Online-Nachricht - Donnerstag, 09.07.2020

Einkommensteuer | Berücksichtigung eines Verlusts aus dem Verzicht auf ein Gesellschafterdarlehen (BFH)

Auf Kapitalerträge aus Kapitalforderungen, die zum Zeitpunkt des vor dem erfolgten Erwerbs zwar Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 in der am anzuwendenden Fassung (EStG a.F.), aber nicht Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. (sog. Finanzinnovationen) sind, ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 vom nicht anzuwenden (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach der durch Art. 1 Nr. 16 des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG) neu eingeführten Regelung in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG bestimmt, dass zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art gehören, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt - und zwar ohne Rücksicht auf die Bezeichnung und die zivilrechtliche Ausgestaltung der Kapitalanlage.

Sachverhalt: Der Kläger war im Streitjahr 2011 am Stammkapital der GmbH in Höhe von 250.000 € mit einer Stammeinlage von 75.000 € zu 30 % beteiligt. Zugleich war er einer von zwei alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern der C-GmbH. 2003 schloss die GmbH (vertreten durch den Kläger) mit einer Bank einen Darlehensvertrag. Als Sicherheit dienten u.a. die Verpfändung eines Festgeldkontos des Klägers sowie Grundschulden des Klägers. Anfang 2007 stellte der Kläger der GmbH ein Darlehen zur Verfügung; mit Vertrag v. erklärte der Kläger gegenüber der GmbH bzgl. des Darlehens einen Rangrücktritt hinter alle Ansprüche anderer gegenwärtiger und zukünftiger Gläubiger der GmbH. Das Darlehen diente der Ablösung des Darlehens der GmbH mit der Bank.

Nach Einführung der Abgeltungsteuer verzichteten der Kläger sowie alle weiteren Gesellschafter mit Gesellschafterbeschluss vom auf die der GmbH ausgereichten Darlehen. Ende 2011 verkaufte der Kläger seinen Gesellschaftsanteil zum Preis von 30.000 €. In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger einen Verlust aus der GmbH-Beteiligung geltend. Dieser setzte sich aus dem Verlust aus der Veräußerung des Stammkapitals und dem Gesellschafterdarlehen (Ansatz jeweils 60 %) zusammen. Das FA setzte als Veräußerungsverlust nach § 17 EStG lediglich 60 % des Verlustes aus der Veräußerung des Stammkapitals des Klägers an. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg (, s. hierzu Deutschländer, ).

Der BFH dagegen hob die erstinstanzliche Entscheidung auf und wies die Klage ab:

  • Der vom Kläger geltend gemachte Verlust aus dem Verzicht auf sein Gesellschafterdarlehen ist nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.

  • Nach § 52 Abs. 28 Satz 15 EStG n.F. ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 erstmals auf nach dem zufließende Kapitalerträge aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen anzuwenden.

  • Für Kapitalerträge aus Kapitalforderungen, die zum Zeitpunkt des vor dem erfolgten Erwerbs zwar Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 in der am anzuwendenden Fassung (EStG a.F.), aber nicht Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. (sog. Finanzinnovationen) sind, ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 nicht anzuwenden (§ 52 Abs. 28 Satz 16 EStG n.F.).

  • Zwar erfüllt das im Jahr 2007 begründete, rückzahlbare und festverzinsliche Darlehen des Klägers die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F., stellt aber keine Finanzinnovation i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. dar.

  • § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG ist nur auf Sachverhalte anwendbar, für die der Anwendungsbereich der durch das UntStRefG 2008 vom (BGBl I 2007, 1912) neu eingeführten Veräußerungstatbestände in § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG eröffnet ist.

  • Die bis zum Senatsurteil vom - IX R 36/15, BStBl II 2019, 208 anerkannten Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum geleistet hatte oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden war und er keinen Antrag auf Anwendung der Neuregelung in § 17 Abs. 2a EStG i.V.m. § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG i.d.F. des "JStG 2019" gestellt hat.

Anmerkung von Dr. Nils Trossen, Richter am Bundesfinanzhof, München:

Die Entscheidung befasst sich mit der seit den und v. praxisrelevanten Frage der Berücksichtigung eines Verlusts aus einem Gesellschafterdarlehen im Rahmen des § 17 EStG oder im Rahmen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG. Die Streitfrage stellt sich dabei im Wesentlichen für Darlehen, die nach Inkrafttreten der Abgeltungssteuer ab hingegeben wurden. Denn ansonsten ist die Gesellschafterforderung nach § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG vom Anwendungsbereich der Abgeltungssteuer ausgenommen. Dies hat der BFH bereits mit entschieden.

Daher kann auf der Grundlage der nur eine Berücksichtigung aufgrund der in der Entscheidung getroffenen Vertrauensschutzregelung bei § 17 EStG in Betracht kommen. Diese Vertrauensschutzregelung war zuletzt mit bestätigt worden.

Bei Darlehen, die auf der Grundlage der Vertrauensschutzregelung berücksichtigt werden können, stellt sich das Verhältnis der vom BFH getroffenen Vertrauensschutzregelung zum Antragsrecht auf Anwendung der Neuregelung des § 17 Abs. 2a EStG nach § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG. Danach kann auf Antrag § 17 Abs. 2a EStG auch auf Veräußerungen/Auflösungen vor dem angewandt werden. Da hier ein Antrag auf Anwendung des § 17 Abs. 2a EStG nicht gestellt worden war (dieser kann noch im laufenden Verfahren vor dem Finanzgericht und dem BFH bis zur Rechtskraft gestellt werden), kam die Vertrauensschutzregelung aus dem Urteil zur Anwendung. Diese entfällt nicht im Hinblick auf das ebenfalls eine Vertrauensschutzregelung darstellende Optionsrecht in § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG.

Fundstelle(n):
NWB KAAAH-53169