BVerwG Urteil v. - 2 C 25/15

Ruhen von Versorgungsbezügen wegen besonderer persönlicher Nähe zum System der ehemaligen DDR

Leitsatz

1. Die Parteihochschule "Karl Marx" beim Zentralkomitee der SED war eine der Akademie für Staat und Recht vergleichbare Bildungseinrichtung im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BBesG.

2. Um die in § 30 Abs. 2 Satz 2 BBesG enthaltene Vermutung zu widerlegen, dass eine bestimmte Tätigkeit aufgrund einer besonderen persönlichen Nähe zum System der ehemaligen DDR übertragen war, muss zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass die Erfüllung eines der in dieser Vorschrift enthaltenen Beispielsfälle nicht einmal eine von womöglich mehreren Ursachen für die Übertragung der Tätigkeit gewesen ist.

3. Die von § 30 Abs. 1 Satz 2 BBesG bewirkte Erfassung von Zeiten, die vor einer solchen Tätigkeit zurückgelegt worden sind, reicht bei der Bestimmung der Höchstgrenze im Rahmen des § 55 Abs. 2 BeamtVG bis zur Vollendung des siebzehnten Lebensjahrs zurück.

4. Dieses Regelungsgefüge verstößt weder gegen Art. 33 Abs. 5 GG (Alimentationsgrundsatz) noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Es hält sich im Rahmen der weiten Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis des Gesetzgebers. Jedem Beamten, dem aufgrund besonderer persönlicher Nähe zum System der ehemaligen DDR dort eine Tätigkeit i.S.v. § 30 Abs. 2 BBesG übertragen war, verbleibt bei wirtschaftlicher Betrachtung zumindest die im Dienste der Bundesrepublik Deutschland "erdiente" Versorgung und in jedem Fall die Mindestversorgung des § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG.

Gesetze: § 28 BBesG, § 30 BBesG, § 30 Abs 2 S 2 BBesG, § 12a BeamtVG, § 14 Abs 4 S 1 BeamtVG, § 55 BeamtVG, § 55 Abs 2 BeamtVG, Art 3 Abs 1 GG, Art 33 Abs 5 GG, § 108 Abs 1 S 1 VwGO, § 86 Abs 1 S 1 VwGO

Instanzenzug: Az: 28 K 253.11 Urteil

Tatbestand

1Die Beteiligten streiten um das teilweise Ruhen von Versorgungsbezügen aufgrund besonderer persönlicher Nähe des Versorgungsempfängers zum System der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik.

2Der 1945 geborene Kläger besuchte von 1953 bis 1965 die Polytechnische Schule bzw. Erweiterte Oberschule in Ostberlin. Von 1962 bis Oktober 1965 absolvierte er schulbegleitend eine Ausbildung als Elektromechaniker. Daran schloss sich bis Oktober 1970 das Studium der Ingenieurökonomie an der Technischen Universität Dresden an. Ab Oktober 1970 bis 1973 arbeitete er hauptberuflich als Planer im Institut für Nachrichtentechnik. Ab 1973 bis 1976 arbeitete der Kläger in der Zentralen Staatlichen Preiskontrolle für Investitionen (ZSPI) des Amtes für Preise, einem Organ des Ministerrats der DDR. Von 1976 bis 1979 war er als persönlicher Mitarbeiter beim Staatssekretär des Amtes für Preise tätig. In diesem Zeitraum nahm er an einer 16-monatigen berufsbegleitenden "Fortbildung von Nachwuchskadern für Leitungsfunktionen" der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft teil. Von 1979 bis 1982 absolvierte der Kläger ein Studium an der Parteihochschule "Karl Marx" beim Zentralkomitee der SED, das er mit dem akademischen Grad "Diplom-Gesellschaftswissenschaftler" abschloss. Im unmittelbaren Anschluss an dieses Studium wurde er im Juli 1982 zum Stellvertreter des Leiters der ZSPI ernannt.

3Ab Juli 1990 war der Kläger als Prüfer beim Rechnungshof der DDR tätig. Ab dem wurde sein Arbeitsverhältnis im Angestelltenverhältnis beim Bundesrechnungshof fortgesetzt. Im Juli 1994 wurde er unter Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Regierungsrat z.A. ernannt. 2007 wurde er zum Ministerialrat (Besoldungsgruppe A 16 BBesO) befördert. Ab Januar 2009 war er im Statusamt eines Leitenden Regierungsdirektors tätig.

4Mit Bescheid vom setzte der Präsident des Bundesrechnungshofes das Ruhegehalt des Klägers auf der Grundlage eines Ruhegehaltsatzes von 37,8 % und eines Grundgehaltes der Besoldungsgruppe A 16 auf 2 199,94 € fest.

5Mit Rentenbescheid vom setzte die Deutsche Rentenversicherung die gesetzliche Altersrente des Klägers für seine in der DDR sowie ab dem im Angestelltenverhältnis geleisteten Dienstzeiten ab dem auf 865,61 € fest.

