BAG Urteil v. - 6 AZR 712/07

Leitsatz

[1] 1. Tarifliche Normen sind unwirksam, wenn sie zu einer Gruppenbildung führen, die die durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Belange von Ehe und Familie gleichheits- oder sachwidrig außer Betracht lässt.

2. § 11 TVÜ-VKA hält einer Kontrolle an diesem Maßstab stand, soweit er den in den TVöD übergeleiteten Arbeitnehmern, deren Ehegatte ebenfalls im öffentlichen Dienst beschäftigt war und die nach der Konkurrenzregelung des § 29 Abschn. B Abs. 6 BAT keinen Anspruch auf den kinderbezogenen Entgeltbestandteil im Ortszuschlag bzw. einen Sozialzuschlag nach § 33 BMT-G II hatten, keine Möglichkeit eingeräumt hat, durch Änderung des Kindergeldbezugs nach dem eine kinderbezogene Besitzstandszulage zu erhalten.

Gesetze: TVÜ-VKA § 11; BMT-G II § 33; BAT § 29 Abschn. B Abs. 3; BAT § 29 Abschn. B Abs. 6

Instanzenzug: ArbG Mannheim, 3 Ca 147/06 vom Baden-Württemberg (Mannheim), 14 Sa 54/06

Tatbestand

Der Kläger begehrt für den Zeitraum ab eine kinderbezogene Besitzstandszulage in rechnerisch unstreitiger Höhe.

Der Kläger ist bei der Beklagten in dem von ihr betriebenen Nationaltheater als Beleuchtungstechniker beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien waren aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung die Vorschriften des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) anzuwenden. Mit Wirkung zum wurde das Arbeitsverhältnis der Parteien in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) übergeleitet. Der Kläger ist verheiratet und hat mit seiner Ehefrau zwei Kinder. Das zweite Kind ist am geboren. Die Ehefrau des Klägers, auf deren Arbeitsverhältnis der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) auch nach dem Anwendung fand, erhielt stets den kinderbezogenen Anteil des Ortszuschlages gemäß § 29 Abschn. B Abs. 3 und 6 BAT, weil ihr das Kindergeld gewährt wurde. Dieser Entgeltbestandteil floss auch in den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld während des bis zum andauernden Mutterschutzes ein. Ab dem befand sich die Ehefrau des Klägers in Elternzeit. Am beantragte der Kläger Gewährung des Sozialzuschlags nach § 33 BMT-G II, der unter denselben Voraussetzungen wie der kinderbezogene Entgeltbestandteil im Ortszuschlag nach § 29 BAT gewährt wurde. Einen Kindergeldantrag stellte er nicht. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom die Zahlung einer Besitzstandszulage nach § 11 des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts vom (TVÜ-VKA) ab. Diese Bestimmung hat folgenden Inhalt:

"§ 11 Kinderbezogene Entgeltbestandteile

(1) Für im September 2005 zu berücksichtigende Kinder werden die kinderbezogenen Entgeltbestandteile des BAT/BAT-O/BAT-Ostdeutsche Sparkassen oder BMT-G/BMT-G-O in der für September 2005 zustehenden Höhe als Besitzstandszulage fortgezahlt, solange für diese Kinder Kindergeld nach dem Einkommenssteuergesetz (EStG) oder nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) ununterbrochen gezahlt wird oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 EStG oder des § 3 oder § 4 BKGG gezahlt würde. Die Besitzstandszulage entfällt ab dem Zeitpunkt, zu dem einer anderen Person, die im öffentlichen Dienst steht oder auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder nach einer Ruhelohnordnung versorgungsberechtigt ist, für ein Kind, für welches die Besitzstandszulage gewährt wird, das Kindergeld gezahlt wird; die Änderung der Kindergeldberechtigung hat die/der Beschäftigte dem Arbeitgeber unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Unterbrechungen wegen der Ableistung von Grundwehrdienst, Zivildienst oder Wehrübungen sowie die Ableistung eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres sind unschädlich; soweit die unschädliche Unterbrechung bereits im Monat September 2005 vorliegt, wird die Besitzstandszulage ab dem Zeitpunkt des Wiederauflebens der Kindergeldzahlung gewährt.

...

