BAG Urteil v. - 2 AZR 511/03

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BetrVG § 102 Abs. 1; BetrVG § 102 Abs. 2; BGB § 134; BGB § 138; BGB § 242; BGB § 612a

Instanzenzug: ArbG Offenbach 1 Ca 23/02 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung während der Probezeit des Klägers und seine Weiterbeschäftigung.

Der Kläger war seit dem bei der Beklagten im Baumarkt Offenbach am Main als Mitarbeiter im Verkauf/Kasse/Info beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom war eine 3-monatige Probezeit vereinbart worden.

Der Kläger war auf Grund eines Kapselrisses am Daumen bis einschließlich Samstag, den , arbeitsunfähig krank. Dennoch arbeitete er sowohl am als auch im Rahmen einer Inventur am Samstag, dem , von morgens 8.00 Uhr bis 23.15 Uhr. Weil er einen Umweg vermeiden wollte, überstieg der Kläger zum Verlassen des Betriebsgeländes das geschlossene Eingangstor des Einkaufszentrums und blieb im oberen Bereich des Tores am Gitter hängen. Er verlor dabei den linken Ringfinger seiner Hand. Infolge des Unfalls war er weiterhin arbeitsunfähig krank.

Die Beklagte leitete am beim Betriebsrat die Anhörung zur Kündigung des Klägers ein und übergab der Betriebsratsvorsitzenden den Kündigungsantrag des Marktleiters, das Personalstammdatenblatt des Klägers und einen Anhörungsbogen, in dem als Kündigungsgrund "Vereinbarte Aufgaben werden nicht erledigt, nicht belastbar, keine Loyalität gegenüber direkten Mitarbeitern" angegeben ist. Die Betriebsratsvorsitzende teilte am selben Tage mit, der Betriebsrat erhebe gegen die beabsichtigte Kündigung des Klägers keine Bedenken.

Mit Schreiben vom , dem Kläger am zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum .

Der Kläger macht geltend, die Kündigung sei wegen Treuwidrigkeit und wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB unwirksam. Sie beruhe auf sachfremden Motiven, da sie wegen seiner Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen worden sei. Andere Gründe, insbesondere eine unzureichende Arbeitsleistung, seien nur vorgeschoben und lägen nicht vor. Der Betriebsrat sei zur beabsichtigten Kündigung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Die behaupteten Kündigungsgründe seien ihm weder detailliert geschildert worden noch habe die Beklagte ihn über seine - des Klägers - Arbeitsunfähigkeit und den Arbeitsunfall im Anschluss an seinen übermäßigen Arbeitseinsatz informiert. Die Beklagte hätte die Wochenfrist abwarten müssen, da die Stellungnahme des Betriebsrats nicht abschließend gewesen sei.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom nicht beendet worden ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt: Die Kündigung sei auf Grund von Leistungsmängeln des Klägers, die sich teilweise erst nach dem Unfall des Klägers herausgestellt hätten, begründet. Der Kläger habe im Oktober 2001 entgegen einer Arbeitsanweisung sowohl ein Regal nicht zeitgerecht ausgeräumt, als auch für eine Kundin Türen mit einem falschen Maß zugeschnitten. Anlass für die Kündigung sei schließlich eine Kundenbeschwerde vom gewesen. Der Kläger habe eine Bestellung im September nicht aufgenommen. Die Kündigung stehe deshalb mit den Folgen des erlittenen Unfalls und der Arbeitsunfähigkeit des Klägers in keinem Zusammenhang. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Neben den schriftlichen Unterlagen habe der Marktleiter die Betriebsratsvorsitzende H. über die mangelhaften Leistungen des Klägers in der Probezeit im Einzelnen und insbesondere unter Hinweis auf die Kundenbeschwerde informiert.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

Die Revision der Beklagten ist begründet.

Die Kündigung der Beklagten hat das Arbeitsverhältnis der Parteien während der Probezeit zum wirksam beendet.

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine gegenteilige Ansicht wie folgt begründet: Der darlegungs- und beweispflichtige Kläger habe zwar nicht hinreichend dargetan, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis nicht wegen der von ihr vorgetragenen Leistungsmängel gekündigt habe. Ein bloßes Bestreiten des Klägers reiche insoweit nicht aus. Die Kündigung sei deshalb nicht nach §§ 138, 242 BGB bzw. nach § 612a BGB unwirksam. Anhaltspunkte für eine Treuwidrigkeit der Kündigung iSv. § 242 BGB lägen nicht vor. Es sei auch keine verbotene Maßregelung, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten kündige. Etwas anderes könne allenfalls angenommen werden, wenn der Arbeitgeber kündige, weil sich der Arbeitnehmer wegen seiner Erkrankung weigere, zu arbeiten, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei.

Die Kündigung sei jedoch nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam. Zwar sei die Kündigung noch nicht unwirksam, weil die Beklagte vor Ablauf der Wochenfrist gekündigt habe. In dem Beschluss des Personalausschusses, keine Bedenken gegen die beabsichtigte ordentliche Kündigung des Klägers geltend zu machen, liege eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats. Die Betriebsratsanhörung sei aber unwirksam, weil die Beklagte den Betriebsrat nicht über den Unfall und die dazu führenden Umstände informiert habe. Diese seien geeignet, Zweifel des Betriebsrats an der Richtigkeit des angegebenen Kündigungsgrundes zu begründen. Die Beklagte hätte, um den Betriebsrat eine umfassende Beratung und Entschlussfassung zu ermöglichen, diese Umstände mitteilen müssen. Sie hätte ihm insbesondere mitteilen müssen, dass der Kläger nach einer weit die zulässige Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz überschreitenden Arbeitszeit - wenn auch aus überwiegendem Eigenverschulden - verunfallt sei. Der Betriebsrat wäre erst dann in der Lage gewesen, den Kündigungsgrund zu hinterfragen. Dies gelte umso mehr, als dieser Umstand im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung Bedeutung erlangt hätte.

B. Dem folgt der Senat nicht. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Anhörung des Betriebsrats nicht fehlerhaft und die Kündigung nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat den Betriebsrat ausreichend über den Kündigungsgrund informiert.

I. Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. beispielsweise - 2 AZR 266/74 - BAGE 27, 209; - 2 AZR 707/01 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 129 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 2), dass eine Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur unwirksam ist, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt anzuhören, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, insbesondere er seiner Unterrichtungspflicht nicht ausführlich genug nachgekommen ist. Dabei dient die Beteiligung des Betriebsrats in erster Linie dem Zweck, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht des Arbeitgebers vorzubringen.

1. Dementsprechend muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitteilen (§ 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG), dh. er muss über alle Gesichtspunkte informieren, die ihn zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst haben (KR-Etzel 7. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 62; Fitting BetrVG 22. Aufl. § 102 Rn. 41). Dabei ist die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers bei der Betriebsratsanhörung zur Kündigung subjektiv determiniert. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht subjektiv tragenden Kündigungsgründe mitgeteilt hat (st. Rspr. des Senats, beispielsweise - 2 AZR 265/96 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 85 = EzA BetrVG § 102 Nr. 96; - 2 AZR 30/00 - EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 7; - 2 AZR 424/01 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlungen Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1; zuletzt - 2 AZR 690/02 - AP TzBfG § 14 Nr. 7 = EzA TzBfG § 14 Nr. 7, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Dazu gehören auch die dem Arbeitgeber bekannten, dem Kündigungsgrund widerstreitenden Umstände (Senat - 2 AZR 265/96 - aaO). Die Mitteilung von Scheingründen oder die unvollständige Mitteilung von Kündigungsgründen unter bewusster Verschweigung der wahren Kündigungsgründe genügt deshalb für eine ordnungsgemäße Anhörung nicht. Kommen - aus Sicht des Arbeitsgebers - für eine Kündigung mehrere Sachverhalte und Kündigungsgründe in Betracht, so führt jedoch das bewusste Verschweigen eines von mehreren Sachverhalten nicht zur Unwirksamkeit der Anhörung (KR-Etzel 7. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 62c).

2. Diese Grundsätze gelten auch, wenn der betroffene Arbeitnehmer noch keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz genießt. Dem Betriebsrat sind auch dann nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Gründe für die Kündigung mitzuteilen (Senat - 2 AZR 920/93 - BAGE 77, 13; zuletzt - 2 AZR 515/02 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 133 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; zusammenfassend: KR- Etzel 7. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 62b). Allerdings ist bei der Intensität der Unterrichtung des Betriebsrats über die Kündigungsgründe innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Wartezeit der beiderseitigen Überprüfung der Arbeitsvertragsparteien dient. Es kann deshalb bei einer solchen Kündigung ausreichend sein, wenn der Arbeitgeber, der keine auf Tatsachen gestützte und durch Tatsachen konkretisierbaren Kündigungsgründe benennen kann, dem Betriebsrat nur seine subjektiven Wertungen, die ihn zur Kündigung des Arbeitnehmers veranlassen, mitteilt (Senat - 2 AZR 920/93 - aaO; - 2 AZR 234/98 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 99 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 100; zuletzt - 2 AZR 515/02 - aaO; KR-Etzel 7. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 62b).

3. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich die Anhörung des Betriebsrats vorliegend nicht als fehlerhaft.

a) Die Beklagte hat den Betriebsrat schriftlich und mündlich über den Kündigungsgrund, der sie zur Kündigung veranlasst hat, nämlich die unzureichende Arbeitsleistung des Klägers, informiert. Mit den Hinweisen auf die vom Kläger nicht erledigten Arbeitsaufgaben und den Fehlern bei der Annahme von Kundenbestellungen und Bearbeitungen von Kundenaufträgen sowie den der Betriebsratsvorsitzenden gegebenen einzelnen mündlichen Erläuterungen hat sie dem Betriebsrat den aus ihrer Sicht maßgeblichen Kündigungsgrund -"vereinbarte Aufgaben wurden nicht erledigt" - mitgeteilt.

b) Zu Recht rügt deshalb die Revision, das Landesarbeitsgericht habe nicht weiter verlangen dürfen, die Beklagte habe den Betriebsrat auch über die das Arbeitszeitgesetz überschreitende Arbeit des Klägers am und dessen Arbeitsunfall vom gleichen Tage informieren müssen, weil diese Umstände Zweifel an der Richtigkeit des geltend gemachten Kündigungsgrundes hätten begründen können.

Diese Tatsachen brauchte die Beklagte dem Betriebsrat nicht mitzuteilen. Sie weisen keinen Bezug zu dem von der Beklagten herangezogenen Kündigungsgrund auf. Insbesondere handelt es sich um keine den geltend gemachten Kündigungsgrund entlastende bzw. ihm widerstreitende Umstände. Der Arbeitsunfall und die Arbeitsleistung des Klägers während seiner Arbeitsunfähigkeit weisen keinen Bezug zu den von der Beklagten benannten Schlechtleistungen auf. Sie stehen mit den von der Beklagten angeführten Vertragspflichtverletzungen des Klägers in keinem Zusammenhang. Die Beklagte brauchte deshalb den Betriebsrat hierüber nicht zu unterrichten. Sie hat über den aus ihrer Sicht bestehenden Kündigungsgrund und den ihm zugrunde liegenden Kündigungssachverhalt ausreichend und nicht unvollständig oder gar irreführend informiert.

Die Beklagte hätte dem Betriebsrat diese Aspekte nur dann mitteilen müssen, wenn sie sie bei ihrem Kündigungsentschluss erwogen und in ihn einbezogen hätte. Dies ist vorliegend nicht erkennbar. Der bloße zeitliche Zusammenhang zwischen den Ereignissen vom und der Anhörung des Betriebsrats am rechtfertigt einen solchen - insbesondere zwingenden - Schluss nicht, zumal die Beklagte sich für ihre Kündigungsabsicht zum einen auf eine Kundenbeschwerde vom gestützt hat und zum anderen zwischen dem Unfall bzw. der Arbeitsunfähigkeit und der Kündigung noch ein Zeitraum von über zwei Wochen lag.

II. Die Betriebsratsanhörung ist schließlich auch nicht deshalb fehlerhaft, weil die Beklagte die Kündigung vor Ablauf der Wochenfrist (§ 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG) ausgesprochen hat. Mit der der Beklagten am übermittelten Stellungnahme des Betriebsrats, gegen die beabsichtigte ordentliche Kündigung keine Bedenken zu haben, war das Anhörungsverfahren beim Betriebsrat abgeschlossen. Die Beklagte musste nicht mehr den Ablauf der Wochenfrist abwarten. Es wäre ein überflüssiger Formalismus, nach dieser Stellungnahme des Betriebsrats hier noch von ihr den Ablauf der Anhörungsfrist zu verlangen ( - BAGE 40, 42; - 2 AZR 707/01 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 129 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 2).

C. Die Berufungsentscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Kündigung insbesondere nicht wegen Verstoßes gegen §§ 242, 138 BGB oder §§ 612a, 134 BGB nichtig.

I. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei nicht nach § 242 BGB unwirksam, ist nicht zu beanstanden. Aus dem unstreitigen Sachverhalt und dem Vorbringen des Klägers ergibt sich kein Verstoß gegen Treu und Glauben.

1. Eine Kündigung verstößt dann gegen § 242 BGB und ist nichtig, wenn sie aus Gründen, die von § 1 KSchG nicht erfasst werden, Treu und Glauben verletzt. Dies gilt jedenfalls für eine Kündigung, auf die wegen Nichterfüllung der 6-monatigen Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, weil dem Arbeitgeber sonst für diese Fälle über die Generalklausel des § 242 BGB der kraft Gesetzes ausgeschlossene Kündigungsschutz de facto doch auferlegt und die Möglichkeit eingeschränkt würde, die Eignung des Arbeitnehmers für die geschuldete Tätigkeit im Betrieb während der gesetzlichen Wartezeit zu überprüfen (st. Rspr. des Senats - 2 AZR 617/93 - BAGE 77, 128 mwN; - 2 AZR 926/98 - AP BGB § 242 Kündigung Nr. 10; - 2 AZR 185/00 - BAGE 97, 294; zuletzt - 2 AZR 426/02 - AP KSchG § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2). Welche Anforderungen sich aus Treu und Glauben ergeben, lässt sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls entscheiden. Zu den typischen Tatbeständen einer treuwidrigen Kündigung zählen vor allem Rechtsmissbrauch und Diskriminierungen ( - AP BGB § 242 Kündigung Nr. 14 = EzA BGB § 242 Kündigung Nr. 4; - 2 AZR 15/00 - BAGE 97, 92). Dabei ist für die Bestimmung des Inhalts und der Grenzen des Kündigungsschutzes außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes die Bedeutung grundrechtlicher Schutzpflichten, insbesondere der objektive Gehalt des Art. 12 Abs. 1 GG, zu beachten (vgl. insbesondere - BVerfGE 97, 169; Lettl NZA-RR 2004, 59). Die Rechtsausübung kann missbräuchlich sein, wenn ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse des Arbeitgebers zugrunde liegt. Das ist der Fall, wenn die Ausübung des Rechts nur als Vorwand dient, um vertragsfremde oder unlautere Zwecke zu erreichen ( - BGHZ 90, 198; Senat - 2 AZR 426/02 - aaO; Palandt/Heinrichs BGB 62. Aufl. § 242 Rn. 50 ff.).

2. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen derjenigen Tatsachen, aus denen sich die Treuwidrigkeit ergibt, liegt grundsätzlich beim Arbeitnehmer ( - BAGE 97, 92; - 5 AZR 360/99 - AP BGB § 242 Kündigung Nr. 14 = EzA BGB § 242 Kündigung Nr. 4; - 2 AZR 426/02 - AP KSchG § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2). Die Regel des § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG, wonach der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen hat, die die Kündigung bedingen, gilt außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes nicht ( - BVerfGE 97, 169; Senat aaO). Der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des Arbeitnehmers wird dadurch gewährleistet, dass insoweit die Grundsätze einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast Anwendung finden (zusammenfassen: Lettl NZA-RR 2004, 64). Deshalb muss im ersten Schritt der Arbeitnehmer, der die zur Kündigung führenden Überlegungen regelmäßig nicht kennen wird, lediglich einen Sachverhalt vortragen, der die Treuwidrigkeit der Kündigung nach § 242 BGB indiziert. Ergibt sich aus seinem Vorbringen ein Treueverstoß des Arbeitgebers, muss dieser nach § 138 Abs. 2 ZPO sich qualifiziert auf das Vorbringen des Arbeitnehmers einlassen, um es ggf. zu entkräften. Kommt der Arbeitgeber dieser sekundären Behauptungslast nicht nach, gilt der schlüssige Sachvortrag des Arbeitnehmers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (vgl. zuletzt Senat - 2 AZR 426/02 - aaO). Andernfalls hat der Arbeitnehmer die Tatsachen, aus denen sich die Treuwidrigkeit ergibt, zu beweisen.

3. In Anwendung dieser Grundsätze ist ein Treueverstoß nicht feststellbar.

Es sind vom Landesarbeitsgericht keine Tatsachen festgestellt bzw. vom Kläger hinreichend dargelegt worden, aus denen zwingend geschlossen werden könnte, die Kündigung sei nicht wegen der von der Beklagten behaupteten - und vom Kläger bestrittenen - unzureichenden Arbeitsleistungen, sondern aus anderen, treuwidrigen, insbesondere vertragsfremden Gründen erfolgt. Darauf hat das Landesarbeitsgericht bereits zutreffend hingewiesen. Allein die zeitliche Nähe der Ereignisse rechtfertigt keinen Schluss auf eine treuwidrige Kündigung, zumal der Kläger den schlüssigen Sachvortrag der Beklagten zur schriftlichen Kundenbeschwerde vom noch nicht einmal ansatzweise widerlegt hat. Es wäre an ihm gewesen, qualifiziert zum Sachvortrag des Arbeitgebers Stellung zu nehmen und ihn zu entkräften. Zutreffend hat deshalb das Landesarbeitsgericht angemerkt, es sei nicht ausreichend, wenn der Kläger lediglich die von der Beklagten für die Begründung der Leistungsmängel vorgetragenen Umstände bestreite und auf die nahen zeitlichen Zusammenhänge hinweise.

Eine "Umkehrung" der Darlegungs- und Beweislast - wie der Kläger meint - findet jedenfalls insoweit nicht statt.

II. Für eine Nichtigkeit der Kündigung vom wegen eines Verstoßes gegen § 138 BGB gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte.

1. Der Vorwurf objektiver Sittenwidrigkeit kann nur in besonders krassen Fällen erhoben werden. § 138 BGB verlangt die Einhaltung eines "ethischen Minimums". Sittenwidrig ist demnach eine Kündigung, wenn sie dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht (Senat - 2 AZR 464/72 - AP BGB § 138 Nr. 32; - 2 AZR 426/02 - AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2 ). So kann beispielsweise Sittenwidrigkeit vorliegen, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung auf einen Arbeitsunfall des Arbeitnehmers stützt, den der Arbeitgeber bedingt vorsätzlich herbeigeführt hat ( - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Nr. 24; Lettl NZA-RR 2004, 60).

2. Die Kündigung ist vorliegend jedenfalls nicht deshalb sittenwidrig, weil sie zeitlich nach dem Unfall und der überobligationsmäßigen Arbeitsleistung des Klägers - wie er sagt "aus Dank" - erfolgte. Der Kläger hat einen solchen Kündigungsgrund nicht dargelegt. Er hat die substanziierte Einlassung der Beklagten nicht widerlegt, das Arbeitsverhältnis sei wegen seiner unzureichenden Arbeitsleistungen während der Probezeit gekündigt worden. Seine Äußerungen bleiben spekulativ. Die Beklagte hat damit die Kündigung zur Durchsetzung rechtmäßiger und legitimer Interessen eingesetzt.

III. Die Kündigung ist schließlich auch nicht nach §§ 612a, 134 BGB unwirksam.

1. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht deshalb bei einer Maßnahme benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Als "Maßnahmen" iSd. § 612a BGB kommen auch Kündigungen in Betracht (Senat - 2 AZR 498/89 - BAGE 55, 190; - 2 AZR 426/02 - AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2).

2. Zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung muss aber ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur den äußeren Anlass für die Maßnahme bietet ( - BAGE 101, 312; - 2 AZR 426/02 - AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 18 = EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 2; ErfK/Preis 4. Aufl. § 612a BGB Rn. 11; KR-Pfeiffer 7. Aufl. § 612a BGB Nr. 7). Ist der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers nicht nur wesentlich, sondern ausschließlich durch die zulässige Rechtsverfolgung des Arbeitnehmers bestimmt gewesen, so deckt sich das Motiv des Arbeitgebers mit dem objektiven Anlass zur Kündigung. Es ist dann unerheblich, ob die Kündigung auch auf einen anderen Kündigungssachverhalt hätte gestützt werden können. Eine dem Maßregelungsverbot widersprechende Kündigung kann deshalb auch dann vorliegen, wenn an sich ein Sachverhalt gegeben ist, der eine Kündigung des Arbeitgebers gerechtfertigt hätte (Senat - 2 AZR 498/88 - BAGE 55, 140; - 2 AZR 426/00 - aaO; KR-Pfeiffer 7. Auf. § 612a BGB Rn. 8). Während das Kündigungsschutzgesetz auf die objektive Sachlage zum Zeitpunkt der Kündigung und nicht auf den Beweggrund der Kündigung durch den Arbeitgeber abstellt, schneidet § 612a BGB die Kausalkette für andere Gründe ab, die den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers nicht bestimmt haben. Dabei trifft den klagenden Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er wegen seiner Rechtsausübung von dem beklagten Arbeitgeber durch den Ausspruch der Kündigung benachteiligt worden ist ( - aaO; - 2 AZR 426/02 - aaO).

3. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Kündigung vom in Anwendung dieser Grundsätze nicht nach §§ 612a, 134 BGB unwirksam.

Die Beklagte hat die Kündigung damit begründet, der Kläger habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten während der Probezeit unzureichend erbracht. Diesen Sachvortrag, insbesondere die Kundenbeschwerde vom , hat der Kläger - worauf das Landesarbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat - nicht ausgeräumt. Ein Verstoß gegen die Regelungen der §§ 612a, 134 BGB ist deshalb nicht erkennbar.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO.

Fundstelle(n):
CAAAB-93740

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