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BBK Nr. 7 vom Seite 319

Faktische Sofortabschreibung für Hard- und Software reloaded

Kritische Anmerkungen zum : „(Macht), was ihr wollt“

Bernd Rätke und Prof. Dr. Carsten Theile

[i]BMF, Schreiben v. 22.2.2022 - IV C 3 - S 2190/21/10002 :025 NWB HAAAI-04946 Vor einem Jahr erregte das in zweierlei Hinsicht viel Aufsehen: Materiell, weil mit der im Schreiben veröffentlichten Verwaltungsauffassung eine faktische Sofortabschreibung für Hard- und Software – sog. digitale AfA – als mit § 7 Abs. 1 EStG vereinbar erklärt wurde; formell, weil es schlicht rechtswidrig war und ist. Nun hat das BMF am ein neues Schreiben erlassen, welches das von vor einem Jahr ersetzt. Die Verfasser des vorliegenden Beitrags waren gespannt: Kehrt das BMF wieder auf den Boden von „Gesetz und Recht“ (Art. 20 Abs. 3 GG) zurück? Mitnichten – auch das Schreiben vom bleibt rechtswidrig. Warum das weiterhin so ist und was es gleichwohl Neues gibt, klärt dieser Beitrag.

I. Unveränderter Hintergrund und weitere Übereinstimmungen

[i]BMF, Schreiben v. 26.2.2021 - IV C 3 - S 2190/21/10002 :013 NWB GAAAH-72616 Zur Erinnerung: Als eine der Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise wurde in einer Videoschaltkonferenz zwischen der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten politisch beschlossen, bestimmte digitale Wirtschaftsgüter ab sofort abschreiben zu können. Die Umsetzung sollte „untergesetzlich“ erfolgen, was dann zum geführt hat. In diesem ist als Begründung allerdings nicht eine Corona-Maßnahme genannt, sondern der rasche technische Fortschritt, der für Computerhardware (Laptops, Workstations, Ein- und Ausgabegeräte usw.) sowie Betriebs- und Anwendersoftware (explizit: ERP-Software u. a.) „einem immer schnelleren Wandel“ unterläge.

[i]Rätke/Theile, Faktische Sofortabschreibung für Hard- und Software, BBK 8/2021 S. 377 NWB OAAAH-75386 Da die Nutzungsdauer seit rund zwanzig Jahren nicht mehr geprüft worden sei, bedürfe es nun „einer Anpassung an die geänderten tatsächlichen Verhältnisse“. Daher könne nun statt der bisherigen dreijährigen Nutzungsdauer für entsprechende Hardware und Standardsoftware und der bisherigen fünfjährigen Nutzungsdauer für Individualsoftware „eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr zugrunde gelegt werden“. S. 320

[i]Gleichbleibendes in beiden SchreibenSämtliche der hier wörtlich zitierten Passagen aus dem Vorspanntext und der Ziffer 1 des Schreibens vom finden sich exakt an gleicher Stelle auch im Schreiben vom . Auch die genaue Beschreibung der entsprechenden Wirtschaftsgüter, der persönliche Anwendungsbereich (Gewinnermittler und Wirtschaftsgüter des Privatvermögens, die zur Einkünfteerzielung verwendet werden) und zeitliche Anwendungsbereich (Wirtschaftsjahre, die nach dem enden) bleiben gleich. Ebenso werden die bisherigen Verwaltungsanweisungen der dreijährigen bzw. fünfjährigen Nutzungsdauer einkassiert.

Dies wirft dann doch die Frage auf: Was hat sich denn geändert?

II. „Präzisierungen“ im aktuellen

[i]Ausgestaltung als Wahlrecht?Fraglich war im alten Schreiben, ob durch die gewählte Formulierung, es „kann“ eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von einem Jahr zugrunde gelegt werden, ein Wahlrecht intendiert ist. Die Frage hat für den Steuerpflichtigen natürlich eine hohe materielle Bedeutung: „Muss“ er eine einjährige Nutzungsdauer annehmen, oder „kann“ er abweichend z. B. wie bisher auch von drei oder fünf Jahren ausgehen?