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für

a) zwischen dem und dem geborene Kinder der übergeleiteten Beschäftigten,

b) die Kinder von bis zum in ein Arbeitsverhältnis übernommenen Auszubildenden, Schülerinnen/Schüler in der Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege und in der Entbindungspflege sowie Praktikantinnen und Praktikanten aus tarifvertraglich geregelten Beschäftigungsverhältnissen, soweit diese Kinder vor dem geboren sind."

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Stichtagsregelung des § 11 TVÜ-VKA sei widersprüchlich und nicht sachgerecht. Er habe auf die erst im Oktober 2005 in Kraft getretene tarifliche Neuregelung nicht reagieren können. Die Tarifvertragsparteien hätten den Betroffenen die Möglichkeit eröffnen müssen, innerhalb einer angemessenen Frist die Bezugsberechtigung des Kindergeldes zu ändern. Die tarifliche Regelung verletze Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 GG. Mit seiner Klage begehrt er Zahlung einer kinderbezogenen Zulage von 181,14 Euro monatlich für die Zeit von Oktober 2005 bis einschließlich Juni 2006 und Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung dieses Entgeltbestandteils.

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.630,26 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf im Einzelnen genannte, gestaffelte Beträge zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die kinderbezogenen Entgeltbestandteile gemäß § 11 Abs. 1 TVÜ-Kommunen für die Kinder J und M ab zu zahlen.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Besitzstandsregelung des § 11 TVÜ-VKA als verfassungskonform verteidigt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

Die Revision ist unbegründet. Die Feststellungsklage ist dahin auszulegen, dass der Kläger damit nur die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der kinderbezogenen Zulage für die Zeit ab Juli 2006 festgestellt wissen will, und in dieser Auslegung zulässig. Die Vorinstanzen haben die Klage jedoch zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Besitzstandszulage nach § 11 TVÜ-VKA.

I.1. Die Besitzstandsregelung des § 11 TVÜ-VKA knüpft nach ihrem eindeutigen Wortlaut daran, dass Kinder im September 2005 zu berücksichtigen waren, für sie also dem in den TVöD übergeleiteten Arbeitnehmer der kinderbezogene Entgeltbestandteil im Ortszuschlag bzw. der Sozialzuschlag gezahlt wurde. Waren wie im vorliegenden Fall beide Ehegatten im öffentlichen Dienst tätig, erhielt nach der Konkurrenzregelung des § 29 Abschn. B Abs. 6 Satz 1 BAT, hier iVm. § 33 BMT-G II, nur der Ehegatte den kinderbezogenen Entgeltbestandteil, dem das Kindergeld gewährt wurde oder ohne Berücksichtigung des § 65 EStG oder § 4 BKGG vorrangig zu gewähren gewesen wäre. Nach § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ist das Kind in den gemeinsamen Haushalt von einem Elternteil und dessen Ehegatten aufgenommen worden, bestimmen diese untereinander den Berechtigten (§ 64 Abs. 2 Satz 2 EStG). Den kinderbezogenen Entgeltbestandteil im Ortszuschlag erhielt also im Konkurrenzfall des § 29 Abschn. B Abs. 6 BAT bei einem gemeinsamen Hausstand des Ehepaares nur der Ehegatte, den die Eheleute als Anspruchsberechtigten für das Kindergeld bestimmt hatten. Anspruch auf die Besitzstandszulage nach § 11 TVÜ-VKA hat in der vorliegenden Konstellation daher nur der Ehegatte, zu dessen Gunsten die Eheleute spätestens für September 2005 ihr Wahlrecht nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG ausgeübt hatten und der deshalb im September 2005 den kinderbezogenen Entgeltbestandteil im Ortszuschlag bzw. den Sozialzuschlag bezog (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand August 2007 § 11 TVÜ-VKA Rn. 9; Dassau/Wiesend-Rothbrust TVöD 5. Aufl. § 11 TVÜ-VKA Rn. 6).

Dies wird durch § 11 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA bestätigt. Danach entfällt der Anspruch auf die Besitzstandszulage, wenn die Kindergeldberechtigung wechselt. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass Anspruch auf die Besitzstandszulage nur der in den TVöD übergeleitete Arbeitnehmer hat, der am Stichtag selbst kindergeldberechtigt im tariflichen Sinne war, also Kindergeld bezogen hat.

2. Entgegen der Auffassung der Revision zeigen die Protokollerklärungen, die durch den Änderungsvertrag Nr. 2 vom zum TVÜ-VKA § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA hinzugefügt worden sind, nicht, dass diese "enge Auslegung" des § 11 TVÜ-VKA sachwidrig ist. Die hier allein in Betracht kommende Protokollerklärung Nr. 3 gewährt iVm. der Protokollerklärung Nr. 5 Beschäftigten mit mehr als zwei Kindern, die im September 2005 für das dritte und jedes weitere Kind keinen kinderbezogenen Entgeltbestandteil erhalten haben, weil sie nicht zum Kindergeldberechtigten bestimmt waren, für die Zeit ab bzw. (bei entsprechendem Antrag vor dem ) ab für das dritte und jedes weitere Kind einen Anspruch auf die Besitzstandszulage, solange sie für diese Kindergeld erhalten. Diese Protokollerklärung ist jedoch eine bloße Härtefallregelung, die die mit der Überleitung in den TVöD für den in dieser Regelung angesprochenen Personenkreis der im öffentlichen Dienst beschäftigten Ehepaare verbundenen Härten abfedern soll, und lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass die Tarifvertragsparteien der Besitzstandsregelung des § 11 TVÜ-VKA einen anderen Inhalt beimessen wollten, als der Wortlaut ergibt.

3. Soweit die Revision auf die Protokollerklärung zu § 11 TVÜ-Länder verweist, die in Satz 4 den Beschäftigten, die im Oktober 2006 nicht kindergeldberechtigt waren, Anspruch auf die Besitzstandszulage einräumt, sofern bis zum ein Berechtigtenwechsel erfolgt, handelt es sich um ein anderes Tarifwerk, das von anderen Tarifvertragsparteien geschlossen worden ist. Diese Bestimmung kann daher weder zur Auslegung des § 11 TVÜ-VKA herangezogen werden noch waren die Tarifvertragsparteien verpflichtet, im Geltungsbereich des TVöD Regelungen zu treffen, die denen im Bereich des TV-L vergleichbar wären.

4. Der Kläger und seine Ehefrau haben ihr Wahlrecht nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG zugunsten der Ehefrau des Klägers ausgeübt, die unstreitig noch im September 2005 Kindergeld und den daran geknüpften kinderbezogenen Entgeltbestandteil im Ortszuschlag bezogen hat. Der Kläger kann daher aus der tariflichen Besitzstandsregelung keinen Anspruch herleiten.

II. § 11 TVÜ-VKA ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Insbesondere ist durch diese Bestimmung der durch Art. 6 Abs. 1 GG eingeengte Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien nicht überschritten.

1. Die Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden (Senat - 6 AZR 129/03 - BAGE III, 8, 15). Deshalb kann die tarifliche Regelung nicht unmittelbar am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG und des Art. 6 Abs. 1 GG gemessen werden, zumal der Schutzauftrag aus Art. 6 Abs. 1 GG sich nur an die staatliche Ordnung, nicht aber an die Tarifvertragsparteien als Vereinigungen privaten Rechts richtet. Die Tarifvertragsparteien haben deshalb nicht die Pflicht, durch tarifliche Regelungen zum besonderen Schutz von Ehe und Familie beizutragen (ErfK/Dieterich 8. Aufl. Art. 6 GG Rn. 16). Das Grundgesetz will aber keine wertneutrale Ordnung sein, sondern enthält in seinem Grundrechtsabschnitt verfassungsrechtliche Grundentscheidungen für alle Bereiche des Rechts.

Art. 6 Abs. 1 GG ist eine wertentscheidende Grundsatznorm, die nicht nur eine Institutsgarantie beinhaltet, sondern zugleich eine verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts enthält (BVerfG st. Rspr. seit der Entscheidung vom - 1 BvL 4/54 - BVerfGE 6, 55, 71 f.). Diese Wertentscheidung der Verfassung verpflichtet auch die staatlichen Gerichte, die kraft Verfassungsgebots bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts die sich aus dem Schutzauftrag der Verfassung ergebenden Modifikationen des Privatrechts zu beachten haben (Art. 1 Abs. 3 GG, vgl. - BVerfGE 7, 198, 206; - 1 BvR 26/84 - BVerfGE 81, 242, 254 ff.).

