Leitsatz
Leitsatz:
a) Ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG besteht nur für eine Abmahnung, die vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ausgesprochen wird.
b) Für eine Abmahnung, die erst nach Erlass einer Verbotsverfügung ausgesprochen wird, ergibt sich ein Aufwendungsersatzanspruch auch nicht aus Geschäftsführung ohne Auftrag.
Gesetze: UWG § 12 Abs. 1; BGB § 683 Satz 1; BGB § 677; BGB § 670
Instanzenzug: OLG Köln, 6 U 118/07 vom LG Köln, 31 O 1029/07 vom Veröffentlichungen: Amtliche Sammlung: nein; BGHR: ja; Nachschlagewerk: ja
Tatbestand
Die Klägerin, ein Krankenversicherungsunternehmen, hat gegen die Beklagten am beim Landgericht Köln zwei auf Unterlassung bestimmter Werbemaßnahmen gerichtete einstweilige Verfügungen erwirkt. Eine Zustellung der Verbotsverfügungen veranlasste sie zunächst nicht. Ohne die im Verfügungsverfahren erwirkten Titel zu erwähnen, ließ die Klägerin die Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom wegen der Verletzungshandlungen abmahnen, die auch Gegenstand des Verfügungsverfahrens waren. Da die Beklagten die Abgabe von strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärungen verweigerten, ließ die Klägerin die am erwirkten Verbotsverfügungen nunmehr zustellen. Nachdem das Landgericht die Verbotsverfügungen trotz Widerspruch aufrechterhalten hatte, wurden sie von den Beklagten als endgültige Regelung anerkannt.
Die Klägerin nimmt die Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit auf Freistellung von den Kosten in Anspruch, die ihr durch die beiden anwaltlichen Abmahnschreiben vom entstanden sind.
Das Berufungsgericht hat die vom Landgericht für begründet erachtete Klage abgewiesen (OLG Köln WRP 2008, 379). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagten beantragen,
das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe weder aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG noch aus anderen Rechtsgrundlagen ein Anspruch auf Freistellung von den ihr für die Abmahnschreiben entstandenen Kosten zu. Dazu hat es ausgeführt:
Die Vorschrift des § 12 Abs. 1 UWG regele nach ihrem Wortlaut und Zweck ausschließlich den Ersatz von Kosten für vorgerichtliche Abmahnungen. Sie biete hingegen keine Rechtsgrundlage für die Erstattung von Abmahnkosten, wenn die Abmahnung erst nach Erlass einer auf demselben Verstoß gestützten einstweiligen Verfügung ausgesprochen werde.
Ob in Fällen der vorliegenden Art ein Rückgriff auf die Vorschriften der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht komme, könne offenbleiben. Die Kosten für eine nach Erlass einer Verbotsverfügung ausgesprochenen Abmahnung seien jedenfalls nicht "erforderlich" i.S. von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG und stünden zudem im Gegensatz zum Kosteninteresse des Schuldners, dem durch die Abmahnung die Möglichkeit genommen werde, im Verfügungsverfahren durch sofortige Unterwerfung die Kostenfolge des § 93 ZPO herbeizuführen.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für die beiden nach Erlass der Verbotsverfügungen ausgesprochenen Abmahnungen verneint. Dabei kann unterstellt werden, dass die Abmahnungen begründet - d.h. durch Wettbewerbsverstöße der Beklagten veranlasst - waren.
1. Ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ergibt sich nicht aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, weil die Abmahnungen erst zu einem Zeitpunkt an die Beklagten versandt wurden, als die Klägerin bereits Verbotsverfügungen gegen sie erwirkt hatte. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, folgt aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, dass Ersatz der Aufwendungen nur für Abmahnungen beansprucht werden kann, die vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens wegen desselben Wettbewerbsverstoßes ausgesprochen worden sind.
a) Dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG entsprechend wird der Aufwendungsersatzanspruch nur durch eine Abmahnung vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ausgelöst. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG soll der Gläubiger den Schuldner vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. An die Regelung der vorgerichtlichen Abmahnung knüpft § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG unmittelbar mit der Formulierung an, dass der Anspruch auf Kostenerstattung besteht, "soweit die Abmahnung berechtigt ist". Mithin ist in § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG eine Obliegenheit zu einer vorgerichtlichen Abmahnung und in § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG der Anspruch auf Ersatz der zur Erfüllung dieser Obliegenheit erforderlichen Aufwendungen geregelt.
b) Auch nach der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Vorschrift besteht der Kostenerstattungsanspruch nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG nur für eine Abmahnung, die vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens ausgesprochen wird.
aa) Die Bestimmung des § 12 Abs. 1 UWG regelt das von der Rechtsprechung entwickelte Institut der Abmahnung und Unterwerfung sowie den Aufwendungsersatzanspruch (so die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 25). Nach dieser Rechtsprechung dient die durch eine Verletzungshandlung veranlasste Abmahnung im Regelfall dem wohlverstandenen Interesse beider Parteien, da sie das Streitverhältnis auf einfache, kostengünstige Weise vorprozessual beenden und einen Rechtsstreit vermeiden soll (, GRUR 1987, 54, 55 = WRP 1986, 672 - Aufklärungspflicht des Abgemahnten; s. auch , GRUR 2005, 439 Tz. 12 = WRP 2006, 237 - Geltendmachung der Abmahnkosten). Dementsprechend wird die Abmahnung in der Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich als Mittel zur außergerichtlichen Streitbeilegung in Wettbewerbssachen bezeichnet, durch das der größte Teil der Wettbewerbsstreitigkeiten erledigt werde (BT-Drucks. 15/1487, S. 25).
bb) Auf dieses Rechtsinstitut der vorgerichtlichen Abmahnung bezieht sich auch die Regelung des Aufwendungsersatzanspruchs in § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Entgegen der Ansicht der Revision ergeben sich weder aus der Gesetzesbegründung noch aus der Rechtsprechung des Senats Anhaltspunkte dafür, dass der Anwendungsbereich der Obliegenheit nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG zwar auf die vorgerichtliche Abmahnung beschränkt ist, die Kostenerstattung nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG aber einen davon unabhängigen Regelungsbereich hat und sich ohne jede Beschränkung als allgemeine Rechtsfolge einer begründeten Abmahnung darstellt. Nach der Gesetzesbegründung zu § 12 Abs. 1 UWG sollte das Rechtsinstitut der vorgerichtlichen Abmahnung vielmehr einheitlich geregelt werden. Dementsprechend sind die vorgerichtliche Abmahnung und der daraus resultierende Aufwendungsersatzanspruch von der Rechtsprechung auch stets einheitlich nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag entwickelt worden, um einen kostspieligen Rechtsstreit zu vermeiden (grundlegend BGHZ 52, 293, 299 f. - Fotowettbewerb; st. Rspr. unter der Geltung des UWG a.F., vgl. BGHZ 115, 210, 212 - Abmahnkostenverjährung; 149, 371, 374 - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; , GRUR 1991, 550, 552 = WRP 1991, 159 - Zaunlasur).
2. Das Berufungsgericht hat zu Recht auch einen Anspruch der Klägerin auf Freistellung von den für die beiden Abmahnschreiben entstandenen Kosten aus § 683 Satz 1, §§ 677, 667 BGB verneint, weil die Abmahnungen jedenfalls nicht im Interesse der Beklagten lagen.
a) Im Streitfall kommt es daher nicht darauf an, dass die Beklagten von den gegen sie erwirkten Verbotsverfügungen keine Kenntnis hatten. Für die Frage, ob eine Abmahnung im Interesse des Schuldners liegt, ist auf die objektiven Umstände im Zeitpunkt der Abmahnung abzustellen. Nach der Rechtsprechung des Senats zum Aufwendungsersatzanspruch auf der Grundlage einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag ist entscheidend, ob die Abmahnung nach objektiver Betrachtung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Schuldners entspricht (vgl. BGHZ 149, 371, 375 - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 12 Rdn. 1.91).
b) Die hier in Rede stehenden Abmahnungen der Klägerin entsprachen objektiv nicht dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen der Beklagten.
aa) Anders als bei einer vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens ausgesprochenen Abmahnung besteht kein Interesse des Schuldners, nach Erlass einer Verbotsverfügung noch abgemahnt zu werden. Unerheblich ist, dass sich die Situation für den Abgemahnten, der nichts von der erlassenen Beschlussverfügung weiß, nicht anders darstellt, als wenn er vorgerichtlich abgemahnt worden wäre. Zwar erhält der Schuldner auch durch die nachgeschaltete Abmahnung Gelegenheit, eine den Streit beilegende Unterwerfungserklärung abzugeben. Diese Möglichkeit stünde ihm aber auch offen, wenn ihm die Verbotsverfügung sogleich zugestellt würde. Entscheidend ist, dass der Schuldner den Rechtsstreit im Falle der nachgeschalteten Abmahnung durch eine Unterwerfungserklärung nicht mehr vermeiden kann.
bb) Zweck der Abmahnung ist es, dem Schuldner, der sich nicht streitig stellt, eine Möglichkeit zu geben, den Streit kostengünstig beizulegen. Die nachgeschaltete Abmahnung vermittelt eine solche kostengünstige Möglichkeit nicht. Ist bereits eine einstweilige Verfügung gegen den Schuldner erlassen worden, ist es für den Schuldner am kostengünstigsten, wenn ihm die Verfügung zugestellt wird und er gegen diese Verfügung Kostenwiderspruch einlegt oder eine Unterwerfungserklärung abgibt. Ein auf die Kosten beschränkter Widerspruch des Schuldners hat in der Regel zur Folge, dass die für den Erlass der Verbotsverfügung entstandenen Kosten nach § 93 ZPO vom Gläubiger zu tragen sind. Denn der Schuldner eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs, der vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens nicht abgemahnt wurde, wird grundsätzlich so behandelt, als habe er keine Veranlassung zur Klage gegeben (vgl. , GRUR 1990, 381, 382 = WRP 1990, 276 - Antwortpflicht des Abgemahnten; Beschl. v. - I ZB 17/06, GRUR 2007, 629 Tz. 13 = WRP 2007, 781 - Zugang des Abmahnschreibens; BGH GRUR 2006, 439 Tz. 12 - Geltendmachung der Abmahnkosten). Diese Regelung beruht auf der Erwägung, dass ein Gläubiger nur dann ohne Kostenrisiko gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen soll, wenn er davon ausgehen muss, sein Ziel ohne Klage- oder Verfügungsverfahren nicht erreichen zu können (Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm a.a.O. § 12 Rdn. 1.8; Fezer/Büscher, UWG, § 12 Rdn. 3). Dasselbe Ergebnis kann der Schuldner in dieser Situation durch eine Unterwerfungserklärung erreichen. Sie nötigt den Gläubiger dazu, den gestellten Verfügungsantrag in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Stimmt der Schuldner der Erledigung zu, muss nach § 91a ZPO über die Kosten des Verfügungsverfahrens entschieden werden, wobei wiederum der Rechtsgedanke des § 93 ZPO zu Gunsten des Schuldners heranzuziehen ist, der - weil nicht abgemahnt - keine Veranlassung zur Inanspruchnahme des Gerichts gegeben hat (vgl. Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm a.a.O. Rdn. 1.9).
cc) Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagten die Abmahnung im Streitfall nicht zum Anlass genommen haben, sich zu unterwerfen. Denn dies ändert nichts daran, dass die Abmahnung nicht in ihrem Interesse lag. Im Übrigen kann der Abgemahnte, der es für möglich hält, dass der Gläubiger gegen ihn bereits eine einstweilige Verfügung erwirkt hat, nur dadurch der Kostenlast der (begründeten) Abmahnung entgehen, dass er sich zunächst streitig stellt und auf diese Weise die Zustellung der Verfügung erzwingt. Auch der Umstand, dass die Beklagten die ihnen zugestellten Beschlussverfügungen nicht hingenommen, sondern unbeschränkt Widerspruch erhoben haben (mit der Folge, dass ihnen nach Aufrechterhaltung der Verfügungen die Kosten des Verfügungsverfahrens auferlegt wurden), begründet nicht ihr Interesse, noch abgemahnt zu werden, nachdem gegen sie bereits Beschlussverfügungen ergangen waren.
dd) Unabhängig davon, wie der Schuldner reagiert, liegt die nach Erlass der Beschlussverfügung ausgesprochene Abmahnung nicht in seinem Interesse. Im Streitfall verhält es sich nicht anders. Die Klägerin hat durch die Verbotsverfügungen eine Lage geschaffen, in der eine spätere Abmahnung objektiv nicht (mehr) im Interesse der Beklagten lag.
III. Danach ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2010 S. 500 Nr. 9
DB 2010 S. 6 Nr. 12
NJW-RR 2010 S. 1130 Nr. 16
HAAAD-35456