Leitsatz
[1] 1. Nimmt die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK) einen Unternehmer, der einen anderen Unternehmer (Subunternehmer) mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt hat, gemäß § 1a Satz 1 AEntG als gesetzlichen Bürgen für Beitragsschulden des Subunternehmers in Anspruch, wirkt die Rechtskraft einer der ULAK günstigen Entscheidung gegen den Subunternehmer nicht zu Lasten des Unternehmers.
2. Die Regelung in § 1a AEntG steht einer Erklärung des Bürgen mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO über die Anzahl und die Einsatzzeiten der vom Subunternehmer beschäftigten Arbeitnehmer nicht entgegen.
3. Besteht zwischen der ULAK und dem Bürgen Streit über die Höhe des Urlaubskassenbeitrags, ist diese von den Tatsachengerichten nach § 287 Abs. 2 ZPO zu ermitteln, wenn die ULAK die Höhe des beanspruchten Beitrags nicht anhand von Beitragsmeldungen des Subunternehmers oder mit Hilfe anderer Beweismittel nachweist.
Gesetze: AEntG § 1; AEntG § 1a; AEntG § 3; BGB § 566 Abs. 2; BGB § 767 Abs. 1; BGB § 773 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 1251 Abs. 2; HGB § 349; SGB III § 211 Abs. 1; ZPO § 138 Abs. 4; ZPO § 287 Abs. 2; ZPO § 416; TV über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom § 6
Instanzenzug: ArbG Frankfurt am Main 14 Ca 6511/01 vom Hessisches LAG 16 /10 Sa 1086/03 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten noch darüber, ob die Beklagte auf Grund ihrer Bürgenhaftung weitere Urlaubskassenbeiträge iHv. 3.245,24 Euro für die Monate Januar bis April 2000 an den Kläger abzuführen hat.
Der Kläger ist die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK). Diese ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes und hat insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tariflichen Urlaubsvergütung zu sichern. Zur Finanzierung ihrer Leistungen erhebt sie von den Arbeitgebern Beiträge, die sie von außerhalb Deutschlands ansässigen Arbeitgebern selbst einzieht. Den Beitragseinzug regelte im Anspruchszeitraum der allgemeinverbindliche Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom .
Die Beklagte betreibt ein Bauunternehmen. Als Gesellschafterin einer Arbeitsgemeinschaft, die den Auftrag hatte, in F in der M das Bürogebäude "U" zu errichten, beauftragte sie das Bauunternehmen bulgarischen Rechts A. (Subunternehmerin) mit der Erbringung von Rohbauarbeiten an dieser Baustelle (Baustelle U). Zur Ausführung dieser Arbeiten setzte die Subunternehmerin von September 1999 bis April 2000 aus Bulgarien nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer ein. Diese waren zum deutschen Arbeitsmarkt zugelassen. Im Kalenderjahr 2000 erbrachten die Arbeitnehmer der Subunternehmerin bezogen auf die betriebliche Gesamtarbeitszeit überwiegend Rohbauarbeiten.
Die Subunternehmerin meldete die für die Verrichtung der Rohbauarbeiten vorgesehenen Arbeitnehmer sowie den Beginn und die voraussichtliche Dauer der Beschäftigung beim zuständigen Landesarbeitsamt an (§ 3 AEntG-Meldungen). Bis einschließlich Januar 2000 teilte sie der ULAK für jeden Kalendermonat die Zahl der von ihr auf der Baustelle U zur Ausführung der Rohbauarbeiten eingesetzten Arbeitnehmer, deren Einsatzzeiten und die beitragspflichtigen Bruttolöhne mit. Den sich aus ihrer Monatsmeldung für Januar 2000 ergebenden Urlaubskassenbeitrag iHv. 10.242,64 DM (5.236,98 Euro) zahlte sie nicht. Sie entrichtete auch für die Monate Februar bis April 2000 keine Beiträge. Für diese Monate meldete sie der ULAK auch nicht die Zahl, die Einsatzzeiten und die beitragspflichtigen Bruttolöhne der auf der Baustelle U von ihr eingesetzten Arbeitnehmer.