Für die Auslegung und Anwendung tariflicher Normen, die die Belange von Ehe und Familie berühren, folgt daraus, dass die Tarifvertragsparteien aufgrund der Schutzpflichtfunktion der Grundrechte bei ihrer tariflichen Normsetzung den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 3 GG beachten müssen, als selbständige Grundrechtsträger dabei aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie aber einen weitergehenden Gestaltungsspielraum als der Gesetzgeber haben. Ihnen kommt eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen zu. Sie sind nicht dazu verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen, vielmehr genügt es, wenn sich für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund ergibt (Senat - 6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8, 15 ff., 18 f.). Dieser Spielraum ist jedoch wiederum durch die Wertentscheidungen des Art. 6 GG, denen die Arbeitsgerichte zur Geltung zu verhelfen haben, eingeengt (vgl. ua. - BVerfGE 87, 1, 39 für den Gesetzgeber; - BAGE 54, 210, 215). Die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte verpflichtet deshalb die Rechtsprechung dazu, solchen Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu einer Gruppenbildung führen, die die durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Belange von Ehe und Familie gleichheits- oder sachwidrig außer Betracht lässt (vgl. ErfK/Dieterich 8. Aufl. Einl. GG Rn. 57 f., Art. 6 GG Rn. 15; vgl. zum Verbot gleichheitswidriger Differenzierungen auch Senat - 6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8, 16).

2. An diesem Maßstab gemessen, begegnet die tarifliche Übergangsregelung des § 11 TVÜ-VKA auch insoweit keinen Bedenken, als die Tarifvertragsparteien den in den TVöD übergeleiteten Arbeitnehmern, deren Ehegatte ebenfalls im öffentlichen Dienst beschäftigt war und die am Überleitungsstichtag, weil ihr Ehegatte als Anspruchsberechtigter für das Kindergeld bestimmt worden war, nach der Konkurrenzregelung des § 29 Abschn. B Abs. 6 BAT keinen Anspruch auf den kinderbezogenen Entgeltbestandteil im Ortszuschlag bzw. einen Sozialzuschlag nach § 33 BMT-G II hatten, keine Möglichkeit eingeräumt haben, die Zuordnung des Kindergeldbezugs nach dem zu ändern.

a) Die Tarifvertragsparteien haben die Besitzstandszulage an den tatsächlichen, individuellen Besitzstand des Arbeitnehmers im letzten Monat vor dessen Überleitung in den TVöD geknüpft. Das ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Stichtagsregelungen sind Typisierungen in der Zeit, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Ausdruck einer gebotenen pauschalisierenden Betrachtung sind. Sie sind aus Gründen der Praktikabilität ungeachtet der damit verbundenen Härten zur Abgrenzung des begünstigten Personenkreises gerechtfertigt, wenn sich die Wahl des Stichtags am gegebenen Sachverhalt orientiert und demnach vertretbar ist (Senat - 6 AZR 64/03 - BAGE 109, 110, 120). Die Stichtagsregelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA orientiert sich am gegebenen Sachverhalt. Sie bestimmt mit dem September 2005 den letzten Monat, in dem kinderbezogene Entgeltbestandteile im durch den TVöD abgelösten Entgeltgefüge des öffentlichen Dienstes vorgesehen waren, zum Anknüpfungspunkt für die Besitzstandszulage. Dies ist sachgerecht (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand August 2007 § 11 TVÜ-VKA Rn. 8). Auch der von der Revision zitierte Aufsatz von Heimann (NZA 2008, 23, 25) geht lediglich davon aus, dass die Tarifvertragsparteien verpflichtet gewesen seien, hinsichtlich erworbener Entgeltbestandteile Besitzstandsschutz zu gewähren.

b) Die Anknüpfung der nach § 11 TVÜ-VKA gewährten Besitzstandszulage an den Bezug des kinderbezogenen Entgeltbestandteils im Ortszuschlag im September 2005 führt auch in Fällen wie dem vorliegenden nicht zu einer Gruppenbildung, die die durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Belange von Ehe und Familie gleichheits- oder sachwidrig außer Betracht lässt. Die Tarifvertragsparteien waren unter der Geltung des BAT verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, durch zusätzliche Vergütungsbestandteile einen sozialen, familienbezogenen Ausgleich zu gewähren ( -EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 17). Nachdem sie sich in ebenfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschlossen hatten, mit dem Inkrafttreten des TVöD die ursprünglich verfolgte ehe- und familienbezogene Ausgleichsfunktion eines Teils des Entgelts aufzugeben, waren sie lediglich gehindert, bestimmte Arbeitnehmergruppen ohne auch unter Beachtung der Wertentscheidungen des Art. 6 GG sachlich vertretbaren Grund von der Besitzstandsregelung hinsichtlich des kinderbezogenen Entgeltbestandteils im Ortszuschlag ganz oder teilweise auszuschließen (st. Rspr., vgl. - BVerfGE 107, 133, 141).