6Mit Bescheid vom setzte die Beklagte die auszuzahlenden Versorgungsbezüge des Klägers auf 1 411,88 € fest. Die Gesamtversorgung des Klägers bestehend aus Rente und Versorgungsbezügen überschreite die maßgebliche Höchstgrenze um 795,82 €. In dieser Höhe ruhten seine Versorgungsbezüge.

7Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück. Seine Klage hat teilweise Erfolg gehabt. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom insoweit aufgehoben, als bei der Höchstgrenzenfestsetzung auch der Zeitraum vom bis zum abgezogen worden ist. Die Beklagte habe die Höchstgrenze fehlerhaft bestimmt und daher zu Unrecht deren Überschreitung angenommen. Dem Grundsatz nach habe die Beklagte zwar zu Recht Zeiten ab 1970, dem Beginn der Berufstätigkeit des Klägers, in Abzug gebracht. Dem Kläger sei die Tätigkeit als Stellvertreter des Leiters der ZSPI aufgrund einer besonderen persönlichen Nähe zum System der ehemaligen DDR übertragen worden. Dieser Umstand führe nach dem Gesetz auch zum Ausschluss vorheriger Zeiten. Allerdings führe eine gesetzessystematische Auslegung zu einer Begrenzung dieses Ausschlusses. Seien bestimmte Zeiten für die besoldungsrechtliche Zuordnung zu Erfahrungsstufen nicht anerkennungsfähig, schließe dies auch ihren Abzug bei der Berechnung der versorgungsrechtlichen Höchstgrenze aus. Dies gelte hier für die Zeiten von Ausbildung und Studium des Klägers von 1962 bis 1970.

8Kläger und Beklagte haben hiergegen die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt.

9Der Kläger hält es für rechtswidrig, dass die Zeiten von 1970 bis 1990 von der Anerkennung als ruhegehaltfähige Dienstzeit ausgeschlossen bleiben. Seine berufliche Tätigkeit sei ihm aufgrund seiner Leistung und Qualifikation übertragen worden. Die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen seien verfassungswidrig.

10Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass der Zeitraum vom bis als ruhegehaltfähige Dienstzeit des Klägers zu berücksichtigen ist, und den Bescheid der Bundesfinanzdirektion Mitte vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom aufzuheben, soweit sie dieser Feststellung entgegenstehen,

und

die Sprungrevision der Beklagten zurückzuweisen.

11Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom aufzuheben, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen

und

die Sprungrevision des Klägers zurückzuweisen.

Gründe

12Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Zeitraum der Berufstätigkeit des Klägers in der DDR vom bis zum sei bei der Bestimmung der Höchstgrenze im Rahmen der Ruhensberechnung nicht zu berücksichtigen, verletzt kein Bundesrecht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO (1.). Die Sprungrevision der Beklagten ist dagegen zulässig und begründet. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Zeitraum von Ausbildung und Studium des Klägers vom bis sei bei der Berechnung der Höchstgrenze zu beachten, verletzt Bundesrecht (2.).

131. Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) in der maßgeblichen, zum Zeitpunkt des Eintritts des Klägers in den Ruhestand am und - soweit hier von Bedeutung - bis heute unverändert geltenden Fassung vom (BGBl. I S. 150) werden Versorgungsbezüge neben Renten nur bis zum Erreichen der in Absatz 2 bezeichneten Höchstgrenze gezahlt. Zu den Renten im Sinne dieser Vorschrift gehören gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG Renten der gesetzlichen Rentenversicherungen, wie sie der Kläger bezieht.

14Gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG gelten als Höchstgrenze für Ruhestandsbeamte der Betrag, der sich als Ruhegehalt zuzüglich des Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1 BeamtVG ergeben würde, wenn der Berechnung bei den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen die Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der sich das Ruhegehalt berechnet (Buchst. a) und als ruhegehaltfähige Dienstzeit - soweit hier von Bedeutung - die Zeit vom vollendeten siebzehnten Lebensjahr bis zum Eintritt des Versorgungsfalles abzüglich von Zeiten nach § 12a BeamtVG (Buchst. b) zugrunde gelegt werden. Gemäß § 12a BeamtVG sind Zeiten nach § 30 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) nicht ruhegehaltfähig. Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 BBesG in der hier maßgeblichen und - soweit hier von Bedeutung - bis heute unverändert fortgeltenden Fassung vom (BGBl. I S. 1434) gilt § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG nicht für Zeiten einer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit oder das Amt für Nationale Sicherheit. Satz 2 dieser Vorschrift erstreckt den Ausschluss nach Satz 1 auch auf Zeiten, die vor einer solchen Tätigkeit zurückgelegt worden sind. § 30 Abs. 2 BBesG erklärt die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 und 2 auch für Zeiten einer Tätigkeit für anwendbar, die aufgrund einer besonderen persönlichen Nähe zum System der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik übertragen war. Das Vorliegen dieser Voraussetzung wird nach § 30 Abs. 2 Satz 2 BBesG insbesondere widerlegbar vermutet, wenn auf den Beamten eine der dort näher beschriebenen Fallgruppen Anwendung findet.

15Die Tätigkeit des Klägers als Stellvertreter des Leiters der ZSPI unterfällt der Regelung des § 30 Abs. 2 Satz 1 BBesG, weil der Kläger Absolvent einer vergleichbaren Bildungseinrichtung wie der Akademie für Staat und Recht im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BBesG gewesen ist, indem er den Studienabschluss des Diplom-Gesellschaftswissenschaftlers an der Parteihochschule der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) "Karl Marx" erreicht hat; die Zeiten dieser beruflichen Tätigkeit sind gemäß § 12a BeamtVG in der Folge nicht ruhegehaltfähig (a). Die aus dem erfolgreichen Besuch dieser Bildungseinrichtung abzuleitende Vermutung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Satz 1 BBesG ist nicht widerlegt worden (b). In Anwendung von § 30 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 BBesG und § 12a BeamtVG sind auch die vor der Tätigkeit als Stellvertreter des Leiters der ZSPI liegenden Zeiten nicht ruhegehaltfähig (c). Diese gesetzlichen Regelungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (d).

16a) Die Tätigkeit als Stellvertreter des Leiters der ZSPI ist dem Kläger übertragen worden, weil in seiner Person eine besondere persönliche Nähe zum System der ehemaligen DDR gegeben war. Dies ist gemäß § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BBesG zu vermuten bei Absolventen der Akademie für Staat und Recht oder einer vergleichbaren Bildungseinrichtung. Die vom Kläger erfolgreich besuchte Parteihochschule der SED "Karl Marx" ist eine solche vergleichbare Einrichtung gewesen. Da sich die von § 30 Abs. 2 Satz 1 BBesG vorausgesetzte Systemnähe im Rahmen des § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BBesG bereits unmittelbar aus der Ausbildung selbst ergibt, kommt es für die Feststellung der Vergleichbarkeit der Ausbildung mit derjenigen an der einzig in dieser Vorschrift ausdrücklich genannten Ausbildung an der Akademie für Staat und Recht in besonderem Maße auf eine Vergleichbarkeit von Lehrinhalten und Ausbildungszielen an ( - NJW 2000, 1516 <1517 f.>, zur tarifvertraglichen Vorbildvorschrift des § 30 BBesG). Diese ist bei der Parteihochschule der SED "Karl Marx" gegeben.

17An der Akademie für Staat und Recht wurden Staatsfunktionäre ausgebildet und leitende Kader der Staatsorgane qualifiziert. Die Ausbildung diente nach dem Willen des Ministerrats der DDR der ständigen klassenmäßigen Stärkung des sozialistischen Staatsapparates und der Erhöhung der marxistisch-leninistischen Kenntnisse der Leiter und Mitarbeiter der Staatsorgane und der Entwicklung ihrer politischen und fachlichen Fähigkeit, schöpferisch die Politik der SED im Interesse der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten zur weiteren Festigung der Arbeiter- und Bauernmacht und ständigen Erhöhung ihres internationalen Ansehens zu verwirklichen ( - NJW 2000, 1516 <1518>). Nach den das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) erhielten die Absolventen der Akademie für Staat und Recht mit dem Ziel ihrer Vorbereitung auf eine (künftige) Leitungsfunktion im sozialistischen Staatswesen vor allem eine intensive ideologische Schulung marxistisch-leninistischer Prägung, wohinter die Vermittlung rein fachlicher juristischer Kenntnisse deutlich zurücktrat.

18Dem entsprachen nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts die Ausbildungsziele und -inhalte der Parteihochschule "Karl Marx". Hiernach war diese Parteihochschule die höchste Bildungsstätte der SED. Sie hat der Kaderauslese gedient und sollte einen "zuverlässigen, disziplinierten und marxistisch geschulten Funktionär" hervorbringen. Die Parteihochschule hat als höchste Stufe der Aus- und Weiterbildung der führenden Kader gedient. Zu den dort unterrichteten und geprüften Fächern gehörten unter anderem marxistisch-leninistische Philosophie, Staat und Recht, Kulturpolitik der SED, politische Ökonomie des Sozialismus/Kapitalismus, marxistisch-leninistische Partei und Parteiaufbau, wissenschaftlicher Kommunismus, Geschichte der SED, Geschichte und Politik der KPdSU sowie Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung. Die Delegierung an die Parteihochschule geschah auf Beschluss der Sekretariate der SED-Bezirksleitungen, welche sich dazu mit der Abteilung Parteiorgane des ZK abstimmen mussten. Erforderlich waren dabei unter anderem eine "kaderpolitisch reine Weste" sowie die erfolgreich bestandene Erprobung in der politischen Arbeit.

19b) Die danach bestehende Vermutung, in der Person des Klägers habe eine besondere persönliche Nähe zum System der ehemaligen DDR bestanden, ist nicht widerlegt worden. Zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass Gegenstand der Widerlegung nicht die Nähe der ausgeübten Tätigkeit zum System der ehemaligen DDR bzw. die Systemnähe des Klägers an sich ist. Denn § 30 Abs. 2 Satz 1 BBesG knüpft an den Grund für die Übertragung der Tätigkeit, nicht an den Charakter der Tätigkeit an ( - juris Rn. 80; Reich, in: Reich/Preißler, BBesG, 1. Aufl. 2014, § 30 Rn. 7). Dieser Grund für die Übertragung der Tätigkeit wird im Rahmen des Satzes 2 dieser Vorschrift vermutet, wenn eines der genannten Beispiele gegeben ist. Im Rahmen des hier einschlägigen § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BBesG kommt es gerade nicht auf eine sonstige Systemnähe des Beamten an, sondern allein auf das Absolvieren der Ausbildung an einer der erfassten Bildungseinrichtungen, weil diese Absolventen im Sinne der SED-Interessen in besonderer Weise systemgetreu geschult und für später wahrgenommene (Spitzen-)Ämter im Staatsapparat der DDR wegen der systemnahen Ausbildung ausgewählt wurden ( - juris Rn. 84).

20Zur Widerlegung der Vermutung ist demnach nachzuweisen, dass dem Beamten die jeweiligen Tätigkeiten aus anderen Gründen als der anzunehmenden besonderen Systemnähe übertragen worden sind. Dabei genügt es nicht, wenn neben der Systemnähe auch andere Gründe für die Übertragung der Funktion ausschlaggebend waren, namentlich die Qualifikation des Beamten. Denn es wird bei jeder Übertragung einer öffentlichen Funktion oder Tätigkeit in der DDR zu vermuten sein, dass die Systemnähe des Betroffenen nicht der einzige Grund für die Übertragung gewesen ist. In der Regel wird auch dessen Qualifikation - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaße - mit berücksichtigt worden sein. Zu widerlegen ist damit die gesetzliche Vermutung, dass die Systemnähe des Beamten zumindest eine von mehreren Ursachen (Mitursächlichkeit) bei der Übertragung der Tätigkeit gewesen ist ( - NJW 2000, 1516 <1519>; OVG Magdeburg, Beschluss vom - 1 L 7/08 - juris Rn. 7). Anders formuliert ist der Nachweis zu erbringen, dass die Systemnähe nicht einmal eine von womöglich mehreren Ursachen für die Übertragung der Tätigkeit gewesen ist.

21Für das Vorliegen dieser Voraussetzung trägt der Beamte die materielle Beweislast. Ihm stehen hierfür alle zulässigen Beweismittel zur Verfügung. Eine Einschränkung der gerichtlichen Aufklärungsmöglichkeiten wäre nur dann mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar, wenn es hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung und einen hinreichend gewichtigen Sachgrund gäbe ( - BVerfGE 129, 1 <22 f.>; 2 C 21.14 - BVerwGE 154, 137 Rn. 21). Im Verhältnis zur gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwGO trägt der Beamte allerdings schon wegen seiner persönlichen Nähe zu den maßgeblichen Umständen seiner beruflichen Entwicklung besondere Mitwirkungspflichten (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO). Das Gericht muss vor allem dann eigene Ermittlungen anstellen, wenn aufgrund der Darlegungen des Beamten oder aufgrund sonstiger Umstände ernsthafte Zweifel an der gesetzlichen Vermutung im konkreten Fall bestehen. Immer dann, wenn im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststeht, dass die gesetzliche Vermutung im konkreten Fall falsch und ein anderer Sachverhalt richtig ist, greift die gesetzliche Vermutung im Sinne einer Regelung der materiellen Beweislast (vgl. 6 C 16.09 - BVerwGE 138, 186 Rn. 33).

22Hiervon ausgehend war aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt; es bestand auch kein Anlass zu weiteren Ermittlungen. Unter seinen Feststellungen befinden sich - im Gegenteil - vielmehr Umstände, die, ohne dass dies angesichts der gesetzlichen Vermutung erforderlich wäre, sogar für die hier relevante Kausalität streiten. Diesbezüglich hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass sich der Kläger selbst Systemnähe zugemessen hat. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger im unmittelbaren zeitlichen Anschluss an den Besuch der Parteihochschule "Karl Marx" zum Stellvertreter des Leiters der ZSPI ernannt wurde. Dies unterstreicht die hier erforderliche Kausalität des Hochschulbesuchs (zur Bedeutung der zeitlichen Komponente vgl. - NJW 2000, 1516 <1519>). Ebenfalls streitet für die Kausalität der Umstand, dass der berufliche Werdegang des Klägers einschließlich der verschiedenen Ausbildungsstationen einem bereits 1975 im Einvernehmen mit dem Kläger aufgestellten persönlichen Nachwuchsentwicklungsplan mit dem Ziel der Leitung der ZSPI entsprach.