In einem Schreiben vom bat die Beklagte die ULAK um Auskunft, ob diese noch Beitragsansprüche gegen die Subunternehmerin habe, und fügte diesem Schreiben eine von der Subunternehmerin am unterzeichnete Ermächtigung zur Einholung von Auskünften bei den Sozialkassen bei. Die ULAK teilte der Beklagten im Antwortschreiben vom ua. mit, dass die Subunternehmerin für die Zeit bis Januar 2000 Urlaubskassenbeiträge iHv. 148.388,14 DM gemeldet, aber nur Beiträge iHv. 120.548,52 DM gezahlt habe, und dass nach ihren Unterlagen für die Monate August 1999 bis März 2000 Beiträge iHv. 46.210,00 Euro ausstünden.
Mit Versäumnisurteil vom (- 6 Ca 3775/03 -) verurteilte das Arbeitsgericht Wiesbaden die Subunternehmerin zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für die Monate Juni 1999 bis April 2000 iHv. 56.670,20 Euro. Dieses Urteil erlangte Rechtskraft.
Die ULAK vertritt die Auffassung, die Beklagte hafte gemäß § 1a Satz 1 AEntG als Bürgin für die von der Subunternehmerin geschuldeten, aber nicht abgeführten Urlaubskassenbeiträge. Die Subunternehmerin habe die für Januar 2000 gemeldeten Beiträge iHv. 10.242,64 DM (5.236,98 Euro) nicht geleistet. Darüber hinaus schulde die Subunternehmerin für diesen Monat jedenfalls weitere Beiträge iHv. 621,15 Euro. Die Beitragsmeldungen der Subunternehmerin für Januar 2000 hätten nicht alle in diesem Monat von ihr auf der Baustelle U eingesetzten gewerblichen Arbeitnehmer erfasst. Dies ergebe sich aus den vom Arbeitsamt erteilten und nicht stornierten Arbeitserlaubnissen für die Arbeitnehmer der Subunternehmerin für die Baustelle U und den § 3 AEntG-Meldungen. Unter Heranziehung der tariflichen Normalarbeitszeit, des tariflichen Mindestlohnes und des maßgeblichen Beitragssatzes errechneten sich für Januar 2000 für die von der Subunternehmerin nicht gemeldeten Arbeitnehmer Mindestbeiträge iHv. 621,15 Euro. Für die Monate Februar bis April 2000 ergäben sich nach diesen Berechnungsgrundlagen für die in den Arbeitserlaubnislisten und in den § 3 AEntG-Meldungen aufgeführten Arbeitnehmer Beiträge zur Urlaubskasse in Höhe von 11.547,23 Euro, 6.710,43 Euro und 1.384,85 Euro. Die Beklagte habe bezüglich der von ihr schlüssig dargelegten Höhe des geschuldeten Urlaubskassenbeitrags keine Berechnungsfehler konkret aufgezeigt. Als Bürgin für die Beitragsschulden der Subunternehmerin könne die Beklagte die ihrer Beitragsberechnung zu Grunde liegende Zahl der von der Subunternehmerin auf der Baustelle U eingesetzten Arbeitnehmer und deren Einsatzzeiten nicht pauschal mit Nichtwissen iSv. § 138 Abs. 4 ZPO bestreiten. Dies widerspräche dem Sinn und Zweck der in § 1a AEntG geregelten Bürgenhaftung. Diese solle den Hauptunternehmer dazu anhalten, dass ein von ihm beauftragter Subunternehmer die nach § 1 AEntG zwingenden Arbeitsbedingungen einhält. Könnte sich ein Bürge bereits faktisch seiner Haftung dadurch entziehen, dass er sich über ihren schlüssigen Vortrag zur Beitragshöhe mit Nichtwissen erklärt, würde dieses vom Gesetzgeber mit der Bürgenhaftung verfolgte Ziel nicht erreicht.
Die ULAK hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 25.500,64 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 13.901,48 Euro für die Zeit vom bis zum zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, die von der Subunternehmerin dem Landesarbeitsamt vor dem Beginn der Rohbauarbeiten in den § 3 AEntG-Meldungen mitgeteilte Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer könnte der Beitragsberechnung der ULAK nicht zu Grunde gelegt werden. Dies gelte auch für die von der Subunternehmerin bei der Anmeldung genannten voraussichtlichen Einsatzzeiten. Die bei der Anmeldung vor Beginn der Bauarbeiten gemachten Angaben belegten weder den tatsächlichen Einsatz der angemeldeten Arbeitnehmer, geschweige denn ihren Einsatz entsprechend den vorgesehenen Einsatzzeiten. Ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland könne nicht allein durch eine Anmeldung von Arbeitnehmern die verschuldensunabhängige Bürgenhaftung nach § 1a AEntG auslösen. Ihre Erklärung mit Nichtwissen über die von der ULAK in die Beitragsberechnung eingestellte Zahl von Arbeitnehmern und deren Einsatzzeiten sei zulässig.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der ULAK das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert, die Beklagte zur Zahlung von 22.255,40 Euro verurteilt und die Berufung der ULAK im Übrigen zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die ULAK ihr Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der ULAK zurückzuweisen.
Gründe
Die Revision der ULAK ist nicht begründet. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht der Klage nur in Höhe eines Betrages von 22.255,40 Euro stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zusammengefasst angenommen, die Beklagte hafte gemäß § 1a AEntG als Bürgin für die Beitragsschuld der Subunternehmerin. Die Höhe der geschuldeten Beiträge habe die ULAK darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Diese habe die Höhe der für den Klagezeitraum beanspruchten Beiträge schlüssig dargelegt. Die Beklagte habe nicht mit Nichtwissen bestreiten können, dass die von ihr mit Rohbauarbeiten beauftragte Subunternehmerin Arbeitnehmer auf der Baustelle U eingesetzt habe. Die Beklagte habe gewusst, dass die Subunternehmerin die Rohbauarbeiten nur mit Hilfe von Arbeitnehmern habe ausführen können. Dagegen habe die Beklagte die der Beitragsberechnung der ULAK zu Grunde liegende Zahl der auf der Baustelle U beschäftigten Arbeitnehmer und deren Einsatzzeiten gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestreiten können. Die Beklagte habe keinen Einfluss auf den Einsatz der Arbeitnehmer der Subunternehmerin gehabt und habe sich auch keine Kenntnis von der Zahl der tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmer und deren Einsatzzeiten verschaffen müssen. Der ULAK stünden nach den durch § 1 AEntG erstreckten §§ 5 ff. VTV umfassende Auskunftsansprüche zu. Auch auf Grund der § 3 AEntG-Meldungen sei es der ULAK möglich, die Berechnungsgrundlagen für die Urlaubskassenbeiträge zu ermitteln. Die ULAK habe Anspruch auf den sich aus der Beitragsmeldung der Subunternehmerin für Januar 2000 ergebenden Urlaubskassenbeitrag iHv. 5.236,98 Euro. Anhaltspunkte dafür, dass die in dieser Beitragsmeldung von der Subunternehmerin gemachten Angaben unzutreffend seien, lägen nicht vor. Weitere Beiträge für Januar 2000 iHv. 621,15 Euro stünden der ULAK nicht zu. Der Indizwert der von der Subunternehmerin in der § 3 AEntG-Meldung gegenüber dem Landesarbeitsamt gemachten Angaben sei durch die in der Beitragsmeldung der Subunternehmerin für Januar 2000 aufgeführten Arbeitnehmer und deren Einsatzzeiten entscheidend erschüttert. Für den Klagezeitraum Februar bis April 2000 bildeten die § 3 AEntG-Meldungen und die Beitragsmeldungen der Subunternehmerin bis Januar 2000 eine ausreichende Grundlage für eine Ermittlung der Höhe des Beitragsanspruchs der U-LAK nach § 287 Abs. 2 ZPO. Aus einem Vergleich der Angaben in den § 3 AEntG-Meldungen und den Beitragsmeldungen ergebe sich, dass 22,1 % der Arbeitnehmer mit einer Arbeitserlaubnis nicht im gesamten jeweils vorgesehenen Zeitraum auf der Baustelle U tatsächlich eingesetzt gewesen seien. Dies rechtfertige den Schluss, dass sich dies auch in den Monaten Februar bis April 2000 so verhalten habe. In Relation zum Vergleichszeitraum könne, dürfe und müsse davon ausgegangen werden, dass 10 % der Arbeitnehmer mit einer Arbeitserlaubnis für einen Einsatz auf der Baustelle U auf dieser tatsächlich nicht beschäftigt worden seien, so dass insoweit keine Beitragsschuld entstanden sei. Für die Monate Februar bis April 2000 errechneten sich damit Beitragsansprüche der ULAK iHv. 17.018,42 Euro.
