BMF - IV C 4 - S 2284 - 108/02 BStBl 2002 I S. 1389

Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die krankheits- oder behinderungsbedingte Unterbringung eines nahen Angehörigen in einem Heim als außergewöhnliche Belastung

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Anwendung der §§ 33 und 33a Abs. 1 EStG auf Fälle, in denen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für die krankheits- oder behinderungsbedingte Unterbringung eines nahen Angehörigen in einem Heim entstehen, das Folgende:

Erwachsen einem oder mehreren Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen für die krankheits- oder behinderungsbedingte Unterbringung eines nahen Angehörigen in einem Heim, gehören zu den Aufwendungen, die nach § 33 EStG zu berücksichtigen sind, die gesamten vom Heim in Rechnung gestellten Unterbringungskosten einschließlich der Kosten für die ärztliche Betreuung und Pflege, gemindert um eine Haushaltsersparnis entsprechend R 188 Abs. 2 EStR. Eine zusätzliche Berücksichtigung des Abzugsbetrags nach § 33a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG ist nicht zulässig ( BStBl II S. 294).

Die Übernahme der Kosten einer Heimunterbringung für einen nahen Angehörigen ist nur dann zwangsläufig, wenn die untergebrachte Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt und soweit ihre eigenen Einkünfte und Bezüge zur Deckung dieser Kosten nicht ausreichen. Bei der Beurteilung, ob die eigenen Einkünfte und Bezüge nicht ausreichen, ist ein angemessener Betrag für einen zusätzlichen persönlichen Bedarf zu berücksichtigen. Als angemessen kann in Anlehnung an § 21 Abs. 3 BSHG regelmäßig der für den zusätzlichen persönlichen Bedarf erklärte Betrag anerkannt werden, soweit er 1.550 € (bis zum Kalenderjahr 2001 einschließlich 3.000 DM) jährlich nicht übersteigt.

Eine krankheits- oder behinderungsbedingte Unterbringung liegt nur dann vor, wenn eine Pflegestufe nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch festgestellt worden ist (R 188 Abs. 1 EStR). Der Nachweis ist durch eine Bescheinigung der sozialen Pflegekasse oder des privaten Versicherungsunternehmens, das die private Pflegepflichtversicherung durchführt, oder nach § 65 Abs. 2 EStDV zu erbringen. Dies gilt auch dann, wenn der nahe Angehörige bereits seit einem früheren Zeitpunkt aus anderen Gründen (z. B. wegen Alters) im Heim untergebracht ist. Werden die Kosten für eine behinderungsbedingte Unterbringung zum Teil vom Sozialhilfeträger übernommen (insbesondere durch die Gewährung einer Eingliederungshilfe nach § 39 BSHG), braucht die Notwendigkeit der Unterbringung nicht nachgewiesen zu werden, da regelmäßig von einer sorgfältigen, ordnungsmäßigen Prüfung durch den Sozialhilfeträger und von der Richtigkeit seiner Entscheidung ausgegangen werden kann ( BStBl II S. 567).

Aufwendungen in Höhe der Haushaltsersparnis können zusammen mit vom Steuerpflichtigen zusätzlich getragenen Kosten für die normale Lebensführung (z. B. Kleidung, Versicherung) entsprechend den Grundsätzen des § 33a Abs. 1 EStG als Unterhaltsaufwendungen berücksichtigt werden.

Beispiel 1:

Der pflegebedürftige (Pflegestufe II) vermögenslose Vater A hat seinen eigenen Haushalt aufgelöst und ist während der gesamten Kalenderjahre 2001 und 2002 in einem Pflegeheim untergebracht.

Für die Heimunterbringung werden insgesamt 33.000 € (2001: 66.000 DM) in Rechnung gestellt. Die Pflegeversicherung übernimmt hiervon 15.348 € (2001: 30.000 DM). A zahlt aus seinen eigenen anrechenbaren Einkünften und Bezügen in Höhe von 4.500 € (2001: 9.000 DM) einen Betrag von 3.300 € (2001: 6.600 DM) auf die Heimkosten und behält einen Betrag von 1.200 € (2001: 2.400 DM) für zusätzlichen persönlichen Bedarf zurück. Die restlichen Heimkosten von 14.352 € (33.000 € - 15.348 € - 3.300 €; im Jahr 2001: 66.000 DM - 30.000 DM - 6.600 DM = 29.400 DM) trägt der Sohn B.

Die Abzugsbeträge für B berechnen sich wie folgt:

– nach § 33a Abs. 1 EStG:


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2001
2002
2001
2002
Anteil für den typischen Unterhalt in Höhe der Haushaltsersparnis
14.040 DM
7.188 €
anrechenbare Einkünfte und Bezüge des A
9.000 DM
4.500 €
anrechnungsfreier Betrag
- 1.200 DM
-    624 €
anzurechnende Einkünfte und Bezüge des A
7.800 DM
3.876 €
- 7.800 DM
- 3.876 €
zu berücksichtigender Betrag
6.240 DM
3.312 €

Der Betrag von 6.240 DM für 2001 und 3.312 € für 2002 ist nach § 33a Abs. 1 EStG in voller Höhe vom Gesamtbetrag der Einkünfte des B abzuziehen. Hiermit sind auch zusätzlich getragene Kosten wie z. B. Versicherungsbeiträge abgegolten.

– nach § 33 EStG:


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2001
2002
Heimkosten
66.000 DM
33.000 €
Pflegeversicherungsleistungen
- 30.000 DM
- 15.348 €
Anteil des A aufgrund seiner eigenen Einkünfte und Bezüge, mindestens aber die Haushaltsersparnis:


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2001
2002
eigene Einkünfte und Bezüge des A:
9.000 DM
4.500 €
gemindert um einen angemessenen Betrag für den zusätzlichen persönlichen Bedarf (pauschal):
- 3.000 DM
- 1.550 €
verbleibender Betrag
6.000 DM
2.950 €
Dieser Betrag liegt unter der Haushaltsersparnis von
14.040 DM
7.188 €
Daher ist die Haushaltsersparnis anzusetzen:
- 14.040 DM
- 7.188 €
Höchstbetrag der bei B zu berücksichtigenden Heimkosten:
21.960 DM
10.464 €

Da die eigenen Einkünfte und Bezüge des A nicht ausreichen, um dessen Kosten für die normale Lebensführung einschließlich der krankheitsbedingten Heimunterbringung zu bestreiten, ist der von B getragene Anteil, vermindert um die bereits nach § 33a Abs. 1 EStG berücksichtigten Aufwendungen, bis zur Höhe von 21.960 DM für 2001 und 10.464 € für 2002 abzuziehen.


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2001
2002
Von B getragene Heimkosten
29.400 DM
14.352 €
davon nach § 33a Abs. 1 EStG berücksichtigt
- 6.240 DM
- 3.312 €
verbleibende Heimkosten
23.160 DM
11.040 €

Der Höchstbetrag von 21.960 DM für 2001 und 10.464 € für 2002 ist nach Minderung um die zumutbare Belastung nach § 33 EStG vom Gesamtbetrag der Einkünfte des B abzuziehen.

Beispiel 2:

Sachverhalt wie im ersten Beispiel, jedoch hat A anrechenbare Einkünfte und Bezüge von 18.000 € (2001: 36.000 DM). Er zahlt daraus auf die Gesamtkosten 15.000 € (2001: 30.000 DM) und behält 3.000 € (2001: 6.000 DM) für seinen zusätzlichen persönlichen Bedarf zurück. Die restlichen Heimkosten von 2.652 € (33.000 € - 15.348 € - 15.000 €; im Jahr 2001: 66.000 DM - 30.000 DM - 30.000 DM = 6.000 DM) trägt der Sohn B.

Da die anrechenbaren eigenen Einkünfte und Bezüge des A höher sind als die Summe aus Höchstbetrag und anrechnungsfreiem Betrag (7.188 € + 624 € = 7.812 € im Jahr 2001: 14.040 DM + 1.200 DM = 15.240 DM), scheidet ein Abzug nach § 33a Abs. 1 EStG aus. Für B kommt nur ein Abzug nach § 33 EStG in Betracht. Dieser berechnet sich wie folgt:


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2001
2002
Heimkosten
66.000 DM
33.000 €
Pflegeversicherungsleistungen
- 30.000 DM
- 15.348 €
Anteil des A aufgrund seiner eigenen Einkünfte und Bezüge, mindestens aber die Haushaltsersparnis:


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2001
2002
eigene Einkünfte und Bezüge des A:
36.000 DM
18.000 €
gemindert um einen angemessenen Betrag für den zusätzlichen Bedarf (pauschal):
- 3.000 DM
- 1.550 €
verbleibender Betrag (mindestens Haushaltsersparnis)
- 33.000 DM
- 16.450 €
Höchstbetrag der bei B zu berücksichtigenden Heimkosten
3.000 DM
1.202 €

Der Höchstbetrag von 3.000 DM für 2001 und 1.202 € für 2002, der niedriger ist als die von B getragenen Aufwendungen von 6.000 DM in 2001 und 3.000 € in 2002, ist nach Minderung um die zumutbare Belastung nach § 33 EStG vom Gesamtbetrag der Einkünfte des B abzuziehen.

Die vorstehenden Grundsätze sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden.

Das /IV C 4 - S 2284 - 9/99 – (BStBl I S. 270) wird aufgehoben.

BMF v. - IV C 4 - S 2284 - 108/02


Fundstelle(n):
BStBl 2002 I Seite 1389
LAAAA-81019