23Weder aus den Darlegungen des Klägers noch aus sonstigen Umständen ergibt sich ein weiterer Ermittlungsbedarf oder gar die Widerlegung der Vermutung. Der Kläger bringt lediglich vor, ihm sei wegen seiner Leistungen und seiner Qualifikation die Tätigkeit in der ZSPI übertragen worden. Diese Annahme ist schon nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung in Zweifel zu ziehen oder Anlass zu weiteren Ermittlungen durch das Tatsachengericht zu geben, weil sie als wahr unterstellt werden kann. Sie schließt die vom Gesetz angenommene Mitursächlichkeit des erfolgreichen Besuchs einer in § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BBesG genannten Bildungseinrichtung nicht aus. Dem entsprechend hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch eingeräumt, dass ein "gewisser förderlicher Einfluss" des Besuchs der Parteihochschule "Karl Marx" nicht ausgeschlossen werden könne.

24c) Auch der durch den Kläger zum Gegenstand der Revision gemachte Zeitraum ab dem bis zur Übertragung der Tätigkeit als Stellvertreter des Leiters der ZSPI ist gemäß § 12a BeamtVG i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Satz 2 BBesG nicht ruhegehaltfähig. Für Tätigkeiten, die wegen besonderer persönlicher Nähe zum System der ehemaligen DDR übertragen worden sind, erklärt § 30 Abs. 2 Satz 1 BBesG auch Absatz 1 Satz 2 derselben Vorschrift für anwendbar. Dieser regelt, dass auch Zeiten vor einer solchen Tätigkeit von § 30 BBesG erfasst werden. Die Vorschrift enthält damit für Zeiten vor dem Übertragungsakt eine unwiderlegliche Vermutung der Systemnähe, die auf dem Gedanken beruht, dass sich die für die Übertragung erforderliche politisch-ideologische Grundeinstellung schon in der vorangegangenen Zeit herausgebildet hat ( - BVerfGE 103, 310 <328>; Groepper, in: Plog/Wiedow, BBG, Stand Dezember 2016, § 12a BeamtVG Rn. 27).

25d) Dieses Regelungsgefüge ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

26aa) Es liegt keine durch Art. 3 Abs. 1 GG untersagte, nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vor. Diese besteht nicht darin, dass für Beamte, deren beruflicher Werdegang keine Zeiten nach § 30 BBesG aufweist, bei der Höchstgrenzenberechnung im Rahmen des § 55 Abs. 2 BeamtVG kein vergleichbarer Abzug vorgesehen ist. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, wesentlichen Unterschieden hingegen normativ Rechnung zu tragen. Er stellt es dem Normgeber frei, aufgrund autonomer Wertungen Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft ( u.a. - BVerfGE 75, 108 <157>). Der Gleichheitssatz verlangt, dass eine vom Gesetz vorgenommene unterschiedliche Behandlung von Personengruppen sich auf einen vernünftigen oder sonstwie einleuchtenden Grund von hinreichendem Gewicht zurückführen lässt ( - BVerfGE 42, 374 <388> und Urteil vom - 1 BvL 11/94 u.a. - BVerfGE 100, 138 <174>). Dabei ist der Gesetzgeber grundsätzlich auch befugt zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren ( u.a. - BVerfGE 100, 138 <174> und vom - 2 BvR 301/98 - BVerfGE 101, 297 <309>). Betrifft die zu prüfende Maßnahme oder Regelung wie etwa im Besoldungs- und Versorgungsrecht ein Gebiet, in dem der Normgeber über einen weiten Wertungsspielraum verfügt, so ist ein Gleichheitsverstoß nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint (vgl. - BVerfGE 76, 256 <330>; 2 C 57.09 - BVerwGE 141, 210 Rn. 31). Nach der Wiedervereinigung Deutschlands stand der Gesetzgeber zudem vor der Aufgabe, zahlreiche Vorgänge einer Vergangenheit, die durch ein von der Bundesrepublik Deutschland verschiedenes Herrschafts- und Gesellschaftssystem vollkommen andersartig geprägt waren, für die Überleitung in das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland normativ erfassen und bewerten zu müssen. Hieraus folgt ein besonders starkes Typisierungsbedürfnis und eine entsprechend weite Typisierungsbefugnis. Damit verbundene Härten im Einzelfall sind hinzunehmen ( - BVerfGE 103, 310 <324 f.>).

27Diesen Gestaltungsspielraum hat der Gesetzgeber nicht verlassen, indem er Tätigkeiten, die aufgrund des erfolgreichen Besuchs einer Bildungseinrichtung, die die ideologische Qualifizierung künftiger leitender Kader zum Ziel hatte, als ruhegehaltfähige Dienstzeit ausnahm.

28Gemeinsamer Grundgedanke von § 30 Abs. 1 und 2 BBesG ist, Dienstzeiten im öffentlichen Dienst der DDR, die durch eine in verschiedener Weise herausgehobene Nähe zum Herrschaftssystem der DDR gekennzeichnet sind, durch widerlegliche oder unwiderlegliche Vermutungen von der besoldungs- oder versorgungssteigernden Anrechnung auszunehmen. Die Regelung geht davon aus, dass solche Dienstzeiten, während derer der Beamte außerhalb des Rahmens einer rechtsstaatlichen Verwaltung tätig geworden ist, nicht mit Tätigkeiten in der rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichteten öffentlichen Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland gleichzustellen sind ( - BVerfGE 103, 310 <324>; BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 109.09 - ZBR 2011, 164 Rn. 14 und vom - 2 B 71.12 - Buchholz 240 § 30 BBesG Nr. 3 Rn. 19).

29Schon wegen der Zielrichtung der Ausbildung in den von § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BBesG erfassten Bildungseinrichtungen, die letztlich in der Heranbildung von Stützen eines Systems bestand, in dem die gesamte Gesellschaft auf die Einparteienherrschaft der SED ausgerichtet sein sollte und in dem die Beschneidung individueller Freiheit und die Ausübung von Unrecht zu den Herrschaftsmitteln gehörten, durfte der Gesetzgeber bei ihren Absolventen annehmen, dass deren Tätigkeit nicht mit derjenigen in einer rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichteten Verwaltung gleichgesetzt werden kann. Wie auch das Beispiel des Klägers zeigt, ist die Annahme naheliegend, dass die spätere Tätigkeit zumindest auch wegen der in dem erfolgreichen Besuch dieser Bildungseinrichtung zum Ausdruck kommenden Systemnähe übertragen wurde. Diese pauschale Annahme wird zugunsten der betroffenen Beamten sogar dadurch abgemildert, dass ihre Widerlegung nach dem Gesetz zulässig ist.

30Es stand dem Gesetzgeber aufgrund seines Wertungsspielraums auch zu, innerhalb der Regelung des § 30 BBesG verschiedene Fallgruppen im Hinblick auf die besoldungs- und versorgungsrechtliche Anerkennung von Vordienstzeiten gleichermaßen hiervon auszunehmen. Denn auch wenn diese Fallgruppen, welche in Absatz 1 Satz 1 die Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit oder dessen Nachfolgeeinrichtung, des Amtes für Nationale Sicherheit, in Absatz 1 Satz 3 die Angehörigen der Grenztruppen der ehemaligen DDR und in Absatz 2 Satz 2 die Angehörigen systemstützender Organisationen wie Einheitspartei und Einheitsgewerkschaft, die mittleren und oberen Führungskräfte in zentralen Staatsorganen sowie die Lehrenden und Absolventen bestimmter Bildungseinrichtungen erfassen, unterschiedliche Personengruppen betreffen und unterschiedliche Anknüpfungspunkte für ihre Identifizierung wählen, so ist ihnen gemein, dass sie durch eine "herausgehobene" Nähe zum Herrschaftssystem der ehemaligen DDR gekennzeichnet sind ( - BVerfGE 103, 310 <324>).

31Anders als vom Kläger angenommen kommt es auch nicht darauf an, ob die von § 30 BBesG erfasste Systemnähe in jedem Einzelfall ihren Ausdruck in der Repression gegen die Bevölkerung auch unter Begehung schwerster Menschenrechtsverletzungen findet ( 2 C 5.03 - LKV 2004, 507 <508> zu Angehörigen der Grenztruppen). Im Rahmen des Typisierungs- und Wertungsspielraums des Gesetzgebers ist es vielmehr nicht sachwidrig, wenn Personen, die staatliche Unrechtshandlungen persönlich auszuführen hatten, im Hinblick auf ihre spätere besoldungs- und versorgungsrechtliche Einordnung mit solchen Personen gleichgesetzt werden, die durch ihr Zutun es überhaupt erst ermöglicht haben, dass ein Staat (fort-)besteht, der solche Unrechtshandlungen zum Herrschaftsinstrument erhebt.

32Ebenso ist es nicht sachwidrig, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 30 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Satz 2 BBesG auch die vor dem eigentlichen Anknüpfungspunkt liegenden Zeiten erfasst. Die in der Regelung unwiderlegbar zum Ausdruck kommende Annahme, dass sich die für die angenommene Systemnähe erforderliche politisch-ideologische Grundeinstellung schon in der vorangegangenen Zeit herausgebildet haben muss, vermeidet Abgrenzungsprobleme und dient damit der Rechtssicherheit als einem wesentlichen Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ( - BVerfGE 103, 310 <328>). Es handelt sich hierbei auch um eine nachvollziehbare Annahme des Gesetzgebers. Denn es wäre gerade nicht überzeugend anzunehmen, dass sich eine politisch-ideologische Grundeinstellung erst mit der Übernahme einer aufgrund Systemnähe übertragenen Tätigkeit herausbildet. Der Übertragungsakt setzt vielmehr als kausale Voraussetzung die Systemnähe voraus, die ihrerseits im marxistisch-leninistisch organisierten Staat ohne entsprechende politisch-ideologische Grundeinstellung nicht denkbar ist.

33Dass die von § 30 Abs. 1 Satz 2 BBesG erfassten Zeiten, die vor einer solchen Tätigkeit zurückgelegt worden sind, von ihrem Anfangspunkt her offen bzw. unbegrenzt sind, stellt auch versorgungsrechtlich keine vor dem Hintergrund der Sachgerechtigkeit zu beanstandende unerträgliche Härte dar. § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG) erkennt bei der Höchstgrenzenberechnung als ruhegehaltfähige Dienstzeit einen Zeitraum an, der mit der Vollendung des siebzehnten Lebensjahrs beginnt. Das bedeutet bei einem Beamten, der nach der früher geltenden Regelaltersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahrs in den Ruhestand getreten ist, dass zunächst eine ruhegehaltfähige Dienstzeit von 48 Jahren bei der Höchstgrenzenberechnung in Ansatz gebracht wird, obwohl zur Erreichung der Versorgungshöchstgrenze gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG nur 40 Jahre ruhegehaltfähiger Dienstzeit erforderlich sind. In Abzug zu bringende Zeiten nach § 30 Abs. 1 Satz 2 BBesG reichen ebenfalls maximal bis zur Vollendung des siebzehnten Lebensjahrs zurück, weil ein Abzug nur von dem Grunde nach ruhegehaltfähigen Dienstzeiten erfolgen kann.

34Dieses Regelungsgefüge führt dazu, dass einem Beamten, der unter die Regelung des § 30 BBesG fällt, in der Summe aus Renten- und Versorgungsbezügen in keinem Fall weniger Gesamtaltersbezüge zustehen, als er an Versorgungsbezügen im Dienst der Bundesrepublik Deutschland "erdient" hat. Soweit diese erdienten Versorgungsbezüge unterhalb der durch § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG geregelten Mindestversorgung liegen, verbleibt ihm in der Gesamtbetrachtung zumindest diese ( 2 B 109.09 - ZBR 2011, 164 Rn. 6 f.). Beamte, die weniger als die der Mindestversorgung entsprechende ruhegehaltfähige Dienstzeit von 20 Jahren "erdient" haben, erhalten die Mindestversorgung und damit mehr als das "Erdiente". Beamten, die mehr als 20 Jahre ruhegehaltfähiger Dienstzeit aufweisen, kann aufgrund ihres Lebensalters, das zu mehr als 20 Jahren Dienst nach der Deutschen Einheit geführt hat, maximal ein Zeitraum von der ruhegehaltfähigen Dienstzeit abgezogen werden, der ihnen genau die "erdiente" ruhegehaltfähige Dienstzeit für die Berechnung der Höchstgrenze im Rahmen des § 55 Abs. 2 BeamtVG belässt. Das wird durch die Begrenzung der Abzugsmöglichkeit durch die äußerste Grenze der Vollendung des siebzehnten Lebensjahrs bewirkt.

35Bei wirtschaftlicher Betrachtung führt dies dazu, dass Beamte, die der Regelung des § 30 BBesG unterfallen, maximal den Wert ihrer gesetzlichen Rente, welche im Wesentlichen aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit in der ehemaligen DDR gewährt wird, verlieren. Dies kann angesichts der Art der von § 30 BBesG erfassten Vortätigkeit nicht als sach- und gleichheitswidrig angesehen werden. Rechtstechnisch wird dieser Verlust dadurch bewirkt, dass der Anspruch auf Rentenzahlung ungeschmälert bestehen bleibt, während ein entsprechender Teil der Versorgung ruht. Dass der Gesetzgeber diese gesetzestechnische Form der Berücksichtigung der aufgrund Systemnähe zur ehemaligen DDR übertragenen Tätigkeit gewählt hat, steht ihm im Rahmen einer durch ihn vorzunehmenden Gesamtbetrachtung zu (kritisch Wolff, ZBR 2011, 145 <147, 149>). Der Dienstherr darf sich auch in diesem Fall von seiner Alimentationspflicht dadurch entlasten, dass er den Versorgungsberechtigten auf Einkünfte aus einer anderen öffentlichen Kasse verweist ( 2 B 109.09 - ZBR 2011, 164 Rn. 8).

36Nicht zu beanstanden ist innerhalb des Regelungsgefüges des § 30 BBesG der Umstand, dass einzig für die von dieser Regelung in Absatz 1 Satz 3 erfasste Gruppe der Angehörigen der Grenztruppen der ehemaligen DDR die Erstreckung auf vorhergehende Zeiten, welche durch Absatz 1 Satz 2 erfolgt, nicht vorgesehen ist. Insoweit erscheint es nicht sachwidrig, gerade bei den Angehörigen der Grenztruppen nicht pauschal anzunehmen, dass sich bei ihnen schon vor dieser Tätigkeit eine entsprechende politisch-ideologische Grundeinstellung herausgebildet hat. Denn zu den Angehörigen der Grenztruppen gehörten in nicht unerheblichem Umfang auch Wehrpflichtige, die im Rahmen ihres Grundwehrdienstes ihren Dienst in den Grenztruppen verrichten mussten ( - BVerfGE 103, 310 <332>).

37Es liegt auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung mit Personen vor, die keine Versorgungsbezüge, sondern ausschließlich eine gesetzliche Rente erhalten. Allein die Versorgungsberechtigung zeigt auf, dass es sich hierbei nicht um im Wesentlichen gleiche Sachverhalte handelt ( 2 B 109.09 - ZBR 2011, 164 Rn. 13).

38bb) Schließlich ist kein Verstoß gegen den Alimentationsgrundsatz gegeben. Denn über die Regelungen der Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG ist gewährleistet, dass die Gesamtversorgung des Beamten mindestens deren Niveau erreicht und damit in jedem Falle dem Art. 33 Abs. 5 GG genügt ( 2 B 109.09 - ZBR 2011, 164 Rn. 6).

392. Anders als vom Verwaltungsgericht angenommen, erfasst § 30 Abs. 1 Satz 2 BBesG den gesamten Zeitraum bis hin zur Vollendung des siebzehnten Lebensjahrs durch den Kläger. Der Verweis in § 12a BeamtVG auf "Zeiten nach § 30 des Bundesbesoldungsgesetzes" bezieht sich allein auf die dort beschriebenen Zeiten. Das beinhaltet auf der einen Seite die in materieller Hinsicht erfassten Tätigkeiten, welche der Gesetzgeber als Ausdruck einer herausgehobenen Nähe zum Herrschaftssystem der ehemaligen DDR gewertet hat, und auf der anderen Seite die zeitliche Regelung des § 30 Abs. 1 Satz 2 BBesG, welche die Rechtsfolgen auf zuvor liegende Zeiten erstreckt.

40§ 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG bewirkt im Versorgungsrecht keine Begrenzung des zeitlichen Umfangs der gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BeamtVG in Abzug zu bringenden Zeiten. § 30 BBesG nimmt die vom Verwaltungsgericht angeführte Regelung des § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG nicht in seinen Tatbestand auf. § 30 BBesG bewirkt zunächst lediglich eine Veränderung der Rechtsfolgen bei der besoldungsrechtlichen Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG, indem er bei der Bestimmung der Erfahrungsstufe bestimmte Zeiten als anerkennungsfähige Vordienstzeiten ausschließt. In gleicher Weise bewirkt § 30 BBesG durch die Bezugnahme in § 12a BeamtVG auch im Versorgungsrecht eine Einschränkung, hier auf die Ruhegehaltfähigkeit bestimmter Zeiten im Rahmen der Höchstgrenzenfestsetzung gemäß § 55 Abs. 2 BeamtVG.

41Die vom Verwaltungsgericht angenommene Beschränkung der zeitlichen Wirkung des § 30 BBesG durch den Regelungsbereich des § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG findet im Gesetzeswortlaut keine Stütze. § 30 Abs. 1 Satz 2 BBesG erfasst alle Zeiten, die vor einer solchen Tätigkeit zurückgelegt worden sind. Eine Einschränkung des § 30 BBesG durch die Regelung des § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG wäre ein systemfremder Eingriff in die Eigengesetzlichkeit des Versorgungsrechts. § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG enthält eine komplexe Regelung der Frage, welche Vordienstzeiten bei der Bestimmung von Erfahrungsstufen anzuerkennen sind. Demgegenüber liegt der Berechnung von ruhegehaltfähigen Dienstzeiten in §§ 6 ff. BeamtVG eine gänzlich andere Konzeption zugrunde. Insbesondere bei der hier maßgeblichen Höchstgrenzenberechnung nach § 55 Abs. 2 BeamtVG wird dieser Unterschied deutlich, weil hier zunächst zugunsten des Versorgungsempfängers und in wesentlich großzügigerem Ausmaß als im Rahmen des § 28 Abs. 1 Satz 1 BBesG ein Zeitraum ab der Vollendung des siebzehnten Lebensjahrs in Ansatz zu bringen ist. Es wäre systemfremd, Sonderregelungen des Besoldungsrechts hierauf zu übertragen.

42Dafür spricht auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Die Bundesregierung hat zu Änderungsvorschlägen des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1992 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1992 - BBVAnpG 92), nach denen eine dem § 30 BBesG entsprechende Regelung auch in das Beamtenversorgungsgesetz und das Soldatenversorgungsgesetz übernommen werden sollte, erwidert, dass die vom Bundesrat vorgetragenen rechtlichen Bedenken nicht geteilt werden. Vielmehr solle mit der Verweisung sichergestellt werden, dass im Besoldungs- und Versorgungsrecht jederzeit einheitliche Regelungen gelten (BT-Drs. 12/3629 S. 36). Damit dürfte aber kaum gemeint gewesen sein, dass sich künftig die Anerkennung von Vordienstzeiten für die Berechnung des Besoldungsdienstalters (bzw. nach neuerem Recht der Stufenzuordnung) auf die Frage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit auswirken soll. Vielmehr kann diese Äußerung nur so verstanden werden, dass der materielle Gehalt der Einschätzung bestimmter Tätigkeiten in der DDR im Besoldungs- wie auch im Versorgungsrecht gleich verlaufen soll.

43Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2017:020217U2C25.15.0

Fundstelle(n):
KAAAG-43802