Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 418 Abs. 1; ZPO § 418 Abs. 3 Hs. 1; ZPO § 522 Abs. 1 S. 4; ZPO § 574 Abs. 2
Instanzenzug: OLG Stuttgart, 9 U 26/08 vom LG Stuttgart, 7 O 27/04 vom
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Bürgschaft in Anspruch, die diese für die Verbindlichkeiten einer inzwischen insolventen GmbH übernommen hat. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 179.471,23 EUR nebst Zinsen verurteilt und in Höhe von 739,62 EUR die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt.
Die Beklagte hat gegen das ihr am zugestellte Urteil des Landgerichts am Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist antragsgemäß bis zum verlängert worden. Der Prozessvertreter der Beklagten hat am per Telefax einen Schriftsatz zur Berufungsbegründung an das Berufungsgericht übersandt, der auf zwei Sendevorgänge aufgeteilt war. Die erste Sendung mit den Seiten 1 bis 8 des Schriftsatzes hat nach dem Journal des gerichtlichen Telefaxgeräts um 23:55 Uhr begonnen und 1 Minute 59 Sekunden gedauert. Der Beginn der zweiten Sendung mit den Seiten 9 bis 14, denen die Seite 14 vorangestellt war, ist mit 23:59 Uhr und die Dauer der Übertragung mit 1 Minute 26 Sekunden vom Telefaxgerät des Berufungsgerichts aufgezeichnet worden. Die von dem gerichtlichen Telefaxgerät empfangenen Daten sind in dessen internem Speicher abgelegt und erst später ausgedruckt worden. Das Journal des Telefaxgeräts, das der Beklagtenvertreter für die Absendung der Berufungsbegründung benutzt hat, weist für die zweite Sendung als Anfangszeit 23:58 Uhr und eine Übertragungsdauer von 1 Minute 16 Sekunden aus.
Die Beklagte hat geltend gemacht, aus den im Faxjournal des Berufungsgerichts festgehaltenen Verbindungsdaten lasse sich entnehmen, dass vor Ende des jedenfalls die Seite 14, die die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten trage, an das Gericht übermittelt worden sei. Diese Seite erfülle zusammen mit den zuvor übersandten Seiten 1 bis 8 die Voraussetzungen einer wirksamen Berufungsbegründung.
Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Übertragung der zweiten Sendung habe nach den Aufzeichnungen des Faxgeräts im Gericht erst am geendet. Zwar sei nach den insoweit nicht eindeutigen Angaben des anwaltlichen Faxjournals die Sendung möglicherweise bereits am Vortag abgeschlossen worden. Insgesamt habe damit aber die Beklagte den Nachweis nicht geführt, dass dieser Schriftsatz die Begründungsfrist gewahrt habe. Den zu einer weiteren Aufklärung geeigneten Einzelverbindungsnachweis des Telefondienstleistungsanbieters habe die Beklagte trotz eines entsprechenden Hinweises weder vorgelegt noch dargetan, dass sie dazu nicht in der Lage gewesen sei. Es sei ohne Bedeutung, dass der Beklagtenvertreter der zweiten Faxsendung die letzte Seite des Berufungsschriftsatzes vorangestellt habe, da für die Wahrung der Begründungsfrist der vollständige und fehlerfreie Abschluss des Übertragungsvorgangs entscheidend sei.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. BGHZ 151, 42, 43; 151, 221, 223; 155, 21, 22), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) noch zur Beantwortung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) erforderlich. Der Beschluss des Berufungsgerichts steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
1.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig, weil es von der Beweislast der Beklagten für eine rechtzeitige Begründung ihrer Berufung ausgegangen ist. Dies entspricht der Rechtsprechung des , WM 2004, 648, 649 m.w.N.). Entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Ansicht hat das Berufungsgericht nicht die Beweiswirkung des Eingangsstempels auf dem Ausdruck des Telefaxschreibens nach § 418 ZPO verkannt.
Der Eingangsstempel eines Gerichts ist zwar grundsätzlich eine öffentliche Urkunde, die gemäß § 418 Abs. 1 ZPO vollen Beweis der darin bezeugten Tatsache begründet (vgl. , NJW 2000, 1872, 1873, Urteil vom - VII ZR 33/04, NJW-RR 2005, 75, Beschluss vom - III ZB 81/04, NJW 2005, 3501 und Urteil vom - III ZR 10/06, NJW 2007, 603). Damit ist jedoch nicht der Nachweis geführt, am habe die Berufungsbegründung dem für den Posteingang zuständigen Beamten in ausgedruckter Form vorgelegen. Vielmehr steht das Gegenteil dieser Tatsache fest (§ 418 Abs. 2 ZPO). Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit den Angaben im Journal sowohl des Telefaxgeräts des Oberlandesgerichts als auch des Geräts der Prozessbevollmächtigten der Beklagten unangegriffen davon ausgegangen, dass die Berufungsbegründung erst am ausgedruckt worden ist. Der Eingangsstempel auf dem Ausdruck des Telefaxschreibens erbringt auch keinen Beweis dafür, dass die für die Rechtzeitigkeit des Eingangs maßgebliche (BGHZ 167, 214) Speicherung der zweiten Telefaxsendung mit den Seiten 9 bis 14 der Berufungsbegründung unmittelbar vor dem Tageswechsel vom 7. Februar auf den in dem Telefaxgerät des Oberlandesgerichts erfolgt ist, da dem keine eigene Beobachtung des Beamten zugrunde liegt, der den Stempel angebracht hat.
Öffentliche Urkunden begründen den vollen Beweis der in ihnen bezeugten Tatsachen grundsätzlich nur, soweit diese auf einer eigenen Wahrnehmung der Urkundsperson beruhen (vgl. § 418 Abs. 3 Halbs. 1 ZPO). Die zur Beurkundung berufene Amtsperson muss die bekundete Tatsache entweder selbst verwirklicht oder aufgrund eigener Wahrnehmung zuverlässig festgestellt haben (BVerfG, NJW-RR 1992, 1084, 1085; , WM 2004, 1391, 1392; BFH, DStR 2007, 619, 621 f.). Auf Schlussfolgerungen (Hk-ZPO/Eichele, 3. Aufl., § 418 Rn. 3; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 148 Rn. 6) oder das Ergebnis einer rechtlichen Bewertung (Münch-KommZPO/Schreiber, 3. Aufl., § 418 Rn. 7) bezieht sich die förmliche Beweiswirkung des § 418 Abs. 1 ZPO nicht.
Hier hat der Beamte, der den fraglichen Eingangsstempel am Morgen des angebracht hat, den Vorgang der Speicherung der zweiten Telefaxsendung nicht selbst beobachtet. Dazu wäre er, selbst wenn er um Mitternacht zugegen gewesen wäre, nicht in der Lage gewesen, da der Vorgang der Speicherung elektronischer Daten im Empfangsgerät einer unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung nicht zugänglich ist. Anders als bei der Entnahme von Postsendungen aus einem Nachtbriefkasten des Gerichts (vgl. , NJW-RR 2005, 75 und Beschluss vom - III ZR 81/04, NJW 2005, 3501) bekundet deswegen der Beamte, der den Eingangsstempel anbringt, keinen persönlich beobachteten Vorgang, der den Zeitpunkt des Eingangs vor oder nach Mitternacht belegen könnte.
Versieht der mit dem Posteingang betraute Beamte aus einem Telefaxgerät entnommene Ausdrucke mit dem Eingangsstempel des vorangehenden Tages, so erstreckt sich die Beweiskraft dieses Eingangsstempels vielmehr lediglich auf die Tatsache, dass der Ausdruck des Telefaxschreibens dem Beamten nach Dienstbeginn des ersten Arbeitstags vorgelegen hat, der dem im Stempelaufdruck genannten Tag nachfolgt (vgl. auch BFH, DStR 2007, 619, 621 f.). Die förmliche Beweiswirkung des § 418 Abs. 1 ZPO erstreckt sich dagegen nicht auf die Frage, ob die Zuspielung eines Schriftsatzes auf das gerichtliche Telefaxgerät vor oder nach dem Tageswechsel erfolgt ist.
2.
Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) oder zur Fortbildung des Rechts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) zulässig, weil es einer Klärung bedürfte, wie die Zeitangaben auf dem Telefaxgerät des Gerichts zustande gekommen und ob zu deren Übereinstimmung mit der Normalzeit amtliche Auskünfte einzuholen sind. Hierzu besteht weder eine umstrittene Rechtsfrage, die ein Tätigwerden des Bundesgerichtshofs erforderlich machen würde (Senat, BGHZ 159, 135, 137), noch Anlass für eine richtungsweisende Orientierungshilfe (vgl. BGHZ 151, 221, 225; 154, 288, 292).
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Eingangszeit per Telefax übersandter Schriftsätze nach der gesetzlichen Zeit gemäß § 1 und 2 des Gesetzes über die Zeitbestimmung, nunmehr § 4 i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung, zu beurteilen ist und dabei den Auskünften des Telekommunikationsunternehmens aus den Aufzeichnungen über die Dauer zeitabhängiger Verbindungen wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. , WM 2004, 648, 649). Da die für den rechtzeitigen Eingang ihrer Berufungsbegründung beweispflichtige Beklagte jedoch trotz eines entsprechenden Hinweises des Berufungsgerichts einen Einzelverbindungsnachweis ihres Telekommunikationsanbieters nicht vorgelegt hat, hatte das Berufungsgericht zu einer weiteren Aufklärung des Sendezeitpunkts keine Veranlassung.
