BBK Nr. 21 vom Seite 977

Nach fest kommt ab – Rechtsprechung als Reparaturbetrieb

Christoph Linkemann | verantw. Redakteur | bbk-redaktion@nwb.de

[i]Rechtsprechung zur Kassenführung kaum verallgemeinerbar Wer die Rechtsprechung zur Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung insbesondere bei der EÜR verfolgt, kennt die Gemeinsamkeiten der entschiedenen Fälle: Die Unternehmen gehören zum Kreis der „üblichen Verdächtigen“, sind Gastwirt, Taxiunternehmer, Friseur oder betreiben eine Kfz-Werkstatt, führen eher wenige bis kaum brauchbare Aufzeichnungen und erzeugen so beim Betriebsprüfer (und nicht selten auch schon beim Berater) massive Zweifel an der Qualität und Vertrauenswürdigkeit der Buchführung – Zweifel, die sich jedoch nicht mit vertretbarem Aufwand oder mittels plausibler Nachkalkulation oder Geldverkehrsrechnung überprüfen lassen. Landen diese Fälle später vor dem Finanzgericht, billigen die Gerichte in einer großen Zahl von Fällen die Hinzuschätzungen des Finanzamts. [i]Reckendorf, Was sind eigentlich Programmierprotokolle?, BBK 17/2017 S. 796 NWB KAAAG-54734 Aus den Begründungen dieser Entscheidungen lassen sich aber fast nie allgemeingültige Schlussfolgerungen ziehen, wie sich denn nun die Rechtslage darstellt, denn zu sehr bestimmt das Ergebnis die Begründung, die häufig aus einigen allgemeinen Passagen oder Textbausteinen zu den §§ 146, 147 AO besteht und formelle Mängel rügt, derer sich der Unternehmer schuldig gemacht hat.

Der Kern des Problems liegt aber woanders: nämlich im Gesetz. Die Vorschriften zur 4/3-Rechnung sind nur rudimentär ausformuliert, und es ist keineswegs so klar wie es notwendig ist, in welchem Ausmaß die Buchführungsvorschriften der Abgabenordnung für den 4/3-Rechner gelten, der ja eben nicht die umfangreichen Vorschriften zur Buchführung erfüllen muss. Schon eine geordnete Belegablage reicht, Bestandsführungen sind nicht gefordert, auch nicht für den Kassenbestand, selbst wenn es klug wäre, ihn aufzuzeichnen. BBK-Herausgeber sieht jedenfalls im Fazit seines Beitrags ab mit der durchaus provokanten Frage, ob es überhaupt eine Aufzeichnungspflicht bei der 4/3-Rechnung gibt, die Lösung letztlich beim Gesetzgeber. Die Rechtsprechung kann sich zwar eine lange Zeit als Reparaturbetrieb betätigen und die Schrauben des Gesetzes in diesen Fällen weiter anziehen. [i]Becker, Das Kassengesetz auf dem Gabentisch – und was nun?, BBK 3/2017 S. 116 NWB OAAAG-35906 Aber irgendwann stößt diese Vorgehensweise an Grenzen, wie jeder Heimwerker weiß: Nach fest kommt ab. Und als überzeugendes Handwerk gehen pauschale Worthülsen auch nicht durch. Vor Gericht sollte es eine tragfähige Rechtsgrundlage geben und kein Bauchgefühl. Dass das Kassengesetz vom Ende letzten Jahres konzeptionell kein großer Wurf war und keine Hilfe, hat in ebenfalls ausführlich begründet; vor dem Hintergrund der 4/3-Rechnung ist das umso ärgerlicher für die Unternehmer. Es mutet fast zynisch an, einerseits Bürokratieabbau zu propagieren und die Umsatzgrenzen für die EÜR anzuheben und andererseits implizit über die Rechtsprechung die gleichen Pflichten wie für den Bestandsvergleich zu fordern.

Beste Grüße

Christoph Linkemann

Fundstelle(n):
BBK 2017 Seite 977
NWB KAAAG-60637