BFH Urteil v. - V R 63/02

Verkauf von "Duty-Free"-Waren im Transitbereich deutscher Flughäfen

Leitsatz

1. Die im Transitbereich deutscher Flughäfen ausgeführten Umsätze werden im Inland ausgeführt.

2. Der Verkauf von „Duty-Free"-Waren im Transitbereich ist nicht nach § 4 Nr. 1 Buchst. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1999 befreit, weil der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet.

3. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a,§ 6 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 a Nr. 1 UStG 1999 setzt einen Abnehmernachweis voraus.

Gesetze: UStG § 4 Nr. 1 Buchst. a,UStG § 6,Richtlinie 77/388/EWG Art. 15 Nr. 1 und Nr. 2

Instanzenzug: (EFG 2003, 646) (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, unter welchen Voraussetzungen im Streitjahr 2001 Lieferungen im Transitbereich deutscher Flughäfen an in das Drittlandsgebiet Reisende von der Umsatzsteuer befreit gewesen sind.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt im Transitbereich deutscher Flughäfen „Duty-Free"-Läden, in denen Reisende vor Flugantritt Geschenke und Gegenstände für den persönlichen Bedarf einkaufen können. Nach den Feststellungen der Vorentscheidung erreichen die Reisenden den Transitbereich nur mit gültigem Flugschein, nachdem sie sowohl die Kontrolle durch den Zoll als auch durch den Bundesgrenzschutz passiert haben. Die Verkaufsläden sind in zwei Bereiche unterteilt. In einem Bereich werden die „Duty-Free"-Waren wie z.B. Tabak, alkoholische Getränke, Kekse, Süßigkeiten und Kosmetika angeboten, in einem anderen Teil höherwertige Waren wie Uhren, Handtaschen oder Bekleidung.

Für den Nachweis der Voraussetzungen steuerfreier Ausfuhrlieferungen (§ 4 Nr. 1, § 6 des Umsatzsteuergesetzes 1999UStG—) hatte die Klägerin aufgrund einer Genehmigung des damals zuständigen Finanzamts Hamburg-Mitte-Altstadt seit 1972 Erleichterungen in Anspruch genommen. Danach sollte für den Nachweis eines ausländischen Abnehmers der Vermerk des Namens und des Wohnortes des Käufers auf den Kassenbons ausreichen. Nur in Verkaufsläden mit höherwertigem Angebot sollte darüber hinaus der Pass eingesehen werden, um neben dem Wohnort auch die Passnummer vermerken zu können. In allen Fällen wurde in die online geschaltete Registrierkasse anhand der Bordkarte oder des Flugtickets die Flugnummer eingegeben. Handelte es sich um einen innergemeinschaftlichen Flug, sperrte die Kasse die Ware umgehend für den steuerfreien Verkauf. Nachträglich verglich das zuständige Hauptzollamt (HZA) die Verkaufsdaten mit den Flugplänen. Auf diese Weise erbrachte die Klägerin den vom Zoll geforderten Ausfuhrnachweis.

Am übersandte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) der Klägerin einen bundesweit abgestimmten Erlass der Hamburger Finanzbehörde vom   53 -S 7133- 02/97 zum Ausfuhr- und Abnehmernachweis bei Verkäufen im Transitbereich von Flughäfen. Dieser sieht vor, dass Betreiber von „Duty-Free"-Läden sowohl hinsichtlich der „Duty-Free"-Waren als auch hinsichtlich der übrigen Waren durch Einsichtnahme in das Grenzübertrittspapier des drittländischen Abnehmers dessen ausländische Abnehmereigenschaft nachzuweisen haben. Auf dem Kassenzettel müssen danach die Nummer des Grenzübertrittspapiers, Name, Anschrift und Wohnort des Abnehmers (sog. Abnehmernachweis) sowie der Zielort der Reise und die Flugnummer (sog. Ausfuhrnachweis) vermerkt werden. Das FA passte dementsprechend das Nachweisverfahren für die Klägerin an.

Mit der Umsatzsteuervoranmeldung für November 2001 erklärte die Klägerin die „Duty-Free"-Verkäufe als steuerfreie Umsätze, ohne den Nachweis der Abnehmereigenschaft vorzulegen.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Hiergegen richtet sich die vom Finanzgericht (FG) wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassene Revision der Klägerin. Die Klägerin rügt Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Zur Begründung trägt sie vor, bei dem Verkauf von „Duty-Free"-Waren an Drittlandsreisende habe es sich um gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 15 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) von der Umsatzsteuer befreite Ausfuhrlieferungen gehandelt.

Das FG sei zu Unrecht von einer Beförderung durch den Käufer und damit von der Notwendigkeit eines Abnehmernachweises i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG, Art. 15 Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG ausgegangen. Diese Vorschriften seien nur auf sog. Ausfuhren über den Ladentisch im normalen Einzelhandel, nicht aber auf Verkäufe durch im Transitbereich von Flughäfen belegene „Duty-Free"-Läden anwendbar. Für diese führe eine teleologische und systematische Auslegung des Umsatzsteuerrechts zur Anwendung der § 4 Nr. 1 a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 15 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Der Käufer von „Duty-Free"-Waren könne die in Art. 15 Nr. 2 Unterabs. 3, 2. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG geforderte Ausgangsbestätigung der Ausgangszollstelle nicht erhalten, weil er die Waren nicht in ein Ausfuhrverfahren überführen könne. Zum einen gebe es im Transitbereich der Flughäfen gar keine Grenzzollstellen. Zum anderen seien die in den „Duty-Free"-Läden verkauften Waren bereits durch sie, die Klägerin, als „zugelassener Ausführer” im Anschreibeverfahren nach Art. 161 Abs. 5 Satz 2 des Zollkodexes (ZK), §§ 253 ff., 285 ff. der Zollkodex-Durchführungsverodnung (ZKDV) zur Ausfuhr angemeldet worden. Das nach Art. 15 Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG vorausgesetzte Ausfuhrverfahren wickle damit sie, die Klägerin, nicht aber der Käufer ab. Entsprechendes folge aus der Regelung in § 27 der Zollverordnung (ZollV), die Erleichterungen für sog. Reisebedarf vorsehe. Sie, die Klägerin, sei zugelassene Verkaufsstelle i.S. von § 27 Abs. 12 Satz 1 Nr. 2 ZollV und fertige die in ihren „Duty-Free"-Läden verkauften Waren im Wege des Anschreibeverfahrens nach § 27 Abs. 6 ZollV selbst zur Ausfuhr ab. Nach der Abgabe des Reisebedarfs an den Drittlandsreisenden finde keine zollamtliche Überwachung des körperlichen Ausgangs der abgegebenen Gegenstände aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft mehr statt.

Sowohl gemeinschaftsrechtlich durch die Verwendung des Begriffs der „Ausgangszollstelle” in Art. 15 Nr. 2 Unterabs. 3, 2. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG als auch nach deutschem Umsatzsteuerrecht durch die Verwendung des Begriffs der „Grenzzollstelle” in § 17 Nr. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 (UStDV) werde auf das Ausfuhrverfahren des europäischen Zollrechts verwiesen. Folgerichtig seien die umsatzsteuerrechtlichen Tatbestandsmerkmale der Begrifflichkeit des Zollrechts anzupassen. Zollrechtlich sei eine Beförderung zur Ausfuhr vollendet, wenn die Ware hinter die Außengrenzen der Gemeinschaft im Sinne des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsregion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen vom (Schengener Durchführungsübereinkommen), also in die „Duty-Free"-Läden verbracht sei. Die Läden lägen hinter den Passkontrollstellen des Bundesgrenzschutzes (BGS) und damit hinter den Grenzübergangsstellen i.S. des Art. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens.

Ferner sei zu berücksichtigen, dass sie, die Klägerin, auch andere Waren als Gemeinschaftswaren (Art. 4 Nr. 8 ZK) in den „Duty-Free"-Läden verkaufe. Diese könnten nicht i.S. des § 161 ZK „ausgeführt”, sondern allenfalls „wiederausgeführt” werden i.S. des § 182 Abs. 1, 1. Spiegelstrich ZK. Hierbei aber handle es sich um kein Zollverfahren, so dass auch nicht die Zuständigkeit einer Ausgangszollstelle gegeben sei, an die Art. 15 Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG anknüpfe.

Das Urteil des FG sei darüber hinaus nicht mit Art. 28k der Richtlinie 77/388/EWG vereinbar.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid für 2001 vom dahin zu ändern, dass der Verkauf von Ware an Reisende in Drittländer steuerfrei belassen wird.

Im Revisionsverfahren hat das FA am den Umsatzsteuerjahresbescheid für 2001 erlassen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

II.

Die Revision ist unbegründet; sie war zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Das Urteil des FG war aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Da dem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Verwaltungsakt zugrunde liegt, konnte es keinen Bestand haben (vgl. , BFH/NV 2001, 1291).

Der im Revisionsverfahren ergangene Umsatzsteuerjahresbescheid für 2001 vom hat den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für November 2001, der Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gewesen ist, i.S. des § 68 Abs. 1 Satz 1 FGO ersetzt. Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung durch einen anderen Verwaltungsakt geändert oder ersetzt, so wird gemäß der auch im Revisionsverfahren (§ 121 FGO) geltenden Vorschrift des § 68 FGO der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das gilt auch für den Umsatzsteuerjahresbescheid im Verhältnis zum Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid (, BFHE 163, 408, BStBl II 1991, 465; vom V R 35/98, BFHE 190, 67, BStBl II 2000, 454). Gegenstand der revisionsrechtlichen Prüfung ist deshalb nunmehr die Rechtmäßigkeit des Umsatzsteuerjahresbescheides für 2001.

Die Sache ist spruchreif, weil der vom FG festgestellte Sachverhalt ausreicht, um abschließend prüfen und beurteilen zu können, ob der Umsatzsteuerjahresbescheid 2001 rechtmäßig ist. Denn hinsichtlich der zwischen den Beteiligten allein streitigen Frage, unter welchen Voraussetzungen der Verkauf von „Duty-Free"-Waren eine steuerbefreite Ausfuhrlieferung ist, hat sich durch Erlass des Umsatzsteuerjahresbescheides 2001 nichts geändert. Der Senat sieht deshalb von einer Zurückverweisung nach § 127 FGO ab.

2. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die von der Klägerin vorangemeldeten Umsätze steuerbar und nicht nach § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG von der Umsatzsteuer befreit sind.

a) Bei dem Verkauf von „Duty-Free"-Waren durch die Klägerin hat es sich um steuerbare Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gehandelt. Nach dieser Vorschrift unterliegen der Umsatzsteuer u.a. die Lieferungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

Die im Transitbereich der deutschen Flughäfen ausgeführten Umsätze sind im Inland ausgeführt, weil auch der Transitbereich zum Staatsgebiet der Bundesrepublik gehört. Der Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UStG für den Inlandsbegriff auf das (Staats-)Gebiet der Bundesrepublik abgestellt. Sicherheitsrechtliche Erwägungen haben auf den Inlandsbegriff des UStG keinen Einfluss. Der Reisende mag zwar mit dem Erreichen des Transitbereiches die Außengrenzen der Bundesrepublik „kontrollmäßig” insoweit hinter sich gelassen haben, als keine weiteren Pass- oder Personenkontrollen mehr vorgesehen sind. Das deutsche Staatsgebiet hat er aber noch nicht verlassen. Nichts anderes ergibt sich aus der Regelung in Art. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens, zumal die Begriffsbestimmungen in Art. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens in ihrem Geltungsbereich ausdrücklich auf den Regelungsbereich des Schengener Durchführungsübereinkommens beschränkt sind.

b) Der Verkauf der „Duty-Free"-Waren ist nicht nach § 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 UStG von der Umsatzsteuer befreit.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegt eine Ausfuhrlieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. a UStG) vor, wenn bei einer Lieferung der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet hat. An einer derartigen Beförderung oder Versendung durch die Klägerin fehlt es. Insbesondere stellt das Verbringen der Waren in die im Transitbereich befindlichen „Duty-Free"-Läden keine Beförderung in das Drittlandsgebiet dar. Drittlandsgebiet ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist (§ 1 Abs. 2 a Satz 3 UStG). Das Gemeinschaftsgebiet umfasst dabei das Inland i.S. des § 1 Abs. 2 Satz 1 UStG und das Gebiet der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft.

Der Transitbereich gehört somit ungeachtet der von der Klägerin angeführten zoll- und sicherheitsrechtlichen Besonderheiten zum Inland und scheidet damit als Bestandteil des Drittlandsgebietes aus. Der Wortlaut der Vorschriften in § 1 Abs. 2 Satz 1, Abs. 2 a Satz 3, § 4 Nr. 1 Buchst. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist insoweit eindeutig. Einer anderen Auslegung aus teleologischen oder systematischen Erwägungen sind diese Regelungen nicht zugänglich, weil die Grenze einer möglichen Auslegung der Wortlaut der Norm ist. Im Übrigen besteht —entgegen der Auffassung der Klägerin— auch aus zollrechtlichen Erwägungen kein Anlass zu einer anderen Auslegung, weil der in § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG verwendete Begriff der Ausfuhrlieferung gerade nicht durch eine Bezugnahme auf das Zollrecht oder verbrauchsteuerrechtliche Bestimmungen definiert wird, sondern durch die Legaldefinition in § 6 Abs. 1 UStG.

c) Die „Duty-Free"-Verkäufe der Klägerin sind auch nicht nach § 4 Nr. 1 Buchst. a, § 6 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 a Nr. 1 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG liegt eine Ausfuhrlieferung vor, „wenn bei einer Lieferung…der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3, befördert oder versendet hat und ein ausländischer Abnehmer ist ...”. Zwar sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG insoweit erfüllt, als der Reisende die „Duty-Free"-Waren im Gebiet der Gemeinschaft erworben und in das Drittlandsgebiet befördert hat. Die Klägerin hat aber den nach § 6 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 UStG erforderlichen Abnehmernachweis nicht erbracht und damit nicht nachgewiesen, dass es sich um Ausfuhrlieferungen gehandelt hat.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus Art. 161, 162 ZK, § 27 ZollV. Der in § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG verwendete Begriff der Ausfuhrlieferung wird nicht durch eine Bezugnahme auf diese Vorschriften definiert, sondern durch die Legaldefinition in § 6 Abs. 1 UStG. Im Übrigen besteht auch zollrechtlich gemäß Art. 3 Abs. 1 ZK das Zollgebiet der Gemeinschaft grundsätzlich aus der Summe der Staatsgebiete der Mitgliedstaaten (Witte, Zollkodex, 3. Aufl., Wien/München 2002, Art. 3 Rz. 2).

In dem in § 6 Abs. 4 UStG, §§ 9, 17 UStDV aufgestellten Erfordernis eines Abnehmernachweises ist auch kein Verstoß gegen den verfassungsrechtlich geschützten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu sehen. Die Einsichtnahme in den Pass oder ein sonstiges Grenzübertrittspapier i.S. des § 17 UStDV ist das mildeste Mittel, um Aufschluss darüber zu erhalten, wo der Abnehmer seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Flugnummer reicht insoweit nicht, weil sie hierüber keine Auskunft gibt.

3. Die Regelungen über die Steuerbefreiung von Ausfuhrlieferungen in § 4 Nr. 1 Buchst. a, § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 6 Abs. 4 UStG stehen im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht.

a) Nach Art. 15 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten „Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden”. Der Begriff der Gemeinschaft umfasst dabei gemäß Art. 3 Abs. 1, 2. Spiegelstrich, Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG das Inland der Mitgliedstaaten i.S. des Art. 227 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EG). Danach ist als Inland das Hoheitsgebiet zu verstehen. § 6 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt daher die Regelung in Art. 15 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG zutreffend um. Es sind keine Gegenstände durch die Klägerin oder für deren Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert worden.

b) Ebenso wie § 6 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 UStG verlangt Art. 15 Nr. 2 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG einen Abnehmernachweis. Danach „gilt als nicht in der Gemeinschaft ansässiger Reisender ein Reisender, dessen Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt sich nicht in der Gemeinschaft befindet. Zur Anwendung dieser Bestimmung gilt als Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt der Ort, der im Reisepass, im Personalausweis oder in jedem sonstigen Dokument eingetragen ist, das in dem Mitgliedstaat, in dem die Lieferung erfolgt, als Identitätsnachweis anerkannt ist”. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses Erfordernis auf „Umsätze über den Ladentisch” beschränkt und auf Verkäufe im Transitbereich der Flughäfen nicht anwendbar sein könnte.

Insbesondere ergibt sich eine derartige Schlussfolgerung nicht aus Art. 15 Nr. 2 Unterabs. 3, 2. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG. Danach wird der Nachweis der Ausfuhr durch Rechnungen oder entsprechende Belege erbracht, die mit dem Sichtvermerk der Ausgangszollstelle der Gemeinschaft versehen sein müssen. Zum einen behandelt diese Bestimmung nicht den vorliegend streitigen Abnehmernachweis, sondern den Ausfuhrnachweis. Zum anderen lässt sich aus dieser Regelung lediglich herleiten, dass der Rat der Europäischen Gemeinschaften davon ausgegangen ist, dass auch bei der Lieferung von Gegenständen zur Mitführung im persönlichen Gepäck von Reisenden in den Transitbereichen von Flughäfen die Möglichkeit besteht, einen Sichtvermerk der Ausgangszollstelle der Gemeinschaft zu erhalten. Darüber, ob diese Möglichkeit in den Transitbereichen der Flughäfen, auf denen die Klägerin „Duty-Free"-Läden betreibt, besteht, hat das FG keine Feststellungen getroffen. Selbst wenn das aber, wie die Klägerin vorträgt, nicht der Fall sein sollte, lässt sich daraus nicht herleiten, dass das Verbringen der „Duty-Free"- Waren in den Transitbereich gegen den klaren Wortlaut des Art. 15 Nr. 2 Unterabs. 3, 1. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG als Beförderung durch den Verkäufer nach Orten außerhalb der Gemeinschaft anzusehen sein könnte.

c) An der Auslegung des insoweit unmissverständlichen Wortlautes des Art. 15 der Richtlinie 77/388/EWG gibt es keinen „vernünftigen Zweifel”. Auch die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache durch das FG begründet keine derartigen Zweifel; denn daraus lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht herleiten, dass das FG Zweifel an der Auslegung des Gemeinschaftsrechts gehabt hat. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergibt sich lediglich, dass anscheinend Belgien Art. 15 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG auf Umsätze in Duty-Free-Läden anwendet. Über eine entsprechende Praxis anderer EU-Staaten liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. Welche Überlegungen Belgien —und nach Vortrag der Klägerin früher auch die Kommission— bewogen haben mögen, eine Anwendung von Art. 15 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG in Betracht zu ziehen, ist dem Senat nicht bekannt. Zweifel an der Auslegung des eindeutigen Wortlautes des Art. 15 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ergeben sich für den Senat daraus nicht.

d) Zweifel an der Auslegung des Gemeinschaftsrechts ergeben sich auch nicht aus Art. 28k der Richtlinie 77/388/EWG. Die Regelung betrifft ausdrücklich den innergemeinschaftlichen Luft- und Seeverkehr „für die Zeit bis zum ”. Rückschlüsse auf die Auslegung von Art. 15 der Richtlinie 77/388/EWG lassen sich daraus nicht herleiten.

4. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung hält der Senat nicht für durchgreifend. Er sieht insoweit von einer Begründung ab (§ 126 Abs. 6 FGO).

Fundstelle(n):
BB 2006 S. 483 Nr. 9
BFH/NV 2006 S. 891 Nr. 4
DB 2006 S. 710 Nr. 13
DStRE 2006 S. 546 Nr. 9
DStZ 2006 S. 175 Nr. 6
HFR 2006 S. 493 Nr. 5
INF 2006 S. 250 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 8/2006 S. 557
StB 2006 S. 123 Nr. 4
StBW 2006 S. 5 Nr. 5
StuB-Bilanzreport Nr. 5/2006 S. 203
UR 2006 S. 274 Nr. 5
UStB 2006 S. 93 Nr. 4
WPg 2006 S. 391 Nr. 6
WPg 2006 S. 464 Nr. 7
FAAAB-77017