II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit der Erklärung mit Nichtwissen durch die Beklagte sind frei von Rechtsfehlern. Gegen die übrigen Erwägungen des Landesarbeitsgerichts richtet sich kein Angriff der Revision.
1. Das rechtskräftig gewordene Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom (- 6 Ca 3775/03 -) steht einer Erklärung der Beklagten mit Nichtwissen über die Berechnungsgrundlagen des Beitragsanspruchs der ULAK gemäß § 138 Abs. 4 ZPO nicht entgegen und führt nicht zu einem weitergehenden Beitragsanspruch der ULAK. Mit diesem Urteil steht zwar rechtskräftig fest, dass die Subunternehmerin an die ULAK für die Monate Juni 1999 bis April 2000 Urlaubskassenbeiträge iHv. 56.670,20 Euro zu zahlen hat. Auch soweit das Urteil die Monate Januar bis April 2000 und somit den Klagezeitraum erfasst, kann die Beklagte als gesetzliche Bürgin für die Beitragsschuld der Subunternehmerin das Prozessergebnis jedoch noch in Frage stellen und geltend machen, dass der Rechtsstreit unrichtig entschieden sei. Die Rechtskraft einer dem Gläubiger ungünstigen Entscheidung gegen den Hauptschuldner wirkt zwar auch zu Gunsten des Bürgen ( - NJW 1970, 269; - VIII ZR 158/63 - WM 1965, 579). Die Rechtskraft einer dem Gläubiger günstigen Entscheidung gegen den Hauptschuldner wirkt aber nicht zu Lasten des Bürgen ( - AP AEntG § 1a Nr. 2 = EzA AEntG § 1a Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; - WM 1995, 1229; - XI ZR 179/92 - WM 1993, 683; - IX ZR 130/88 - BGHZ 107, 92; - VIII ZR 250/73 - NJW 1975, 1119; MünchKommBGB/Habersack 4. Aufl. § 768 BGB Rn. 11). Dies würde dem Rechtsgedanken des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB widersprechen ( - BGHZ 139, 214). Etwas anderes hätte nur für den Fall der Prozessbürgschaft zu gelten (vgl. - aaO). Eine solche liegt jedoch nicht vor. § 1a Satz 1 AEntG regelt ebenso wie § 566 Abs. 2 und § 1251 Abs. 2 BGB einen Fall gesetzlich angeordneter Bürgenhaftung. Diese Vorschrift bestimmt jedoch nicht, dass ein dem Gläubiger günstiger Ausgang des Rechtsstreits gegen den Hauptschuldner auch für den Bürgen verbindlich ist.
2. § 138 Abs. 4 ZPO stellt zwar eine Ausnahmeregel dar, die in ihren Voraussetzungen eng auszulegen ist ( - AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12). Liegen diese Voraussetzungen vor, schließt § 1a Satz 1 AEntG jedoch entgegen der Auffassung des Klägers nach seinem Wortlaut, nach seiner Entstehungsgeschichte und nach seinem Sinn und Zweck eine Erklärung des Bürgen mit Nichtwissen über die Zahl und die Einsatzzeiten der vom Subunternehmer eingesetzten Arbeitnehmer nicht aus.
a) Gemäß § 1a Satz 1 AEntG haftet ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung einer Bauleistung im Sinne des § 211 Abs. 1 SGB III beauftragt, ua. für die Verpflichtung dieses Unternehmers oder eines Nachunternehmers zur Zahlung von Beiträgen an eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach § 1 Abs. 3 Satz 2 AEntG wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Hat ein Bürge gemäß § 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB auf die Einrede der Vorausklage verzichtet und wird er aus der Bürgschaft in Anspruch genommen, kann er in diesem Verfahren einwenden, die erhobene Forderung bestehe nicht. Für die Verpflichtung des Bürgen ist nach § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB der jeweilige Bestand der Hauptverbindlichkeit maßgebend. Der Ausschluss der Einrede der Vorausklage ändert nichts an dieser Abhängigkeit der Bürgschaftsschuld von der Hauptschuld ( - AP AEntG § 1a Nr. 2 = EzA AEntG § 1a Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Auch ein Bürge, dem die Einrede der Vorausklage nicht zusteht, kann daher unabhängig von etwaigen Erklärungen des Schuldners das Bestehen der Hauptschuld bestreiten. Wenn § 1a Satz 1 AEntG anordnet, dass der Unternehmer wie ein Bürge haftet, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat, schließt die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nur die Einrede der Vorausklage, nicht aber andere Einreden oder Einwendungen des Bürgen und auch nicht eine Erklärung des Bürgen mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO aus.
b) Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt das Auslegungsergebnis.
Die Durchgriffshaftung ist auf Unternehmer beschränkt. Damit sollen alle Bauaufträge erfasst werden, die Unternehmer im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit in Auftrag geben.
Die Gleichstellung mit einem Bürgen, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat, ist an die Regelung in § 349 HGB angelehnt, wonach dem Bürgen, für den die Bürgschaft ein Handelsgeschäft ist, die Einrede der Vorausklage ebenfalls nicht zusteht (BT-Drucks. 14/45 S. 26).
c) Sinn und Zweck des § 1a Satz 1 AEntG geben kein anderes Auslegungsergebnis vor.
aa) § 1a AEntG dient der wirksamen Durchsetzung des § 1 AEntG. Die verschuldensunabhängige Haftung des Bauunternehmers soll diesen veranlassen, verstärkt darauf zu achten, dass seine Subunternehmer die nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz zwingenden Arbeitsbedingungen einhalten (BT-Drucks. 14/45 S. 17 f.). Die Vorschrift bezweckt auch, dass in Deutschland dadurch mehr Arbeitsplätze geschaffen und Schwarzarbeit in der Bauwirtschaft verhindert wird, dass Generalunternehmer verstärkt Aufträge an zuverlässige kleine und mittlere Unternehmen vergeben, von denen sie wissen, dass sie die gesetzlichen Bestimmungen einhalten (Plenarprotokoll 14/14 Verhandlung des Deutschen Bundestages vom S. 868 D, vgl. auch - AP AEntG § 1a Nr. 2 = EzA AEntG § 1a Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Die Bürgenhaftung richtet sich ferner gegen Schmutzkonkurrenz, dient dem Schutz kleinerer Betriebe, die in der Vergangenheit vom Markt gedrängt worden sind, und soll die Generalunternehmen treffen, die wissen, dass die von den Nachunternehmern angebotenen Preise mit vernünftigen Arbeitsbedingungen überhaupt nicht zu erbringen sind (Plenarprotokoll 14/14 Verhandlung des Deutschen Bundestages vom S. 877 C, D).
bb) Diese vom Gesetzgeber mit der Bürgenhaftung verfolgten Ziele erfordern nicht, dass ein als Bürge haftender Unternehmer sich über die von der ULAK behauptete Zahl der vom Subunternehmer eingesetzten Arbeitnehmer und deren von der ULAK behaupteten Einsatzzeiten nicht gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen erklären kann. Entgegen der Auffassung der ULAK kann sich der Unternehmer, der den Subunternehmer beauftragt hat, nicht faktisch seiner Bürgenhaftung dadurch entziehen, dass er den Vortrag der ULAK zur Beitragshöhe mit Nichtwissen bestreitet.
(1) In einem solchen Fall kann die ULAK die Höhe der Beitragsschuld in aller Regel mit Hilfe der Beitragsmeldungen des Subunternehmers nachweisen, wenn solche vorliegen. Als Privaturkunden begründen diese Meldungen nach § 416 ZPO zwar keinen vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen richtig und vollständig sind. Jedoch ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Subunternehmer jedenfalls die in der Beitragsmeldung aufgeführten Arbeitnehmer zu den angegebenen Einsatzzeiten beschäftigt hat. Als Hauptschuldner hat der Subunternehmer kein Interesse an Meldungen, die zu einem höheren Urlaubskassenbeitrag führen. Er wird deshalb in aller Regel nur diejenigen Arbeitnehmer der ULAK melden, die er auch tatsächlich beschäftigt hat. Im Interesse des Hauptschuldners liegt auch nicht die Meldung über die tatsächliche Beschäftigung hinausgehender Einsatzzeiten.
(2) Aber auch dann, wenn der Subunternehmer der ULAK entgegen seiner Verpflichtung aus § 6 VTV die eingesetzten Arbeitnehmer und deren Einsatzzeiten nicht oder nicht vollständig gemeldet hat und die ULAK ihren Anspruch auf Meldung gegenüber dem Subunternehmer nicht oder ohne Erfolg klageweise geltend gemacht hat, können die mit der Bürgenhaftung verfolgten Ziele noch erreicht werden, wenn der Bürge die Berechnungsgrundlagen für den Urlaubskassenbeitrag mit Nichtwissen bestreitet. Unter diesen Voraussetzungen ist der der ULAK obliegende Nachweis der Beitragshöhe zwar schwieriger, aber nicht unmöglich, so dass die Bürgenhaftung auch dann nicht ins Leere greift. Auch im Rechtsstreit mit dem Subunternehmer kann die ULAK in aller Regel die Zahl der eingesetzten Arbeitnehmer und deren Einsatzzeiten nur anhand der § 3 AEntG-Meldungen des Subunternehmers und der erteilten Arbeitserlaubnisse ermitteln, wenn der Subunternehmer seine Meldepflicht nach § 6 VTV nicht erfüllt. Mit Hilfe der in den § 3 AEntG-Meldungen und den Arbeitserlaubnislisten aufgeführten Arbeitnehmer kann die ULAK unter Heranziehung der tariflichen Normalarbeitszeit und der Mindestlöhne Bruttolöhne und aus diesen anhand des jeweils maßgebenden Beitragssatzes die Höhe des Urlaubskassenbeitrags berechnen.
Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass ein als Bürge haftender Unternehmer nicht mit Nichtwissen bestreiten kann, dass der von ihm mit baulichen Leistungen beauftragte Subunternehmer zur Erbringung dieser Leistungen Arbeitnehmer eingesetzt hat, wenn er gewusst hat, dass der Subunternehmer die baulichen Leistungen nur mit Hilfe von Arbeitnehmern ausführen konnte. Wird vom Bürgen mit Nichtwissen bestritten, dass alle in den § 3 AEntG-Meldungen und den Arbeitserlaubnislisten aufgeführten Arbeitnehmer während der vorgesehenen Einsatzzeiten auch tatsächlich beschäftigt worden sind, obliegt es den Tatsacheninstanzen zu würdigen, in welchem Umfang der Subunternehmer Arbeitnehmer zur Ausführung des Auftrags beschäftigt hat. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass § 3 AEntG-Meldungen eine geeignete Grundlage für die Ermittlung der Höhe des Urlaubskassenbeitrags gemäß § 287 Abs. 2 ZPO sein können. Dies gilt auch für die gebührenpflichtigen Arbeitserlaubnisse für Arbeitnehmer des Subunternehmers, jedenfalls dann, wenn diese Erlaubnisse nicht storniert worden sind. Ein Subunternehmer wird im Regelfall nicht Gebühren für die Arbeitserlaubnis eines Arbeitnehmers zahlen, den er tatsächlich nicht beschäftigt. Steht fest, dass ein vom Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen iSv. § 211 Abs. 1 SGB III beauftragter anderer Unternehmer zur Ausführung des Auftrags Arbeitnehmer beschäftigt hat und macht die U-LAK gegen den Unternehmer als Bürgen Beitragsansprüche geltend, darf die dem Grunde nach gerechtfertigte Klage nicht abgewiesen werden. Bei einer solche Sachlage müssen die Tatsacheninstanzen entweder zur Höhe des Urlaubskassenbeitrags Feststellungen treffen oder diese gemäß § 287 Abs. 2 ZPO ermitteln (vgl. zur Schätzung der Höhe eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs gemäß § 287 ZPO - AP ZPO § 139 Nr. 11 = EzA ZPO 2002 § 139 Nr. 2).
cc) Dass die Bürgenhaftung auch dann noch ihren Zweck erfüllen kann, wenn sich ein Bürge über die von der ULAK behauptete Zahl der vom Subunternehmer eingesetzten Arbeitnehmer und deren Einsatzzeiten gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen erklärt, zeigt gerade der Entscheidungsfall. Obwohl das Landesarbeitsgericht die Erklärung der Beklagten mit Nichtwissen für zulässig gehalten hat, hat es der Klage der ULAK ganz überwiegend stattgegeben. Es hat die Beklagte zur Zahlung von 22.255,40 Euro verurteilt und die Klage nur iHv. 3.245,24 Euro abgewiesen.
3. Die Beklagte war nicht auf Grund besonderer Umstände gehindert, die von der ULAK in die Beitragsberechnung eingestellte Zahl der Arbeitnehmer und deren Einsatzzeiten gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen zu bestreiten.
a) Nach dieser Ausnahmebestimmung ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Diese Vorraussetzung lag vor. Die Beklagte hat die zur Ausführung der Rohbauarbeiten eingesetzten Arbeitnehmer nicht selbst beschäftigt und konnte auch aus dem Volumen des der Subunternehmerin erteilten Auftrags die Zahl der monatlich eingesetzten Arbeitnehmer und deren Einsatzzeiten nicht ableiten. Die ULAK hat die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, wonach die Beklagte weder die Zahl der von der Subunternehmerin in den einzelnen Monaten des Klagezeitraums eingesetzten Arbeitnehmer noch deren Einsatzzeiten kannte, auch nicht mit Revisionsrügen angegriffen.
b) Allerdings ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass nicht nur Handlungen und Wahrnehmungen der gesetzlichen Vertreter einer Partei ( - NJW 1999, 53, 54; Zöller/Greger ZPO 25. Aufl. § 138 ZPO Rn. 15), sondern auch Vorgänge im eigenen Geschäfts- oder Verantwortungsbereich den eigenen Handlungen oder Wahrnehmungen iSv. § 138 Abs. 4 ZPO gleichzustellen sind ( - BGHZ 109, 205; - II ZR 95/93 - NJW 1995, 130; Zöller/Greger § 138 Rn. 16). Eine Partei kann sich nicht durch arbeitsteilige Organisation ihres Betätigungsbereichs ihren prozessualen Erklärungspflichten entziehen, sondern muss innerhalb desselben Erkundigungen anstellen. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof eine Erkundigungspflicht der Partei angenommen, wenn es sich um Vorgänge im Bereich von Personen - nicht nur der eigenen, sondern auch einer anderen Firma - handelt, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind ( - aaO).
c) Diese Voraussetzungen einer Erkundigungspflicht sind nicht erfüllt.
aa) Die Rohbauarbeiten wurden nicht im Rahmen einer arbeitsteiligen Organisation im Geschäfts- oder Verantwortungsbereich der Beklagten, sondern auf der Grundlage eines Werkvertrags mit der Subunternehmerin ausgeführt. Die Beklagte hat diese zwar als Gesellschafterin einer Arbeitsgemeinschaft mit der Ausführung von Rohbauarbeiten beauftragt. Die bloße Auftragserteilung rechtfertigt aber noch nicht die Annahme, dass die Rohbauarbeiten im Geschäfts- oder Verantwortungsbereich der Beklagten verrichtet worden sind.
bb) Die Beklagte hat auch anders als in dem Fall, den der Bundesgerichtshof am (- X ZR 261/01 - NZA 2003, 616) entschieden hat, der Subunternehmerin nicht die Arbeitnehmer benannt, die von ihr zur Ausführung der Rohbauarbeiten eingesetzt werden sollten. Sie hat auch die Arbeitszeiten der von der Subunternehmerin auf der Baustelle U eingesetzten Arbeitnehmer nicht festgelegt. Diese wurden von der Beklagten auch nicht angeleitet oder beaufsichtigt. Dies schließt eine Erkundigungspflicht der Beklagten aus.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2006 S. 2536 Nr. 46
DB 2006 S. 2584 Nr. 47
AAAAC-16853
1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein