BFH Urteil v. - X R 36/04

Mehr als vier Jahre zum überwiegenden Teil selbstgenutztes Zweifamilienhaus als Zählobjekt im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels

Gesetze: EStG § 15 Abs. 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger war von 1992 bis 1995 Geschäftsführer einer Firma in W, wo er 1992 ein Wohnhaus erwarb. Danach war er als Erfinder bzw. Gutachter tätig, bis er zum eine Geschäftsführertätigkeit in F übernahm. Die Klägerin arbeitete nach Beendigung ihres Pharmaziestudiums im Jahre 1994 zunächst als Angestellte in einer Apotheke in D. 1996 übernahm sie eine Apotheke in Z. Zum zogen die Kläger in ihr 1993 erworbenes, bis dahin vermietetes Zweifamilienhaus in Z um.

Der Kläger veräußerte in den Jahren 1996, 1997 und 1999 insgesamt vier Grundstücke, die er jeweils weniger als fünf Jahre vor dem Veräußerungszeitpunkt angeschafft bzw. bebaut hatte. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Veräußerungen:


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Objekt
Kauf
Bau
Art der Nutzung
Verkauf
Haus W
 
Selbst, z.T. vermietet
RH W
1993, unbebaut
Vermietet
RH W
1993, unbebaut
Vermietet
RH W
1993, unbebaut
Vermietet

Er erwarb außerdem im Jahre 1998 in Z ein unbebautes Grundstück und ebenso wie die Klägerin ein Reihenhaus in O.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) bejahte im Einkommensteuerbescheid für 1997 einen gewerblichen Grundstückshandel des Klägers.

Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Zur Begründung ihrer Klage führten die Kläger aus, bei der Anschaffung bzw. Herstellung der vorbezeichneten Objekte habe keine bedingte Absicht zur alsbaldigen Veräußerung bestanden. Das 1992 zur Selbstnutzung erworbene Haus in W sei 1996 nur wegen des Umzugs in eine näher am Arbeitsplatz der Klägerin gelegene Wohnung und damit aus Sachzwängen verkauft worden.

Das FA entgegnete, der Verkauf des Hauses in W sei nicht zwingend gewesen. Der Umzug der Kläger in ihr Zweifamilienhaus in Z habe zwar nahe gelegen, da dieser für die Klägerin eine Verkürzung ihrer Wegstrecke zu ihrem Arbeitsplatz bedeutet habe. Ein offensichtlicher Sachzwang für die Veräußerung sei aber aus den Gesamtumständen nicht erkennbar.

Das Finanzgericht (FG) behandelte den Kläger ebenfalls als gewerblichen Grundstückshändler. Er habe bereits bei Anschaffung des Hauses in W bzw. bei der Errichtung der Reihenhäuser in W eine bedingte Veräußerungsabsicht gehabt. Auch wenn der Umzug der Kläger in ihr Haus in Z aus beruflichen Gründen nachvollziehbar sei, habe kein offensichtlicher Sachzwang bestanden, das 1992 zur Selbstnutzung erworbene Haus in W zu veräußern, zumal auch kein Hausfinanzierungsbedarf bestanden habe. Bei der gebotenen Würdigung aller Umstände sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger 1998 weitere Reihenhäuser in O erworben habe.

Mit der Revision tragen die Kläger unter Hinweis auf die Urteile des erkennenden Senats vom X R 28/00 (BFHE 200, 304, BStBl II 2003, 133) und vom X R 74/99 (BFHE 200, 380, BStBl II 2003, 245) vor, das selbstgenutzte Haus in W sei kein „Zählobjekt”. Beim Erwerb der weiteren verkauften Grundstücke habe ebenfalls keine Veräußerungsabsicht vorgelegen.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1997 dahin zu ändern, dass kein Gewinn aus Gewerbebetrieb angesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision der Kläger ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und der angefochtene Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1997 dahin gehend zu ändern, dass keine Einkünfte des Klägers aus einem gewerblichen Grundstückshandel anzusetzen sind (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Gewerbebetrieb ist nach § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine selbständige und nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Die Betätigung muss den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreiten (vgl. z.B. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs —BFH— vom GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C. vor I.).

a) Im Streitfall kommt es entscheidend auf die Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und privater Vermögensverwaltung andererseits an. Dafür stellt die Rechtsprechung auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung ab. In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des , BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, unter C. I.; , BFHE 187, 287, BStBl II 1999, 448, zum Wertpapierhandel).

b) Als Indiz für einen gewerblichen Grundstückshandel wertet die Rechtsprechung die Veräußerung von mehr als drei Objekten innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs (sog. Drei-Objekt-Grenze, vgl. Beschluss des Großen Senats in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, m.w.N.).

Hat der Veräußerer mehr als drei Objekte gekauft oder errichtet und sie in engem zeitlichen Zusammenhang veräußert, so lässt dies bei nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzten Objekten nach den Regeln der Lebenserfahrung mangels eindeutiger gegenteiliger objektiver Anhaltspunkte grundsätzlich den Schluss zu, dass bereits im Zeitpunkt des Ankaufs oder der Errichtung zumindest eine bedingte Wiederverkaufsabsicht bestanden hat (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. , BFH/NV 1997, 170, unter 1. b bb, m.w.N.), auch wenn die eigentliche Absicht auf eine anderweitige Nutzung als durch Verkauf gerichtet war.

c) Ein enger zeitlicher Zusammenhang wird in aller Regel angenommen, wenn die Zeitspanne zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf der Objekte nicht mehr als fünf Jahre beträgt. Werden innerhalb dieses engen zeitlichen Zusammenhangs mindestens vier Objekte veräußert, so ist regelmäßig, ohne dass weitere besondere Umstände (z.B. eine hauptberufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen im Baubereich) vorliegen müssen, von einem gewerblichen Grundstückshandel auszugehen.

2. Weil der Kläger vier Objekte veräußert hat, bei denen der Zeitraum zwischen Erwerb bzw. Bebauung und Veräußerung jeweils weniger als fünf Jahre betrug, ist entscheidungserheblich, ob der ca. vier Jahre und einen Monat nach dem Erwerb durchgeführte Verkauf des von den Klägern selbst bewohnten Hauses in W in die Betrachtung einbezogen werden kann.

a) Grundstücke, deren Nutzung in nicht unwesentlichem Umfang —d.h. jedenfalls mindestens zur Hälfte— auf Dauer zu eigenen Wohnzwecken des Steuerpflichtigen angelegt ist, scheiden im Regelfall als Zählobjekte aus (vgl. Senatsentscheidungen in BFHE 200, 304, BStBl II 2003, 133, und in BFHE 200, 380, BStBl II 2003, 245).

Das Wohnen im eigenen Heim rechnet nach den Wertungen des EStG grundsätzlich zur ureigenen Privatsphäre. Folglich gehören in nicht unwesentlichem Umfang eigengenutzte Wohnobjekte in aller Regel —abgesehen von besonders gelagerten Ausnahmefällen (vgl. , BFHE 156, 476, BStBl II 1989, 621)— zum notwendigen Privatvermögen. Diese Sichtweise liefert nach Auffassung des Senats auch den tieferen Grund dafür, dass nach der Rechtsprechung des BFH selbst nur vorübergehend (über einen Zeitraum von weniger als fünf Jahren) eigengenutzte Wohnobjekte —anders als vermietete Objekte— in aller Regel nicht dem Umlaufvermögen eines gewerblichen Grundstückshandels zugeordnet werden, wenn der Steuerpflichtige den Verkauf mit „offensichtlichen Sachzwängen” —wie etwa beruflich bedingten örtlichen Veränderungen, dem Umzug in eine näher am Arbeitsplatz gelegene Wohnung, größerem Raumbedarf durch Familienzuwachs, Trennung der Eheleute oder anderen plausiblen Gründen— zu rechtfertigen vermag (vgl. z.B. Senatsurteil in BFHE 200, 380, BStBl II 2003, 245, mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung).

b) Auf dieser Grundlage ist jeweils für den Einzelfall zu prüfen, ob die nur vorübergehende Eigennutzung auf einer von vornherein bestehenden Wiederveräußerungsabsicht oder auf außerbetrieblichen Gründen beruhte. Sind die Gründe für eine außerbetriebliche Veranlassung plausibel dargelegt, ist das eigengenutzte Grundstück nicht dem gewerblichen Grundstückshandel zuzurechnen. Voraussetzung dafür ist, dass objektive Beweisanzeichen vorliegen (, BFHE 163, 382, BStBl II 1991, 519; vom X R 68/00, BFH/NV 2003, 891, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

3. Nach diesen Grundsätzen hat das FG den Verkauf des von den Klägern zum überwiegenden Teil selbstgenutzten Hauses in W zu Unrecht in eine gewerbliche Betätigung einbezogen.

a) Ein zu eigenen Wohnzwecken bestimmtes Gebäude dient regelmäßig unter Außerachtlassung von Renditeerwägungen der Befriedigung des eigenen individuellen, mitunter repräsentativen Wohnbedürfnisses. Dies insbesondere dann, wenn es mit unter Umständen erheblichem Kostenaufwand hergerichtet und ausgestattet wird, was für den Streitfall bestätigt wird durch die Darlegung der Kläger, dieses Objekt sei wegen des zusätzlichen Aufwands ohne Gewinn veräußert worden.

b) Ausschlaggebend ist in erster Linie jedoch der private Beweggrund für den Verkauf des Hauses in W. Nachdem die Klägerin in Z eine Apotheke erworben hatte, lag es für die Kläger nahe, das dort schon Jahre vorher erworbene und bisher vermietete Gebäude für eigene Wohnzwecke zu nutzen, zumal mit dem Betrieb der Apotheke auch Not- und Nachtdienste der Klägerin verbunden waren. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Tatsache, dass der Grund für den Erwerb des Hauses in W —die Beschäftigung des Klägers in W— weggefallen war, konnte es dem Kläger nicht verwehrt sein, das bis zu diesem Zeitpunkt schon vier Jahre und einen Monat selbst bewohnte Haus zu veräußern. Erweist sich der Umzug an den neuen Beschäftigungsort als sinnvoll —was auch das angefochtene Urteil anerkennt— kann berufliche Mobilität nicht dazu führen, vom Steuerpflichtigen zu verlangen, sich aus steuerlichen Gründen nicht vom bisherigen Wohneigentum zu trennen, sondern es zu vermieten. Soweit das FG darauf abgestellt hat, dass der Kläger aus finanziellen Gründen nicht gezwungen gewesen sei, das Haus in W zu verkaufen, verkennt es den Begriff der „offensichtlichen Sachzwänge” i.S. der oben dargelegten Rechtsprechung des BFH und setzt an seine Stelle das Vorliegen einer Zwangslage. Dies wird dem besonderen Charakter der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht gerecht und stellt überzogene Anforderungen an die plausiblen, außerbetrieblichen Gründe für die Weiterveräußerung des eigengenutzten Objekts.

Der vom Kläger schon bei Anschaffung des Objekts gefasste Entschluss zur langfristigen Eigennutzung und dessen anschließende tatsächliche Umsetzung über eine Zeitspanne von etwas mehr als vier Jahren bilden unter den gegebenen Verhältnissen derart gewichtige Umstände, „dass einer im Grunde stets bestehenden bedingten Veräußerungsabsicht keine Bedeutung zukommt” (BFH-Beschluss in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C. III. 5., erster Absatz, am Ende).

4. Hiernach führte die Veräußerung des Hauses in W nicht zur Besteuerung aller Grundstücksan- und -verkäufe als gewerblicher Grundstückshandel. Dafür, dass der Kläger allein durch den Verkauf der drei Reihenhäuser in W Einkünfte aus einem gewerblichen Grundstückshandel erzielt haben könnte, liegen keine Anhaltspunkte vor. Keiner Erörterung bedarf es, ob dem späteren Erwerb weiterer Objekte unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 15 Abs. 2 EStG Bedeutung zukommt, da sie jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des FG nicht weiterveräußert waren.

5. Die Berechnung der Steuer unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA aufgegeben.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2005 S. 1535 Nr. 9
EStB 2005 S. 290 Nr. 8
HFR 2005 S. 749 Nr. 8
LAAAB-55310