BGH Beschluss v. - IV ZR 100/02

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: VVG § 174; BGB § 307; AGBGB § 9; EStG § 3 Nr. 1d; SGB V §§ 44 ff.; SGB VI § 213; VBLS § 2 Satz 1; VBLS § 29; VBLS § 29 Abs. 1; VBLS § 29 Abs. 7; VBLS § 29 Abs. 7 Satz 3d; VBLS § 37 Abs. 1a; VBLS § 37 Abs. 1b; VBLS § 41 f.; VBLS § 42 Abs. 2 a aa; VBLS § 44; VBLS § 44 Abs. 1 Satz 1a; MuSchG § 13 Abs. 2; MuSchG § 14 Abs. 1

Gründe

I. Der Vorlage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1. Die heute als selbständige Rechtsanwältin tätige Klägerin war vom bis als Angestellte im öffentlichen Dienst des Bundeslandes Rheinland-Pfalz beschäftigt und bei der beklagten Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder pflichtversichert. Wegen der Geburten zweier Kinder befand sie sich vom bis sowie vom 17. Januar bis im gesetzlichen Mutterschutz.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß ihre Mutterschutzzeiten bei der Berechnung ihrer im Zusatzversorgungssystem der Beklagten erworbenen Versicherungsrentenanwartschaften berücksichtigt werden. Für Versicherte, die wie die Klägerin wegen Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses im öffentlichen Dienst aus dem Zusatzversorgungssystem ausgeschieden waren, sieht die Satzung der Beklagten in der bis zum geltenden Fassung (VBLS) einen Anspruch auf Versicherungsrente nach Eintritt des Versicherungsfalles - also insbesondere nach Erreichen der Regelaltersgrenze - vor (§ 37 Abs. 1b VBLS).

Die Höhe der Versicherungsrente für Versicherte in der Situation der Klägerin bestimmt sich nach § 44 Abs. 1 Satz 1a VBLS, der lautet:

"Als monatliche Versicherungsrente werden ... 0,03125 v.H. der Summe der zusatzversorgungspflichtigen Entgelte, von denen für die Zeit nach dem bis zum Beginn der Versicherungsrente (§ 62) Umlagen entrichtet worden sind, ... gewährt."

Hinsichtlich der zur Finanzierung der Zusatzversorgung erforderlichen Umlagen bestimmt § 29 VBLS:

"(1) Der Arbeitgeber hat eine monatliche Umlage in Höhe des nach § 76 festgesetzten Satzes des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts (Absatz 7) des Versicherten einschließlich eines vom Pflichtversicherten erhobenen Beitrags nach § 76 Abs. 1a zu zahlen.

...

(7) Zusatzversorgungspflichtiges Entgelt ist, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt ist, der entsprechend den Bestimmungen über die Beitragsentrichtung in der gesetzlichen Rentenversicherung zeitlich zugeordnete steuerpflichtige Arbeitslohn. ..."

Nach diesen - insoweit eindeutigen - Satzungsbestimmungen sind die von der Klägerin während ihrer Mutterschutzzeiten vom Arbeitgeber bezogenen Leistungen bei der Ermittlung der Höhe der Versicherungsrente nicht zu berücksichtigen. Die privat krankenversicherte Klägerin hatte während der Schutzzeiten gemäß §§ 3 Abs. 2 und 6 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG - sechs Wochen vor und bis zu zwölf Wochen nach der Entbindung -), neben dem Anspruch auf das staatliche Mutterschaftsgeld (§ 13 Abs. 2 MuSchG) auch Anspruch auf den vom Arbeitgeber zu leistenden sogenannten Zuschuß zum Mutterschaftsgeld in Höhe der Differenz zum letzten Nettoarbeitsentgelt (§ 14 Abs. 1 MuSchG). Diese Arbeitgeberleistung ist nach § 3 Nr. 1d des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei. Dementsprechend hat die Klägerin während ihrer Mutterschutzzeiten kein zusatzversorgungspflichtiges Entgelt im Sinne von § 29 Abs. 7 VBLS erhalten, für das ihr Arbeitgeber gemäß § 29 Abs. 1 VBLS an die Beklagte monatliche Umlagen hätte zahlen müssen.

Mit Wirkung ab hat die Beklagte die Satzung neu gefaßt mit dem Ziel, das bisherige System durch ein Betriebsrentensystem mit sogenannten Versorgungspunkten abzulösen. Die Neufassung ist nach Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde und Veröffentlichung im Bundesanzeiger vom in Kraft getreten. Danach werden die Anwartschaften sowohl auf Versorgungs- als auch auf Versicherungsrenten gemäß der bisherigen Berechnungsweise zum Stichtag ermittelt, in Versorgungspunkte umgerechnet und dem Versorgungskonto des Versicherten als sogenannte Startgutschriften zugeschrieben. Eine Berücksichtigung von Mutterschutzzeiten ist weder für die Zeit vor dem Stichtag noch danach (vgl. §§ 36 Abs. 1, 37 und 64 Abs. 4 VBLS n.F.) vorgesehen.

2. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und regt an, die Sache dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen.

II. Der Bundesgerichtshof setzt das Verfahren aus und ruft gemäß Art. 234 des EG-Vertrages (EG) den Europäischen Gerichtshof mit der Bitte um Vorabentscheidung der im Beschlußtenor gestellten Fragen an. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch lässt sich den Vorschriften des nationalen Rechts nicht entnehmen. Er hängt von der Auslegung des Art. 119 des EG-Vertrages a.F. (EGV - jetzt Art. 141 EG) und der Richtlinie 92/85/EWG vom sowie der Richtlinie 86/378/EWG vom , neu gefasst durch die Richtlinie 96/97/EG vom , ab.

1. Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass die Zeiten ihres Mutterschutzes als Umlagemonate bei der Berechnung der Versicherungsrente (Anwartschaft) berücksichtigt werden. Dieses Begehren ist mit Rücksicht auf die Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 1a VBLS so zu verstehen, daß sie bei der Berechnung der Höhe ihrer Versicherungsrentenanwartschaft behandelt werden will, als habe sie während ihrer Mutterschutzzeiten weiterhin gearbeitet und zusatzversorgungspflichtiges Entgelt erhalten, für das gemäß § 29 Abs. 1 VBLS monatliche Umlagen geleistet worden seien.

2. Es verstößt nicht gegen nationales Recht, daß §§ 29 Abs. 1, 7, 44 Abs. 1 Satz 1a VBLS, wonach der Ermittlung der Versicherungsrente nur die Summe der zusatzversorgungspflichtigen Entgelte zugrunde gelegt wird, für die Umlagen entrichtet worden sind, eine Berücksichtigung von Mutterschutzzeiten nicht vorsehen.

a) Die Bestimmungen der VBLS finden als Allgemeine Versicherungsbedingungen auf die Gruppenversicherungsverträge Anwendung, die von den beteiligten Arbeitgebern als Versicherungsnehmern mit der Beklagten als Versicherer zugunsten der bezugsberechtigten Versicherten, der Arbeitnehmer, abgeschlossen sind (st. Rspr., vgl. BGHZ 142, 103, 105 ff.; BVerfG NJW 2000, 3341 unter II 2 a, c). Sie unterliegen daher in vollem Maße der richterlichen Inhaltskontrolle gemäß § 9 AGBGB (jetzt § 307 BGB). Darauf kann sich auch die Klägerin als aus der Satzung unmittelbar Berechtigte berufen (vgl. BGHZ 142, 103, 107). Bei der gebotenen umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen sind auch die objektiven Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die Grundrechte zu berücksichtigen (BGHZ 103, 370, 383; BVerfG aaO unter II 2 c).

b) Die angegriffene Regelung hält der Inhaltskontrolle stand. Die Versicherten in der Situation der Klägerin werden durch sie nicht unangemessen benachteiligt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin verstoßen §§ 29 Abs. 1, 7, 44 Abs. 1 Satz 1a VBLS nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG). Dieser ist hier im Zusammenhang mit den Geboten der Familienförderung gemäß Art. 6 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 87, 1, 36 f. m.w.N.) und des Schutzes der Mütter gemäß Art. 6 Abs. 4 GG zu sehen. Nach Art. 6 Abs. 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Gemäß Art. 6 Abs. 4 GG hat jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gesellschaft.

Die Klägerin sieht sich vor allem gegenüber Arbeitnehmern im aktiven Arbeitsverhältnis benachteiligt, da sie bei ansonsten nach Zeitdauer und Gehalt gleicher Beschäftigung niemals die gleichen Anwartschaften bei der Beklagten erwerben könne. Da Mutterschutzzeiten - anders als etwa Kindererziehungszeiten - ausschließlich weibliche Arbeitnehmer betreffen können, liegt nach ihrer Auffassung auch eine nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verbotene Benachteiligung wegen des Geschlechts vor.

Es kann dahinstehen, ob im Hinblick auf den Erwerb von Rentenanwartschaften gegenüber der Beklagten die Situation einer Frau im Mutterschutz mit derjenigen eines Arbeitnehmers im aktiven Arbeitsverhältnis überhaupt vergleichbar ist. Jedenfalls ist die von der Klägerin beanstandete Ungleichbehandlung nach den Maßstäben des nationalen Rechts durch sachliche Gründe gerechtfertigt.

aa) Die Beklagte ist eine Trägerin der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in der Bundesrepublik Deutschland. Sie gewährt - als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts unter der Aufsicht des Bundesministeriums der Finanzen (vgl. §§ 1 und 3 VBLS) - den nichtbeamteten Arbeitnehmern der ihr angeschlossenen Arbeitgeber eine die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung ergänzende zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung im Wege privatrechtlicher Versicherung (§ 2 Satz 1 VBLS). Dem Prinzip der von der Beklagten angebotenen Versicherung entspricht die Erbringung von Leistungen für erhaltene Beiträge. Danach muß die Beklagte - anders als ein Sozialversicherungsträger, der zum Ausgleich nicht beitragsgedeckter Leistungen Zuschüsse der öffentlichen Hand erhält, wie etwa die gesetzliche Rentenversicherung gemäß § 213 SGB VI - ihre Leistungen nach den ihr zufließenden Umlagen sowie den Erträgen ihres Vermögens ausrichten. Sie kann daher grundsätzlich nur insoweit Leistungen gewähren, als ihr Beiträge oder Umlagen (§§ 29 Abs. 1, 75 Abs. 1 VBLS) zugeflossen sind und Versicherungsschutz nur für solche Zeiten gewähren, für die sie Beiträge oder Umlagen erhalten hat (Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, Stand August 2002, § 2 VBLS Anm. 3, Seite B 4 a; Schiedsspruch des Oberschiedsgerichts der VBL vom - OS 126/76, S. 8). Andernfalls könnte sie solche Leistungen nur durch eine Erhöhung der Umlagen für andere Arbeitnehmer finanzieren, was dem Grundsatz der Gewährung gleicher Leistungen für gleiche Beiträge jedoch gerade widerspräche.

bb) Diesem Prinzip folgt auch die Regelung des § 44 Abs. 1 Satz 1a VBLS, wonach der Berechnung der Versicherungsrente nur diejenigen zusatzversorgungspflichtigen Entgelte zugrunde zu legen sind, von denen Umlagen entrichtet wurden (vgl. Gilbert/Hesse, aaO § 37 VBLS Anm. 3, B 118 b). Allerdings handelt es sich bei der Versicherungsrente gemäß §§ 37 Abs. 1b, 44 VBLS nicht um eine Versorgungsleistung im eigentlichen Sinne. Mit ihr soll dem Versicherten - anders als mit der Versorgungsrente gemäß §§ 37 Abs. 1a, 41 f. VBLS - keine der Absicherung im Alter oder bei Erwerbsunfähigkeit dienende Leistung erbracht werden. Ihr Zweck erschöpft sich vielmehr darin, dem aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Bediensteten einen versicherungstechnischen Gegenwert für die geleisteten Beiträge zu gewähren ( - VersR 1994, 1133 unter 2 c m.w.N.; Berger/Kiefer/Langenbrinck, Das Versorgungsrecht für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, Stand Juni 2002 § 37 VBLS Anm. 2; Gilbert/Hesse, aaO § 37 VBLS Anm. 3, B 118 b). Ihre Höhe orientiert sich deshalb nicht am Versorgungsgedanken; sie ist vielmehr als statische, auf der Grundlage der eingezahlten Beiträge bzw. Umlagen zu errechnende Leistung konzipiert worden (BGH aaO). Das ist deshalb gerechtfertigt, weil ein Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst nicht mehr zu den in § 2 VBLS genannten Arbeitnehmern gehört (Gilbert/Hesse aaO). Die Situation ist vergleichbar mit der eines Versicherungsnehmers, dessen Lebensversicherung gemäß § 174 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) prämienfrei gestellt wurde (Gilbert/Hesse aaO). Damit kommt dem Grundsatz einer an den eingezahlten Beiträgen orientierten Leistung insofern sogar ein erhöhtes Gewicht zu, als mit der Versicherungsrente keine "echte" Versicherungsleistung gewährt, sondern nur die tatsächlich erbrachten Beiträge abgefunden werden sollen.

