Leitsatz
Leitsatz:
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art. 3 Abs. 1; "Tarifvertrag Übergangsversorgung für Flugbegleiter" der Deutschen Lufthansa (TV-ÜV 2003 in der Fassung vom ) § 2, Protokollnotiz II
Instanzenzug: LAG Frankfurt/Main, 17/8 Sa 139/07 vom ArbG Frankfurt/Main, 4/19 Ca 3584/06 vom Veröffentlichungen: Für die Amtliche Sammlung: Nein
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, bei Berechnung der tarifvertraglich geregelten "Firmenrente", die während des Vorruhestands geleistet wird, Vordienstzeiten aus früheren Vertragsverhältnissen anzurechnen.
Die Klägerin ist am geboren. Sie steht aufgrund Arbeitsvertrages vom seit dem in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Nach Ziffer 2 des Arbeitsvertrages richten sich die gegenseitigen Rechte und Pflichten ua. nach den für den Bereich Kabinenbesatzungen Kontinent geltenden Tarifverträgen. Dazu gehört auch der "Tarifvertrag Übergangsversorgung für Flugbegleiter", der mit Wirkung zum neu gefasst wurde (hiernach TV-ÜV 2003). Nach § 2 dieses Tarifvertrages haben Flugbegleiter einen Anspruch auf Zahlung einer Firmenrente, wenn sie wegen Erreichens der tarifvertraglichen Altersgrenze mit dem 55. oder ggf. einem späteren Lebensjahr aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis ausscheiden, ohne dass sie bereits Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem "Tarifvertrag LufthansaBetriebsrente" haben. Der Grundbetrag dieser Firmenrente beträgt nach einer "Gesamtbeschäftigungszeit" von 23 Jahren 60 % der mit einem Umstellungsfaktor gewichteten Gesamtvergütung. Weitere Einzelheiten sind in der "Protokollnotiz II" des TV-ÜV 2003 geregelt. Danach ist die Firmenrente für Flugbegleiter, die bei ihrer "Einstellung/Wiedereinstellung" das 32. Lebensjahr vollendet hatten, um 1/276stel für jeden Beschäftigungsmonat zu kürzen, wenn die Gesamtbeschäftigungszeit bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres rechnerisch weniger als 276 volle Beschäftigungsmonate beträgt. Der TV-ÜV 2003 gilt nach seinem § 1 Abs. 1 Satz 2 ua. nicht für Flugbegleiter, die "aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages" bei der Beklagten beschäftigt sind.
Die Klägerin war auch vor ihrem nunmehr begründeten unbefristeten Arbeitsverhältnis mit Unterbrechungen für die Beklagte tätig. Sie trat zunächst aufgrund "Ausbildungsvertrag" vom beginnend mit dem für sechs Wochen in die Flugbegleiterschule der Beklagten ein und nahm an einem Lehrgang für die Tätigkeit als Flugbegleiter teil. Während dieser Zeit war sie zur Berufsgenossenschaft und zur gesetzlichen Krankenkasse angemeldet und erhielt pro Kalendermonat eine Vergütung von 750,00 DM brutto. Nach Ziffer 8 des Vertrages verpflichtete sich die Klägerin nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung, einen Anstellungsvertrag als Flugbegleiter im Lufthansakonzern abzuschließen. Nach Ziffer 10.1 Buchst. c war sie zudem verpflichtet, einen Schadensersatz iHv. 2.400,00 DM zu zahlen, falls sie bei Abschluss des Lehrganges einen angebotenen Arbeitsvertrag als Flugbegleiter nicht annimmt.
In unmittelbarem Anschluss an den Lehrgang war die Klägerin bis zum in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis für die Beklagte als Flugbegleiterin tätig. Außerdem übte sie diese Tätigkeit auch in befristeten Arbeitsverhältnissen vom bis zum und vom bis zum aus.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei der Berechnung der Firmenrente gem. Tarifvertrag Übergangsversorgung für Flugbegleiter in der Neufassung vom , bei ihrer Gesamtbeschäftigungszeit auch die Zeiten vom bis , vom bis und vom bis zu berücksichtigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren ursprünglichen Klageantrag weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 256 ZPO zulässig. Eine Feststellungsklage muss sich nicht auf das Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen, sondern kann sich auch auf einzelne, daraus ergebende Rechte, Pflichten oder Forderungen beschränken, sofern ein Feststellungsinteresse besteht. Die Möglichkeit der Leistungsklage steht dann nicht entgegen, wenn diese mit einer komplizierten Neuberechnung verbunden wäre (vgl. - zu I der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk Nr. 44 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 39). Hier möchte die Klägerin ihre von der Beklagten bestrittenen, aus der früheren Betriebszugehörigkeit folgenden Rechte festgestellt wissen; eine Leistungsklage würde zu komplizierten Neuberechnungen führen.
2. Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aufgrund des kraft Verweisung in Ziffer 2 des Arbeitsvertrages vom anwendbaren TV-ÜV 2003 zu. Der Anspruch folgt aus § 2 iVm. Protokollnotiz II des Tarifvertrages.
a) Wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom (- 3 AZR 189/07 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 43 und - 3 AZR 240/07 -) ausführlich begründet hat, zählen zur "Beschäftigungszeit" im Sinne der tariflichen Regelungen auch Vorbeschäftigungszeiten als Flugbegleiter. Der Senat hat dies aus dem Wortlaut und der Systematik des TV-ÜV-2003 sowie der Tarifgeschichte hergeleitet. Er hat zudem angenommen, das Auslegungsergebnis führe zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung. Die Tarifvertragsparteien hätten bei der Berechnung der "Firmenrente" offensichtlich - unter Berücksichtigung einer Kappungsgrenze - die Betriebszugehörigkeit belohnen wollen. Das lege es nahe, auch eine frühere Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Dafür spreche schon, dass die Tarifvertragsparteien überhaupt den Fall der Wiedereingliederung geregelt haben. Daran ist festzuhalten. Neue Argumente hat die Beklagte im vorliegenden Verfahren nicht vorgebracht.
b) Damit sind die Vorbeschäftigungszeiten der Klägerin im verlangten Umfange anzurechnen. Das gilt auch für ihre frühere befristete Beschäftigung und die Beschäftigung aufgrund ihres zeitlich begrenzten Ausbildungsvertrages.
aa) Die Beschäftigung aufgrund der befristeten Arbeitsverträge vom bis und vom bis zum ist Teil der Gesamtbeschäftigung im Sinne der tariflichen Bestimmungen.
(1) Unschädlich ist insoweit zunächst, dass § 1 Abs. 1 TV-ÜV 2003 nicht für Flugbegleiter gilt, die aufgrund eines befristeten Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten beschäftigt sind. Von dieser Regelung ist die Klägerin nicht betroffen, da ihr derzeitiges Arbeitsverhältnis nicht befristet ist.
(2) Dass eine frühere Tätigkeit als Flugbegleiter auch in einem befristeten Arbeitsverhältnis auf die "Gesamtbeschäftigungszeit" anzurechnen ist, folgt zudem aus dem Zweck von § 2 iVm. Protokollnotiz II TV-ÜV 2003. Die Tarifvertragsparteien wollten Betriebszugehörigkeit belohnen, indem sie den sozialen Schutz in der Überbrückungssituation nach dem 55. oder späteren Lebensjahr daran orientieren, wie lange der Arbeitnehmer bereits Leistungen für den Arbeitgeber erbracht hat. Leistungen erbringt der Arbeitnehmer auch in einem befristeten Arbeitsverhältnis.
(3) Eine andere Auslegung widerspräche zudem dem Grundsatz, dass Tarifverträge im Zweifel in Übereinstimmung mit höherrangigem Recht auszulegen sind (dazu - zu B II 1 a bb der Gründe, AP TVG § 1 Auslegung Nr. 144 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 28). Höherrangig ist ua. der allgemeine Gleichheitssatz, an den auch die Tarifvertragsparteien jedenfalls aufgrund der Schutzpflicht des Staates für die Grundrechte - hier Art. 3 Abs. 1 GG - gebunden sind (vgl. - Rn. 61 mwN, AP GG Art. 3 Nr. 315 = EzA AGG § 2 Nr. 3). Die Nichtanrechnung befristeter Beschäftigung widerspräche diesem Grundsatz.
Hier haben die Tarifvertragsparteien Betriebszugehörigkeit auch nach einer Unterbrechung berücksichtigt. Anders als im gegenteiligen Fall (vgl. dazu - zu II 2 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Post Nr. 7) geht es also nicht darum, den Arbeitnehmer durch die Einräumung eines tariflichen Anspruchs an den Betrieb zu binden. Damit entfällt ein Rechtfertigungsgrund für eine unterschiedliche Behandlung von befristeten und unbefristeten Arbeitsverhältnissen.
Dass nach der Rechtsprechung des Senats eine Benachteiligung wegen einer Befristung nicht gegen § 4 Abs. 2 TzBfG verstößt, wenn die Befristung - wie hier - vor dem , dem Datum des Inkrafttretens des TzBfG, endete ( - 3 AZR 128/04 - zu II 1 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Post Nr. 7) ist unerheblich.
bb) Auch dass die Klägerin die ersten sechs Wochen ihres Vertragsverhältnisses zur Beklagten an einem Lehrgang teilgenommen hat, ändert nichts an der Verpflichtung der Beklagten, diese Zeit als Beschäftigungszeit anzurechnen.
Die Teilnahme am Lehrgang war unmittelbar auf die Tätigkeit in der Kabine angelegt, wie es sich insbesondere aus Ziffer 10.1 des Ausbildungsvertrages, deren Rechtswirksamkeit insoweit unerheblich ist, ergibt. Danach hatte die Auszubildende eine Vertragsstrafe zu zahlen, wenn sie bei Abschluss des Lehrganges einen angeboten Arbeitsvertrag als Flugbegleiter nicht annahm. Die Ausbildung war letztlich nicht mehr als eine Einweisung in die Flugbegleitertätigkeit, die die Beklagte im eigenen Interesse und im Interesse der ordnungsgemäßen Erfüllung der späteren Aufgaben als Flugbegleiterin organisierte. Dadurch besteht ein enger Zusammenhang zur Flugbegleitertätigkeit, der zur Anrechnung dieser Zeit als Teil der "Gesamtbeschäftigungszeit" führt. Dass der Ausbildungsvertrag zeitlich begrenzt war, ist nach dem Vorgesagten unerheblich.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
OAAAD-35069