aa) Die tarifliche Besitzstandsregelung schließt nicht pauschal Ehepaare, bei denen beide Ehepartner im September 2005 im öffentlichen Dienst beschäftigt waren, von der Besitzstandsregelung aus. Ebenso wenig führt sie dazu, dass der Familie von solchen Ehepaaren bei der Entscheidung eines Ehegatten, ab dem oder später Elternzeit zu nehmen, generell der kinderbezogene Entgeltbestandteil entzogen wurde. § 11 TVÜ-VKA knüpft in den Fällen, in denen im September 2005 beide Ehegatten ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit im öffentlichen Dienst bezogen, nicht an die ab dem oder später beginnende Elternzeit an, sondern allein an die für September 2005 getroffene Wahl, welcher der Ehegatten zum Anspruchsberechtigten für das Kindergeld bestimmt worden war. Dies zeigt die Umkehrung des Falls des Klägers: Wäre der Kläger bei einem Arbeitgeber beschäftigt gewesen, bei dem auch nach dem noch der BAT galt, und wäre die Ehefrau des Klägers bei der Beklagten tätig gewesen, von den Eheleuten als Kindergeldberechtigte bestimmt gewesen und am in Elternzeit gegangen, so hätte sie Anspruch auf die Besitzstandszulage nach § 11 TVÜ-VKA gehabt. Hätte andererseits in der hier vorliegenden Beschäftigungskonstellation der Kläger ab dem Elternzeit in Anspruch genommen und seine Ehefrau dementsprechend weitergearbeitet, so wäre der kinderbezogene Entgeltbestandteil wie bis zum September 2005 auch über den hinaus weiterhin an diese geflossen. Deshalb verfängt das Argument der Revision, die tarifliche Regelung schränke die freie Entscheidung der Eheleute über die Verteilung der Pflicht zur Betreuung der gemeinsamen Kinder ein, nicht.

bb) Die Tarifvertragsparteien haben mit der Bestimmung der von den Ehegatten getroffenen Wahl der Anspruchsberechtigung für den Bezug des Kindergeldes als Anknüpfungspunkt für den Schutz des tariflichen Besitzstandes in zulässiger Weise auf die im September 2005 typischerweise bei Ehegatten, in denen beide Partner im öffentlichen Dienst beschäftigt waren, vorliegende Interessenlage abgestellt. Sie durften davon ausgehen, dass die Beschäftigten, bei denen wegen der Konkurrenzregelung des § 29 Abschn. B Abs. 6 BAT die Möglichkeit bestand, frei zu entscheiden, welchem der beiden Ehegatten der kinderbezogene Entgeltbestandteil im Ortszuschlag zufließen sollte, von ihrem Wahlrecht in einer der konkreten finanziellen Interessenlage in ihrer individuellen Familiensituation entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hatten. Dabei konnte es durchaus der Interessenlage der Familie entsprechen, das Einkommen eines Ehegatten, etwa im Hinblick auf Unterhaltspflichten und -ansprüche, Lohnpfändungen oder Einkommensgrenzen für die Inanspruchnahme sozialer Leistungen, bewusst niedrig zu halten, und deshalb den kinderbezogenen Entgeltbestandteil dem anderen Ehegatten zufließen zu lassen. An diese einmal getroffene Wahl durften die Tarifvertragsparteien bei der Festlegung der Voraussetzungen für die Besitzstandszulage anknüpfen. Die ausschließliche Anknüpfung an die Kindergeldberechtigung im Monat September auch in den Fällen, in denen wie beim Kläger eine Änderung der Kindergeldberechtigung unmittelbar nach dem den finanziellen Interessen der Familie nach altem Recht eher entsprochen hätte, zB bei Beginn der Elternzeit des nicht in den TVöD übergeleiteten Ehegatten, bei Ausscheiden des anderen Ehegatten aus dem öffentlichen Dienst oder dessen Tod, mag den Betroffenen ungerecht erscheinen. Die Tarifvertragsparteien durften aber eine Gruppenbildung nach typisierender Betrachtung vornehmen und dabei davon ausgehen, dass die für September 2005 getroffene Wahl der Kindergeldberechtigung im Normalfall den Interessen der Betroffenen auch in der unmittelbaren Folgezeit noch gerecht werde. Fallkonstellationen wie die vorliegende, in denen die Interessenlage einzelner Beschäftigter von der von den Tarifvertragsparteien als typisch angenommenen abweicht, mussten sie nicht regeln. Sie waren nicht verpflichtet, bei der Überleitung der Beschäftigten in den TVöD sämtliche denkbaren künftigen Nachteile finanziell auszugleichen (vgl. Senat - 6 AZR 95/07 - Rn. 26, ZTR 2008, 380) oder Vorsorge für jede in Zukunft denkbare Beschäftigungskonstellation und Erwerbssituation der Ehegatten und deren Verteilung der Betreuungspflichten für die gemeinsamen Kinder zu treffen. Dies wäre bei der Kompliziertheit der durch den TVöD abgelösten Tarifverträge des öffentlichen Dienstes und der Vielfalt der Interessen der betroffenen Beschäftigten in einer handhabbaren Weise nicht möglich gewesen. Die Tarifvertragsparteien durften sich auf die Wahrung des Ist-Zustandes beschränken. Sie mussten deshalb den Betroffenen auch nicht die Möglichkeit eröffnen, innerhalb einer angemessenen Frist nach dem die Wahl der Anspruchsberechtigung für das Kindergeld zu ändern.

