hat und welche Rechtsauffassung dabei zugrunde zu legen ist.

2. Die Beibehaltung einer Note trotz Rücknahme eines Korrekturmangels ist als solches nicht zu beanstanden. Es ist Prüfern grundsätzlich nicht verwehrt, nach Auseinandersetzung mit den Einwendungen eines Prüflings gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistung unter Vermeidung früherer Begründungsmängel anzugeben, dass und aus welchen Gründen sie ihre bei der ersten Bewertung einer Arbeit vergebene Note auch bei selbstkritischer Würdigung nach wie vor für zutreffend halten (Anschluss an , BVerwGE 109, 211 und , NVwZ 1993, 686).

Gesetze: § 7a BNotO, § 7b BNotO, § 111b Abs 1 S 1 BNotO, § 113 Abs 5 S 2 VwGO, § 121 Nr 1 VwGO

Instanzenzug: Az: AR 5/21 Not Urteil

Gründe

I.

1Die Klägerin begehrt die erneute Neubewertung einer von ihr im Rahmen der notariellen Fachprüfung erbrachten Leistung.

2Sie nahm an der Prüfungskampagne 2018/I der von dem Beklagten durchgeführten notariellen Fachprüfung teil. Mit Prüfungsbescheid vom wurde ihr mitgeteilt, sie habe die notarielle Fachprüfung mit der Prüfungsgesamtnote "ausreichend" (6,05 Punkte) bestanden. Die jetzt allein noch im Streit befindliche Klausur F 20-95, die erbrechtliche Fragestellungen zum Gegenstand hatte, wurde mit 6,00 Punkten bewertet, wobei der Erstkorrektor 7 Punkte ("befriedigend") und der Zweitkorrektor 5 Punkte ("ausreichend") vergaben. Den Widerspruch der Klägerin vom , der sich gegen die (End-)Bewertungen sämtlicher Aufsichtsarbeiten sowie des Vortrags in der mündlichen Prüfung richtete, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom zurück. Die dagegen erhobene Klage war teilweise erfolgreich. Mit (rechtskräftigem) Urteil vom hob das Kammergericht den Prüfungsbescheid vom und den Widerspruchsbescheid vom auf und verurteilte den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen, die Klägerin nach Neubewertung der Klausur F 20-95 neu zu bescheiden. Hierbei beanstandete das Kammergericht lediglich Folgendes:

3- Die Kritik der Prüfer an der Lösung von Aufgabe 2 ("Wie wirken sich die ‚Verzichte‘ von A und B auf die gesetzliche Erbfolge … aus?") sei nur teilweise berechtigt. Die auf Seite 6 der Klausur angestellte (hypothetische) Ermittlung der Erbquoten für den Fall eines wirksamen Erbverzichts der B sei zutreffend.

4- Bei Bewertung der Aufgabe 4 ("Was sollte Notar Dr. N den Eheleuten im Hinblick auf die Vorstellung von M zur erbrechtlichen Situation des E empfehlen?") sei nicht klar, ob die Prüfer - gegebenenfalls nach Auslegung der Klausurlösung - den dem E zugewandten Erbteil (S. 12: "der seinem gesetzlichen Erbteil entspricht") für zu gering oder zu hoch erachtet hätten. Darüber hinaus hätten sie übersehen, dass die von der Klägerin vorgeschlagene "Vermächtnislösung" in der Literatur vertreten werde.

5- Die Beurteilung der Aufgabe 5 ("Welche erbrechtlichen Regelungen wird Notar Dr. N den Eheleuten empfehlen, um ihre geäußerten Wünsche umzusetzen?") sei insoweit nicht frei von Bedenken, als nach dem Votum der Prüfer als Gestaltungselement und Empfehlung ein Ehevertrag zur Aufhebung der Gütertrennung zu erörtern gewesen sei. Dies sei in der Aufgabenstellung ("erbrechtliche Regelungen") nicht ausdrücklich angelegt gewesen.

6Im Übrigen sei die Bewertung der Klausur nicht zu beanstanden (Aufgaben 1 und 3 sowie alle weiteren Einwendungen der Klägerin gegen die Bewertung der Aufgaben 2, 4 und 5).

7Der Beklagte forderte die Prüfer daraufhin zur Neubewertung der Aufsichtsarbeit F 20-95 auf. Der Erstkorrektor blieb bei der Bewertung mit 7 Punkten (Nachbewertung vom ), während der Zweitkorrektor "bei äußerst wohlwollender Abwägung unter Hintanstellung größter Bedenken" seine Bewertung auch auf diese Punktzahl anhob (Neubewertung vom ). Der Beklagte teilte der Klägerin sodann mit Prüfungsbescheid vom das korrigierte Ergebnis mit und stellte fest, sie habe die notarielle Fachprüfung mit "ausreichend" (6,24 Punkte) bestanden. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin vom bat der Beklagte beide Korrektoren um Überdenkung ihrer Bewertung. Diese nahmen hierzu unter dem (Erstkorrektor) und (Zweitkorrektor) Stellung, wobei sie bei ihren Bewertungen blieben. Nach Durchführung des Überdenkungsverfahrens wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom zurück. Die Ausführungen der Prüfer seien nach Maßgabe der vorliegenden Stellungnahmen nicht zu beanstanden. Sie seien fachlich richtig und von dem den Prüfern eingeräumten Bewertungsspielraum gedeckt.

8Mit der hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin die Verurteilung des Beklagten erstrebt, sie unter Aufhebung des Bescheids vom und des Widerspruchsbescheids vom nach Neubewertung der Klausur F 20-95 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

9Das Kammergericht hat die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien nicht rechtswidrig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs.1, 5 VwGO i.V.m. § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO). Die Rechtskraft des Urteils vom stehe einer umfassenden Nachprüfung der Beurteilung der Klausur F 20-95 entgegen. Die gerichtliche Nachprüfung beschränke sich vielmehr auf die Beanstandungen in dem vorgenannten Urteil an der Bewertung der Aufgaben 2, 4 und 5. Soweit die Kritik der Prüfer für berechtigt gehalten worden sei, sei sie einer erneuten Nachprüfung entzogen. Die Auffassung der Klägerin, die Anordnung der Neubescheidung durch das Urteil vom müsse zwangsläufig zu einer Verbesserung der Note führen, treffe nicht zu. Außerdem hätten die neuen Korrekturen eine Anhebung um einen Punkt ergeben. Die erneute Beurteilung der Klausur durch beide Prüfer sei nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Aufgabe 2 habe der Erstprüfer insbesondere an seiner Kritik, die Ausführungen zur Erbfolge bei der (nicht verlangten) Annahme eines wirksamen Erbverzichts seien unzutreffend, nicht mehr festgehalten. Bei der Neubewertung der Aufgabe 4 hätten sich die Prüfer ausreichend mit dem Urteil vom auseinandergesetzt. Zu Recht hätten sie auf den Widerspruch in der Klausurlösung, der sich aus der Erbeinsetzung des E entsprechend "seinem gesetzlichen Erbteil" und dem Vermächtnis "in Höhe des gesetzlichen Pflichtteils" ergebe, und auf die fehlende Auseinandersetzung mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen der verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten hingewiesen. Im Rahmen der Neubewertung der Aufgabe 5 habe der Erstkorrektor klargestellt, dass die unterlassenen Ausführungen zu einem Ehevertrag als Gestaltungselement nicht negativ in die Bewertung eingeflossen seien. Es bleibe aber dabei, dass der Klägerin bei der Lösung der Aufgabe nur wenig Zählbares gelungen sei (auch unter Berücksichtigung des Hinweises auf § 2065 BGB hinsichtlich der etwaigen Erbeinsetzung des D auf S. 20 der Klausurlösung).

10Das Kammergericht hat die Berufung nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.

II.

11Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) liegt nicht vor.

121. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass der Antragsteller im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung der angefochtenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat und sich dies auf die Richtigkeit des Ergebnisses auswirken kann (st. Senatsrechtsprechung, z.B. Senat, Beschlüsse vom - NotZ(Brfg) 12/14, DNotZ 2015, 872 Rn. 19 [insoweit nicht in BGHZ 206, 248 abgedruckt]; vom - NotSt(Brfg) 5/15, DNotZ 2016, 311 Rn. 5; vom - NotZ(Brfg) 5/19, ZNotP 2020, 48 Rn. 2; vom - NotZ(Brfg) 3/21, ZNotP 2022, 206 Rn. 8 und vom - NotZ(Brfg) 10/21, juris Rn. 9; jeweils mwN; siehe auch BeckOK BNotO/Herrmann, § 111d BNotO Rn. 3 [5. Edition, Stand: ]; Kopp/R.-W. Schenke, VwGO, 27. Aufl., § 124 Rn. 7).

132. Daran fehlt es hier. Das Kammergericht hat Bewertungsfehler der Prüfer zutreffend verneint und die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Prüfungsbescheids vom und Neubewertung der Klausur F 20-95.

14a) Dem angefochtenen Urteil liegt kein unzutreffender Überprüfungsmaßstab zugrunde. Durch das rechtskräftige wurde bindend festgestellt, dass sich die gerichtliche Nachprüfung im Rahmen der nunmehr geltend gemachten erneuten (weiteren) Neubescheidung nur noch auf die Beanstandungen an der Bewertung der Aufgaben 2, 4 und 5 bezieht. Da insoweit die Kritik der Prüfer in dem unter I. dargestellten Umfang nur teilweise für berechtigt gehalten wurde, ist die Bewertung im Übrigen ebenfalls einer erneuten Nachprüfung entzogen.

15Dies folgt - wie das Kammergericht zutreffend angenommen hat - aus der Rechtskraftwirkung (§ 121 Nr. 1 VwGO) des Bescheidungsurteils (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) vom . Da sich die Rechtsauffassung, die ein Bescheidungsurteil der Behörde zur Beachtung bei dem Erlass des neuen Verwaltungsakts vorschreibt, nicht unmittelbar der Urteilsformel entnehmen lässt, ergeben sich der Umfang der materiellen Rechtskraft und damit die Bindungswirkung notwendigerweise auch aus den Entscheidungsgründen, in denen die nach dem Urteilstenor zu beachtende Rechtsauffassung des Gerichts im Einzelnen dargelegt wird (BVerwG, NJW 1996, 737 = juris Rn. 11). Sollen Prüfungsleistungen eines Kandidaten einer erneuten Bewertung unterzogen werden, sind die Gründe des prüfungsrechtlichen Bescheidungsurteils dafür maßgeblich, in welchem Umfang die Prüfungsbehörde eine Neubewertung zu veranlassen hat und welche Rechtsauffassung dabei zugrunde zu legen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom - OVG 10 N 86.08, juris Rn. 4 und vom - OVG 7 N 18.13, juris Rn. 3). Im vorliegenden Fall hat das Kammergericht in den Entscheidungsgründen des Urteils vom (S. 15 bis 20) ausdrücklich festgestellt, dass die Kritik der Prüfer nur hinsichtlich der Aufgaben 2, 4 und 5 und auch nur teilweise - in wenigen Punkten - unberechtigt war. Zwar bezieht sich der streitgegenständliche Neubescheidungsantrag - im Gegensatz zum ersten Klageverfahren - (nur) auf die behauptete Fehlerhaftigkeit der erneuten Begutachtung der Klausur F 20-95 (Nachbewertungen der Prüfer vom 24. August und sowie Stellungnahmen vom 9. November und ). Diese (weitere) Neubescheidung hatte jedoch die Rechtsauffassung in dem Urteil vom zu beachten. An diese rechtliche Bewertung war das Kammergericht in dem zweiten Klageverfahren gebunden (vgl. , juris Rn. 30 ff).

16b) Soweit die Klägerin geltend macht, die unveränderte Benotung durch den Erstkorrektor - trotz Wegfalls ursprünglicher Beanstandungen auf Grund des Urteils vom - könne nur auf einer unzulässigen Änderung des Bewertungssystems beruhen, rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Berufung.

17aa) Die Beibehaltung einer Note trotz Rücknahme eines Korrekturmangels ist als solches nicht zu beanstanden. Es ist Prüfern grundsätzlich nicht verwehrt, nach Auseinandersetzung mit den Einwendungen eines Prüflings gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistung unter Vermeidung früherer Begründungsmängel anzugeben, dass und aus welchen Gründen sie ihre bei der ersten Bewertung einer Arbeit vergebene Note auch bei selbstkritischer Würdigung nach wie vor für zutreffend halten (BVerwGE 109, 211, 217; BVerwG, NVwZ 1993, 686, 688). Allerdings darf ein Prüfer, dem ein Bewertungsfehler unterlaufen ist, bei der deshalb erforderlichen Neubewertung nicht sein Bewertungssystem ändern. Der Begriff des Bewertungssystems umfasst dabei nur diejenigen Bewertungskriterien, die in den prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum des Prüfers fallen. Dabei handelt es sich um diejenigen Kriterien, nach denen der Prüfer die festgestellten fachlichen Vorzüge und Mängel der Prüfungsleistung einem vorgegebenen Notensystem zuordnet, zum Beispiel die Einschätzung des Schwierigkeitsgrads einer Aufgabe, die Bewertung der Qualität der Darstellung und der Überzeugungskraft der Argumentation, die Gewichtung von Fehlern sowie die auf durchschnittliche Anforderungen bezogene Einschätzung der Leistung (BVerwGE aaO S. 216). Die Beibehaltung einer Note trotz Rücknahme eines Korrekturfehlers darf ferner auch nicht darauf beruhen, dass der Prüfer im Rahmen der Neubewertung "beliebige Gründe" nachschiebt, die nur dem Zweck dienen, eine Verbesserung der Note "unter allen Umständen" auszuschließen (BVerwGE aaO S. 218). Von dem Prüfer ist vielmehr zu verlangen, dass er seine Bewertung durch Korrektur der als rechtsfehlerhaft beanstandeten Einzelwertungen ergänzt und die neu vorzunehmenden Wertungen in die komplexen Erwägungen, auf denen das Bewertungsergebnis beruht, einpasst (BVerwG, NVwZ 1993 aaO). Ein Prüfling, der mit einer Rüge gegen eine nachteilige Einzelwertung vor Gericht erfolgreich war, kann es den Prüfern im Hinblick auf den Grundsatz der Chancengleichheit jedoch nicht verwehren, seine Prüfungsleistung daraufhin zu überprüfen, ob die nunmehr als vertretbar zu behandelnde Lösung folgerichtig und sachgerecht begründet worden ist. Als ein unzulässiges Nachschieben beliebiger Gründe ist es nicht anzusehen, wenn die Prüfer eine früher als falsch bewertete, nunmehr jedoch als vertretbar anzusehende Lösung erstmals auf ihre sachgerechte Durchführung untersuchen und sich auf dieser Grundlage neue Einwendungen ergeben (BVerwGE aaO S. 217, 219 f).

18bb) Diese Maßgaben wurden in dem angefochtenen Urteil beachtet. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Prüfer die Beanstandung einzelner Kritikpunkte bei den Aufgaben 2, 4 und 5 zum Anlass genommen haben, ihre prüfungsspezifischen Bewertungskriterien und somit ihr Bewertungssystem insgesamt zu ändern. Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Kammergerichts (Urteil, S. 5 bis 8) haben die Prüfer im Einzelnen dargelegt, inwieweit ihre ursprünglichen Bewertungen durch die nunmehr aufgegebenen Kritikpunkte beeinflusst wurden. Der Erstkorrektor hat ausführlich begründet, dass die in dem Urteil vom beanstandeten Bewertungsfehler nicht beziehungsweise nicht so erheblich in die Klausurbewertung eingeflossen seien, dass er im Gesamtergebnis zu einer Anhebung der Note gekommen sei. Es stellt auch keinen Verstoß gegen die Denklogik dar, wenn der Erstkorrektor einen Kritikpunkt aufgibt und dennoch zu derselben Gesamtnote kommt. Dies folgt im vorliegenden Fall hinsichtlich der von der Klägerin vorgeschlagenen "Vermächtnislösung" (Aufgabe 4) schon daraus, dass sie es unterlassen hat, die Vor- und Nachteile dieser Alternative aufzuzeigen, und auch außer Betracht gelassen hat, dass ein Notar von mehreren gangbaren Wegen den sichersten und gefahrlosesten Weg zumindest vorschlagen muss (vgl. st. Rspr.; z.B. , NJW 2009, 71 Rn. 18 mwN).

19Soweit die Klägerin meint, die Ausführungen des Erstkorrektors zur Irrelevanz einzelner entfallener Kritikpunkte, seien nicht glaubhaft, ist dies unbeachtlich, weil sie lediglich ihre Bewertung an die Stelle der Bewertung des Prüfers setzt. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Zweitkorrektor im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums die Benotung "bei äußerst wohlwollender Abwägung unter Hintanstellung größter Bedenken" um zwei Punkte angehoben hat. In diesem Zusammenhang weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass der Zweitkorrektor ursprünglich eine um zwei Punkte nach unten abweichende Bewertung vorgenommen hatte.

203. Der Einwand der Klägerin, bei Annahme einer Bindungswirkung des rechtskräftigen hätte die Klage als unzulässig abgewiesen werden müssen, übersieht, dass das erste und das zweite Klageverfahren unterschiedliche Streitgegenstände betrafen (Überprüfung der Erstbewertung der Klausur F 20-95 einerseits und deren Neubewertung andererseits). Außerdem wäre für die Klägerin nichts gewonnen, wenn ihre Klage wegen entgegenstehender Rechtskraft gemäß § 121 Nr. 1 VwGO als unzulässig abzuweisen wäre. Denn die Berufung ist auch dann nicht zuzulassen, wenn das Erstgericht die Klage als unbegründet abgewiesen hat, das Berufungsgericht sie aber bereits als unzulässig bewertet (VGH München, NVwZ 2004, 629; Kopp/W.-R. Schenke aaO Rn. 7a).

III.

21Die Kostenentscheidung beruht auf § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

22Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 111g Abs. 1 BNotO i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:110722BNOTZ.BRFG.3.22.0

Fundstelle(n):
DNotZ 2023 S. 390 Nr. 5
DNotZ 2023 S. 394 Nr. 5
NJW 2022 S. 9 Nr. 37
WM 2022 S. 2097 Nr. 43
NAAAJ-23571