Online-Nachricht - Mittwoch, 16.08.2023

Umsatzsteuer | Besteuerung von Mitgliedsbeiträgen eines Fitnessstudios bei pandemiebedingter Schließung (FG)

Beiträge, die Mitglieder eines Fitnessstudios trotz coronabedingter Schließung an den Studiobetreiber zahlen, unterliegen der Umsatzsteuer, wenn sich die Vertragsparteien zu Beginn der Schließzeit auf eine (dann) beitragsfreie Vertragsverlängerung um die Zeit der Schließung geeinigt haben ().

Sachverhalt: Die Klägerin betreibt mehrere Fitnessstudios. Sie begehrt die Behandlung von Geldern, die während pandemiebedingter, behördlich angeordneter Schließzeiten dieser Fitnessstudios vereinnahmt wurden, als nicht umsatzsteuerbar: Nachdem die niedersächsischen Landkreise, die kreisfreien Städte sowie die Region Hannover auf Weisung des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom mit sofort vollziehbaren Allgemeinverfügungen ab dem u.a. den Betrieb von Fitnessstudios untersagt hatten, schloss auch die Klägerin die von ihr betriebenen Fitnessstudios und versandte taggleich eine E-Mail an ihre Mitglieder, in der zunächst über die Schließung der Studios informiert. Darüber hinaus wurde den Mitgliedern im Falle der Fortzahlung der Beiträge eine Trainingsgutschrift für die Dauer der Schließung am Ende ihrer Mitgliedschaft angeboten.

Nach Wiedereröffnung des Studios konnten die Mitglieder eine „Zeitgutschrift als Ergänzung zum Nutzungsvertrag“ oder einen „Gutschein Corona-Pandemie“ per Formular beantragen. Die Zeitgutschrift beinhaltete eine 10-Wochen-Mitgliedschaft, der (übertragbare) Gutschein entsprach dem Wert der während der Schließzeit gezahlten Beiträge.

Von den im Schließungszeitraum vom bis über 17.000 Mitgliedern machten knapp 3.000 von dem Angebot der Klägerin Gebrauch. Davon entschied sich die Mehrzahl für die Zeitgutschrift und rund 500 Personen für den übertragbaren Gutschein. Die übrigen Mitglieder reichten bis zum keinen der o.g. Antragsvordrucke bei der Klägerin ein.

Die während der Schließzeit von den Mitgliedern im Wege des Lastschriftverfahrens weiterhin gezahlten Mitgliedsbeiträge berücksichtigte die Klägerin in ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate März 2020 (anteilig), April 2020 (vollständig) und Mai 2020 (anteilig) nicht. Das FA vertrat nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung die Auffassung, dass die bisher nicht berücksichtigten Umsätze der Besteuerung zu unterwerfen seien.

Daraufhin erklärte die Klägerin mit geänderter Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dezember 2020 negative Umsätze zum allgemeinen Steuersatz. Dem lag die Auffassung zugrunde, dass die Bemessungsgrundlage für die Monate März, April und Mai hinsichtlich derjenigen Mitglieder, die nicht von einem der Anträge Gebrauch gemacht hatten, zu korrigieren sei, weil diesen gegenüber nunmehr endgültig keine Leistung erbracht worden sei. Das FA folgte dem nicht und legte bei der geänderten Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember 2020 vom keine Umsätze zum allgemeinen Steuersatz zugrunde.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe die geschuldete Umsatzsteuer zutreffend nach § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 UStG korrigiert. Denn sie habe ihren Mitgliedern zur Abgabe der ausgelegten Antragsvordrucke eine Frist bis zum gesetzt, nach deren Ablauf sie gegenüber denjenigen, die keinen Antrag auf eine Zeitgutschrift oder einen übertragbaren Gutschein gestellt hätten, endgültig keine Leistungen für die fraglichen Beitragszahlungen erbracht habe.

Mit ihrer Klage hatte sie vor dem Niedersächsischen FG keinen Erfolg:

  • Das FA hat die während der durch die Corona-Pandemie bedingten Schließzeiten fortgezahlten Mitgliedsbeiträge auch derjenigen Mitglieder, die nicht von einem der Anträge Gebrauch gemacht hatten, zurecht als Anzahlung im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. 1 a Satz 4 UStG der Umsatzbesteuerung zugrunde gelegt.

  • Maßgeblich ist, ob ein Leistungsaustausch im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG zwischen den Zahlungen der Mitglieder und den Leistungen des Fitnessstudios vorliegt. Diese Frage wird grundsätzlich nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben beantwortet.

  • Bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrags, durch den sich eine Vertragspartei zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen und die andere sich hierfür zur Zahlung einer Gegenleistung verpflichtet, liegt jedoch regelmäßig auch ein Leistungsaustausch im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vor.

  • Der BGH hat insoweit für das Zivilrecht bereits entschieden, dass Leistungen eines Fitnessstudios bei coronabedingter Schließung wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar sind und der Betreiber nach § 275 Abs. 1 BGB von seiner Leistungsverpflichtung frei wird, gleichzeitig aber seinen Anspruch auf die Gegenleistung nach § 326 Abs. 1 BGB verliert (, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 4.5.2022).

  • Auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts waren bisher Entscheidungen des FG Hamburg und des FG Schleswig-Holstein ergangen. Das FG Hamburg hat in einem ähnlich gelagerten Fall, in dem allerdings „nur" mit einem Aushang vor Ort und in den sozialen Medien Gratis-Monate für die Schließzeit sowie Alternativleistungen angeboten worden waren, das Vorliegen eines Leistungsaustauschs verneint (, EFG 2023, 867, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 3.7.2023).

  • Das FG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass die vereinnahmten Mitgliedsbeiträge jedenfalls mit dem Leistungsbündel der im dortigen Fall erbrachten Alternativleistungen (Online-Kurse u. ä.) in einem Leistungsaustausch stünden (, EFG 2023, 364, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 3.4.2023).

  • Das Niedersächsische FG ist im Streitfall zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Parteien zu Beginn der Schließung auf eine Änderung des jeweiligen Vertrags dergestalt geeinigt haben, dass die Betreiberin der Fitnessstudios ihre Leistungen (teilweise) im Anschluss an die reguläre Vertragslaufzeit und das jeweilige Mitglied die Gegenleistung vorab während der Schließzeit erbringt.

  • Dies folgt daraus, dass dies sämtlichen Kunden zu Beginn der Schließung persönlich und unmittelbar per E-Mail angeboten worden sei, so dass die schlichte Fortzahlung der Mitgliedsbeiträge nach dem objektiven Empfängerhorizont als konkludente Annahme ohne Erklärung gegenüber dem Antragenden gemäß § 151 BGB zu verstehen ist.

  • Im Ergebnis führt dies dazu, dass zwischen den Beitragszahlungen der Mitglieder und den später zu erbringenden Leistungen der Fitnessstudiobetreiberin ein Austauschverhältnis vorliegt und die Zahlungen als Vorauszahlungen im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind.

Hinweis:

Der Volltest der Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Justiz veröffentlicht.

Quelle: u.a. Niedersächsisches FG, Pressemitteilung v. (il)

Fundstelle(n):
NWB FAAAJ-46281