BFH Beschluss v. - I B 51/08

Veräußerung eigener Anteile einer GmbH an die Gesellschafter als verdeckte Gewinnausschüttung

Leitsatz

Die Veräußerung von eigenen Geschäftsanteilen einer GmbH an ihre Gesellschafter zum Nennwert ist als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen, wenn der Marktwert den Nennwert übersteigt.
Wird ein Wirtschaftsgut unter dem Marktwert an den Gesellschafter übertragen, der es dann sogleich an Dritte veräußert, kann der konkrete Veräußerungspreis als Fremdvergleichspreis herangezogen werden.
Auch die Einziehung eigener Anteile durch die Kapitalgesellschaft kann zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen.

Gesetze: KStG § 8 Abs. 3 Satz 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Streitpunkt ist, ob die Veräußerung von eigenen Geschäftsanteilen einer GmbH an ihre Gesellschafter zum Nennwert als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu beurteilen ist.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren Stammkapital sich im Streitjahr (2000) auf 210 000 DM belief. Gesellschafterinnen waren zunächst zwei norwegische Gesellschaften mit jeweils drei Geschäftsanteilen zu 31 500 DM (= insgesamt 94 500 DM). Außerdem hielt die Klägerin zwei Geschäftsanteile zu je 10 500 DM als eigene Anteile; diese hatte sie im Jahr 1981 von zwei Gesellschaftern bzw. deren Erben gegen Zahlung der Nennwerte erworben. In ihrer Bilanz aktivierte die Klägerin die eigenen Anteile ebenfalls mit deren Nennwerten. Überlegungen der Gesellschafterversammlung der Klägerin in den Jahren 1985 und 1988, die eigenen Anteile in Zusammenhang mit einer Kapitalherabsetzung einzuziehen, wurden mit Blick auf die dafür erforderlichen Formalitäten aufgegeben.

Am 22. November des Streitjahres übertrug die Klägerin jeweils einen der eigenen Anteile auf die beiden Gesellschafterinnen. Eine Kaufpreisvereinbarung wurde im notariellen Übertragungsvertrag nicht getroffen; in ihrer Bilanz zum 31. Dezember des Streitjahres aktivierte die Klägerin eine Forderung aus Anteilsübertragung in Höhe von 21 000 DM. Am 28. Dezember des Streitjahres teilten die Gesellschafterinnen den jeweils übernommenen Geschäftsanteil in zwei Teilgeschäftsanteile von 7 000 DM und 3 500 DM auf und veräußerten die Teilgeschäftsanteile zu 3 500 DM zusammen mit jeweils einem ihrer Altanteile zu 31 500 DM zum Kaufpreis von insgesamt umgerechnet . DM an eine weitere norwegische Gesellschaft.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) wertete die Veräußerung der eigenen Anteile an die Gesellschafterinnen als vGA, rechnete deshalb dem Bilanzgewinn der Klägerin im Streitjahr außerbilanziell den Betrag von . DM (Differenz zwischen dem Nominalwert der eigenen Geschäftsanteile und dem gemäß Vertrag vom hierauf entfallenden anteiligen Kaufpreis) hinzu und setzte auf dieser Grundlage die Körperschaftsteuer fest. Die deswegen erhobene Klage hat das abgewiesen.

Die Klägerin beantragt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision gegen das FG-Urteil und stützt ihr Begehren auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung.

Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

1. Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—), ob für die Prüfung des Vermögensvorteils des Gesellschafters bei der vGA „ganz formal nur die beiden ausgetauschten Gegenstände” zu betrachten seien oder ob nicht im Sinne einer „materiellen Betrachtungsweise” die Gesamtsituation des Gesellschafters zu würdigen sei. Nach Auffassung der Klägerin sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung den beiden Altgesellschaftern durch den Erwerb der eigenen Anteile keine Vorteile entstanden, weil sie infolge des Ruhens der aus den eigenen Anteilen folgenden Mitgliedschaftsrechte faktisch auch schon vor dem Erwerb zu je 50 % an der Klägerin beteiligt gewesen seien und ihre bis dahin gehaltenen Anteile einen entsprechenden Beteiligungswert gehabt hätten, der durch den Erwerb wieder gesunken sei.

Die Frage ist indes im Streitfall nicht klärungsfähig, weil die Annahme der Klägerin nicht zutrifft, die beiden Altgesellschafterinnen hätten aus dem Erwerb der eigenen Anteile keinen Vermögensvorteil erlangt. Denn die bis zum Erwerb der eigenen Anteile bestehende faktische Situation des je hälftigen Stimm- und Gewinnbezugsrechts der Altgesellschafterinnen, die nominal jeweils nur 45 % der Geschäftsanteile hielten, bestand lediglich vorläufig und war durch eine Übertragung der eigenen Anteile auf Dritte oder auf nur eine der Altgesellschafterinnen jederzeit änderbar. Erst durch den Erwerb der eigenen Anteile haben die Altgesellschafterinnen die gesicherte, dingliche Position von jeweils zur Hälfte beteiligten Gesellschaftern erlangt; darin liegt ein Vermögensvorteil.

2. Des Weiteren möchte die Klägerin geklärt wissen, ob betriebliche Gründe als negatives Tatbestandsmerkmal der Annahme einer vGA entgegenstehen könnten. Einen betrieblichen Grund für die Veräußerung der eigenen Anteile zum Buchwert sieht sie im Streitfall darin, dass bei einer Veräußerung der Anteile zum Fremdvergleichspreis der Veräußerungsgewinn von der Klägerin zu versteuern gewesen wäre.

Die Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, weil die Berücksichtigung der betrieblichen Gründe schon seit jeher Bestandteil der vGA-Prüfung ist. Denn eine vGA setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die (Mit-)Veranlassung der Maßnahme durch das Gesellschaftsverhältnis voraus (vgl. nur Senatsurteil vom I R 67/06, BFHE 221, 201). Daran fehlt es, wenn die Maßnahme ausschließlich aus im betrieblichen Bereich liegenden Gründen erfolgt ist.

Im Übrigen kann die Vermeidung einer Versteuerung des Veräußerungsgewinns durch die Klägerin nicht als betrieblicher Grund für die Veräußerung zum Buchwert angesehen werden. Denn der Veräußerungsgewinn hätte das Vermögen der Klägerin im Vergleich zu einer Weggabe zum Buchwert auch dann vermehrt, wenn er zu versteuern gewesen wäre.

3. Eine Entscheidung des Senats ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Das FG-Urteil weicht nicht von der BFH-Rechtsprechung ab, nach der der Fremdvergleich im Rahmen der Veranlassungsprüfung eine abstrakte bzw. hypothetische Beurteilung des Verhaltens eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anhand eines normativen Maßstabs erfordert (vgl. Senatsurteil vom I R 40/00, BFHE 195, 243, BStBl II 2001, 655).

Die Klägerin meint, das FG habe die für den hypothetischen Fremdvergleich zu beachtenden Maßstäbe missachtet; es habe nicht berücksichtigt, dass der Geschäftsführer der Klägerin die eigenen Anteile aufgrund der Verpflichtung, den Beteiligungswert („Shareholdervalue”) der Beteiligungen der Altgesellschafter nicht zu beeinträchtigen, nicht zu einem Preis über dem Buchwert hätte veräußern dürfen, weil die Besteuerung des Veräußerungsgewinns zu einer „Vernichtung” des Vermögens der Altgesellschafter geführt hätte.

Auch in diesem Punkt trifft bereits die Prämisse der Klägerin nicht zu. Die Pflichten des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters beziehen sich ausschließlich auf die Wahrung der Interessen der Gesellschaft (vgl. § 43 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung —GmbHG—); falls diese mit den Partikularinteressen von Gesellschaftern kollidieren, muss er vorrangig zum Wohl der Gesellschaft handeln. Für die von der Klägerin postulierte Verpflichtung des Geschäftsführers zur Förderung des „Shareholdervalue” auch gegen die Vermögensinteressen der Gesellschaft ist eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht zu ersehen, dass der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter mit Blick auf die Beteiligungsinteressen der Altgesellschafter gehindert wäre, eigene Anteile der Gesellschaft gewinnbringend zu veräußern. Soweit die Klägerin die nach ihrer Beurteilung „steuerneutrale” Alternative einer Einziehung der Geschäftsanteile gemäß § 34 GmbHG als weitere Handlungsmöglichkeit hervorhebt, liegt eine solche grundsätzlich nicht in der Hand des Geschäftsführers; vielmehr sind hierfür die Gesellschafter zuständig (§ 46 Nr. 4 GmbHG). Diese hatten aber nach den Feststellungen des FG im Streitfall eine Einziehung der eigenen Anteile trotz mehrfacher Ansätze nicht durchführen wollen. Im Übrigen kann eine Einziehung eigener Anteile durch die Kapitalgesellschaft ebenfalls zu einer vGA führen (vgl. Blümich/Rengers, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 8 KStG Rz 488).

4. Das FG weicht im Hinblick auf die Ermittlung der Höhe der vGA nicht von der Senatsrechtsprechung ab, wonach in den Fällen, in denen für die Entgeltlichkeit einer Leistung nicht ein bestimmter Preis oder Wert bestimmt, sondern nur eine gewisse Bandbreite von fremdüblichen Werten festgestellt werden kann, grundsätzlich der für den Steuerpflichtigen günstigste Unter- oder Oberwert in Betracht zu ziehen ist (, BFHE 197, 68, BStBl II 2004, 171; vom I R 46/01, BFHE 202, 241, BStBl II 2004, 132).

Anders als die Klägerin vorbringt, hat das FG diese Grundsätze der Bandbreitenbetrachtung nicht kategorisch abgelehnt. Es hat die Senatsrechtsprechung vielmehr grundsätzlich anerkannt, meinte aber im Streitfall keine „Bandbreite” möglicher Veräußerungspreise für die eigenen Geschäftsanteile berücksichtigen zu müssen, weil durch die dem Erwerb durch die Altgesellschafter zeitlich unmittelbar nachfolgende Weiterveräußerung konkrete Anhaltspunkte für einen auch durch die Klägerin erzielbaren Preis vorgelegen hätten.

Eine Divergenz zu der in Bezug genommenen Senatsrechtsprechung liegt darin nicht; denn diese gibt nicht vor, in welchen Fällen typischerweise von einer Bandbreite möglicher Preise auszugehen ist. Sie schließt es deshalb nicht aus, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, im dem ein Wirtschaftsgut unter dem Marktwert an den Gesellschafter übertragen wird, der es dann sogleich an Dritte veräußert, der konkrete Veräußerungspreis als Fremdvergleichspreis herangezogen wird.

Fundstelle(n):
DStZ 2009 S. 627 Nr. 17
GAAAD-23321