Leitsatz
Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Stehen die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen über die Steuerbefreiung bei Ausfuhren in ein Drittland einer Gewährung der Steuerbefreiung im Billigkeitswege durch den Mitgliedstaat entgegen, wenn zwar die Voraussetzungen der Befreiung nicht vorliegen, der Steuerpflichtige deren Fehlen, aber auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht erkennen konnte?
Gesetze: UStG 1993 § 4 Nr. 1 aUStG 1993 § 6UStG 1993 § 6a Abs. 4UStDV § 8AO 1977 § 227Richtlinie 77/388/EWG Art. 15 Nr. 2
Instanzenzug: ,
Gründe
I. Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um den Erlass von Umsatzsteuer, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gegen die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wegen des Fehlens der Voraussetzungen für steuerfreie Ausfuhrlieferungen festgesetzt hat.
Die Klägerin betreibt Discount-Supermärkte. In den Jahren 1992 bis 1998 erstattete sie folgende Umsatzsteuerbeträge (gerundet) an ihre Kunden:
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1992 | 10 000 DM, |
1993 | 57 000 DM, |
1994 | 58 000 DM, |
1995 | 57 000 DM, |
1996 | 125 000 DM, |
1997 | 90 000 DM, |
1998 | 183 000 DM. |
Betriebsintern hatte sie festgelegt, dass sie die Umsatzsteuer im nichtkommerziellen Reiseverkehr nur erstattet, wenn sich der Stempelaufdruck hälftig auf dem Bon und dem Zollformular befindet und der ausländische Bürger seinen Pass vorlegt. Diese Regelungen führte sie vor dem Erscheinen des Merkblatts des Bundesministeriums der Finanzen —BMF— (IV D2 S -7133- 4/99) zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr vom (BStBl I 1999, 289) ein, in dem Empfehlungen für den Nachweis der Ausfuhr im nichtkommerziellen Reiseverkehr enthalten sind.
Die Leiterin der Buchhaltung und der Verwaltungsleiter der Klägerin suchten am das Hauptzollamt (HZA) Neubrandenburg auf, um festzustellen, ob der häufig auftretende Zollstempel Nr. 73 und die dazu gehörenden Papiere der Zollbehörde gefälscht waren. Nachdem die Gesprächspartnerin im HZA die Stempel für echt gehalten hatte, informierte das HZA am den Verwaltungsleiter der Klägerin, die von der Klägerin übergebenen Unterlagen seien nach nochmaliger Prüfung als gefälscht erkannt worden. Die Angelegenheit wurde sodann der Steuerfahndungsstelle übergeben. Diese ermittelte mit Hilfe sog. Stempelfolien, dass ein erheblicher Teil der Ausfuhrnachweise in den Jahren 1993 bis 1998 von polnischen Staatsbürgern nachgefertigt worden bzw. die Ausfuhrnachweise mit einem falschen Zollstempel versehen worden waren. Die Steuerfahndungsstelle stellte fest, dass die polnischen Staatsbürger Einkäufe und Ausfuhren vorspiegelten, indem sie liegen gebliebene Kassenbons auf den Parkplätzen, in den Einkaufskörben und den Papierkörben der Supermärkte einsammelten, zum Teil mit gefälschten Vordrucken und gefälschten Zollstempeln Ausfuhrnachweise „fertigten”, diese mit Namen und Anschrift des jeweiligen polnischen Staatsbürgers versahen und die Erstattung der Umsatzsteuer von der Klägerin beantragten und gewährt bekamen.
Mit (geänderten) Umsatzsteuerbescheiden vom für die Jahre 1993 bis 1997 und Vorauszahlungsbescheid vom für den Monat Dezember 1998 setzte das FA daraufhin Umsatzsteuer fest.
Den von der Klägerin beantragten Erlass der nachgeforderten Umsatzsteuer für die Jahre 1993 bis 1998 lehnte das FA mit Bescheid vom ab. Der Einspruch dagegen hatte zum Teil Erfolg. Das FA erließ die Umsatzsteuernachforderung für die Jahre 1993 und 1994, weil für diese Jahre eine Betriebsprüfung durchgeführt worden war und die Steuerbescheide nicht mehr hätten geändert werden dürfen. Die Zinsen (1993 bis 1997) erließ das FA, weil der Klägerin nur ein fiktiver Liquiditätsvorteil entstanden war.
Im Übrigen wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom den Einspruch zurück. Zur Begründung führte es aus, die Einziehung sei nicht sachlich unbillig. Die Klägerin schulde die Steuer, da sie keinen ordnungsgemäßen Ausfuhrnachweis habe erbringen können. Die Durchsetzung des Anspruches aus dem Steuerschuldverhältnis unter den besonderen Umständen des Einzelfalles laufe den gesetzlichen Wertungen nicht zuwider.
Der Zeitraum von 1993 bis 1998, in dem die Klägerin nicht bemerkt habe, dass ein erheblicher Teil der Ausfuhrpapiere von polnischen Staatsbürgern nachgefertigt und mit einem falschen Zollstempel versehen worden sei, sei lang andauernd. Zudem sei die Erstattung von Umsatzsteuer in Höhe von 223 390 DM an polnische Staatsbürger ein erheblicher Schaden. Der Schaden sei nicht durch die falsche Auskunft der Zollbehörden verursacht worden. Die Maßnahmen, die die Klägerin ergriffen habe, hätten nicht ausgereicht. Bei angemessener Sorgfalt hätte ein über Jahre andauernder Betrug verhindert werden können. Zwar seien die Vorschriften des § 8 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) eingehalten worden, der Echtheit der abgestempelten Ausfuhrnachweise sei jedoch zu wenig Bedeutung geschenkt worden. Erst nach Jahren sei den aufgekommenen Zweifeln nachgegangen worden.
Die Klägerin müsse sich zurechnen lassen, dass sie die ungerechtfertigte Auszahlung der Umsatzsteuern mit verschuldet habe, auch wenn durch ihr bedachtes Handeln weiterer Schaden verhindert worden sei. Die Umsatzsteuer könne zurückgefordert werden, auch wenn die Klägerin wesentlich zur Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen habe. Dieser Tatbestand müsse nur im strafrechtlichen Prozess positiv bedacht werden, für einen Erlass der gesamten Umsatzsteuern reiche dies jedoch nicht. Eine analoge Anwendung des § 6a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG 1993) komme nicht in Betracht. Dort sei ebenfalls Voraussetzung, dass der Unternehmer die Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Davon abgesehen handele es sich um keine planwidrige Lücke im Gesetz. Die Vertrauensschutzregelung in § 6a Abs. 4 UStG 1993 für die innergemeinschaftliche Lieferung beruhe auf der Überlegung, dass die Steuerforderungen im EU-Binnenmarkt leichter realisierbar seien als bei Lieferungen in Drittstaaten, die dem § 6 UStG 1993 unterliegen.
Die auf den Erlass der Umsatzsteuernachforderungen nach § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) für die Jahre 1995 bis 1998 gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision. Zu deren Begründung trägt sie vor, das Urteil des FG verletze materielles Recht und Verfahrensrecht. Das FG hätte die Lieferungen an polnische Abnehmer in analoger Anwendung des § 6a Abs. 4 UStG 1993 als steuerfrei behandeln müssen.
Im Übrigen seien die Voraussetzungen einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 Satz 1 AO 1977 gegeben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuer für die Jahre 1995 bis 1998 (wie geltend gemacht) niedriger festzusetzen.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
II.
Der Senat legt dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die vorangestellte Frage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.
1. Zur Rechtslage nach nationalem Recht
Nach § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG 1993 sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 fallenden Umsätzen u.a. die Ausfuhrlieferungen (§ 6 UStG 1993) steuerfrei.
Eine Ausfuhrlieferung liegt gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1993 vor, wenn bei einer Lieferung der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3 UStG 1993, befördert oder versendet hat und ein ausländischer Abnehmer ist.
Gemäß § 6 Abs. 4 UStG 1993 müssen die Voraussetzungen u.a. des Abs. 1 vom Unternehmer nachgewiesen werden. Das BMF kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer die Nachweise zu führen hat.
Das BMF hat von der Ermächtigung des § 6 Abs. 4 UStG 1993 in § 8 Abs. 1 UStDV Gebrauch gemacht. Danach muss bei Ausfuhrlieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet hat (Ausfuhrnachweis). Die Voraussetzung muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben.
Für die innergemeinschaftliche Lieferung sieht § 6a Abs. 4 UStG 1993 eine Vertrauensschutzregelung vor, die wie folgt lautet:
„Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.”
Eine entsprechende Vertrauensschutzregelung sieht das nationale Recht bei der Ausfuhrlieferung in Drittländer nicht vor.
§ 227 AO 1977 enthält folgende allgemeine Billigkeitsregelungen:
§ 227 AO lautet:
„Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.”
Wenn —wie hier— die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 und Abs. 4 UStG 1993 nicht erfüllt sind, weil der liefernde Unternehmer vom Abnehmer gefälschte Ausfuhrbelege erhalten hatte, lehnte es die bisherige deutsche Praxis regelmäßig ab, im Erlassverfahren die Steuerbefreiung dem Liefernden zuzuerkennen. Der Senat entschied noch im Beschluss vom V B 101/03 (BFHE 205, 416, BStBl II 2004, 748), dass der deutsche Gesetzgeber die Einführung der Vertrauensschutzregelung in § 6a Abs. 4 UStG 1993 für die innergemeinschaftliche Lieferung nicht als Anlass zu einer entsprechenden Ergänzung der Regelungen über die Befreiung für Ausfuhrlieferungen in Drittstaaten (§ 6 UStG 1993) genommen habe und dass eine entsprechende Anwendung der Vertrauensschutzregelung für die Ausfuhrlieferung also ersichtlich nicht vorgesehen sei. Er lehnte daher eine Revisionszulassung zur Klärung der Frage ab. Die Verwaltung und das überwiegende Schrifttum verfahren entsprechend. Darauf hat die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung hingewiesen.
Der Senat hält es aber im Hinblick auf den auch im Steuerrecht allgemein geltenden Grundsatz des Vertrauensschutzes für zweifelhaft, ob die Steuerfreiheit einer Ausfuhrlieferung auch dann regelmäßig versagt werden darf, wenn der liefernde Unternehmer die Fälschung des Ausfuhrnachweises, den der Abnehmer ihm vorlegt, auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht hat erkennen können.
2. Zur Anrufung des EuGH
Nach Art. 15 Nr. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) befreien die Mitgliedstaaten Lieferungen von Gegenständen, die durch den nicht im Inland ansässigen Abnehmer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden (nur) unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen.
Auch für das Mehrwertsteuerrecht der Richtlinie 77/388/EWG gilt nach der Rechtsprechung des EuGH der Grundsatz des Vertrauensschutzes (Schutz des guten Glaubens). Im Urteil vom C-454/98, Schmeink & Cofreth, Manfred Strobel (Slg. 2000, I-6973, BFH/NV Beilage 2001, 33) hat der EuGH auf sein Urteil vom Rs. C-342/87, Genius Holding (Slg. 1989, 4227 RandNr. 18) hingewiesen, demzufolge es Sache der Mitgliedstaaten ist, die Geltung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer dadurch zu gewährleisten, dass sie in ihrem innerstaatlichen Recht vorsehen, dass jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer berichtigt werden kann, wenn der Aussteller der Rechnung seinen guten Glauben nachweist.
Für die bereits angesprochene Vertrauensschutzregelung in § 6a Abs. 4 UStG 1993 bei innergemeinschaftlichen Lieferungen zugunsten des liefernden Unternehmers gibt es zwar —wie bereits ausgeführt— keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Der deutsche Gesetzgeber bezog sich aber auf die Protokollerklärung zur Ratstagung am zu Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG i.d.F. der sog. Binnenmarkt-Richtlinie 91/680/EWG vom :
Die Protokollerklärung lautet:
„Der Rat und die Kommission erklären, dass die Anwendung der Bestimmungen der Übergangsregelung auf keinen Fall zur Folge haben darf, dass die Befreiung nach Artikel 28c Buchstabe A verweigert wird, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Erwerber materiell falsche Angaben gemacht hat, während der Steuerpflichtige die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um bei Lieferungen seines Unternehmens einer inkorrekten Anwendung der MwSt-Vorschriften vorzubeugen.”
Es handelt sich um Erwägungen, die in erster Linie der Herstellung eines einheitlichen Binnenmarktes dienen und dem Lieferer die Umsatzsteuerbefreiung bei einer „grenzüberschreitenden” Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat sichern sollen. Der erwähnte Schutzzweck für das gemeinsame Mehrwertsteuersystem im Binnenmarkt (das ohne Grenzzollstellen durch die Unternehmer selbst kontrolliert werden soll) fehlt bei Ausfuhrlieferungen in Drittstaaten. Dies könnte der Gewährung von Vertrauensschutz für den Unternehmer, der die Voraussetzungen der Ausfuhrbefreiung aufgrund falscher Angaben seines Abnehmers nicht erfüllt, entgegengehalten werden.
Andererseits steht der leistende Unternehmer auch bei solchen Ausfuhren von einer mit dem innergemeinschaftlich Liefernden vergleichbaren Situation, wenn die für die Befreiung erforderliche Mitwirkung des Abnehmers —hier die Vorlage des Ausfuhrnachweises (Beleg der Zollstelle) manipuliert ist und der leistende Unternehmer die Unrichtigkeit dieser „Angabe” des Abnehmers auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Soweit die deutsche Vertrauensschutzregelung in § 6a Abs. 4 UStG 1993 noch den Satz 2 enthält: „In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer”, handelt es sich wohl um eine folgerichtige Aussage, die aber in der Praxis nur deklaratorische Wirkung haben kann und —mangels Kontrolle der Vollziehung im Empfängerstaat— leer laufen dürfte.
Für analoge Fälle bei Zöllen und Herkunftsbescheinigungen hat dagegen nach der Rechtsprechung des EuGH auch der gutgläubige Händler die Folgen der Nichterweislichkeit bzw. Nichterfüllung der Voraussetzungen zu tragen (vgl. und Rs. C-204/94, Faroe Seafood Co. Ltd. u.a., Slg. 1996, I-2465, wonach auch eine Bescheinigung der zuständigen Behörde nur unter besonderen Voraussetzungen die Berufung auf Vertrauensschutz rechtfertigt; vom Rs. C-97/95, Pascoal et Filhos, Slg. 1997, I-4209). Des Weiteren bestimmt für den Erlass von Eingangsabgaben Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 des Rates vom über die Erstattung oder den Erlass von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 175, 1) in der durch Art. 1 Nr. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 3069/86 des Rates vom (ABlEG Nr. L 286, 1) geänderten Fassung:
"Die Eingangsabgaben können…bei Vorliegen besonderer Umstände…erlassen werden, sofern der Beteiligte nicht in betrügerischer Absicht oder offensichtlich fahrlässig gehandelt hat.”
Nach Art. 4 Nr. 2 Buchst. c der Verordnung (EWG) Nr. 3799/86 der Kommission vom zur Durchführung der Art. 4a, 6a, 11a und 13 der Verordnung Nr. 1430/79 (ABlEG Nr. L 352, 19) gilt als besonderer Umstand i.S. von Art. 13 der Verordnung Nr. 1430/79 für sich allein nicht
"die gutgläubige Vorlage von Papieren zur Erlangung einer Zollpräferenzbehandlung für zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldete Waren, wenn sich diese Papiere später als falsch, gefälscht oder für die Gewährung einer Zollpräferenzbehandlung ungültig erweisen”.
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH zu den gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen für den Erlass von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben stellt das Vertrauen in die Gültigkeit von Ursprungszeugnissen, die sich als falsch, gefälscht oder ungültig erweisen, als solches keinen besonderen Umstand (im Sinne der einschlägigen Regelung, vgl. folgend) dar, weil nachträgliche Kontrollen zu einem großen Teil nutzlos wären, wenn die Verwendung solcher Zeugnisse allein einen Erlass rechtfertigen könnten ( in den verbundenen Rs. 98/83 und 230/83, Van Gend & Loos/Kommission, Slg. 1984, 3763; s. zuletzt auch Gericht erster Instanz —Dritte Kammer—, Urteil vom Rs. T-205/99, Hyper Srl, Slg. 2002, II-3141, m.N.).
Jedenfalls hält der Senat die Beantwortung der Frage, ob —nach Gemeinschaftsrecht— bei objektivem Fehlen von Befreiungsvoraussetzungen für eine Ausfuhrlieferung (hier wegen gefälschter Ausfuhrbelege der Zollstelle) gleichwohl (aus Gründen sachlicher Billigkeit) die Ausfuhr als befreit angesehen werden kann, wenn der leistende Unternehmer die Unrichtigkeit der vom Abnehmer vorgelegten Belege auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte, für zweifelhaft.
3. Rechtsgrundlage für die Anrufung des EuGH ist Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft.
4. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung.
Fundstelle(n):
BStBl 2006 II Seite 672
BB 2006 S. 1550 Nr. 28
BBK-Kurznachricht Nr. 15/2006 S. 807
BFH/NV 2006 S. 1597 Nr. 8
BStBl II 2006 S. 672 Nr. 15
DB 2006 S. 1541 Nr. 29
DStRE 2006 S. 883 Nr. 14
DStZ 2006 S. 501 Nr. 15
HFR 2006 S. 1137 Nr. 11
INF 2006 S. 571 Nr. 15
IStR 2006 S. 528 Nr. 15
KÖSDI 2006 S. 15194 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 27/2006 S. 2241
SJ 2006 S. 14 Nr. 16
StB 2006 S. 285 Nr. 8
StBW 2006 S. 5 Nr. 14
StuB-Bilanzreport Nr. 14/2006 S. 565
UR 2006 S. 474 Nr. 8
UVR 2006 S. 228 Nr. 8
WPg 2006 S. 1124 Nr. 17
HAAAB-88803