Interpretiert das BMF das Wort „kann“ nicht als Wahlrecht, sondern als Begünstigung, die dem Steuerpflichtigen ermöglichen soll, künftig höher abschreiben zu können, so besteht ein Risiko bei folgender Fallgestaltung: Angenommen, der Steuerpflichtige nimmt keine Sofortabschreibung in Anspruch, sondern schreibt wie bisher linear auf der Basis der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer ab. Bei einer Außenprüfung versteht der Außenprüfer das BMF-Schreiben jedoch nicht als Wahlrecht, sondern geht von einer Pflicht zur Sofortabschreibung aus und akzeptiert deshalb die lineare AfA in den Folgejahren nicht. In dieser Konstellation kann es zu einer Auseinandersetzung vor dem FG kommen, das dann über das BMF-Schreiben entscheiden muss.

[i]Thiele/Jansen, Bilanzierung von Software beim Anwender, NWB 1/2022 S. 29 NWB SAAAI-00813 Andererseits ist schon zum alten Schreiben unterstellt worden, es läge nach Auffassung des BMF hinsichtlich der Nutzungsdauer ein Wahlrecht vor. Dann aber, so die nahe liegende Schlussfolgerung, handele es sich auch um einen Anwendungsfall des § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG.

Dem tritt das BMF jedoch – und zu Recht – entschieden entgegen. So heißt es deutlich: „Die betroffenen Wirtschaftsgüter unterliegen auch weiterhin § 7 Absatz 1 EStG.“ Und: „Die Anwendung der kürzeren Nutzungsdauer [= ein Jahr, die Verfasser] stellt zudem auch kein Wahlrecht im Sinne des § 5 Absatz 1 EStG dar.“ Formale Konsequenz ist, dass „die Wirtschaftsgüter in das nach R 5.4 EStR 2012 zu führende Bestandsverzeichnis aufzunehmen sind“.

[i]Kein Anwendungsfall von § 5 Abs. 1 EStGFolglich scheint mit dem vorliegenden neuen Schreiben auch das oben skizzierte Risiko der Beschäftigung des FG nun vom Tisch, ohne dass von einem Wahlrecht zur Nutzungsdauer gesprochen wird, was es in der Tat – dazu nachfolgend mehr – auch nicht geben kann. Stattdessen gelte, so das BMF, eine „grundsätzlich anzunehmende Nutzungsdauer von einem Jahr“, aber der Steuerpflichtige kann „von dieser Annahme auch abweichen“. Darüber hinaus wird es auch „nicht beanstandet, wenn abweichend zu § 7 Absatz 1 Satz 4 EStG die Abschreibung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Höhe vorgenommen wird.“ S. 321

Ergebnis:

Damit [i]Finanzverwaltung muss sämtliche Nutzungsdauern akzeptierenwird nun deutlich, dass die Finanzverwaltung angewiesen wird, jegliche Nutzungsdauerangabe des Steuerpflichtigen zu akzeptieren.

Dies hat schon Shakespeare-komödiantische Züge, ist aber kein Witz: (Macht), was ihr wollt! Anzunehmen ist, dass Steuerpflichtige sich über diese vermeintliche Komödie nicht beschweren werden. Und doch ist das zu kurz gedacht, denn bei Lichte besehen handelt es sich um ein Trauerspiel.

III. Kritische Würdigung des neuen Schreibens

1. Verstoß gegen geltendes Recht

[i]Zeitdruck als Begründung für untergesetzliche RegelungDas BMF steckt in einem politisch verursachten Dilemma: Politische Entscheidungsträger wollen den Steuerpflichtigen mit der schnellen Abschreibung digitaler Wirtschaftsgüter etwas Gutes tun, wobei hier ausdrücklich offengelassen werden soll, ob und wem das wirklich nützt. Weil es schnell gehen sollte, hielt man eine „untergesetzliche“ Regelung für die geeignete Maßnahme.

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