cc) Darin liegt nach nationalem Recht keine gleichheitswidrige Benachteiligung der betroffenen Frauen gegenüber anderen männlichen oder weiblichen Arbeitnehmern. Der sachliche Grund und Anknüpfungspunkt einer fehlenden Umlagenleistung gilt nach der Satzung für andere Arbeitnehmer gleichermaßen. So können etwa bei längerer Erkrankung eines Arbeitnehmers die Zeiten nach Wegfall der Entgeltfortzahlung, für die der Arbeitgeber Zuschüsse zum Krankengeld des Sozialversicherungsträgers (§§ 44 ff. SGB V) leistet, gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1a VBLS keine Berücksichtigung finden, weil solche Zuschüsse ebenfalls kein zusatzversorgungspflichtiges Entgelt darstellen (vgl. § 29 Abs. 7 Satz 3d VBLS). Selbst einzelne Pflichtversicherungszeiten eines Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst können nach der Satzung dann nicht berücksichtigt werden, wenn für diese bis zum Eintritt des Versicherungsfalls die Abführung von Umlagen unterblieben ist (Berger/Kiefer aaO § 42 VBLS Rdn. 2 - jedoch kommen Ersatzansprüche gegen den Arbeitgeber in Betracht, vgl. Berger/Kiefer aaO § 5 Versorgungstarifvertrag Rdn. 15 m.w.N.).

dd) Das bedeutet nicht, daß der Beklagten die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte schlechterdings verwehrt wäre. Immerhin sieht die bis zum geltende Satzung beim Anspruch auf Versorgungsrente, der im Normalfall des Eintritts des Versorgungsfalles während bestehender Pflichtversicherung entsteht (§§ 37 Abs. 1a, 39 VBLS), eine - teilweise - Anrechnung von Mutterschutzzeiten insoweit vor, als bei der gesamtversorgungsfähigen Zeit auch beitragsfreie Zeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zur Hälfte berücksichtigt werden (vgl. § 42 Abs. 2 a aa VBLS i.V.m. §§ 54 Abs. 4, 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 63 ff. SGB VI). Eine grundrechtlich oder sozialstaatlich begründete Rechtspflicht der Beklagten hierzu besteht jedoch nicht. Maßnahmen zur Förderung der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) und des Schutzes der Mütter (Art. 6 Abs. 4 GG) sind in erster Linie eine staatliche Aufgabe. Dem Schutzauftrag trägt das geltende Mutterschutzrecht Rechnung (BVerfGE 85, 360, 372; E 84, 133, 156; 60, 68, 76; Sachs, GG-Kommentar, 3. Aufl. 2003 Art. 6 Rdn. 80). Selbst der Gesetzgeber muß jedoch nicht jede mit der Mutterschaft zusammenhängende wirtschaftliche Belastung ausgleichen (BVerfGE 60, 68, 74).

3. Nach Auffassung des Senats ist es jedoch möglich, daß die Satzungsregelung der Beklagten mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar und die Beklagte danach verpflichtet ist, die Versicherungsrentenanwartschaft so zu berechnen, als habe die Klägerin während ihrer Mutterschutzzeiten weiterhin den steuerpflichtigen Arbeitslohn als zusatzversorgungspflichtiges Entgelt erhalten.

a) In Betracht kommt ein Verstoß gegen die folgenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen:

aa) Artikel 11 Nummer 2a der Richtlinie 92/85/EWG vom über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz:

Ziel der Richtlinie ist, wie sich aus Art. 1 Abs. 1 ergibt, die Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der bezeichneten Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz. Gemäß Art. 8 Abs. 1 müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, daß den Arbeitnehmerinnen ein Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen ohne Unterbrechung gewährt wird, der sich auf die Zeit vor und/oder nach der Entbindung aufteilt. Mit Rücksicht auf diesen Mutterschaftsurlaub sieht Art. 11 Nr. 2a vor, daß die mit dem Arbeitsvertrag der Arbeitnehmerinnen verbundenen anderen Rechte als die unter dem nachstehenden Buchstaben b genannten (Ansprüche auf Fortzahlung eines Arbeitsentgelts und/oder auf eine angemessene Sozialleistung) gewährleistet sein müssen. Zu den mit dem Arbeitsvertrag verbundenen anderen Rechten i.S. von Art. 11 Nr. 2a gehört, wie der Europäische Gerichtshof in dem von der Klägerin angeführten Urteil vom (Rs. C-411/96 - "Boyle" - EuGHE 1998, I-6401, Rdn. 82) entschieden hat, auch die Entstehung von Rentenanwartschaften im Rahmen eines vollständig vom Arbeitgeber finanzierten betrieblichen Systems. Diese kann daher während des Mutterschaftsurlaubs nicht davon abhängig gemacht werden, daß die Frau in dieser Zeit ein in ihrem Arbeitsvertrag oder im nationalen Recht vorgesehenes Entgelt erhält (EuGH aaO Rdn. 85).

(1) Die Voraussetzungen des Art. 11 Nr. 2a der Richtlinie 92/85/EWG scheinen im vorliegenden Fall erfüllt zu sein.

Die Beklagte erbringt Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst Leistungen eines betrieblichen Rentensystems. Diese Zusatzversorgung beruht auf einer sogenannten Beteiligungsvereinbarung (§ 20 VBLS). Hierbei handelt es sich um einen privatrechtlich zu beurteilenden Gruppenversicherungsvertrag, den der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer zugunsten seiner Arbeitnehmer als Versicherte mit der Beklagten abschließt. Seinen Arbeitnehmern gegenüber ist der Arbeitgeber zur Versicherung bei der Beklagten durch Arbeits- oder Tarifvertrag verpflichtet.

Die Anwartschaft der Klägerin auf eine Versicherungsrente ist auch eine "mit dem Arbeitsvertrag verbundene" Rentenanwartschaft, die im Rahmen des von der Beklagten getragenen betrieblichen Systems entstanden ist. Demnach dürfte gemäß Art. 11 Nr. 2a der Richtlinie 92/85/EWG deren Entstehung während des gesetzlichen Mutterschaftsurlaubs nicht eingeschränkt bzw. davon abhängig gemacht werden, ob und in welchem Umfang eine Arbeitnehmerin in diesem Zeitraum ein zusatzversorgungspflichtiges Entgelt erhält.

(2) Es bestehen dennoch Zweifel, ob Art. 11 Nr. 2a der Richtlinie 92/85/EWG hier verletzt ist:

(2.1) Das System der Beklagten wird anders als in der vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Rechtssache "Boyle" nicht vollständig von den beteiligten Arbeitgebern finanziert. Das war zwar während der Mutterschutzzeiten der Klägerin hinsichtlich der Renten der pflichtversicherten Arbeitnehmer der Fall. Seit dem wird von den Arbeitnehmern jedoch auch ein eigener Beitrag zur Umlage erhoben (vgl. § 76 Abs. 1a VBLS sowie § 64 Abs. 3 VBLS n. F.). Nach Auffassung des erkennenden Senats kann jedoch eine teilweise Finanzierung der Leistungen eines Betriebsrentensystems durch Beiträge der Arbeitnehmer einer Anwendung der Richtlinie 92/85/EWG nicht entgegenstehen, nachdem der Europäische Gerichtshof diesen Umstand auch im Hinblick auf die Anwendbarkeit von Art. 119 EGV für unschädlich gehalten hat (Urteil vom , Rs. C-200/91 - "Colorell" - EUGHE 1994, I-4389, Rdn. 88).

(2.2) Die Anwartschaft, hinsichtlich der die Klägerin die geltend gemachte Feststellung begehrt, ist nicht auf eine Versorgungsrente, sondern auf eine Versicherungsrente gerichtet. Die Versicherungsrente dient aber nicht dem eigentlichen Zweck der Zusatzversorgung, Leistungen zur Absicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit zu gewähren, sondern lediglich der Abgeltung geleisteter Umlagen. Ob Art. 11 Nr. 2a der Richtlinie 92/85/EWG verbietet, während des Mutterschaftsurlaubs die Entstehung von Anwartschaften auch auf solche Leistungen vom Bezug eines zusatzversorgungspflichtigen Entgelts abhängig zu machen, hat der Europäische Gerichtshof bisher - soweit ersichtlich - nicht entschieden. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist die Frage zu bejahen. Ein solches Verbot entspricht nicht nur dem Wortlaut des Art. 11 Nr. 2a, sondern auch dem erkennbaren Zweck, die Arbeitnehmerin vor rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteilen aus der Inanspruchnahme des Mutterschaftsurlaubs zu bewahren.

(2.3) Zweifelhaft ist auch, ob die Richtlinie 92/85/EWG den vorliegenden Sachverhalt nach ihrem zeitlichen Anwendungsbereich erfaßt. Die Frist für ihre Umsetzung in nationales Recht ist gemäß Art. 14 Abs. 1 zwei Jahre nach dem Erlaß am abgelaufen (vgl. den Schlußantrag des Generalanwalts zum - "Gillespie" - EuGHE 1996, I-475, Rdn. 49). Das war erst nach dem letzten Mutterschaftsurlaub der Klägerin, der im April 1994 endete. Dies schließt jedoch die Anwendung des Art. 11 Nr. 2a auf erst später entstehende Rentenansprüche nicht von vornherein aus. Allerdings hält der erkennende Senat das Vertrauen der Beklagten und der an ihr beteiligten Arbeitgeber, für bereits in der Vergangenheit liegende Anwartschaftszeiten keine zusätzlichen Leistungen erbringen zu müssen, grundsätzlich für schutzwürdig.

bb) Art. 6 Abs. 1g der Richtlinie 86/378/EWG vom zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit (ABlEG 1986 Nr. L 225, S. 40), neu gefaßt durch die Richtlinie 96/97/EG (ABlEG 1997 Nr. L 46, S. 20):

Gemäß Art. 6 Abs. 1g sind dem Grundsatz der Gleichbehandlung entgegenstehende Bestimmungen solche, die sich unmittelbar oder mittelbar auf das Geschlecht stützen und die Unterbrechung der Aufrechterhaltung oder des Erwerbs von Ansprüchen während eines gesetzlich oder tarifvertraglich festgelegten Mutterschaftsurlaubs oder Urlaubs aus familiären Gründen, der vom Arbeitgeber bezahlt wird, bewirken.

(1) Nach dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 1g verstößt die Nichtberücksichtigung der Mutterschutzzeiten der Klägerin gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der Richtlinie. Zu den Ansprüchen, deren Aufrechterhaltung oder Erwerb während eines gesetzlich festgelegten Mutterschaftsurlaubs "unterbrochen" werden können, sind auch und gerade solche auf künftige Renten zu zählen. Weiterhin muß der Mutterschaftsurlaub vom Arbeitgeber bezahlt werden. Es kann dahinstehen, ob von dieser Voraussetzung nach dem Zweck der Richtlinie sogar abgesehen werden könnte (vgl. dazu den Schlußantrag des Generalanwalts in der Rechtssache "Boyle", aaO Rdn. 67). Denn sie ist im Streitfall erfüllt. Die Klägerin erhielt während ihres Mutterschaftsurlaubs neben dem Mutterschaftsgeld des Bundes gemäß § 13 Abs. 2 MuSchG in Höhe von damals 25 DM pro Tag, maximal jedoch insgesamt 400 DM, von ihrem Arbeitgeber den "Zuschuß" gemäß § 14 Abs. 1 MuSchG in Höhe der Differenz zum letzten Nettoarbeitsentgelt. Ihr Mutterschaftsurlaub wurde also jedenfalls auch (zum weitaus überwiegenden Teil) vom Arbeitgeber bezahlt.

(2) Die Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1g ist nach dem Wortlaut nicht auf den Erwerb solcher Rentenansprüche beschränkt, die unter der Voraussetzung bleibender Zugehörigkeit zu dem betrieblichen System im Versorgungsfall entstehen, wie dies gemäß § 37 Abs. 1a VBLS bei der Versorgungsrente der Fall ist. Damit sind auch Ansprüche auf eine Versicherungsrente gemäß §§ 37 Abs. 1b, 44 VBLS erfaßt. Vertretbar erscheint allerdings auch, Ansprüche auf eine solche Versicherungsrente vom Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1g der Richtlinie 86/378/EWG auszunehmen, weil sie nicht der sozialen Absicherung des Arbeitnehmers (vgl. Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 der Richtlinie) zu dienen bestimmt sind, sondern lediglich einen Ausgleich für eingezahlte Umlagen schaffen sollen. Der Senat neigt dieser Auffassung jedoch nicht zu. Die Richtlinie beschränkt zwar ihren Anwendungsbereich auf die in den Artikeln 2 und 4 näher beschriebenen betrieblichen Systeme der sozialen Sicherheit, verbietet bei diesen aber, wie sich aus Artikel 5 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ergibt, jegliche Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ohne Rücksicht auf die Art der Leistungen.

(3) Die Richtlinie 86/378/EWG ist auch zeitlich anwendbar. Hinsichtlich des Mutterschaftsurlaubs der Klägerin nach dem folgt dies ohne weiteres aus Art. 8 Abs. 1. Danach war die Richtlinie spätestens bis zum umzusetzen. Sie erfaßt aber auch rückwirkend die Mutterschutzzeiten der Klägerin vom 16. bis . Das ergibt sich aus Artikel 2 Abs. 1 Satz 1 der Änderungsrichtlinie 96/97/EG. Dieser bestimmt - in Umsetzung der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. insbesondere Urteile vom , Rs. C-262/88 - "Barber" - EUGHE 1990, I-1889 und vom , Rs. C-110/91 - "Moroni" - EUGHE 1993, I-6591) -, daß jede Umsetzungsmaßnahme in Bezug auf die unselbständig Erwerbstätigen alle Leistungen abdecken muß, die für Beschäftigungszeiten nach dem gewährt werden, und rückwirkend bis zu diesem Datum gilt.

(4) Die Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 1g der Richtlinie 86/378/EWG ist entgegen der Revisionserwiderung auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Richtlinie 92/85/EWG die speziellere und damit vorrangige Regelung enthält. Beide Richtlinien wirken sich zugunsten von Arbeitnehmerinnen in der Schwangerschaft und nach der Geburt aus. Nach der Schutzrichtung der später in Kraft getretenen Richtlinie 92/85/EWG kann aber nicht angenommen werden, daß sie bestehende oder weitergehende Rechte, die (werdenden) Müttern aufgrund anderer Regelungen des Gemeinschaftsrechts bereits eingeräumt worden sind, beseitigen will. Das Gegenteil ergibt sich auch aus den Erwägungsgründen der Richtlinie, wonach der Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der betreffenden Frauen "nicht die Richtlinien zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen beeinträchtigen" darf. In der Rechtssache "Boyle" brauchte der Europäische Gerichtshof nicht auf die Richtlinie 86/378/EWG einzugehen (wie es der Generalanwalt getan hatte, aaO Rdn. 66), da er die Vorlagefrage bereits allein nach Art. 11 Nr. 2a der Richtlinie 92/85/EWG beantworten konnte.

cc) Art. 119 EGV:

Der Senat hält auch einen Verstoß gegen die primärrechtliche Bestimmung des Art. 119 EGV (jetzt Art. 141 EG) für möglich. Art. 119 EGV bestimmt den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit.

(1) Zum Entgelt gehören nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes alle gegenwärtigen oder künftigen Leistungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund des Dienstverhältnisses gewährt, unabhängig davon, ob sie aufgrund eines Arbeitsvertrags, kraft einer Rechtsvorschrift oder freiwillig gewährt werden (vgl. nur Urteile vom , Rs. C-333/97 - "Lewen" - EuGHE 1999, I-7243, Rdn. 19 und vom - "Barber" - aaO Rdn. 12 u. 20). Entscheidend ist der Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis ( - "Podesta" - EUGHE 2000, I-4039 Rdn. 26 und vom - "Lewen" - aaO Rdn. 20). Entgelt sind damit auch die Leistungen aus einem betrieblichen Zusatzversorgungssystem, auch wenn diese nicht unmittelbar durch den Arbeitgeber selbst, sondern mittelbar durch eine von ihm betraute rechtlich selbständige Einrichtung erbracht werden ( - "Barmer Ersatzkasse" - EuGHE 2001, I-7275, Rdn. 20 = NJW 2001, 3693; Urteil vom - "Colorell" - aaO Rdn. 20 und vom - "Barber" - aaO Rdn. 29). Folglich ist auch die Anwartschaft der Klägerin auf eine Versicherungsrente erfaßt.

(2) Demnach erhält die Klägerin während ihrer Mutterschaftszeiten ein geringeres Entgelt als im selben Zeitraum aktiv beschäftigte Arbeitnehmer, soweit beim Aufbau ihrer Versicherungsrentenanwartschaften Mutterschutzzeiten nicht berücksichtigt werden. Ob diese unterschiedliche Behandlung mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften vereinbar ist, ist zweifelhaft.

Der Europäische Gerichtshof hat in der Rechtssache "Boyle" die Frage der Anwendbarkeit des Art. 119 EGV neben Art. 11 Nr. 2a der Richtlinie 92/85/EWG offen gelassen (aaO Rdn. 86). Er geht in seiner Rechtsprechung davon aus, daß die besondere Situation und Schutzbedürftigkeit einer Frau während des vorgesehenen Mutterschaftsurlaubs weder mit der Situation eines krankheitsbedingt arbeitsunfähigen (vgl. Urteile vom , Rs. C-218/98 - "Abdoulaye" - EuGHE 1999, I-5723, Rdn. 20; vom , Rs. C-66/96 - "Pedersen" - EuGHE 1999, I-7327 Rdn. 33; vom - "Boyle" - aaO Rdn. 40 f.; vom , Rs. C-32/93 - "Webb" - EuGHE 1994, I-3567, Rdn. 25) noch mit derjenigen eines Arbeitnehmers im aktiven Beschäftigungsverhältnis (Urteil vom - Gillespie" - aaO Rdn. 17) gleichgesetzt werden kann. Andererseits hat er jedoch das Diskriminierungsverbot im Zusammenhang mit dem auf dieser besonderen Situation beruhenden Beschäftigungsverbot (vgl. Art. 8 der Richtlinie 92/85/EWG) für anwendbar erklärt mit der Folge, daß Mutterschutzzeiten insoweit Beschäftigungszeiten gleichzustellen sind (so ausdrücklich Urteil vom - "Lewen" - aaO Rdn. 41 betreffend die unzulässige Versagung einer Weihnachtsgratifikation; vgl. auch Urteile vom , Rs. C-207/98 - "Mahlburg" - EUGHE 2000, I-549 Rdn. 24 und vom - "Webb" - aaO Rdn. 26 f.). Damit ist nicht auszuschließen, daß er auch die Nichtberücksichtigung von Mutterschutzzeiten beim Aufbau einer Versicherungsrente wie derjenigen der Klägerin als eine mit Art. 119 EGV unvereinbare geschlechtsbezogene Diskriminierung ansehen wird. Da hiervon nur Frauen betroffen sein können, läge gegebenenfalls eine unmittelbare Diskriminierung vor (vgl. etwa Urteile vom - "Mahlburg" - aaO Rdn. 20; vom - "Thibault" - EuGHE 1998, I-2011, Rdn. 33 und vom - "Dekker" - EuGHE 1990 I-3941, Rdn. 12).

b) Der Senat geht davon aus, daß die Klägerin eine etwaige Unvereinbarkeit der Nichtberücksichtigung ihrer Mutterschutzzeiten in der Satzung der Beklagten mit den vorgenannten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen gegenüber der Beklagten selbst geltend machen kann. Der Europäische Gerichtshof hat mehrfach entschieden, daß sich ein versicherter Arbeitnehmer auf Art. 119 EGV auch unmittelbar gegenüber dem am Arbeitsverhältnis selbst nicht beteiligten, rechtlich selbständigen Träger eines Betriebsrentensystems berufen kann (Urteile vom - "Barmer Ersatzkasse" - aaO Rdn. 20 betr. Pensionskasse deutschen Rechts; vom - "Podesta" - aaO Rdn. 25 ff. betr. französische Zusatzrentenkasse; vom , Rs. C-200/91 - "Colorell" - aaO Rdn. 20 ff. betr. Treuhänder englischen Rechts; vom - "Barber" - aaO Rdn. 29 betr. englische Pensionskasse). Da die aus einem solchen System gewährten Leistungen Entgeltcharakter haben, sind - im Interesse der praktischen Wirksamkeit des Art. 119 EGV - auch diese Einrichtungen verpflichtet, alles in ihrer Zuständigkeit Liegende zu tun, um die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf diesem Gebiet sicherzustellen (vgl. nur Urteile vom - "Barmer Ersatzkasse" - aaO Rdn. 21 ff. und vom - "Colorell" - aaO Rdn. 22). Ebenso dürfte sich die Klägerin gegenüber der Beklagten unmittelbar auf die im Anwendungsbereich des Art. 119 EGV erlassenen Richtlinien 86/378/EWG und 92/85/EG berufen können, nachdem der EuGH eine solche unmittelbare Anwendbarkeit auch im Verhältnis zum staatlichen Arbeitgeber anerkannt hat (vgl. Urteile vom , Rs. 152/84 - "Marshall" - EUGHE 1986, 723 Rdn. 49 ff. und vom - "Boyle" - aaO Rdn. 2 und 82 ff.).

c) Sollte die Nichtberücksichtigung der Mutterschutzzeiten der Klägerin bei der Ermittlung ihrer Versicherungsrente durch die Beklagte gegen zumindest eine der vorgenannten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen in gleichheitswidriger Weise verstoßen, kann die Klägerin verlangen, so gestellt zu werden, als hätte sie während dieser Zeiten weiter gearbeitet und zusatzversorgungspflichtiges Arbeitsentgelt erhalten. Insbesondere die Beachtung des Art. 119 EGV kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nur dadurch sichergestellt werden, daß den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vergünstigungen gewährt werden wie den Angehörigen der bevorzugten Gruppe (Urteile vom - "Colorell" - aaO Rdn. 32 und Rs. C-28/93 - "van den Akker" - EuGHE 1994, I-4527 Rdn. 16 f. sowie vom , Rs. C-33/89 - "Kowalska" - EuGHE 1990, I-2591 Rdn. 19). Dem steht nicht entgegen, daß eine tarifvertragliche Grundlage für die Berücksichtigung von Mutterschutzzeiten in der Satzung der Beklagten fehlt. Denn das nationale Gericht muß eine diskriminierende nationale Bestimmung unangewendet lassen, ohne daß es ihre vorherige Beseitigung durch Tarifverhandlungen oder irgendein verfassungsrechtliches Verfahren abwarten müßte (Urteile vom - "Colorell" - aaO Rdn. 31 und - "van den Akker" - aaO Rdn. 16).

d) Da die Entscheidung des Rechtsstreits von der Auslegung der genannten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen abhängt und die Auslegungsfragen weder zweifelsfrei zu beantworten noch bisher durch eine gesicherte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes geklärt sind (vgl. 283/81 - "Srl" - EuGHE 1982, 3415, Rdn. 14 ff.), legt der Bundesgerichtshof sie gemäß Art. 234 EG dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vor.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
MAAAB-98971

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein