OFD Nordrhein-Westfalen - S 2242 - 2014/0003 - St 115

Anteile an einer Komplementär-GmbH als funktional wesentliche Betriebsgrundlage

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Beteiligung an einer Komplementär-GmbH eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage darstellt, ist davon auszugehen, dass die Beteiligung nicht generell zum funktional wesentlichen Sonderbetriebsvermögen II des Kommanditisten gehört. Maßgebend sind vielmehr die Umstände des jeweiligen Einzelfalles:

I. Allgemeine Entscheidungsgrundlagen

Im Hinblick auf die normspezifische Auslegung des Begriffs der wesentlichen Betriebsgrundlage im Bereich des § 6 Abs. 3 EStG und der §§ 20, 24 UmwStG steht hier die Frage im Vordergrund, ob die Beteiligung des Kommanditisten an der Komplementär-GmbH in funktionaler Hinsicht als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen ist.

Da sie dem Sonderbetriebsvermögen II zuzuordnen ist, setzt dies voraus, dass die Beteiligung wesentliche Grundlage für die Mitunternehmerstellung des Kommanditisten ist.

Eine eindeutige BFH-Rechtsprechung zu der hier angesprochenen Frage liegt bisher nicht vor. Die überwiegende Literaturmeinung beurteilt die Beteiligung an der Komplementär-GmbH generell als wesentliche Grundlage des Mitunternehmeranteils des Kommanditisten (vgl. Patt in D/P/P/M § 20 UmwStG Rdn. 137 m. w. N.).

Die BFH-Rechtsprechung rechnet die Anteile des Kommanditisten an der Komplementär-GmbH dem notwendigen Sonderbetriebsvermögen II zu, weil diese Beteiligung der Stärkung der Gesellschafterstellung des Kommanditisten in der GmbH & Co. KG dient, indem dieser durch die Wahrnehmung seiner Rechte aus der Beteiligung an der Komplementär-GmbH die Möglichkeiten seiner Einflussnahme auf die GmbH & Co. KG erweitert (vgl. BStBl 1988 II S. 667).

Auch wenn sich aus dieser Betrachtung nicht zwangsläufig eine generelle Qualifikation der Beteiligung an der Komplementär-GmbH als funktional wesentliche Betriebsgrundlage für die Mitunternehmerstellung des Kommanditisten ergibt, ist nicht zu verkennen, dass die „Stärkung der Gesellschafterstellung des Kommanditisten in der KG” eine funktionale Bedeutung der Beteiligung für die Mitunternehmerstellung beinhaltet, die durch die Haftungsübernahme durch die Komplementär-GmbH noch verstärkt wird.

Die Annahme einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage setzt ferner nicht voraus, dass das betreffende Wirtschaftsgut unabdingbare Voraussetzung für den Betrieb oder – hier – für die Mitunternehmerstellung ist. Ein Wirtschaftsgut des notwendigen Betriebsvermögens ist unter funktionalen Gesichtspunkten im Regelfall nur dann keine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn es wirtschaftlich für den Betrieb bzw. für die Mitunternehmerstellung keine oder nur geringe Bedeutung hat.

Dementsprechend stellt die Beteiligung des Kommanditisten an der Komplementär-GmbH nur dann keine wesentliche Betriebsgrundlage für seine Mitunternehmerstellung dar, wenn die durch diese Beteiligung bewirkte „Stärkung der Gesellschafterstellung des Kommanditisten in der GmbH & Co. KG” von wirtschaftlich untergeordneter Bedeutung ist. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse.

Hiervon ausgehend ergeben sich unter Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung,

je nach Fallgestaltung folgende Beurteilungen:

II. Komplementär-GmbH, deren Tätigkeit sich auf die Geschäftsführung einer einzigen KG beschränkt

Nach bisheriger Verwaltungsauffassung handelte es sich bei der Beteiligung des Kommanditisten an der Komplementär-GmbH bereits immer dann um eine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn die Komplementär-GmbH selbst am Vermögen sowie am Gewinn und Verlust der KG beteiligt ist. An dieser Auffassung wird nach dem , inzwischen nicht mehr festgehalten.