Darüber hinausgehenden Klärungsbedarf hat die Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt. Die Rüge, das Berufungsgericht habe die am oberen und unteren Rand der einzelnen Telefaxseiten nach der Sender- bzw. Empfängerkennung angebrachten Übertragungsdaten nicht berücksichtigt, betrifft keine allgemein klärungsbedürftige Rechtsfrage, sondern greift die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts im Einzelfall an. Sie ist zudem unbegründet, da nach den rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts die am oberen Rand aufgedruckte Textzeile vom Telefaxgerät des Versenders und die unten angefügte Textzeile vom Telefaxgerät des Empfängers stammen. Diese Daten, die den Beginn des Sendevorgangs betreffen, stimmen jeweils mit den in den vorgelegten Journalausdrucken dokumentierten Zeitangaben überein.
3.
Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist schließlich auch nicht gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Dieser Zulässigkeitsgrund liegt in Fällen einer Divergenz vor, wenn die angefochtene Entscheidung eine Rechtsfrage in den tragenden Gründen anders beantwortet als eine Vergleichsentscheidung eines höheren oder gleichrangigen Gerichts (vgl. BGHZ 154, 288, 292 f. m.w.N.).
a)
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass das Berufungsgericht - zumindest konkludent - einen von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat. Vielmehr ist das Berufungsgericht von den anerkannten Grundsätzen bei Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Telefax übersandten Schriftsatzes ausgegangen.
Danach tritt auch bei einem Telefax, das zunächst im Empfangsgerät des Gerichts elektronisch gespeichert und erst später ausgedruckt wird, nicht bereits die Speicherung der Nachricht im Empfangsgerät an die Stelle der Schriftform (BGHZ 167, 214, Tz. 21; BGH, Beschlüsse vom - X ZB 8/08, NJW 2008, 2649, Tz. 11 und vom - IX ZB 41/08, WM 2009, 331, Tz. 3). Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Telefax übersandten Schriftsatzes kommt es hingegen auf den vollständigen Empfang (Speicherung) der elektronischen Daten an. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es der Absender nicht in der Hand hat, wann der Ausdruck eines empfangenen Telefax erfolgt (BGHZ 167, 214, Tz. 17 f.). Wegen der technischen Vergleichbarkeit der eingesetzten Übertragungstechniken werden insoweit die Grundsätze der für elektronische Dokumente geltenden Regelung in § 130a Abs. 3 ZPO entsprechend herangezogen (BGHZ 167, 214, Tz. 20), so dass eine Frist gewahrt ist, wenn die vom Absenderfax gesendeten Signale noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist vom Telefaxgerät des Gerichts vollständig empfangen (gespeichert) worden sind (BGHZ 167, 214, Tz. 18; , WM 2009, 331, Tz. 3).
b)
Dabei hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht übersehen, dass der Zulässigkeitsprüfung auch Teile eines Schriftsatzes zugrunde zu legen sind, soweit diese innerhalb der Begründungsfrist eingegangen sind (BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 21/94, WM 1994, 1349, 1350 und vom - II ZB 31/03, NJW-RR 2005, 793). Die Seiten 1 bis 8 der Berufungsbegründung, die mit dem ersten Übertragungsvorgang an das Berufungsgericht gesandt worden und dort vor Mitternacht eingegangen sind, reichen jedoch zur Wahrung der Begründungsfrist schon deswegen nicht aus, weil sie nicht die nach § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO erforderliche Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der Beklagten tragen (vgl. , NJW 2005, 2086, 2087 f. m.w.N.). Dass die Datei, die die Daten aller Seiten der zweiten Telefaxsendung und damit auch die Kopie der von dem Prozessbevollmächtigten unterschriebenen Seite 14 der Berufungsbegründung enthielt, vor Mitternacht vollständig (siehe BGHZ 167, 214, Tz. 18) vom Empfangsgerät des Oberlandesgerichts gespeichert worden ist, steht nicht fest. Vielmehr ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die insoweit von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen werden, diese Datei erst am Folgetag zwischen 00:00:26 und 00:01:25 Uhr im Datenspeicher des gerichtlichen Faxgeräts abgelegt worden. Erst damit sind die gesamten analogen Signale der zweiten Telefaxübertragung vom Empfangsgerät vollständig aufgenommen und nach Verarbeitung als abrufbare digitale Datei auf den internen Datenspeicher des Gerätes geschrieben worden. Danach hat das Berufungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung rechtsfehlerfrei nicht die Feststellung zugrunde gelegt, die wegen der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten für eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung unverzichtbare Seite 14 des Schriftsatzes sei bis 24:00 Uhr des letzten Tages der Begründungsfrist bei Gericht eingegangen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
TAAAD-29938
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein