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StuB Nr. 10 vom Seite 371

Corona-Krise: Praxisfragen für die Änderung von bisherigen Ansatz- und Bewertungsmethoden im Jahresabschluss 2019

Auswirkungen auf die handelsrechtliche Rechnungslegung

Dr. Timmy Wengerofsky

Zweifelsohne stellt die Corona-Pandemie eine der schwersten Krisen der letzten Jahrzehnte dar. Der Rechnungslegende steht vor der schwierigen Herausforderung zu prüfen und zu entscheiden, wie er die Folgen in seiner handelsrechtlichen Berichterstattung zu verarbeiten hat. Von Bedeutung ist vor allem, wann und wie von bisher angewandten Ansatz- und Bewertungsmethoden abgewichen werden darf. Insbesondere wird die Frage evident, ob bereits im Jahresabschluss 2019 eine Berücksichtigung der handelsbilanziellen Folgen der Corona-Pandemie stattzufinden hat bzw. stattfinden kann.

Rinker, Auswirkungen des Corona-Virus auf den HGB-Jahresabschluss und Lagebericht, NWB QAAAH-45349

Kernfragen
  • Inwiefern können die Folgen der Corona-Krise bereits in den Ansatz- und Bewertungsmethoden für den Jahresabschluss 2019 bilanziell berücksichtigt werden?

  • Unter welchen Voraussetzungen kann von der handelsrechtlichen Stetigkeit im Rahmen der Corona-Krise abgewichen werden?

  • Welche Bedeutung kommt der Abweichungsregelung des § 252 Abs. 2 HGB im Zusammenhang mit der Corona-Krise zu?

I. Einleitung

[i]Lüdenbach, Auswirkungen der Corona-Krise auf den Betreiber eines Vergnügungsparks, StuB 8/2020 NWB BAAAH-46365 Theile, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung - GoB (HGB), infoCenter NWB UAAAE-85382 Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 11. Aufl. 2020, § 252 Rz. 209 NWB WAAAH-36395 Die aktuelle Corona-Krise hat Auswirkungen auf verschiedenste Bilanzierungssachverhalte und wird das Zahlenwerk vieler Jahresabschlüsse erheblich durcheinanderwirbeln. Sowohl die Jahresabschlussersteller als auch deren Prüfer sind in höherem Maße als bisweilen mit Ermessensentscheidungen konfrontiert. Es stellt sich die schwierige Frage, ob eine Berücksichtigung veränderter Verhältnisse für den Ansatz und die Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden bereits im Jahresabschluss zum möglich ist. Entscheidende Bedeutung dürfte dabei § 252 Abs. 2 HGB haben, erlaubt dieser doch, dass in „begründeten Ausnahmefällen“ von den allgemeinen Ansatz- und Bewertungsprinzipien des Handelsbilanzrechts abgewichen werden darf. Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. (IDW), welches frühzeitig drei fachliche Hinweise zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Rechnungslegung und Prüfung veröffentlicht hat, erwähnt in diesem Zusammenhang den Grundsatz der Ansatz- und Bewertungsstetigkeit, ohne jedoch detailliert aufzuschlüsseln, wann und wie von diesem Corona-bedingt und -begründet abgewichen werden kann. Der nachfolgende Beitrag geht dieser Frage nach und zeigt auf, welche Ausnahmefälle i. S. des § 252 Abs. 2 HGB Abweichungen in der aktuellen Krise rechtfertigen.

II. Corona-Krise als (rein) wertbegründendes Ereignis in 2020?

Die allgemeinen Bewertungsgrundsätze, welche für den handelsrechtlichen Jahresabschluss zu beachten sind, finden sich in § 252 Abs. 1 HGB wieder. Dabei regelt das sog. Stichtagsprinzip gem. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB die Frage, ob Erkenntnisse nach dem Abschlussstichtag noch bei der Bilanzerstellung zu berücksichtigen sind. Zu differenzieren ist zwischen sog. werterhellenden Tatsachen einerseits und wertbegründenden Sachverhalten andererseits. Die Unterscheidung folgt aus der Systematik der Trennung von Abschlussstichtag und dem Stichtag der Bilanzerstellung. Wertbegründende Ereignisse betreffen v. a. Risiken, die erst S. 372nach dem Bilanzstichtag eingetreten sind und – bei angemessener, größter Sorgfalt – am Abschlussstichtag nicht erkennbar waren. Hierzu zählen laut verbreiteter Ansicht z. B. nach dem Bilanzstichtag begonnene bedeutende Restrukturierungen, Änderungen von Gesetzen, Umweltauflagen oder Schadensereignisse. Sie bleiben bei der Bilanzierung zum Bilanzstichtag außen vor. Hingegen sind werterhellende Ereignisse rückwirkend zum Bilanzstichtag bei der Bilanzierung zu berücksichtigen, liefern sie doch Hinweise auf solche Risiken, die bereits am Bilanzstichtag vorgelegen haben und bei angemessener Sorgfalt am Bilanzstichtag erkennbar waren. Maßgebend für die Einordnung ist dabei nicht das konkrete, subjektive Wissen des Bilanzierenden zum Abschlussstichtag, sondern „der Erkenntnisstand des sorgfältigen Kaufmanns im Zeitpunkt der Bilanzierung (...), und zwar bezogen auf die am Bilanzstichtag objektiv bestehenden Verhältnisse.“

Die Grenze zwischen werterhellenden und wertbeeinflussenden Tatsachen ist oftmals fließend und in der Praxis nur schwer exakt zu bestimmen. Inwieweit einzelne Ereignisse auf den Bilanzstichtag zurückbezogen werden dürfen, hängt u. a. von der Einordnung und Bedeutung des bilanzrechtlichen Vorsichtsprinzips ab: Während für die Aktiva „ansatzbezogene, strenge Objektivierungskriterien im Sinne des Vorsichtsprinzips“ zu beachten sind, schränken diese auf der Passivseite das Vorsichtsprinzip ein. Entsprechend ist eine imparitätische Objektivierung beim Ansatz und bei der Bewertung geboten, die auf die Wertaufhellung zu übertragen ist.

Auch im Falle der Corona-Pandemie und deren stichtagsbezogenen Berücksichtigung kommt der Frage, ob ein wertbegründendes oder werterhellendes Ereignis vorliegt, entscheidende Bedeutung zu. Das IDW, welches am einen ersten Fachlichen Hinweis für die Rechnungslegung veröffentlicht hat, ordnet die Pandemie grds. als wertbegründend im Jahr 2020 ein. So ist nach der Auffassung des IDW „i. d. R. davon auszugehen, dass das Auftreten des Coronavirus als weltweite Gefahr wertbegründend einzustufen ist und dementsprechend die bilanziellen Konsequenzen erst in Abschlüssen mit Stichtag nach dem zu berücksichtigen sind.“ Zwar seien die ersten Fälle der Viruserkrankung bereits im Dezember 2019 in China bekannt geworden. Ihre starke Ausbreitung und die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Einschränkungen ließen sich aber erst auf den Januar 2020 datieren. Entsprechend greife das Stichtagsprinzip gem. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB.

Bemerkenswert ist an dieser Stelle allerdings die Formulierung des IDW. Denn durch die Verwendung des Kürzels „i. d. R.“ signalisiert es, dass Ausnahmetatbestände von dieser Einordnung existieren mögen. Gleichzeitig geht das IDW in seinem zweiten fachlichen Hinweis explizit auf den Grundsatz der Stetigkeit (§ 246 Abs. 3 Satz 1 HGB, § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB) ein und konstatiert, dass Durchbrechungen von diesem aufgrund der Pandemie bereits für den Jahresabschluss zum vorliegen können. So wird ausgeführt, dass die Folgen des Coronavirus „ohne Zweifel ein gravierendes exogenes Ereignis dar[stellen], mit ebensolchen Auswirkungen sowohl auf die Unternehmen selbst als auch auf ihr Umfeld.“ Soweit es hierdurch „individuell zu einer erheblichen Entwicklungsbeeinträchtigung oder gar einer Krise“ komme, sei eine „Anpassung der bisherigen Bilanzpolitik unter Umständen möglich“. Eine Konkretisierung von Ausnahmetatbeständen bleibt indes aus, so dass die Frage evident wird, mit welchen Begründungen eine Abweichung vom Stetigkeitspostulat gerechtfertigt werden kann.

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