Nunmehr sind, unabhängig davon, ob die Komplementär-GmbH am Vermögen sowie am Gewinn und Verlust der KG beteiligt ist, die folgenden Fälle zu unterscheiden:

1. Kommanditanteil < 50 % oder = 50 %

Die wirtschaftliche Bedeutung der Beteiligung an der Komplementär-GmbH für den nicht mehrheitlich an der GmbH & Co. KG beteiligten Kommanditisten ergibt sich aus der mit der Gesellschafterstellung bei der GmbH verbundenen Möglichkeit der Einflussnahme auf die Geschäftsführung der GmbH, die zur Geschäftsführung der GmbH & Co. KG berufen ist (vgl. §§ 164, 116 HGB). Diese Möglichkeit der Einflussnahme ist aber nur dann wirtschaftlich von Bedeutung und begründet nur dann eine funktionale Wesentlichkeit der Beteiligung, wenn der Kommanditist die Mehrheit der Stimmrechte an der Komplementär-GmbH besitzt und hierüber in der Lage ist, seinen geschäftlichen Betätigungswillen in der GmbH & Co. KG über die GmbH durchzusetzen.

Mit Urteil vom (BStBl 2015 II, 705) hat der BFH entschieden, dass eine Einflussnahme jedenfalls bei einem Gesellschafter, dessen Beteiligung an der Komplementär-GmbH unter 10 % liegt, regelmäßig ausgeschlossen ist. In diesem Fall ist es, ausgehend von dem in § 47 Abs. 1 des GmbHG gesetzlich normierten Regelfall, wonach die Abstimmung in der Gesellschaft nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen erfolgt, dem Gesellschafter unter keinem denkbaren Gesichtspunkt möglich, auf die Geschäftsführung der Komplementär-GmbH und damit mittelbar auf deren Geschäftsführungstätigkeit in der KG Einfluss zu nehmen.

Demgegenüber ist eine Minderheitsbeteiligung stets dem Sonderbetriebsvermögen II zuzuordnen, wenn eine Beschlussfassung nur unter Mitwirkung des Minderheitsgesellschafters möglich ist, weil eine Mehrheit von Stimmen erforderlich ist, die nur unter Einschluss der Stimmen des Minderheitsgesellschafters erreicht werden kann, oder sogar Einstimmigkeit vorgeschrieben ist.

Ist der Kommanditist aufgrund der Stimmrechtsverhältnisse in der GmbH nicht in der Lage, maßgebend auf die GmbH Einfluss zu nehmen, so hat er zwar eine stärkere Stellung als ein „Nur-Kommanditist”, weil er als Gesellschafter der GmbH bei Entscheidungen mitwirken kann, die die Geschäftsführung der GmbH & Co. KG betreffen, doch ist diese Beteiligung wirtschaftlich von geringer Bedeutung, weil die mittelbaren Einflussnahmemöglichkeiten auf die GmbH & Co. KG nicht über die bereits bestehenden Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte des Kommanditisten (vgl. §§ 164, 166 HGB) hinausgehen.

Ist der Kommanditist beherrschender Gesellschafter der GmbH, ist die Beteiligung an der Komplementär-GmbH als funktional wesentliche Grundlage seiner Mitunternehmerstellung anzusehen, unabhängig davon, ob er gleichzeitig auch Geschäftsführer der GmbH & Co. KG oder der GmbH ist. Entscheidend ist insoweit allein die gesellschaftsrechtliche Stellung des Kommanditisten in der GmbH.

2. Kommanditanteil > 50 % und < 100 %

Ist der Kommanditist bereits mehrheitlich an der GmbH & Co. KG beteiligt, so sind die neben den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten des Kommanditisten (vgl. §§ 164, 166 HGB) bestehenden Einflussnahmemöglichkeiten über die Gesellschafterstellung bei der Komplementär-GmbH wirtschaftlich nur von untergeordneter Bedeutung. Sie werden nur unwesentlich gestärkt, weil er aufgrund der mehrheitlichen Beteiligung an der GmbH & Co. KG bereits dort seinen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen kann. Die Beteiligung an der Komplementär-GmbH stellt in diesem Fall keine funktional wesentliche Betriebsgrundlage dar.

3. Kommanditanteil 100 % bzw. die vermögensmäßig beteiligte Komplementär-GmbH ist neben dem Kommanditisten einzige Gesellschafterin der KG

Wie im Falle einer mehrheitlichen Beteiligung des Kommanditisten an der KG (vorstehende Fallgestaltung 2) dient die GmbH-Beteiligung auch hier nicht einer wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Verstärkung des Einflusses auf die Geschäftsführung der KG. Ist neben dem Kommanditisten jedoch nur noch die Komplementär-GmbH Gesellschafterin der KG, handelt es sich also um eine Zweipersonengesellschaft, ist eine andere Beurteilung geboten. In diesem Fall stellt die Beteiligung an der Komplementär-GmbH deshalb eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage für die Mitunternehmerstellung des Kommanditisten dar, weil die GmbH aus dessen Sicht benötigt wird, um überhaupt eine Personengesellschaft und damit eine Kommanditistenstellung mit der entsprechenden Haftungsbegrenzung zu begründen und zu erhalten. Dies gilt unabhängig davon, in welchem Umfang der Kommanditist an der GmbH beteiligt ist.

4. Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft

Bei dem Formwechsel einer GmbH & Co KG in eine Kapitalgesellschaft, der steuerlich wie die Einbringung des Betriebs einer Kommanditgesellschaft behandelt wird, besteht die Besonderheit, dass die bisherige Komplementärstellung infolge der Einbringung aus rechtlichen Gründen zwangsläufig gegenstandslos werden muss, weil die vermögenslos werdende Kommanditgesellschaft infolge des Umwandlungsakts von Rechts wegen erlischt. Eine Übertragung auch der Beteiligung an der bisherigen Komplementärgesellschaft, deren Tätigkeit sich auf die Geschäftsführungsfunktion bei der Kommanditgesellschaft beschränkt hat, wäre somit wirtschaftlich ohne Sinn. Es kann deshalb in diesem Fall nicht davon ausgegangen werden, dass der vormalige Kommanditist mit der Beteiligung an der Komplementär-GmbH etwas für den übertragenen Mitunternehmeranteil Wesentliches zurückbehalten hat (, BStBl 2010 II, 808).

III. Komplementär-GmbH mit eigenem Geschäftsbetrieb von nicht untergeordneter Bedeutung

1. Geschäftsbetrieb ohne Zusammenhang mit dem Betrieb der KG

Unterhält die GmbH – neben ihrer Geschäftsführertätigkeit für die GmbH & Co. KG – einen Geschäftsbetrieb von nicht untergeordneter Bedeutung, ist davon auszugehen, dass beide Gesellschaften – und damit auch die Interessen der Gesellschafter – gleichrangig nebeneinander stehen. In diesem Fall gehören die Anteile der Kommanditisten an der Komplementär-GmbH schon deshalb nicht zu deren notwendigem Sonderbetriebsvermögen II (vgl. BStBl. 1986 II, 55, vom , BStBl. 1991 II, 510 und vom , BStBl. 1993 II, 328, vgl. Tz. 1 der Vfg. der [1]) und stellen keine funktional wesentliche Betriebsgrundlage dar.

2. Geschäftsbetrieb im Zusammenhang mit dem Betrieb der KG

Ist die GmbH aufgrund von Geschäftsbeziehungen – über ihre gesellschaftsrechtliche Beteiligung als Komplementärin und ihre Geschäftsführertätigkeit hinaus – auch wirtschaftlich mit der GmbH & Co. KG verflochten, gehören die Anteile zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen II, wenn aus Sicht der GmbH & Co. KG die Geschäftsbeziehung zur GmbH von nicht geringer Bedeutung ist. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die GmbH über die Geschäftsführung für die GmbH & Co. KG hinaus auch den Alleinvertrieb für die Produkte der GmbH & Co. KG übernommen hat (vgl. Tz. 1 der ). Aufgrund dieser wirtschaftlichen Bedeutung der Beteiligung stellt diese auch immer eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage dar.

IV. GmbH ist Komplementärin mehrerer KG

1. Beschränkung auf die Geschäftsführung dieser GmbH & Co KGen

Ist die GmbH Komplementärin mehrerer Kommanditgesellschaften und beschränkt sich ihre Tätigkeit auf die Geschäftsführung dieser GmbH & Co KGen, sind die GmbH-Anteile nur dem notwendigen Sonderbetriebsvermögen II der Kommanditisten der zuerst gegründeten GmbH & Co KG zuzurechnen.

Die Frage, ob die Beteiligung an der Komplementär-GmbH eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage darstellt, ist für den jeweiligen Übertragungs- oder Einbringungsvorgang nach den unter II. und III. dargestellten Grundsätzen nur für die GmbH & CO KG zu prüfen, zu deren Sonderbetriebsvermögen II die Beteiligung an der Komplementär-GmbH gehört. Bei den anderen GmbH & Co KGen liegt eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage bereits deshalb nicht vor, weil die Beteiligung an der Komplementär-GmbH bei diesen Gesellschaften nicht zum Betriebsvermögen gehört.

2. GmbH mit eigenem Geschäftsbetrieb von nicht ganz untergeordneter Bedeutung als Komplementärin mehrerer GmbH & Co KGen

Betreibt die Komplementär-GmbH neben ihrer Geschäftsführertätigkeit für die GmbH & Co KG noch einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht ganz untergeordneter Bedeutung, so gehören die GmbH-Anteile grundsätzlich nicht zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen II bei der Kommanditgesellschaft, sie können aber als gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen aktiviert werden (, BStBl 1993 II, 328).

Ist der eigene Geschäftsbetrieb der GmbH allerdings wirtschaftlich mit der GmbH & KG verflochten und sind aus deren Sicht die Geschäftsbeziehungen zur GmbH von nicht geringer Bedeutung, so gehören die GmbH-Anteile trotz des eigenen Geschäftsbetriebes zum notwendigen Betriebsvermögen II (vgl. Tz. 2 der ).

Ist die GmbH in diesen Fällen Komplementärin mehrerer GmbH & Co KGen, so gilt Folgendes:

Bestehen Geschäftsbeziehungen der Komplementär-GmbH nur zu einer GmbH & Co KG und sind diese aus Sicht dieser GmbH & Co KG von nicht geringer Bedeutung, sind die GmbH-Anteile im Sonderbetriebsvermögen II der Kommanditisten bei dieser GmbH & Co KG zu bilanzieren und als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen.

Bestehen dagegen Geschäftsbeziehungen zu mehreren GmbH & Co KGen, die für diese jeweils nicht von geringer Bedeutung sind, sind die GmbH-Anteile dem Sonderbetriebsvermögen der Kommanditisten der zuerst gegründeten GmbH & Co KG zuzuordnen, mit der Geschäftsbeziehungen im obigen Sinne unterhalten werden.

Nummer 1 Satz 2 und 3 ist sinngemäß anzuwenden.

Diese Grundsätze gelten entsprechend in Fällen der Beteiligung der Komplementär-GmbH am Vermögen sowie am Gewinn und Verlust der GmbH & Co KG.

Hinweis:

Die ESt-Kurzinformation 56/2002 der OFD Münster wird hierdurch gegenstandslos.

OFD Nordrhein-Westfalen v. - S 2242 - 2014/0003 - St 115

Fundstelle(n):
UAAAG-70011

1Vgl. auch