c) Die Gruppe der in den TVöD übergeleiteten Beschäftigten, die für die zwischen dem und dem geborenen Kinder eine Besitzstandszulage erhalten können (§ 11 Abs. 3 Buchst. a und b TVÜ-VKA), ist mit der Gruppe der Arbeitnehmer, die für vor dem geborene Kinder nicht kindergeldberechtigt war und deshalb keine Besitzstandszulage erhält, nicht vergleichbar. Diese Regelung erweitert den Bestandsschutz in zeitlicher Hinsicht nur für die Kinder, für die am Überleitungsstichtag noch überhaupt keine Kindergeldberechtigung bestand, für die ein etwaiges nach der Konkurrenzregelung des § 29 Abschn. B Abs. 6 BAT bestehendes Wahlrecht also noch gar nicht ausgeübt worden sein konnte. In diesen Fällen gab es also keinen Anknüpfungspunkt für eine typischerweise fortbestehende finanzielle Interessenlage. Bei typisierender Betrachtung liegen zwischen diesen beiden Gruppen deshalb sachbezogene Unterschiede vor, die eine unterschiedliche Behandlung bei dem Anspruch auf eine Besitzstandszulage rechtfertigen.

III. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Besitzstandszulage nach der tariflichen Härtefallregelung in der Protokollnotiz Nr. 3 iVm. Nr. 5 zu § 11 TVÜ-VKA idF des Änderungstarifvertrages Nr. 2 vom zum TVÜ-VKA für die Zeit ab . Er erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen dieser Härtefallregelung bereits deshalb nicht, weil er nicht drei oder mehr Kinder hat. Auch insoweit ist keine Gruppenbildung erfolgt, die die durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Belange von Ehe und Familie gleichheits- oder sachwidrig außer Betracht lässt. Mit dieser Regelung wollen die Tarifvertragsparteien ersichtlich den Umstand berücksichtigen, dass mit steigender Kinderzahl auch der Aufwand der Familie steigt (vgl. Felix in Kirchhof EStG 8. Aufl. § 66 Rn. 1) und diesen erhöhten Aufwand gerade kinderreicher Familien ausgleichen. Auch der Gesetzgeber differenziert hinsichtlich der Höhe des Kindergeldes in § 66 EStG nach der Anzahl der Kinder. Bis zum Veranlagungszeitraum 2001 stieg die Höhe des Kindergeldes ab dem dritten und noch einmal ab dem vierten Kind. Ab dem Veranlagungszeitraum 2002 ist das Kindergeld für das erste bis dritte Kind einheitlich auf 154,00 Euro festgesetzt, für das vierte und jedes weitere Kind wird ein um 25,00 Euro höherer Betrag gewährt. Die tarifliche Differenzierung in der Härtefallregelung der Protokollnotiz Nr. 3 zu § 11 TVÜ-VKA benachteiligt Familien mit nur ein oder zwei Kindern deshalb nicht sachwidrig.

IV. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

Fundstelle(n):
UAAAD-02255

1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein